Lieber Herr Kollege Voß, Sie sagten zu Beginn Ihres Dreiminutenbeitrages, es sei deutlich, dass es Differenzen in der Koalition gibt. Ich weiß nicht, wem das hier deutlich geworden ist, den Menschen dort oben auf der Tribüne oder anderen. Aber warum sind Sie so dagegen, dass diese Differenzen deutlich werden? Über die Abstimmung in der Sache erführe die Öffentlichkeit. Über eine Verschiebung in den Ausschuss erfährt die Öffentlichkeit nichts.
Meine Frage an Sie ist: Warum haben Sie nicht die Traute, dass wir in der Sache abstimmen? Dann könnten Sie Ihre abweichende Meinung deutlich machen - oder auch nicht. Das ist doch der Punkt, um den es hier eigentlich geht, Herr Kollege.
- Ich glaube, dass es hier um etwas ganz anderes geht. Es geht darum, dass fünf Fraktionen hier im Haus in dieser Frage ziemlich nah beieinanderstehen. Wenn diese fünf Fraktionen versuchen, das in einem Antrag rüberzubringen, kann ein deutliches Signal kommen.
Der Versuch dazu sollte im Ausschuss gemacht werden. Es sollte nicht jetzt vor Aufregung unbedingt eine Abstimmung herbeigeführt werden, um einen Streit in der Koalition aufzuzeigen, der überhaupt nicht da ist, wie der Koalitionsvertrag an dieser Stelle zeigt.
Dann darf ich feststellen, Herr Kollege Voß, dass der erste Teil Ihrer Ausführungen dann doch nicht so ernst gemeint war; denn wenn es so einfach wäre, dass sich die fünf Fraktionen auf etwas einigen könnten, dann hätten Sie nicht formuliert, die Unterschiede seien sehr deutlich geworden. Es passt intellektuell entweder das eine oder das andere.
Jeder, der genau zuhört, bemerkt gewisse Nuancen in den Reden. Das war damals zu unserer Zeit in der Küstenkoalition auch so. Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich.
Von daher bietet sich gerade bei diesem Thema an, dass wir versuchen, im Ausschuss etwas Gemeinsames hinzubekommen.
Jetzt vielleicht zum Schluss noch einmal zu dem, was wir zum Reduktionsplan im Koalitionsvertrag stehen haben.
Gerade weil der Nationale Aktionsplan in Deutschland überhaupt keine Wirkung entfaltet, weil überhaupt nichts Wirksames darin steht, haben wir drei Koalitionsparteien uns vereinbart, hier landespolitisch heranzugehen, Vorschläge zu machen und auch landespolitisch in die Umsetzung zu gehen. Ich glaube, die Entscheidungen, die in den letzten Jahren gefällt worden sind - auch beim Thema Glyphosat, der Minister wird wahrscheinlich gleich noch darauf eingehen -, machen sehr deutlich, dass wir den landespolitischen Spielraum wahrgenommen haben.
Der andere Punkt ist, dass wir auch Verantwortung übernehmen überall, wo wir es können - ich weiß, ich sehe die hochschulpolitischen Sprecher, wir haben heute Abend noch einen parlamentarischen Abend, bei dem Thema kann man nur sehr begrenzt Einfluss nehmen. Aber gerade in Gesprächen mit der Kammer wird deutlich und in der Zielvereinbarung sehr deutlich, worauf sich die Arbeit konzentrieren soll, und das ist gut so.
Im Koalitionsvertrag - ich glaube, dass sollten Sie sich noch einmal genau zu Gemüte führen - steht, dass wir uns besonders um die humantoxikologisch und ökotoxikologisch problematischen Stoffe kümmern werden. Das ist von allen Koalitionspartnern ein Anerkenntnis, das es hinsichtlich der Giftigkeit der Stoffe Differenzen gibt und dass man nicht sagen kann: Was zugelassen ist, ist zugelassen, und da kann gemacht werden, was man will. - Ich glaube, das ist ein deutliches Zeichen. Von daher bitte ich: Ab in den Ausschuss mit dem Antrag! Wir werden da versuchen, etwas Konstruktives hinzubekommen. - Vielen Dank.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD] und Volker Schnurrbusch [AfD])
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis 10:35 Uhr hatte ich den Eindruck, dass wir ernsthaft über dieses Thema diskutieren, aber seit den Dreiminutenbeiträgen der SPD-Abgeordneten und diesen entlarvenden Zwischenfragen des Fraktionsvorsitzenden
muss ich wirklich sagen: Es ging Ihnen nicht eine Sekunde lang um das Thema. Es geht Ihnen nur darum, hier Theaterdonner erklingen zu lassen und die Grünen vorzuführen.
Meine Vorredner von CDU und Grünen haben es gesagt: Wir sollten im Ausschuss ernsthaft darüber diskutieren, was man machen kann. Das ist doch klar. Ich habe es auch in meiner Rede gesagt: Das Glyphosatzeitalter endet. Schauen Sie sich Ihren Antrag einmal genau an: Sie sagen ja selbst nicht genau, zu wann denn der Einsatz von Glyphosat enden soll. Sie sagen einfach nur, dass Sie einen Ausstiegsplan wollen. Wir wollen auch einen Ausstiegsplan, und den wollen wir gern gemeinsam mit Ihnen im Ausschuss erarbeiten.
Ich finde, das ist ein guter Ansatz. Wir sollten hier nicht weiter Zeit verschwenden und diese Spielchen aufführen. - Vielen Dank.
Ich erteile nun dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck, das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Oliver Kumbartzky, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten sich extra eine blassrosafarbene Krawatte angezogen. Schauen Sie mein Hemd an!
Ich freue mich wirklich über das Erwachen des Umweltbewusstseins der SPD in der Opposition, wirklich!
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD] - Zuru- fe Dr. Kai Dolgner [SPD], Serpil Midyatli [SPD] und Sandra Redmann [SPD] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Arroganz hilft auch nicht!)
In dem Sinne vielleicht zwei Klarstellungen. Wir haben 2013 in der alten Koalition die Anwendung von Glyphosat an Wegesrändern, auf Parkplätzen, auf Garageneinfahrten und auf dem Land gehörenden Gleisanlagen untersagt. Was Schleswig-Holstein 2013 tun konnte, haben wir getan. Es gilt heute noch immer. Schlechter als die Küstenkoalition ist Jamaika in der Hinsicht nicht.
Zweitens zum Antrag selbst: Es steht mir nicht an, Urteile zu fällen, aber der Auftrag an die Bundesregierung, sich für ein Glyphosatverbot einzusetzen, ist eine leere Forderung, weil dieser Prozess abgeschlossen ist. Die Bundesregierung hat sich wegen Unstimmigkeiten in der Bundesregierung im Rat vor ungefähr einer Woche enthalten. Frau Hendricks war dagegen, der Landwirtschaftsminister wollte eine konditionierte Verlängerung, wenn ich das richtig wahrgenommen habe, also gab es eine Enthaltung. Damit ist das Verfahren der Beteiligung der Bundesregierung abgeschlossen. Die Bundesregierung hat keine Chance mehr, auf das Verfahren in Brüssel einzuwirken. Die Entscheidung liegt einzig und allein bei der Kommission.
Da sich die Kommission an etwas orientieren muss und jetzt mehrfach keine Zustimmung für eine Verlängerung im Rat gegeben hat - es gibt also keine Mehrheit in Europa im Rat, also unter den Ländern beziehungsweise den nationalen Vertretungen für eine Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat -, erwarte ich, dass sie den Beschluss des Europaparlamentes zur Grundlage ihrer Entscheidung nimmt. Das ist das einzige europäische Gremium, das eine Mehrheitsentscheidung hinbekommen hat, und die lautet, dass nach fünf Jahren Schluss ist. Ich finde, das ist eine weise Entscheidung, die man als Grundlage des Beschlusses der Kommission nehmen kann. Ich erwarte, dass sich die Kommission an das hält, was wir als Entscheidungsgrundlage in Europa haben.
Die Bundesregierung selbst - insofern geht der Antrag in der Appellation rein fachlich ins Leere - hat außer möglicherweise durch Telefonate keine Möglichkeit mehr, auf das Verfahren in Brüssel Einfluss zu nehmen.
In der Sache selbst ein paar Anmerkungen: Wir haben in der letzten Plenardebatte über Biodiversität und über den Rückgang von Insekten und Bienen und Singvögeln gesprochen. Wir haben die letzten Agrardebatten immer mit der Frage verknüpft: Ist es eigentlich gut für die Landwirte, diese immer industrieller werdende Produktion aufrechtzuerhalten? Insofern haben Bernd Voß und andere, die das gesagt haben, recht: Es gibt weitaus toxischere Präparate als Glyphosat, aber Glyphosat steht eben für das Prinzip, die Anwendung billiger zu machen, wie Heiner Rickers es gesagt hat, billiger zu produzieren, um mehr zu produzieren.
Wir haben es jetzt oft genug geschrieben: Das geschieht inzwischen nicht nur zum Leidwesen der Natur, sondern auch zum Leidwesen der Bauern, nicht nur, weil uns inzwischen der Verlust an Biodiversität bei Bestäubungsleistungen in der Natur einholt, sondern auch, weil die Resistenten der Pflanzen gegen Pestizide immer größer werden und einige Landwirte selbst nicht mehr wissen, wie sie mit der Spritze die chemische Unkrautbehandlung in Anführungszeichen gesetzt - vornehmen sollen.
Dazu kommt natürlich die ökonomische Drangsal und Abhängigkeit von immer wenigeren, immer größeren Konzernen.