Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

In der öffentlichen Diskussion hat sich seinerzeit der Begriff Regio-S-Bahn verfestigt. Für die Region Lübeck ist der Wunsch nach einer besseren SPNV-Anbindung durchaus nachvollziehbar; auch die Forderung, die bestehende Trasse der Bäderbahn zu erhalten, wird in der Region befürwortet.

Nun greift die SPD diesen Wunsch auf und fordert die Realisierung der Regio-S-Bahn zwischen Ratzeburg und Fehmarn. Darüber hinaus spricht sie sich für die Nutzung der Strecke der Bäderbahn für den Regionalverkehr auf der Schiene aus.

Auch wenn ich den Wunsch durchaus verstehen kann, muss ich zugeben, dass mich der Antrag ein bisschen gewundert hat, zumal ich die Diskussion aus der letzten Legislaturperiode ein wenig anders in Erinnerung habe.

(Zuruf CDU: Ja, wir auch!)

Natürlich ist uns die Bedeutung der Bäderbahn für die Region durchaus bewusst. Die im Antrag genannten Personenzahlen und die Steigerungsraten machen dies deutlich. Darum hat sich der SSW seinerzeit bei der Diskussion über den Erhalt der Bäderbahn durchaus gesprächsbereit gezeigt, und wir

waren offen für Vorschläge. Doch letztlich mussten wir auch feststellen, dass sich eben nicht alle Wünsche realisieren lassen.

Der Wunsch wäre in diesem Fall die „2+1-Lösung“, also die Bäderbahn und der Bau einer neuen zweispurigen Trasse. Gerade diese zweispurige Trasse war in der Region gewollt, denn der prognostizierte Güterverkehr sollte eben nicht durch die Bäderorte geführt werden. Aus diesem Grund haben wir uns seinerzeit für den Bau der zweigleisigen Strecke eingesetzt; wohl wissend, dass damit die Stilllegung der Bäderbahn in Kauf genommen werden musste. Dabei war damals klar: Beides, also „2+1“, wird nicht realisiert. Die Bahn wird nicht zwei Strecken betreiben. Das wäre zu teuer, denn beide Strecken könnten nicht gleichzeitig profitabel betrieben werden.

Das Festhalten an der Bädertrasse würde die Neubautrasse gefährden. Bei Erhalt der Bestandstrasse würden die Verkehrsprognosen nicht ausreichen, um die Neubautrasse zu rechtfertigen. Das würde wiederum bedeuten, dass der gesamte Güterverkehr genau dort rollt, wo er nicht gewollt ist, nämlich durch die Ferienorte. Hier sehe ich die Gefahr, dass mit dem vorliegenden Antrag Tür und Tor geöffnet werden für eine Situation, die nicht gewollt ist, denn wir können in der politischen Diskussion nicht so tun, als ob es die Belange und Forderungen der Bahn in diesem Zusammenhang nicht gebe.

Da wir das Ansinnen der SPD und den Wunsch der Region nach einer 2+1-Lösung durchaus nachvollziehen können, plädieren wir für eine Ausschussüberweisung. Vielleicht erlangen wir dort neue Erkenntnisse, die uns dazu veranlassen, alles neu zu überdenken. Sollte hier jedoch in der Sache abgestimmt werden, werden wir als SSW dem Antrag nicht zustimmen können, denn nach unserem bisherigen Erkenntnisstand würden wir der Region damit einen Bärendienst erweisen. Ich bin aber immer offen für neue Argumente, denn ich denke, hier liegt ein Wunsch aus der Region vor. Das unterscheidet die Situation der Bäderbahn ganz deutlich zu der Situation der Strecke zwischen Niebüll und Flensburg, denn hier liegt kein Wunsch aus der Bevölkerung der Region vor. Das ist etwas ganz anderes. Jo tak.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch das Wort.

(Volker Schnurrbusch)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass sich der Kollege Vogt jetzt die richtigen Gegner aussucht, kann ich verstehen. Ich würde natürlich auch auf die kräftige Opposition eindreschen und versuchen, deutlich zu machen, dass Alternativkonzepte völlig überflüssig, aus der Luft gegriffen und nicht finanzierbar sind. Gut, das sind alles die Plattitüden, die man haben muss.

Eigentlich hätte ich vom Kollegen Vogt dann, wenn er hier nach vorn geht und sich in diese Verkehrsdebatte einmischt, erwartet, dass er sich den Kollegen Tietze vornimmt. Der Kollege Tietze stellt sich hier hin und kritisiert ein Regional- und Stadtbahnkonzept, ein S-Bahn-Konzept. Dass ein Grüner hier im Landtag ein Personennahverkehrkonzept infrage stellt, ist ziemlich einmalig. Das hätte die FDP, zumindest Ihr Kollege Kubicki, nie ausgelassen. Er hätte hier ordentlich draufgehauen. Es scheint so zu sein, dass das Sein doch das Bewusstsein bestimmt, und das ist bei Ihnen ganz deutlich sichtbar geworden.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt?

Herr Kollege Baasch, ich habe eigentlich wenig Schmerzen, den Kollegen Tietze durchaus kritisch zu beleuchten. Ich habe aber irgendwann gelernt: In Rosenkriege mischt man sich nicht ein. Deswegen wollte ich mich heute zurückhalten.

- Ein Rosenkrieg wäre bei einer Dreierhochzeit auch schwer zu identifizieren. Zumindest ist die Sozialdemokratie da im Moment außen vor.

(Lukas Kilian [CDU]: In die ist keiner ver- liebt! - Heiterkeit)

- Das wird sich wieder ändern, da bin ich mir ziemlich sicher.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Ja, auch das.

Verehrter Kollege Baasch, ich weiß: Wenn hier in diesem Hause das Stichwort Lübeck auftaucht, dann melden Sie sich zu Wort. Ich kann es verstehen.

Vielleicht haben Sie es nicht mitgekriegt. Ich habe gesagt: Regio-Konzepte sind sinnvoll, zum Beispiel, wenn ich das so sagen darf, auch für die Strecke Lübeck-Hamburg. Das könnte man durchaus überlegen. Auf dieser Strecke fahren über 10.000 Fahrgäste. Das Thema der Regional-S-Bahnen habe ich überhaupt nicht infrage gestellt. Ganz im Gegenteil, Sie haben auf der Liste, die ich hochgehalten habe, gesehen, wie fett grün die Anzahl der Nutzer markiert war. Darüber können wir gern reden.

(Christopher Vogt [FDP]: Ne! - Heiterkeit)

Aber diese Bahn mit 270 Tagesgästen nach Puttgarden zu schicken, ist wirklich nicht zu erschließen, lieber Herr Kollege. Sie unterstellen mir Unsachlichkeit. Ich bitte Sie, uns zu erläutern, ob es Sinn macht, die Züge alle halbe Stunde leer nach Puttgarden fahren zu lassen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Tietze, das ist genau das, was ich bei Ihnen kritisiere. Normalerweise werben Sie dafür, dass man den öffentlichen Personennahverkehr, dass man den SPNV, stärkt.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Moment, lassen Sie mich ausreden. - Dass man diesen stärkt, ist Ihr Ziel. Nun aber sagen Sie: Da fahren ganz viele, dies wollen wir unendlich stärken. Das stimmt, aber ich würde immer sagen: Dann lassen Sie uns doch auch diese neuen Wege erschließen und dafür sorgen, dass die Nutzung dieser Strecken hochattraktiv ist und dass vielleicht viel mehr Menschen umsteigen und diesen Weg wählen. Das ist genau unser Ansatz. Wir wollen die Menschen tatsächlich auf die Schiene bringen, und wir wollen auch, dass während der Zeit des Umbaus der direkten Strecke nach Fehmarn eine Alternative besteht. Wir wissen doch, dass es durch die Baumaßnahmen zu großen Beeinträchtigungen kommen wird. Warum sollten wir dann auch noch

eine bestehende Strecke stilllegen? Um den Stau an anderer Stelle zu vergrößern? Das kann doch nicht Ihr Ansinnen sein.

Gestatten Sie eine weitere Nachfrage oder Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Tietze?

Herr Kollege, es ist bald Weihnachten. Ich habe Zuhause noch eine Modelleisenbahn. Bei der ist es sinnvoll, Züge leer fahren zu lassen,

(Vereinzelter Beifall CDU)

aber bitte nicht im wirklichen Leben. Daher kann ich nur noch einmal sagen: Ihr Vorschlag ist nicht zielführend.

- Herr Kollege Tietze, ich weiß zwar nicht, wann wir uns noch einmal in vernünftiger Form unterhalten wollen, aber ich glaube, das ist nun wirklich unterirdisch gewesen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Ist eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt recht?

Ja, bitte.

Vielen Dank, lieber Wolfgang Baasch. - Weil wir uns ernsthaft auseinandersetzen wollen, habe ich eine ernstgemeinte Frage: Es hat mich gewundert und ehrlich gesagt irritiert, dass die SPD jetzt mit diesem Konzept um die Ecke kommt, vier bis fünf Monate, nachdem sie aus der Landesregierung ausgeschieden ist. Das Konzept stammt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, aus dem Jahr 2011. Warum konnten Sie und Ihr Lübecker Kreisverband sich denn in den letzten fünf Jahren innerhalb der SPD-Landtagsfraktion nicht durchsetzen? Warum war das nicht möglich? Wer war denn dagegen? Das würde ich gern wissen.

- Es geht Ihnen jetzt in einer Koalition genauso, dass nicht alles, was Sie sich wünschen, auch eins zu eins umgesetzt werden wird.

(Zurufe)

Manchmal muss man lernen, dass ein S-Bahn-Konzept in Lübeck, das wir schon seit Langem gefordert haben, und der Erhalt der Bäderbahn eine sinnvolle Ergänzung sind. Das haben wir jetzt praktisch formuliert und bringen dies als Konzept auf den Weg.

Ich will es Ihnen noch einmal erklären: Durch die Baumaßnahmen und durch die Umsetzung dessen, was im Zusammenhang mit Hinterlandanbindung und Ausbau steht, wird es in der Region Belastungen geben. Es macht gar keinen Sinn, vor dem Hintergrund der Belastungen, die auf die Menschen zukommen, auch noch Strecken stillzulegen, die eigentlich dringend gebraucht werden.

(Beifall SPD)

Das Konzept, das Sie in Ihren Vorstellungen beschreiben, wirkt in 10 bis 15 Jahren. Wir wollen jetzt umsteuern. Wir wollen jetzt aktiv werden, und genau das ist der Ansatz für unseren Antrag. Das ist genau der Ansatz dafür, den Menschen dort eine Alternative zu bieten.

Gestatten Sie eine weitere Nachfrage des Herrn Abgeordneten Oliver Vogt?

Ja, auch wenn das hier eigentlich keine Fragestunde, sondern ein Dreiminutenbeitrag sein sollte.

Lieber Kollege Baasch, bitte verraten Sie mir doch einmal eines; ich weiß nicht, ob Ihnen das in der bisherigen Diskussion verborgen geblieben ist. Ich habe ja durchaus meine Sympathie für die Bäderbahn geäußert, übrigens auch nicht erst seit gestern, sondern schon in den letzten Jahren, was Sie auch nicht gesehen haben. Das Problem bei Ihrem Konzept besteht ja darin, dass der Weiterbetrieb der Bäderbahn ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzeptes ist. Das Problem ist aber der Letter of Intent, also die Vereinbarung zwischen der Bahn und dem Land Schleswig-Holstein, die der damals von Ihnen gestellte Ministerpräsident getroffen hat.