Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zum Ende der Debatte gern noch einmal drei Gesichtspunkte aufgreifen. Zum einen finde ich es richtig, dass wir uns, auch wenn man eine andere Präferenz hatte, zu einer gemeinsamen Lösung durchringen. Es ist eine gute Sache für dieses Haus, dass das mit großer Mehrheit beschlossen wird.
Da gelegentlich auch ein bisschen Geringschätzung für den Vorschlag der SPD zum Ausdruck gekommen ist, des Kieler Matrosenaufstands zu gedenken, möchte ich sagen, dieser Vorschlag hatte auch etwas damit zu tun: Das waren sehr mutige Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens für das Ende des Krieges und für den Beginn der Demokratie eingetreten sind,
und das am Standort Kiel. Das gibt es ja nicht so oft. Deswegen würde ich mir wünschen, dass, unbeschadet dessen, dass es kein Feiertag wird, das 100-jährige Jubiläum in diesem Jahr eine besondere Wertschätzung erfährt, nicht nur durch die Sozialdemokratie, sondern auch durch andere; denn ich glaube wirklich, dass es eine große Tat gewesen ist, die Monarchie zurückzudrängen und dafür zu sorgen, dass es demokratische Verhältnisse gibt. Das ist ein gutes Signal gewesen, das von Kiel ausgegangen ist, und das ist ein guter historischer Tag für Kiel. Es gibt sehr viele Veranstaltungen, auch solche der Sozialdemokratie, zu denen ich Sie herzlich einladen möchte, wenn sie in diesem Jahr stattfinden.
Zweite Bemerkung. Die Verengung auf ökonomische Gesichtspunkte, die teilweise die Debatte geprägt hat, finde ich ganz falsch. Wir haben eine 24-Stunden-Gesellschaft, in der rund um die Uhr unglaublich viel stattfindet, aber in der kaum Gelegenheit zu Muße, Reflektion und zum Nachdenken besteht. Auch die Frage, dass das Ökonomische nicht allein unser Leben bestimmt, finde ich, ist schon etwas, worüber es sich nachzudenken lohnt. Ein Feiertag ist durchaus etwas, was Gelegenheit dazu bietet. Auch deswegen begrüße ich das.
Die dritte Bemerkung, die ich gern machen möchte, ist: Ich habe selbst Geschichte studiert, und ich weiß, man muss Menschen und Dinge immer in ihrem historischen Kontext betrachten. Da macht es sich mancher übrigens sehr leicht, der von seinem Stuhl aus heute Dinge beurteilt. Die Reformation war in allererster Linie auch eine gesellschaftliche Reformbewegung. Sie war eine Reformbewegung, die sich zum Beispiel gegen das richtete, was vorher durch die Bauernkriege, durch die Pestwelle, durch die Dominanz der Kirche, die Bildung und andere Dinge entstanden ist. Übrigens ist die Reformation sogar die Voraussetzung dafür, dass heute die Religionen friedlicher zusammenarbeiten und dass es die Ökumene gibt, weil sie sich nämlich gegen die Dominanz der damalig herrschenden katholischen Kirche richtete, die ja die Leute mit Ablas
shandel und allen möglichen Dingen wie der Inquisition und Bildungsprivilegien getriezt hat. Sie ist auch der Ausgangspunkt von Urbanität und Zivilität in Deutschland.
Ich glaube, einen solchen Tag, den Tag der Reformation, als Ausgangspunkt zu wählen, um über gesellschaftliche Reformen zu reden, die das Gemeinwesen stärken, sich gegen Privilegien richten und heute Toleranz gegenüber allen anderen ausüben, ist etwas Gutes für unsere Gesellschaft. Wenn das der Landtag heute mit großer Mehrheit sagt, dann ist das eine prima Angelegenheit. - Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher! Ich werde dem vorliegenden Gesetzentwurf und damit der Einführung des Reformationstages als Feiertag zustimmen, aber ich werde das nicht mit Freude tun. Ich werde das nicht mit Überzeugung tun. Ich werde das mit zwei weinenden Augen tun, nicht mit einem lachenden.
- Ja, und ich werde das in der Tat mit der Hand tun. Danke für diesen praktischen Hinweis darauf, wie man hier abstimmt, den ich als Neuling natürlich gern von Ihnen aufnehme.
Warum dem so ist, warum ich das ohne jede Freude tun werde, werde ich Ihnen gern begründen. Der wesentliche Grund dafür, warum ich zustimmen werde, ist ein rein praktischer. Ein freier Tag wäre für die Familien gerade im Hamburger Umland viel weniger wert, wenn er nicht in beiden Ländern gilt. Wer in einem Land wohnt, zur Schule oder zur Kita geht und in einem anderen Land arbeitet, der ist darauf angewiesen, dass die Feiertage einheitlich sind. Das ist für mich aber auch der einzige Grund, der für diesen Tag spricht.
Ende 2015 gehörten in Schleswig-Holstein gerade einmal knapp 48 % der Menschen der evangelischen Kirche an. Nahezu genauso viele, 47 %, gehörten keiner der großen Religionsgemeinschaften an. Trotzdem: Von den neun bisherigen Feiertagen in Schleswig-Holstein sind sechs bereits christliche,
religiöse Feiertage. Meine Damen und Herren, ein weiterer christlicher Feiertag stiftet für mich keinen weiteren Sinn.
Der Reformationstag eint für mich nicht. Er ist kein Feiertag, der bei der Mehrheit der Menschen in Schleswig-Holstein mehr ziehen könnte. Der Reformationstag ist für mich persönlich der falsche Feiertag. Er ist ein freier Tag, das ist richtig. Reformationstag oder Halloween? - Ich befürchte, den meisten wird das egal sein.
Dagegen hätte es eine bessere Alternative gegeben, und das ist in der Tat der 23. Mai, der Tag unseres Grundgesetzes. Artikel 1 unseres Grundgesetzes sagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Was gibt es denn für einen besseren Wert für alle in diesem Land als die Würde des Menschen? Unsere Grundrechte betreffen alle Menschen in unserem Land, unabhängig von Religion, unabhängig vom Alter, unabhängig von der sexuellen Orientierung, unabhängig von der Herkunft und unabhängig davon, was Menschen sonst unterscheidet. Die Würde des Menschen als universelle Basis wäre in der Tat ein gemeinsames Verständnis. Das wäre ein echter Grund für einen sinnstiftenden Feiertag gewesen.
Es wäre nett, Ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder dem Kollegen Holowaty zukommen zu lassen. Herzlichen Dank.
Das gäbe uns die Chance, Jahr für Jahr ein anderes unserer Grundrechte in den Vordergrund zu stellen, und dafür, Jahr für Jahr diesen Feiertag, diesen 23. Mai, neu zu erfinden, die Vielfalt der Grundrechte darzustellen und an sie zu erinnern.
Meine Damen und Herren, wir beschließen heute den Reformationstag und geben den Menschen einen freien Tag mehr. Aber wir geben der großen Mehrheit - zumindest meine ich, dazuzugehören keinen neuen Sinn. Wir vertun eine Chance. - Danke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bin aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Gründen eigentlich gegen die Einführung eines neuen Feiertages, werde mich dem Anliegen aber trotzdem heute anschließen. Das kann man auch ganz einfach begründen.
Ich möchte noch etwas zur Art der Debatte sagen. Es wurde in der Debatte häufig gesagt: Die FDP, das sind die, die den Menschen den Feiertag nicht gönnen, und wir, die anderen Parteien, sind die, die die Menschen ganz großzügig damit beschenken. Das Ganze ist aber keine Neiddebatte, sondern das ist eine Frage der Wirtschaftskraft, und so haben wir diese in der FDP auch behandelt. Wer das kritisiert und so behandelt, wie das hier getan wurde -
- Für den kommt das Geld aus dem Automaten und muss nicht erwirtschaftet werden. Das ist auch nicht ein Tag, an dem mal ein Laden zugemacht wird. Ich weiß nicht, was für ein Bild Sie von der Wirtschaft in unserem Land haben. Anscheinend keines. Wir sind ein Land, das auch sehr stark von Logistik abhängig ist. Logistik bedeutet, dass auch über größere Entfernungen Waren und Güter transportiert werden, zum Beispiel von Spanien nach Skandinavien. Die LKW, die das transportieren, dürfen an einem Feiertag nicht fahren. Jetzt raten Sie einmal, was passiert, wenn wir an einem Mittwoch einen Feiertag haben. Wird dann wohl ein LKW von Spanien aufbrechen und nach Skandinavien fahren?
- Merken Sie nicht, dass das total unsympathisch ist, wenn Sie sich nicht dem zuwenden, was die Menschen auch beschäftigt? - Deswegen haben wir grundsätzliche ordnungspolitische Überlegungen, die gegen einen Feiertag sprechen.
Nun ist es so, dass sich der Ministerpräsident mit den Regierungschefs der Nachbarländer auf den Reformationstag geeinigt hat. In diesem Fall fällt für uns die ordnungspolitische Notwendigkeit, sich
dagegen auszusprechen, natürlich weg, denn wenn in Hamburg und Niedersachsen die LKW nicht fahren dürfen, dann dürfen sie es natürlich auch in Schleswig-Holstein nicht. Deshalb werden wir dem als zweitbeste Lösung zustimmen.
Den Kritikern an einem Reformationstag möchte ich übrigens sagen: Es handelt sich hier nicht um einen Martin-Luther-Tag. Wir werden nicht Herrn Martin Luther an diesem Tag verehren, sondern wir werden an die Werte der Reformation denken. Ich finde die Kritik hier etwas überzogen.
- Sehr geehrte Kollegin Pauls, ich will gerade weg von der Neiddebatte. Das hat nichts damit zu tun, dass wir hier zu wenige Feiertage haben. Glauben Sie, dass die Wirtschaftskraft besser wird, wenn wir hier mehr Feiertage haben? Das ist doch ein absoluter Unsinn. Bitte, kommen Sie doch von dieser Basis weg.
Sie scheinen mich nicht verstanden zu haben. Deswegen frage ich noch einmal: Wie bekannt, gibt es in Bayern, ich glaube, 14 Feiertage. Auch dort müssen LKW fahren oder nicht. Haben Sie den Eindruck, dass dies der bayerischen Wirtschaft in irgendeiner Art und Weise schaden kann? Jedenfalls ist es selbst von der IHK in Bayern eine Behauptung, dass das nicht der Fall ist. Teilen Sie denn diese Auffassung?