Ich will die Blütenlese - die Kollegen haben das ja auch schon ein wenig getan - aus den Verfassungen hier nicht fortsetzen. Es wäre aber sicherlich instruktiv, in den verschiedenen europäischen Verfassungen, insbesondere der osteuropäischen Länder, die sich nach 1989 neue Verfassungen gegeben haben oder als Staaten erst neu gegründet wurden, nachzulesen und zu prüfen, wie weitgehend der Minderheitenschutz dort ist.
Auch wenn wir wissen, dass nicht alles, was in Verfassungen formuliert ist, in konkretes staatliches Handeln umgesetzt wird, so ist der Umgang mit den Roma in vielen osteuropäischen Ländern mit dem Wortlaut der jeweiligen Verfassungen vermutlich nur schwer zur Deckung zu bringen. Der Antrag verweist aber zu Recht darauf, dass wir mit Aufnahme der Schutzbestimmung in das Grundgesetz dokumentieren, dass Minderheiten und Volksgruppen integraler Bestandteil der Gesellschaft sind und deshalb Anspruch auf Schutz und Förderung haben. Es wäre ein wichtiges und deutliches Bekenntnis zur gesamtstaatlichen Verantwortung für unsere Minderheiten.
Der Augenblick - auch dies ist schon gesagt worden - für unsere Bundesratsinitiative ist günstig, nachdem erst in der vergangenen Woche die neue Bundesregierung gebildet wurde. Im Koalitionsvertrag ist eine Aufnahme der Minderheiten in das Grundgesetz nicht explizit vorgesehen, aber es soll eine Novellierung des Grundgesetzes in verschiedenen Punkten geben, sodass sicherlich auch eine Bestimmung in Bezug auf die Minderheiten aufgenommen werden könnte.
Obwohl die Regierung Merkel IV die erste Große Koalition ist, die nicht über eine Zweidrittelmehrheit der Mandate verfügt, bin ich mir sicher, dass zumindest mit drei der Oppositionsfraktionen im Bundestag Einvernehmen in dieser Frage hergestellt werden kann. Deshalb bitten wir, deswegen bitte ich, dem Antrag von SSW und SPD zuzustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit den 90er-Jahren gibt es auf Bundes- und auf Landesebene immer wieder Diskussionen über die Verankerung des Minderheitenschutzes im Grundgesetz oder auch in den Landesverfassungen. Wir begrüßen die Initiative des SSW, sich auf Bundesebene für den Schutz von nationalen Minderheiten und Volksgruppen einzusetzen und deren Schutz durch eine ähnliche Klausel auch im Grundgesetz zum Ausdruck zu bringen.
Unsere Landesverfassung besitzt dafür Vorbildcharakter; denn schon seit 1990 enthält diese eine Klausel zum Schutz der dänischen und der friesischen Minderheit. 2012 wurde es nach sehr vielen ich würde sagen: zu vielen - Anläufen endlich geschafft, auch die Minderheit der Sinti und Roma durch die Landesverfassung zu schützen. Die Kollegen von uns, die damals schon dabei sein durften - ich gehöre dazu -, werden sich noch gut daran erinnern. Das war ein großer Tag für unser Land.
Inzwischen haben wir auch in Fragen, die die Sinti und Roma betreffen, einen breiteren politischen Konsens, zumindest hier im Parlament, erzielen können. Wir Grüne haben uns immer wieder für diese Verfassungsänderung ausgesprochen. Dieser Schritt - die Verfassungsänderung - war richtig. Es war ein Zeichen der Anerkennung und des Dazugehörens der Sinti und Roma. Durch die anschließende Einrichtung des Kontaktausschusses für die Sinti und Roma - eine direkte Folge der Verfassungsänderung - sorgen wir als Parlament, aber vor allem die Minderheit der Sinti und Roma selbst dafür, dass ihre Anliegen in regelmäßigen Abständen mit uns Abgeordneten diskutiert werden; meistens können gute Lösungen gefunden werden.
Gerade jetzt, da Minderheitenrechte grundsätzlich infrage gestellt werden, kommt die Initiative des SSW zur Änderung des Grundgesetzes genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Aufnahme der anerkannten nationalen Minderheiten - der dänischen Minderheit, der Sorben, der Friesen, der Sinti und Roma würde deren Existenz ein Stück weit besser absichern und schützen. Die Verankerung der nationalen Minderheiten im Grundgesetz würde auch bedeuten, dass durch den entsprechenden Artikel, je nachdem, wie er dann ausgestaltet ist, die Forderun
Wir glauben, dass die besondere Stärke der Verankerung der Minderheitenrechte im Grundgesetz neben den entsprechenden Bestimmungen, die es in Landesverfassungen schon gibt - darin bestünde, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes, das heißt universell, zu den Minderheitenrechten bekennen würde. Das allein ist schon Grund, diese Verfassungsänderung voranzutreiben. Von der historischen Verantwortung, die wir aufgrund der Geschichte Deutschlands haben, zu der auch die Verfolgung von Minderheiten gehört, will ich hier gar nicht sprechen. Das ist aber sicherlich ein Aspekt, der dazugehört.
Der Bundesrat - Kollege Harms hat es erwähnt - hat sich bereits 1993, damals auch unter Beteiligung Schleswig-Holsteins, für die Aufnahme einer Minderheitenklausel in das Grundgesetz ausgesprochen. Wir glauben, dass man 25 Jahre später nicht hinter diesen Beschluss zurückfallen sollte.
Wir freuen uns darüber, dass du, lieber Lars, in deiner Rede deutlich gemacht hast, dass ihr bewusst eine offene Form für den Antrag gewählt habt. Denn eines ist auch klar: Wir können eine Grundgesetzänderung nicht allein bewirken. Es ist ein dickes Brett, das wir auf unterschiedlichen Ebenen bohren müssen. Unser Ziel ist es, dass wir eine entsprechende Bundesratsinitiative nicht allein einbringen, sondern gemeinsam mit den Ländern, die den Schutz von Minderheiten in der einen oder anderen Form schon in ihre Verfassungen aufgenommen haben. Dazu gehören Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, aber auch, was ich gar nicht wusste, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Gemeinsam mit diesen Ländern, vielleicht auch mit anderen, sollten wir die Initiative ergreifen.
Wir glauben, dass es gut ist, zu dieser Frage eine Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss und im Europaausschuss durchzuführen. Es gibt juristische Zweifler; das sollte man nicht verhehlen. Sie müssen überzeugt werden. Vielleicht kann eine Anhörung etwas Positives bewirken.
Wir fänden es auch gut, wenn wir in diesem Rahmen den neuen Minderheitenbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Fabritius, in unser Haus einladen würden, um auch mit ihm ins Gespräch zu kommen. Daneben führen wir schon Gespräche in den Minderheitengremien und darüber hinaus mit
Ich möchte noch ganz kurz auf die Minority-SafePack-Initiative eingehen. Sie ist ebenfalls absolut unterstützenswert und berührt das Thema Minderheitenschutz und Minderheitenrechte in der EU. Insoweit kann ich mich Herrn Lehnert anschließen.
Ich will aber auch das noch einmal sagen: Ein paar Tage noch gibt es die Möglichkeit, diese Initiative auch online - zu unterstützen und zu unterzeichnen. Man sollte es tun. Gerade in Deutschland ist bei den Unterschriften für Minderheitenrechte noch deutlich Luft nach oben. Unterschreiben Sie diese Initiative, falls Sie es noch nicht getan haben! Vielen Dank. Ich freue mich auf die Beratungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit über die Gesamtheit. Das ist grundsätzlich auch gut so, und das unterscheidet uns angenehm von anderen Regierungsformen, zum Beispiel einer Diktatur oder einer Monarchie, wo einzelne oder wenige die Mehrheit beherrschen.
Schwierig kann es natürlich für diejenigen sein, die nicht der Mehrheit angehören. Ein Schutz von Minderheiten ist also geboten. So wird gewährleistet, dass niemandes Freiheitsrechte eingeschränkt werden. So werden die freie Lebensgestaltung und letztlich auch die demokratische Willensbildung gewährleistet. Der Schutz von Minderheiten ist also wichtig.
Trotzdem schreie ich hier nicht: „Hurra! Lasst uns das Grundgesetz ändern!“ Das Grundgesetz ist nämlich kein Stück Prosa, das man einfach mal so ändern sollte. Das Grundgesetz hat eine sehr wichtige Funktion. Es ist der Schild der einzelnen Bürger gegen jegliche Willkür des Staates.
Seine einfache Struktur in den Artikeln 1 bis 20 sorgt dafür, dass jeder Bürger seine Rechte nachlesen und auch verstehen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Artikel 6 der schleswig-holsteinischen Verfassung werden die nationalen Minderheiten und Volksgruppen explizit erwähnt. Sie sind Träger von besonderen Rechten gegenüber dem Land. Aber genauso gibt es die Artikel 7, 8 und 10; hier werden Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftigen sowie Kindern und Jugendlichen ebenfalls besondere Rechte, zumeist Schutzrechte, eingeräumt. Das ist der Aufbau unserer Verfassung, und das ist der Aufbau all der vielen Verfassungen, die hier schon zitiert wurden.
Das ist allerdings nicht der Aufbau des Grundgesetzes. Das Grundgesetz ist nämlich anders aufgebaut. Anstatt einzelne Gruppen aus der Gesamtheit herauszunehmen, werden Schutzrechte aller Menschen einmal positiv formuliert - in Artikel 2 - und einmal in Form des sogenannten Diskriminierungsverbots, Artikel 3. Dort heißt es:
„Niemand darf wegen … seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Mit anderen Worten heißt das doch: Alle Angehörigen ethnischer, sprachlicher, kultureller, nationaler, lebensanschaulicher Minderheiten werden in ihren Eigenheiten umfassend geschützt. Es stimmt einfach nicht, dass die Minderheiten hier nicht geschützt würden.
Und - auch das sollte einmal gesagt werden - im Gegensatz zu vielen anderen Verfassungen, auch zu hier zitierten Verfassungen und zu Verfassungen unserer Nachbarländer, schützt unser Grundgesetz nicht nur die Bürger, sondern alle Menschen, die hier leben. Ich finde, wir haben eine der modernsten, liberalsten, fortschrittlichsten Verfasstheiten, und darauf können wir mit Recht stolz sein.
Eine zusätzliche Erwähnung der Minderheiten würde zweifellos eine angebrachte Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Allerdings würde sie darüber hinaus keine Wirkung entfalten.
Sehr geehrte Damen und Herren, es werden immer zwei Argumente eingebracht, die eine Änderung des Grundgesetzes zwingend erscheinen lassen sollen.
Die erste ist: In Artikel 3 der schleswig-holsteinischen Verfassung heißt es, die - ich zitiere - „im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rech
te sind Bestandteil dieser Verfassung“. Einer weiteren Erwähnung von Minderheiten - heißt es dann in der Begründung immer Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftiger, Kinder und Jugendlicher, hätte es nicht bedurft. Das kann man so sehen, ist aber nicht zwingend richtig; denn immerhin handelt es sich beim Diskriminierungsverbot aus dem Grundgesetz nicht um ein Recht, sondern um ein Verbot.
Das zweite Argument ist: Wir haben - das war erst vor Kurzem - hier beschlossen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Das ist genau wie bei den Minderheiten auch nur deklaratorisch. Wie Sie sich sicherlich erinnern, hatte die FDP-Fraktion genau aus diesem Grund Bedenken, dieser Initiative ohne Weiteres zuzustimmen. Den Ausschlag für meine Zustimmung hat letztendlich gegeben, dass mit der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz eine substanzielle Änderung herbeigeführt werden sollte, nämlich die Stärkung von Kindern als eigenen Rechtsträgern gegenüber den Eltern, die nach Artikel 6 ebenfalls Rechte über die Kinder haben. Das hat jedenfalls mich überzeugt, und wahrscheinlich ist es etlichen Kollegen genauso gegangen. Wir stehen hier also - sage ich einmal zusammenfassend - in einem Abwägungsprozess, die Klarheit und die Stringenz unseres Grundgesetzes auf der einen Seite gegenüber einem Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Minderheiten auf der anderen Seite.
Ich weiß heute nicht, was die beste Lösung ist. Aber natürlich bin ich gern bereit, mir die Argumente aller Seiten anzuhören. Ich denke, das müssen wir dann gründlich abwägen, und allein der Respekt vor unserem Grundgesetz gebietet hier eine Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Mit dem vorliegenden Antrag soll eine verfassungsrechtliche Debatte wiederbelebt werden, die bereits in den Jahren 1991 bis 1993 auf Bundesebene Gegenstand von Beratungen der damaligen Gemeinsamen Verfassungskommission gewesen ist. Die Kommission hatte seinerzeit die Einführung eines neuen Artikels 20 b in das Grundgesetz empfohlen, die den Minderheitenschutz verstärkt zum Ausdruck bringen sollte. Den
damals geplanten Wortlaut dieses Artikels haben Sie, sehr geehrter Herr Kollege Harms, bereits in Ihrer Antragsbegründung zitiert.
Nicht erwähnt haben Sie aber in Ihrem Antrag die Gründe, die dafür ursächlich waren, dass der Vorschlag seinerzeit in der Schlussabstimmung des Bundestages gescheitert ist. Neben den Auseinandersetzungen um eine zusätzliche Schutz- und Förderungsklausel speziell zugunsten nationaler und ethnischer Minderheiten war damals vor allem der programmatische Gehalt des geplanten Zusatzartikels äußerst umstritten; denn die Befürworter hatten die Debatte damals völlig unverhältnismäßig aufgeladen und die geplante Verfassungsergänzung zu einem weiteren Schritt in die damals eifrig befürwortete multikulturelle Gesellschaft verklärt. Die damit einhergehende politische Überfrachtung einer verfassungsrechtlichen Reformdiskussion ist den Befürwortern der geplanten Ergänzung dann auch auf die Füße gefallen.
Es bringt insofern wenig, wenn Sie diesen politischen Hintergrund in Ihrer Antragsbegründung ausklammern und stattdessen ausführlich aus der damaligen Stellungnahme der Kommission zitieren. Dies ist heute nur noch Verfassungsgeschichte, die wir nicht um ihrer selbst willen wiederholen müssen. Denn Ihre Schlussfolgerungen aus dem damaligen Scheitern sind unzutreffend. Sie schreiben, dass unserer Verfassung die Akzeptanz des Minderheitenschutzes als eine gesamtstaatliche Verantwortung fehlen würde. Das stimmt aber nicht. Die verfassungsrechtliche Verankerung und damit auch die Akzeptanz des Minderheitenschutzes im Grundgesetz hängen nicht von der von Ihnen geforderten Ergänzung ab. Vielmehr ist der Minderheitenschutz bereits jetzt Bestandteil des Gleichheitsgrundsatzes und der weiteren Diskriminierungsverbote in Artikel 3 des Grundgesetzes. Die Merkmale Sprache, Heimat und Herkunft werden dort in Absatz 3 ausdrücklich genannt. Ein Regelungsdefizit besteht daher nicht. Der Kollege Richert hat eben auch schon darauf hingewiesen.
Es ist im Übrigen auch konsequent und nachvollziehbar, dass Bestimmungen zum Minderheitenschutz in den einschlägigen Landesverfassungen ausführlicher geregelt werden als im Grundgesetz. Dies ist schließlich ein Thema, das vorrangig diejenigen Bundesländer betrifft, in denen nationale Minderheiten konkret beheimatet sind. Diesem Umstand hat die Verfassung des Landes SchleswigHolstein in Artikel 6 bereits Rechnung getragen, und ja, sehr geehrter Kollege Lehnert - er ist gerade nicht da -, auch in dieser Legislaturperiode besteht
in diesem Hohen Haus Konsens darüber, dass der Schutz von Minderheiten wichtig ist und den verfassungsmäßigen Rang auch genießen sollte - hier bei uns in Schleswig-Holstein.