in diesem Hohen Haus Konsens darüber, dass der Schutz von Minderheiten wichtig ist und den verfassungsmäßigen Rang auch genießen sollte - hier bei uns in Schleswig-Holstein.
Für eine weitergehende Ergänzung des Grundgesetzes jedoch sehen wir keinen Handlungsbedarf und können Ihrem Antrag auch in der Sache nicht folgen, beraten aber gern im Ausschuss darüber, ob es hier noch einen Weg gibt. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch zwei, drei Dinge zu erläutern. Der Kollege Richert hat Recht. Wir haben Grundrechte, und die schützen Einzelne. Das ist eindeutig so, und zwar sowohl vor Diskriminierung als auch davor, dass bestimmte Kreise oder bestimmte Personen bevorzugt werden. Das ist auch gut so. Das ist alles in Ordnung. Sie haben dann aber gesagt, wir haben Gruppenrechte, auch auf Landesebene, und da funktioniert das schon ganz gut. Warum sollen wir jetzt diese Gruppenrechte noch auf Bundesebene heben? Wir haben sowohl bei uns hier als auch auf Bundesebene schon die Regelung, dass Behinderte durch das Grundgesetz geschützt sind. Die Formulierung heißt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ - Artikel 3 Satz 2, 1994 eingefügt. Das ist also auch nicht original aus dem ersten Grundgesetz, sondern später nachgearbeitet.
Die heutige Große Koalition möchte jetzt Kinderrechte - die haben Sie auch zitiert - in das Grundgesetz aufnehmen. Das heißt, da sind wir schon im Gleichklang. Das einzige, was noch fehlt, ist das von Ihnen zitierte Minderheitenrecht, sprich: der Artikel 6, der bei uns gegeben ist, aber noch nicht auf Bundesebene. Das möchten wir gern nachvollziehen. Es ist nicht nur deklaratorisch. Das muss man ganz ehrlich sagen. Es ist nicht nur Deklaration, und dann hat das keine Folgewirkung. Ich habe eben ein Beispiel genannt. Es geht darum, dass man schauen muss, dass bestimmte Regelungen, die möglicherweise beschlossen werden, aufgrund solcher Bestimmungen beispielsweise vor dem Bundesverfassungsgericht auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden können, und verfassungswidrige Dinge dürfen nicht erlassen werden. Das wäre
schon ein Recht von Minderheiten, sich wehren zu können, wenn man etwas als verfassungswidrig auffasst. Das ist heute aber nicht der Fall. Als Gruppe können wir das nicht. Das kann ich als Einzelperson, aber nicht als Gruppe.
Das wäre der große Vorteil, und das würde im täglichen Leben eines Abgeordneten im Bundestag, aber auch in einer Regierung, dazu führen, dass man anhand dieses Verfassungsartikels, wenn er darin steht, Gesetzesinitiativen oder Handlungen aus den Ministerien, beispielsweise Verordnungen oder Erlasse, abprüfen muss, ob die unter Minderheitengesichtspunkten okay sind oder nicht. Es wäre für die Minderheiten ein Riesenfortschritt, genau wie für die Kinder oder wie wir es jetzt schon für die behinderten Menschen in unserem Land haben. Es ist also nicht nur deklaratorisch.
Rasmus Andresen hat gerade zwei wichtige Dinge gesagt, die, glaube ich, noch einmal hervorgehoben werden müssen. Wenn wir mit einem eigenen Antrag kommen würden - ich stelle es in den Konjunktiv, hoffe aber dass das so geschehen wird -, müssen wir uns Bündnispartner suchen. In der Vergangenheit waren es immer Sachsen und Brandenburg, weil sie die sorbische Minderheit in ihren Ländern beheimaten. Wir sind vom Minderheitenrat schon angesprochen worden, der uns mitgeteilt hat, dass er Anfragen von der Politik aus Sachsen und Brandenburg bekommen hat: Was läuft da in SchleswigHolstein? Wir haben gehört, dort läuft so ein Antrag. Wir würden uns gern daran beteiligen wollen. - Also, das Interesse besteht.
Ich finde auch die Idee von Rasmus Andresen gut, zu sagen, wir sollten vielleicht einmal den neuen Minderheitenbeauftragten der Bundesregierung einladen, damit er sich an dem orientieren kann, was wir hier unter Minderheitenpolitik verstehen, was wir gern möchten. Vielleicht finden wir dort noch einen Bündnispartner.
Ein Letztes, auch das geht auf Rasmus Andresen zurück: Er hat noch einmal deutlich gemacht, dass es für die Sinti und Roma wichtig sein kann, einen solchen Verfassungsartikel zu bekommen, nicht nur für unsere deutschen Sinti und Roma. Für die sowieso, die würden sich natürlich darüber freuen wie alle anderen Minderheiten auch. Ich glaube, es wäre ein Zeichen für Sinti- und Roma-Minderheiten in Süd- und Osteuropa. Auch das ist etwas, eine solche Botschaft aus Deutschland herauszubringen und zu sagen, wir schützen die Sinti und Roma, die vor 70, 80 Jahren in diesem Land noch massiv verfolgt und getötet wurden. Ein grandioseres Signal kann es eigentlich nicht geben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Am Dienstag war ich zu Gast auf dem Regionaltag der Region Sønderjylland-Schleswig in Padborg. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit war hier das große Thema.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist in unserer Region ohne Minderheitenbezug nicht möglich. Bei uns in Schleswig-Holstein haben die Dänen, die Friesen, die deutschen Sinti und Roma und auch die niederdeutsche Sprechergruppe eine tragende Rolle. Sie beeinflussen unser Leben positiv, unsere Kultur, auch unsere Politik, und das nicht nur in Bezug auf unser Nachbarland Dänemark. Wenn es ein Land gibt, das für hervorragende Minderheitenpolitik steht, dann ist es Schleswig-Holstein. Parteiübergreifend werden seit Jahrzehnten unsere Minderheiten gefördert und aktiv in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik einbezogen.
Ein sichtbares Zeichen dafür ist, dass wir seit nunmehr 30 Jahren einen Minderheitenbeauftragten haben. Damit hatte Schleswig-Holstein lange ein Alleinstellungsmerkmal. Im Bund gibt es ihn erst seit 2002.
Im November letzten Jahres haben wir hier im Plenum die Minderheitensprachen thematisiert. Im Juli davor war die Minority-SafePack-Initiative Thema. Das Thema Minderheiten ist also regelmäßig bei uns auf der Tagesordnung. Ich sage ganz deutlich: Das ist wichtig, und das ist richtig so; denn wir sind ein Land, in dem Vielfalt großgeschrieben wird.
Sowohl wir als Landesregierung als auch der Landtag unterstützen die Minority-SafePack-Initiative, eine der bedeutendsten solidarischen Aktionen der Minderheiten in Europa. Der Endspurt läuft. Es fehlen noch knapp 100.000 Unterschriften bis zu einer Million. Gerade in Deutschland - der Kollege Rasmus Andresen hat darauf hingewiesen - können wir noch eine Schippe drauflegen. Es gibt erst 15.000 Unterschriften aus Deutschland, viel mehr Unterschriften aus anderen Ländern. Aber bis zum 3. April 2018 ist ja noch Zeit, diese Aktion zu un
terstützen. Ich hoffe, dass dieses wichtige Zeichen für Toleranz und Vielfalt noch stärker auch aus Deutschland heraus gesetzt wird.
Eines ist für mich und, ich denke, für den gesamten Landtag klar: Die Minderheiten sind eine Bereicherung für unser Land. Deswegen haben wir den Schutz und die Förderung von nationalen Minderheiten und Volksgruppen in der Landesverfassung verankert. Diese Festlegung wird hier in SchleswigHolstein in der Breite getragen, ist allseits akzeptiert und auch respektiert.
In Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: die Dänen, die Friesen, die Sorben und die Sinti und Roma. Allein drei davon leben bei uns in Schleswig-Holstein. Wir sind also in besonderem Maße berührt. Mit voller Überzeugung wollen wir deshalb Vorbild für eine moderne Minderheitenpolitik sein. Das heißt auch, wir werden uns als Landesregierung beim Bund für den Schutz und die Förderung der nationalen Minderheiten einsetzen.
Es ist gut, dass sich die Koalitionsparteien im Bund in ihrem Koalitionsvertrag ebenfalls ausdrücklich dazu bekennen. Das zeigt, dass auch im Bund eine Sensibilität für dieses Thema vorhanden ist. Doch wir fordern: Jetzt muss der Bund dieses Bekenntnis auch konkret unterlegen.
Deswegen bin ich Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen von SSW und SPD, wirklich ausgesprochen dankbar für den heutigen Antrag; denn wir können nicht oft genug betonen, wie bedeutsam die Minderheiten für Schleswig-Holstein sind und dass uns ihr Schutz und ihre Förderung ein großes Anliegen sind.
Noch sind für uns - ich denke, darin sind wir uns auch einig - einige wichtige Fragen zu klären. Deswegen freue ich mich darauf, dass diese Debatte in den Ausschüssen weitergeführt wird, und ich würde mich darüber freuen, wenn wir am Ende zu gemeinsam getragenen Ergebnissen kämen und wir weiterhin eine sachliche Debatte zum Wohle unserer Minderheiten führen könnten. - Vielen Dank.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/587 (neu) federführend in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.
Zweite Lesung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (1. Teilhabestärkungsgesetz)
Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/621
Zunächst erteile ich dem Berichterstatter des Sozialausschusses, dem Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Durch Plenarbeschluss vom 15. Dezember 2017 wurde uns der Gesetzentwurf der Landesregierung überwiesen. Der Sozialausschuss hat sich in mehreren Sitzungen, zuletzt am 15. März 2018, mit dem Gesetzentwurf befasst und eine ganztägige mündliche und - ich denke, ich spreche im Namen aller Kolleginnen und Kollegen - sehr informative Anhörung in diesem Plenarsaal durchgeführt.
Mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD gegen die Stimmen von SPD und SSW empfiehlt der Ausschuss dem Landtag, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der Anlage, in der aus der
Gegenüberstellung ersichtlichen Fassung, anzunehmen. Diese enthält also durchaus einige Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf. Diese sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.
Zudem liegen der Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/622, der auch schon im Sozialausschuss erörtert und abgestimmt wurde, sowie der Antrag 19/621 vor.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Es ist im Grunde genommen ganz einfach: Menschen mit Behinderung wollen genauso wie Menschen ohne Behinderung am gesellschaftlichen, am kulturellen und am Arbeitsleben teilhaben, und sie haben ein Recht darauf.
Das im Dezember 2016 auf Bundesebene verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung stellt in vielen Bereichen einen Systemwechsel dar. Es ist eine Reform, die einen langjährigen und umfassenden Umstellungsprozess in den Ländern und Einrichtungen erfordert. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, dem 1. Teilhabestärkungsgesetz, werden wir in Schleswig-Holstein nun einen weiteren notwendigen Reformschritt zügig umsetzen.
Wir schaffen hier in Schleswig-Holstein ein modernes Teilhaberecht auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention. Wir bringen heute ein Gesetz auf den Weg, das in sehr enger und konstruktiver Abstimmung mit den Interessenvertretungen erarbeitet worden ist. Diese zeitintensive Abstimmung hat sich gelohnt. Die Wochen nach der Anhörung waren wichtig für alle Beteiligten.