Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Lasse Petersdotter)

legalen Drogen. Hieraus lassen sich einige Tendenzen erkennen: dass nämlich nahezu jeder fünfte junge Erwachsene und jeder zehnte Minderjährige in Deutschland bereits Cannabis konsumiert hat. Nur zur Verdeutlichung: Fast jeder zehnte Minderjährige in Deutschland hat schon einmal Cannabis und somit eine illegale Droge konsumiert! Es sollte klar sein, dass fast jeder junge Mensch in Deutschland weiß, dass Cannabis hier eine illegale Droge ist. Dennoch ist das Ausmaß des Drogenkonsumverhaltens so eklatant hoch. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass die bisherige Präventionsarbeit, die sich häufig auf das Rezitieren der Gesetzeslage beschränkt, nicht greift.

Die letzte Bundesdrogenbeauftragte Mortler bemühte die stichhaltige Logik, Cannabis sei illegal, weil es verboten sei. - Da hat sie recht.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Welche Partei?)

- Das war die Union, glaube ich. Die CDU hat sie gestellt. - Es ist davon auszugehen, dass sich nur wenige junge Menschen deswegen gegen den Konsum von illegalen Drogen entscheiden werden. Ich denke und hoffe, dass wir uns hier alle einig sind, dass es erstrebenswert ist, dass alle Minderjährigen keine Drogen konsumieren.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Daher braucht es eine breite Prävention, um insbesondere auf die Gesundheitsgefahren des Drogenkonsums hinzuweisen.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Hier ist die Frage: Wo will man Jugendliche und Minderjährige am besten erreichen? - Hier bietet sich die Schule an, weil die jungen Menschen im Regelfall dort anzutreffen sind. Aber wer will hier die Jugendlichen und Minderjährigen erreichen? Die Lehrkräfte? - Vielleicht. Vielleicht muten wir hier den Lehrkräften aber auch zu viel zu. Bei vielen Dingen, die wichtig für junge Menschen sind, wird gefordert, dies im schulischen Rahmen zu bewerkstelligen. Wen soll ich als junger Mensch denn nach etwas fragen, was illegal ist? Wie schaut denn heutzutage die Beratung für junge Menschen schlechtestensfalls aus? Als junger Mensch beschaffe ich mir die Information dort, wo ich im Zweifelsfall auch den Stoff herbekomme, und das ist beim Dealer. Dieser fragt einen nicht nach dem Alter. Er fragt nicht: Hast du Allergien? Hast du Unverträglichkeiten? Der Dealer weist nicht darauf hin, dass vielleicht noch weitaus gefährlichere Sub

stanzen darin enthalten sind, um das zu strecken, um ein höheres Gewicht zu erhalten: Quarzsand, Rattengift, Blei. Das wird er im Zweifelsfall nicht machen, das ist geschäftsschädigend. Das würden wahrscheinlich die wenigsten Dealer machen. Der Dealer wird im Zweifelsfall aber eine Frage stellen: „Cannabis? - Das kann doch jeder! Hast du Bock auf MDMA? Hast du Bock auf Hero?“ - So schaut das momentan leider aus.

Dieser Zustand, der sich derzeit tagtäglich in unseren Städten abspielt, ist doch unerträglich. Das ist wirklich unerträglich. Damit müssen wir umgehen. Wir müssen uns fragen, wem wir die Gesundheit unserer Kinder eher anvertrauen wollen. Soll sich der junge Mensch - wie gerade dargestellt -, dem Dealer am Bahnhof zuwenden? Oder wollen wir nicht lieber, dass der junge Mensch seine Gesundheit beispielsweise einer staatlich kontrollierten Instanz - sei es perspektivisch ein Apotheker oder ein lizensierter Shop - anvertraut? Denn die beste Drogenprävention wird meines Erachtens eine Legalisierung von Cannabis ermöglichen.

(Bernd Heinemann [SPD]: Das Thema kommt noch!)

- Das Thema kommt noch, ja. Ich habe eine persönliche Bemerkung dazu zu machen, Herr Heinemann: Ich selbst habe noch nie in meinem Leben gekifft, und ich werde es auch nicht tun, weil ich es schlecht finde.

(Beifall CDU, Jörg Hansen [FDP] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Aber nur weil ich es schlecht finde, heißt es noch lange nicht, dass ich es Volljährigen - Achtung: Volljährigen! - verbieten muss. Das ist zumindest mein liberales Menschenbild, was das angeht.

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Brodehl?

Vielen Dank. Sie haben eben die Droge MDMA genannt. Ich habe etwas auf der Facebook-Seite des ODYSSEE-Projekts geschaut. Da findet man die Überschrift: „So stärkt MDMA den Familienzusammenhalt.“ - Würden Sie das als Bagatellisierung bezeichnen, oder würden

(Dennys Bornhöft)

Sie das als sachliche Information bezeichnen?

- Ich würde sagen, dass so eine Aussage an einer Schule nichts zu suchen hat. Ich bin nicht sicher, weil ich nicht weiß, an welcher Stelle es auf der Homepage stand. An einer Schule hat so eine Aussage nichts zu suchen. Bei einem Goa-Festival ist das im Zweifelsfall nicht nur familienfördernd, sondern freundschaftsfördernd, da wird es relativ viel konsumiert. Das ist eine Frage, auf welcher Ebene das angesetzt wird. An einer Schule wäre diese Aussage meiner Meinung nach nicht angebracht.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Danke sehr.)

Warum eine Legalisierung für Präventivmaßnahmen gut wäre? - Es wäre einfacher und besser, weil wir dadurch Steuereinnahmen hätten. Wir könnten damit dann auch die Präventionsmaßnahmen besser finanzieren und breiter aufstellen. Die Gesundheitsrisiken bei der Beschaffung aufgrund von gestreckten Substanzen, die ich erwähnt hatte, würden wegfallen. Auch ganz wichtig: Jeder Konsument einer illegalen Droge steht heutzutage ein Stück weit in der kriminellen Ecke. Dort würden wir sie herausholen.

Aber ganz klar - da passt Ihre Zwischenfrage -: Dass gegenüber Minderjährigen und in der Schule natürlich auf keinen Fall verharmlosende oder gar zu Drogenkonsum animierende Veranstaltungen abgehalten werden dürfen, das ist ganz klar. Das darf unter gar keinen Umständen passieren. Deswegen ist es auch gut, dass wir heute diesen Bericht gehört haben und dass dort auch nachgefasst wird, nachdem es da negative Berichterstattung gegeben hat.

Wenn es so sein sollte, dass im Nachgang zu einem Präventionsprojekt mehr Schülerinnen und Schüler ein gesteigertes Interesse im Gegensatz zu vorher haben, dann wurde das Ziel vollkommen verfehlt. Das hat nichts an den Schulen zu suchen, wenn das der Fall wäre.

Aber die Herangehensweise von ODYSSEE ist entsprechend ihren Erläuterungen zwischen volljährigen Festivalbesuchern - das ist das Thema MDMA - und minderjährigen Schülern verschieden. So wie jeder Mensch unterschiedlich ist, muss auch jeder Mensch unterschiedlich angesprochen werden. Da können solche Projekte wie ODYSSEE zur Prävention eine sinnvolle Ergänzung sein. Es ist ein Beispiel für eine moderne Form der Prävention, die eher dazu geeignet ist, Gehör bei Jugendlichen zu finden, als es das schlichte Vortragen der Gesetzeslage ist.

Herr Brodehl, Sie hatten es erwähnt: Was passiert denn, wenn ein Schüler auf die Seite von dem Partyprojekt geht und dann solche Zitate liest? - Ja, aber ich gehe davon aus, dass die Menschen in diesem Alter auch Google und andere Suchmaschinen bemühen und sich dort über Drogen informieren. Da ist es mir lieber, sie landen auf der Seite als auf anderen Seiten, wo allzu positiv Drogen dargestellt werden oder sogar über Beschaffungsmöglichkeiten informiert wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und vielen Dank für den Bericht der Landesregierung.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der SSW bekennt sich klar und eindeutig zum Ziel einer effektiven Drogenund Suchtpolitik. Für uns kann es überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass dabei der Präventionsgedanke im Vordergrund stehen muss. Wer auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblickt, kann deutlich sehen, dass ein repressiver Ansatz in die Sackgasse führt. Drogenberichte in Land und Bund zeigen, dass zwar immer mehr Mittel für die Durchsetzung des Drogenverbotes eingesetzt werden, aber die Zahl der Konsumenten oder der Fälle von Beschaffungskriminalität ändert sich so gut wie gar nicht. Die Kriminalisierung von Konsumenten und die Verteufelung verschiedener Substanzen hat also gerade nicht verhindern können, dass mehr Menschen mit Drogen in Berührung kommen. Wer also wirklich vor den Gefahren des Drogenkonsums schützen will, muss deutlich andere Wege gehen.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Ich denke, niemand will hier irgendwelche Drogen verharmlosen. Unabhängig davon, ob wir hier über legale oder illegale Drogen reden, ist eines klar: Trotz einiger Lichtblicke, zum Beispiel beim Rauchverhalten junger Menschen, bleiben die hohen Konsumentenzahlen besorgniserregend. Zusätzlich weisen Experten immer öfter darauf hin, dass nicht nur die Zahl der Suchtstoffe zunimmt, sondern dass ihre Wirkung auch immer stärker wird.

(Dennys Bornhöft)

Für den SSW ist deshalb wichtig, dass wir vorhandene Suchthilfe- und Präventionsangebote nicht nur unterstützen, sondern auch weiterentwickeln. Bei alldem kann es gar keinen Zweifel daran geben, dass es die Kernaufgabe der Sucht- und Drogenpolitik ist, vor allem junge Menschen umfassend über die Gefahren von Drogen aufzuklären.

Ein Punkt dürfte für alle Anwesenden relativ einleuchtend sein: Wenn wir Risiken für Sucht minimieren und Menschen schützen wollen, müssen wir schon früh ansetzen. Aus diesem Grund sind Drogenpräventionsangebote an Schulen, wie sie etwa durch den Verein ODYSSEE oder das IQSH angeboten werden, nicht nur irgendwie sinnvoll, sondern enorm wichtig. Für eine wirklich wirksame Präventionsarbeit ist nun einmal Voraussetzung, dass sie auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten ist; denn eins ist doch klar: Man muss weder mit Kindern arbeiten noch eigene Kinder haben, um zu wissen, dass der moralische Zeigefinger selten zum Ziel führt. Oft erreicht man mit Verboten sogar eher das Gegenteil.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Der Verein ODYSSEE arbeitet seit vielen Jahren mit genau diesem Ansatz - niedrigschwellig und vor allem realitätsnah. Zum einen wird der direkte Kontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten auf Veranstaltungen gesucht, über Gefahren aufgeklärt und oft eben auch ein kritischer Umgang mit dem eigenen Verhalten angeregt. Zum anderen werden Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen im Land auf eine Art und Weise informiert, die auch bei ihnen ankommt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins werden auch deshalb als so vertrauenswürdig empfunden, weil sie hier ihre Erfahrungen und Beobachtungen aus der Partyszene einfließen lassen. Ein Großteil der Jugendlichen fühlt sich nicht nur ernstgenommen, sondern auch nicht vorverurteilt oder bevormundet.

Wenn man sich den aktuellen Fall der Flintbeker Schule anschaut, bei der einige diesen offenen Ansatz scheinbar als Verharmlosung von Drogen verstanden haben, wird doch wieder eines klar: Diese Art der Prävention ist mitunter auch eine Gratwanderung. Sie kann durchaus missverstanden werden, aber der Grundtenor, nach dem Drogen nicht nur illegal, sondern auch schädlich sind, war auch hier deutlich zu erkennen.

Wie andere Präventionsprojekte an Schulen verfolgt auch ODYSSEE das Ziel, riskante Konsum

und Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren. Die beschriebene Zweigleisigkeit hilft dabei, Hemmschwellen zu senken, sodass die Schülerinnen und Schüler riskantes Verhalten nicht nur hinterfragen, sondern auch verändern. Deshalb werden wir diese Arbeit natürlich weiterhin unterstützen.

Mein großer Dank geht an Heiner Garg, an das Sozialministerium und stellvertretend an Herrn Buchholz, aber auch an Frau Prien. Vielen Dank dafür, dass Sie sich der Sache angenommen haben. Prävention und Aufklärung tragen dazu bei, dass es vielleicht besser wird. Lasse Petersdotter hat es angesprochen: Ein ganz großes Problem im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum sind auch die Kinder auf einem Gymnasium in Bullerbü, die Sorgen haben und die vielleicht auch durch Leistungsdruck zu Drogenkonsumenten werden.

Insofern: Vor uns liegt viel Arbeit, aber der erhobene Zeigefinger hilft den jungen Menschen nicht. Er bewirkt nicht, dass der Drogenkonsum zurückgeht. Daher: Runter mit dem Zeigefinger, ran an die Präventionsarbeit!

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Kai Vogel von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Thema Transparenz haben wir uns in der vergangenen Legislaturperiode sehr häufig beschäftigt. Strittige Themen öffentlich zu behandeln, ist sinnvoll. Die Frage sollte allerdings auch zum Schutz der Betroffenen lauten: Ist es sinnvoll, jedes Thema hier auf dieser Bühne im Landtag zu behandeln?

Eine Diskussion über Prävention an Schulen halte ich für absolut sinnvoll. Es gibt viele gute Ansätze von Prävention. Es gibt nicht nur Drogenprävention, es gibt Verkehrsprävention, Prävention gegen Gewalt und so weiter. Schulen, die das Thema besonders ernst nehmen, holen sich vielfach Rat von außen und externe Hilfe, da nicht für jedes Thema genügend Experten an der Schule vorhanden sind. Vielfach ist es auch sinnvoll, wenn statt der Klassenlehrkraft oder einer anderen Lehrkraft in bestimmten Unterrichtsphasen jemand Externes das Gespräch führt. Ich habe mich als Klassenlehrer

(Jette Waldinger-Thiering)

auch oft schlecht gefühlt, wenn ich dann aus der Klasse ging, aber, Dennys Bornhöft hat es gesagt, es ist manchmal besser, wenn das Gespräch sozusagen unter vier Augen mit anderen als mit der entsprechenden Lehrkraft geführt wird.

Präventionsunterricht ist dann besonders sinnvoll, wenn es gelingt, zum Kern des Problems vorzudringen. Wer teilt seiner Klassenlehrkraft, zu der man hoffentlich und mittlerweile auch meistens ein gutes Verhältnis hat, schon mit, dass man gekifft hat? Das berichtet man ja auch nicht seinen eigenen Eltern. Gerade das gute und enge Verhältnis von Jugendlichen zu einzelnen Lehrkräften führt leider vielfach dazu, dass mit diesen nicht alles besprochen wird. Mir als Vater und ehemaligem Lehrer war und ist es viel wichtiger, dass Prävention erfolgreich ist, als dass ich am Erfolg im Unterrichtsgeschehen beteiligt sein muss. Mir ist wichtiger, dass darüber präventiv gesprochen wird, als dass darüber überhaupt nicht gesprochen wird.