Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Dass dieses Problem vor allem in den industrialisierten Ländern - also auch bei uns - ein Problem ist, liegt auf der Hand. Hier will Jamaika ansetzen.

Wir wollen den Verkehrsfluss in Schleswig-Holstein optimieren, wir wollen Energieeffizienz erhöhen, wir wollen Emissionen senken, wir wollen Maßnahmen für den Radverkehr fördern, und wir wollen einen möglichst CO2-neutralen ÖPNV. Kurzum: Wir wollen saubere Luft in SchleswigHolstein.

(Beifall CDU und FDP)

Oberbürgermeister Kämpfer - man höre und staune, einmal Staatssekretär im Umweltministerium bleibt dabei deutlich hinter seinen Taten zurück. Also geben wir Nachhilfe, und das auch gern. Hierzu möchten wir einige Maßnahmen anstoßen und vor allem die Kommunen mitnehmen, denn die Kommunen sind es, die für den Verkehrsfluss in den Gemeinden und Städten verantwortlich sind.

Das heißt auch, dass das Land die Kommunen bisher bei der Aufgabe noch nicht ausreichend unterstützt hat, obwohl die Konsequenzen ganz Schleswig-Holstein betreffen. Hier wollen wir ansetzen und die Kommunen besser vernetzen, den Erfahrungsaustausch ermöglichen, eine Bestandsaufnahme erstellen, übergreifende Absprachen fördern, eine wissenschaftliche Begleitung ermöglichen und einen Maßnahmenkatalog erstellen. Das soll in der Summe auch dazu führen, dass wir über DieselFahrverbote oder Ähnliches in Zukunft nicht mehr diskutieren müssen, weil sie unterm Strich die Luftqualität in Städten und Gemeinden verbessern sollen.

Einmal ehrlich: Wünschen Sie sich alle nicht auch ein bisschen weniger Stillstand? Wenn Sie schon mit dem Auto unterwegs sind, wäre es doch auch aus persönlicher Sicht toll, ein schöner Luxus-Nebeneffekt, dass wir zügig vorankommen und sich dabei die Luftqualität verbessert.

In dem geplanten Maßnahmenkatalog sollen verschiedene Aspekte eine Rolle spielen: die Nutzung von Apps für die Parkplatzsuche, Förderung des Radverkehrs, Ausbau der E-Mobilität auf öffentlicher und privater Ebene, Forschung und Entwick

(Kai Vogel)

lung von alternativen Antrieben und synthetisch hergestellten Kraftstoffen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, es gibt ein Bild der Fifth Avenue in New York von 1900, auf dem fast nur Pferdegespanne und ein einziges Auto zu sehen sind. Dazu zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten Kaiser Wilhelm II:

„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“

Gottlieb Daimler hat gesagt:

„Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“

12 Jahre später der gleiche Bildausschnitt: ein einziges Pferdegespann und sonst nur Autos. Da zeigt sich, wie sich auch damals schon Dinge verändern.

Worüber wir heute angesichts der Industrialisierung und vor allen Dingen weit mehr als einer Milliarde Fahrzeuge reden, ist eines der globalen Klimaprobleme. Soweit es auf regionaler Ebene in unserem Land möglich ist, wollen wir als Jamaika-Koalition die Veränderung von Mobilität und vor allem der Antriebsformen maßgeblich mitgestalten und dem Klimawandel auf dieser Ebene begegnen.

Eine Reihe von Anträgen zur Nutzbarmachung der erneuerbaren Energien, Sektorenkoppelung, die Nutzung in Wärme, Verkehr oder Industrie, haben wir bereits vorgelegt. Dieser Antrag soll insbesondere den Verkehrsfluss optimieren, weiterhin Schadstoffe reduzieren und alternative Antriebskonzepte voranbringen. - Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einkaufen, Besuche, Arbeit, Kultur: Alles hat mit Mobilität zu tun, und Mobilität sichert gesellschaftliche Teilhabe. Doch der motorisierte Individualverkehr - wie wir den Autoverkehr fachspezifisch nennen - verursacht Probleme. Ich betone: Wir sind

nicht gegen Mobilität, aber deren Folgen wie Schadstoffe und Lärm wollen wir mindern. Denn Lärm, Abgase und vertane Lebenszeit belasten uns alle.

Will man mit dem Auto fahren, steht man im Stau, will man es abstellen, kurvt man rum und sucht einen freien Parkplatz. Kennen Sie Herbert Grönemeyer? Auf der Platte „Mensch“ besingt er das sehr schön: „Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden.“

Wer das live erleben will, muss einmal zum Einkaufen in die Kieler Innenstadt oder einfach von zu Hause zum Landtag fahren.

(Zurufe)

In europäischen Innenstädten ist ein Drittel des Verkehrs Parkplatzsuchverkehr. Das kostet Nerven, Zeit - durchschnittlich 10 Minuten für jeden - und belastet Anwohner ebenso wie die Umwelt. 56 % aller Autofahrten sind maximal 4 km lang; das ist von hier bis zur Uni-Bibliothek, ein Weg, auf dem das Auto selten schneller ist als das Fahrrad. Deshalb gibt es ja auch Minister, die gern das Fahrrad benutzen, wie ich mit Freude feststelle.

Selbst Wege bis zu 1 km, also von hier bis zum Kieler Schloss, werden immer noch zu einem Drittel mit dem Auto gefahren, dabei sind die Wege zum und vom Auto kaum kürzer. Wenn dann auch noch die Kiellinie zum Radeln oder Gehen einlädt, frage ich mich, warum wir das eigentlich machen und was wir dagegen tun können.

Lieber Herr Kollege Vogel, Sie sind ja Lehrer und kommen nach der Mittagspause um 15 Uhr in den Plenarsaal. Da hätten Sie aufpassen können, denn in der Landesstrategie zur Elektromobilität war ja schon eine ganze Menge enthalten.

Was können wir tun? Erstens: Parkleitsysteme verbessern. Autofahrer suchen nicht freiwillig nach Parkplätzen, sondern weil sie nicht wissen, wo der optimale Parkplatz ist.

Zweitens - auch ein moderner Ansatz -: Fahrzeuge teilen. 95 % der Zeit ist ein Fahrzeug ein „Stehzeug“. Car-Sharing-Fahrzeuge ersetzen bis zu zehn private Pkw. Das schafft Platz in unseren Städten. Übrigens gibt es eine Generation von jungen Leuten, für die Nutzen viel wichtiger ist als Besitzen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Drittens: Fahrten teilen. Vier von fünf Autos befördern nur einen Menschen. Ride-Sharing könnte die Zahl der Autos auf unseren Straßen senken: BlaBlaCar - Es gibt mittlerweile sehr moderne Angebote.

(Andreas Hein)

Wenige Autos bedeuten auch weniger Stau. Auch der Hamburger Verkehrsverbund - wir schauen ja häufig auf den HVV - kombiniert bereits individuelle Mobilität mit öffentlichen Verkehren, Fahrkarte plus Car-Sharing ist auch ein modernes Modell für NAH.SH. Warum sollen wir das nicht weiter angehen? Zahlreiche private Firmen sind ebenfalls aktiv, Mitfahrzentralen heute als App sind selbstverständlich. Das könnte man beispielsweise auch einmal als Anreizsystem bei der Landtagsverwaltung einführen.

Viertens: natürlich mehr Radverkehr. Es ist doch klar, dass das Rad in der Stadt das beste, umweltschonendste und gesündeste Verkehrsmittel ist.

(Vereinzelter Beifall)

Auf Strecken bis zu 4 km ist es meist sogar schneller als das Auto und übrigens auch wirtschaftlicher. Wenn man sich die Konzepte von Lastenrädern anschaut, ist das heute auch für kleinere Betriebe ökonomisch, ist das ein wichtiges Transportmittel und wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft und des Einzelhandels. Wenn das Fahrrad elektrisch unterstützt wird, also das Pedelec, ist es noch schneller, und die Reichweite reicht von 5 bis zu 30 oder 50 km.

Wir brauchen gute Radwege oder - wie die Veloroute 1 in Kiel - Radschnellwege, damit Menschen schnell, kreuzungsfrei nach Hause kommen. Dann sagen die Leute: Das ist interessant für mich. Da hilft zum Beispiel auch das betriebliche Radwesen. Warum soll man nicht das Privileg für Dienstwagen auf Dienstfahrräder ausweiten?

Das sind Punkte, die wir schnell und gut umsetzen können und mit denen wir viele Menschen auf das Rad bekommen. Die Kampagne „Stadtradeln“ ist Sonntag zu Ende gegangen. In Kiel wurden 390 km erradelt und so 55 t CO2 eingespart. Da haben viele mitgemacht, auch Menschen aus unserer Landtagsverwaltung; ich habe als Abgeordneter auch daran teilgenommen. Das sind Dinge, die man machen kann.

Fünftens: neue Mobilitätsformen. Innovationen wie Monowheels, Scooter und E-Boards, Gefährte, die man schnell zusammenpacken, mit auf die Reise nehmen und im Stadtverkehr gut einsetzen kann.

Herr Kollege Dr. Tietze, Ihre Redezeit ist deutlich fortgeschritten.

Personal Light Electric Vehicles. - Herr Präsident, ich sehe, die Zeit reicht nicht aus, meine vielen Ideen hier zu präsentieren. Wir haben heute mit diesem Antrag einen guten Auftakt gemacht, und ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Beteiligen Sie sich an diesem Brainstorming! Wir werden Schleswig-Holstein sicherlich gut voranbringen können -

Herr Dr. Tietze, ich bin kurz davor, Ihnen das Mikrofon abzuschalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Nun hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Der Antrag der Jamaika-Koalition wartet mit Zielen auf, die nebulöser gar nicht sein könnten. Der Kollege Vogel hat es schon gesagt: Ganz großes Kino. Grundsätzlich ist das alles irgendwie unterstützenswert, aber Konkretes leitet sich aus diesem Antrag kaum ab. Ich habe auf jeden Fall nicht viel gefunden. Man möchte irgendetwas ermöglichen, man möchte für irgendetwas sorgen. Man spricht von denkbaren Maßnahmen und innovativen Lösungsansätzen. Es bleibt alles im Ungefähren, und ich hoffe sehr, dass der Herr Minister gleich viel konkreter wird.

Bei so weitgehenden Ambitionen ergibt sich zwangsläufig das Problem der inhaltlichen Unschärfe, um nicht zu sagen der inhaltlichen Beliebigkeit. So kommt dieser Antrag daher. Die Reduzierung von Schadstoffbelastungen? - Ja, klar, das wollen wir. Die Stärkung alternativer Mobilitätsformen? - Dagegen ist nichts zu sagen. Gleichzeitig eine Sicherstellung der individuellen Mobilität? - Wo liegen da denn überhaupt die Probleme? Warum bringt man hier so einen Wunschzettel ein, über den wir uns jetzt kurz nach der Debatte über die Elektromobilität noch einmal unterhalten müssen?

Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen örtlichen Verkehrsbehörden ist hier gewünscht. Ja, da hat auch keiner etwas dagegen, aber wir alle wissen, dass die hier genannten Plattformen für den Erfahrungsaustausch ganz oft zu Datenmüllhalden

(Dr. Andreas Tietze)

verkommen, die überhaupt nicht genutzt werden und die in der Realität überhaupt nichts bewirken.

Also: Man sollte miteinander reden, man sollte Erfahrungen austauschen, aber wenn diese keine Wirkung zeigen, dann kann man sich das auch sparen. Die Verkehrsbehörden sind keine Planungsbehörden, sondern Ordnungsbehörden. Insofern können sie relativ wenig Einfluss auf die Verkehrslenkung nehmen.

Big Data für freie Parkplätze zu nutzen, finde ich super. Dazu habe ich selbst schon einen kleinen Film gedreht. Das ist ein tolles Projekt, es wird aber noch sehr lange Zukunftsmusik bleiben, das muss man ganz klar sagen. Wenn ich mir den Digitalisierungsgrad hier im Land ansehe, dann dauert das wirklich noch lange.

Die Landesregierung spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag für die Errichtung einer Modellregion Elektromobilität aus. Wir haben heute Mittag schon darüber gesprochen: Die Reichweite der Elektrofahrzeuge ist nach wie vor ein Problem. Die Tankstellen oder Zapfsäulen, wie man sie nennen soll, sind nicht ausreichend vorhanden. Die Batterietechnik ist noch nicht ausgereift, und die Fahrzeuge sind noch zu teuer. Man sollte den Bürgern nicht suggerieren, dass sie mit Elektromobilen und einer großen Batterie unten am Auto in irgendeiner Art und Weise umweltfreundlicher unterwegs sind als mit bisherigen Autos. Das stimmt einfach nicht, denn man sollte immer die ganze Ökobilanz in Betracht ziehen, und da schneiden E-Mobile deutlich schlechter ab als jedes benzinangetriebene Auto.