Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

Es gibt viele gute Gründe, dass ich stolz darauf bin, eine schleswig-holsteinische Europäerin zu sein. Unsere Minderheitenpolitik gehört dazu. Denn der echte Norden ist Vorbild für das gute Miteinander und Füreinander von Minderheiten und Mehrheitsbevölkerung.

(Beifall SPD und SSW)

Die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma und auch die deutsche Minderheit in Dänemark - sie alle sind im besten Sinne selbstverständlicher und bereichernder Teil unseres Lebens hier in Schleswig-Holstein. Sie sorgen für die kulturelle Vielfalt, die unser Land so charmant macht. Sie sind verlässliche Brückenbauer. Sie tragen maßgeblich zur Völkerverständigung bei und sind Garanten für den Frieden.

(Beifall SPD und SSW)

Dass in der letzten Legislaturperiode mit dem SSW erstmalig in Europa eine Minderheitenpartei Teil einer Landesregierung war, unterstreicht, dass der echte Norden auch an dieser Stelle ganz weit oben ist.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die SPD hat es immer wieder betont: Minderheitenpolitik darf nicht zum Spielball von wechselnden politischen Mehrheiten werden. Minderheiten brauchen Verlässlichkeit. Sie brauchen Kontinuität, und sie brauchen Sicherheit. Ich hoffe inständig, dass die jetzt schwarz geführte Landesregierung die hervorragende Minderheitenpolitik unserer Küstenkoalition fortsetzt, wie es in vielen anderen Fällen auch angekündigt ist. Es freut mich, dass Sie zum Beispiel unseren Handlungsplan Sprachenpolitik hoffentlich in allen Konsequenzen weiterführen wollen.

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Jetzt muss ich aber doch noch einmal etwas Wasser in den Hochzeitswein gießen; denn Ihr Koalitionsvertrag sieht in Teilen doch recht orientierungslos aus.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Was? - Weitere Zu- rufe CDU)

- Das ist die Frage, wer hier nicht lesen kann. Denn wer unsere autochthonen Minderheiten, also Friesen, Dänen und deutsche Sinti und Roma, im Koalitionsvertrag unter dem Artikel „Asyl- und Integrationspolitik“ aufführt

(Zuruf Regina Poersch [SPD]: Empörend!)

und Sinti und Roma im eigentlichen Minderheitenkapitel gar nicht erst erwähnt, der ist wohl auf dem Weg nach Jamaika durch eine ziemlich miese Nebelfront gekommen. Ich hoffe, dass die Sicht wieder klar wird. Vielleicht kommt hier auch diese Dauerausrede „Redaktionsfehler“ zum Tragen. Wir wissen es nicht, aber wir werden es sehen. Wir halten es auch nicht für zielführend - Entschuldigung, Johannes Callsen -, dass die Aufgaben eines Minderheitenbeauftragten neben den tagesfüllenden Aufgaben eines Abgeordneten soeben miterledigt werden sollen. Aber trotz alledem gratulieren wir natürlich ganz herzlich dem neuen Minderheitenbeauftragten Johannes Callsen zu seinem Amt. Wir wünschen ihm viel Erfolg zum Wohle der Minderheiten

(Beifall)

und setzen wie gehabt auf fraktionsübergreifende Zusammenarbeit. Deshalb freut es mich sehr, dass Sie unserer Initiative gefolgt sind und wir, die demokratischen Parteien dieses Hauses, uns auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt haben. Ich glaube, das ist das beste Signal für diese Bürgerinitiative und für die Minderheiten. - Vielen Dank dafür.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Unser Antrag soll ein Aufruf sein, die Bürgerinitiative zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie ordentlich bekannt wird. Eine Million Unterschriften müssen europaweit gesammelt werden, damit die eingereichten Vorschläge zur wirklichen Aufgabe bei der Kommission werden. Wir Sozialdemokraten haben das gestern getan. In unserer Fraktionssitzung haben wir die Unterschriften geleistet, und ich möchte Sie alle ganz herzlich bitten, dass Sie dort, wo es Ihnen möglich ist, auf Parteitagen, in Ihren Fraktionen, wo auch immer, ebenfalls dafür werben. Ich lade Sie herzlich ein, direkt nach der heutigen Sitzung an unserer Unterschriftenakti

on am Eingang des Landeshauses teilzunehmen. Damit können Sie den ersten Schritt machen. Also seien Sie herzlich eingeladen! Unterstützen wir gemeinsam die Minority SafePack Initiative für die Vielfalt in Europa! - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Bevor ich jetzt dem Abgeordneten Peter Lehnert für die CDU das Wort erteile, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne die Eutiner Frauenrunde.

(Beifall)

Herr Lehnert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein hat durch seine Minderheiten ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Bei uns leben allein drei von vier nach dem Rahmenübereinkommen des Europarats geschützten Minderheiten. Diese Vielfalt ist für uns kulturell besonders wertvoll. Sie wollen wir schützen, fördern und nach Kräften unterstützen. Wir fordern auch weiterhin den Schutz und die Stärkung aller Minderheitenrechte in Europa durch die Europäische Union. Ich hoffe sehr, dass in diesem Haus auch in der 19. Wahlperiode darüber Einigkeit besteht. In ihrem Wahlprogramm hat sich die CDU klar zu unseren Minderheiten und deren Förderung bekannt und auch die europäische Dimension beschrieben. Im Koalitionsvertrag ist diese Unterstützung sehr detailliert festgehalten. Dort ist explizit formuliert:

„Der Schutz und die Stärkung der Rechte von Minderheiten innerhalb der EU sind nicht überall zufriedenstellend. Nach unseren Möglichkeiten werden wir uns dafür einsetzen, dies zu verbessern. Wir unterstützen deshalb die Minority SafePack Initiative … zur Stärkung der Minderheitenrechte innerhalb der Europäischen Union.“

(Beifall CDU und FDP)

Anfang des Jahres annullierte der EuGH die Entscheidung der EU-Kommission, MSPI abzulehnen. In einer Neubewertung erklärte die EU-Kommission neun der elf Rechtsakte nun für zulässig. Diese Entscheidung ist wegweisend für das Instrument der europäischen Bürgerinitiative, da fortan auch Teilregistrierungen möglich sind. Damit wird die

(Birte Pauls)

ses Instrument der direkten Demokratie auf europäischer Ebene deutlich gestärkt.

Die MSPI hat jetzt zwölf Monate Zeit, um eine Million Unterstützungsbekundungen aus mindestens sieben Mitgliedstaaten, die das erforderliche Mindestquorum erfüllen, zu sammeln. Neben einem möglichen Erfolg dieser Bürgerinitiative regt MSPI zweifellos eine Debatte über den Minderheitenschutz in der EU sowie den Status von Minderheitenrechten als Bürgerrechten an.

Wir wollen heute gern noch einmal bekräftigen, dass wir die Initiative der FUEN begrüßen und nachhaltig unterstützen. Bis zum Jahresende sind mit einer Million Unterschriften sehr viele Unterstützer notwendig, um der Initiative zu einem weiteren Erfolg zu verhelfen. Wir rufen hiermit heute ich glaube auch gemeinsamen - dazu auf, dies gezielt zu unterstützen. Dieses Vorhaben ist eine der bedeutendsten solidarischen Aktionen der Minderheiten in Europa in den vergangenen Jahrzehnten.

Es ist wichtig, dass die europäische Bürgerinitiative Minority SafePack weit über den direkt betroffenen Kreis der Minderheiten in den EU-Staaten Unterstützung findet. Alle Bürgerinnen und Bürger, die den Wert der Minderheiten erkennen und schätzen, sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen. In Schleswig-Holstein gibt es viele Menschen, die die Bedeutung dieser Initiative erkannt haben und diese aktiv unterstützen. Wir wissen, dass immer wieder heftige Konflikte in Ländern entstehen, in denen Minderheiten unterdrückt werden und Mehrheitsgesellschaften den Minderheiten keine oder nur ungenügende Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten einräumen. Deshalb ist eine gute Minderheitenpolitik auch eine vorausschauende Friedenspolitik.

Aus diesen Gründen geht es jetzt darum, in der EU und vor allen in Brüssel und gegenüber der EUKommission den Minderheiten und ihrem Anliegen insgesamt mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Darüber hinaus fühlt sich der Landtag als langjähriger Förderer und Partner eng mit der FUEN verbunden. Folglich ist die Unterstützung der MSPI nicht nur wichtig für deren Erfolg, sondern auch ein Ausdruck der Solidarität, des Respekts und der engen Partnerschaft mit den Minderheiten in unserem Lande. In Schleswig-Holstein gibt es viele Menschen, die die Bedeutung dieser Initiative erkannt haben. Es sollte daher unsere gemeinsame Aufgabe sein, dieser bei der wichtigen Arbeit in den nächsten Monaten nach Kräften Unterstützung zu leisten. - Vielen Dank.

(Beifall)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der 3. Februar 2017 war ein guter Tag für die Rechte von autochthonen Minderheiten und Volksgruppen innerhalb der Europäischen Union. An diesem Tag hat der Europäische Gerichtshof die Ablehnung der Minority SafePack Initiative durch die EU-Kommission zurückgewiesen. Darüber haben wir Grüne uns sehr gefreut; denn für uns ist Minderheitenpolitik Menschenrechtspolitik. Jeder siebente Europäer, jede siebente Europäerin gehört einer autochthonen Minderheit oder Volksgruppe an. Der Schutz von Minderheiten ist allein deshalb schon kein Nischenthema, weil die gesamte Bevölkerung vom friedlichen und diskriminierungsfreien Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheitsbevölkerung profitiert, ganz unabhängig davon, ob man einer Minderheit angehört oder nicht.

Die EU-Mitgliedstaaten sind zwar hauptverantwortlich dafür, dass die bei ihnen lebenden Minderheiten und Volksgruppen gleichgestellt und vor Diskriminierung geschützt werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Europäische Union hier keine Verantwortung und keine Zuständigkeit hat. Gerade dort, wo Staaten diesem Auftrag vielleicht nicht gerecht werden, wünschen wir uns, dass sich die Europäische Union in die Debatte einbringt.

Es wird Zeit, dass sich die EU endlich zu einer aktiven Rolle in der Minderheitenpolitik bekennt. Wie notwendig dies ist, zeigt sich vor allem mit Blick auf die Lage der Sinti und Roma. Es ist aus unserer Perspektive unerträglich, wenn man von staatlicher Gewalt gegen Sinti und Roma in einigen europäischen Staaten lesen kann oder wenn, wie in vielen osteuropäischen Ländern, Sinti und Roma systematisch diskriminiert werden, unter Armut leiden und der Perspektivlosigkeit ausgesetzt sind. Da darf aus unserer Sicht die Europäische Union nicht wegschauen.

Aber auch bei uns in Deutschland - man soll ja nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen kann vieles besser werden. Auch bei uns gibt es viele Vorurteile und diskriminierende Äußerungen, zumindest gegenüber Sinti und Roma. Fast 50 % der Deutschen - das belegen unterschiedliche wissenschaftliche Arbeiten - stimmen beispielsweise der Aussage zu, dass Sinti und Roma aus den In

(Peter Lehnert)

nenstädten grundsätzlich verbannt werden sollten. In diesem Umfeld gibt es dann auch Landtagsabgeordnete der AfD, beispielsweise in Sachsen-Anhalt den Abgeordneten Tillschneider, der ernsthaft fabuliert, dass unsere Gesellschaft wieder ein Zigeunerproblem hätte. Solche Aussagen sind widerlich, und ich bin deshalb froh, dass die demokratischen Fraktionen in diesem Parlament gemeinsam einen Beschluss zur Minderheitenpolitik verhandelt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Bei der Minority SafePack Initiative geht es aber auch um Anerkennung und Gleichstellung. Es geht darum, Minderheiten und Volksgruppen in unterschiedlichen Regionen dabei zu unterstützen, ihre Sprache und Kultur gleichberechtigt mit der Mehrheitsbevölkerung leben zu dürfen. Dies fängt schon im Kleinen bei dem Wunsch nach mehrsprachigen Ortsschildern an und geht dann in größere Fragen der Menschenrechtspolitik über. Menschenrechtspolitik muss auch Aufgabe der Europäischen Union sein.

Wir begrüßen deshalb ganz ausdrücklich die Initiative der SPD-Fraktion und des SSW, die heute mit dem Ursprungsantrag in das Plenum gegangen sind. Sie baut auf das auf, was wir gemeinsam erfolgreich - liebe Birte Pauls, lieber Lars Harms, da bin ich mit euch einer Meinung - in der letzten Wahlperiode angestoßen haben. Wir wollen die Gelegenheit jetzt auch noch einmal nutzen, Johannes Callsen viel Erfolg und alles Gute für die nächsten Jahre zu wünschen, uns aber auch bei Renate Schnack für die Arbeit, die sie als Minderheitenbeauftragte gemacht hat, zu bedanken. Es war eine sehr gute parteiübergreifende Minderheitenpolitik. Das wird auch nicht in Vergessenheit geraten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, heute eine gemeinsame Initiative zu beschließen, wollen dort aber nicht stehen bleiben. Birte Pauls hat die SPDFotoaktion erwähnt, an der auch wir Grüne uns nachher natürlich beteiligen werden. Mit der Unterschriftensammlung haben wir auch schon begonnen. Viele Abgeordnete von uns haben bereits unterschrieben, und wir wollen ausdrücklich alle Menschen auffordern, diese Unterschriftenaktion zu unterstützen. Man findet die Unterschriftenformulare im Internet. Jeder kann sie ausdrucken und unterschreiben und vielleicht auch noch in der Bekanntschaft dafür werben.

Wir wollen dies als Startschuss nehmen, um beispielsweise auch über den Europaausschuss mit unseren Europaabgeordneten ins Gespräch zu kommen. Auch damit haben wir meines Erachtens in der letzten Wahlperiode ganz gute Erfahrungen gemacht, indem wir uns mit den norddeutschen Europaabgeordneten über diese Fragen ausgetauscht haben. Wir wollen auf die Europäische Kommission zugehen. Das alles kann man über den Europaausschuss machen.

Lieber Wolfgang Baasch - jetzt ist er wieder ein wenig temperamentvoller als in der Sportdebatte -, es ist meines Erachtens eine gute Aufgabe, die wir gemeinsam im Europaausschuss angehen können. Ich bin mir sicher, dass der Vorsitzende des Europaausschusses, Wolfgang Baasch, das auch unterstützen wird. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Für die FDP hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort zu seiner ersten Rede im SchleswigHolsteinischen Landtag.

(Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herzlich willkommen, gerade weil Sie so ein großes Interesse an Europa haben. Ich freue mich, heute vor allem eines zu diesem gemeinsamen Antrag der Fraktionen sagen zu können: Es geht doch. Wir haben eine ganze Menge an ganz kritischen Auseinandersetzungen und heftigen Diskussionen gehabt. Mit dieser gemeinsamen Initiative von Regierungs- und Oppositionsfraktionen setzen wir heute ein ganz wichtiges Zeichen. Und dieses ganz wichtige Zeichen hat vor allem einen Gewinner, nämlich die vielen Minderheiten in Europa.