Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herzlich willkommen, gerade weil Sie so ein großes Interesse an Europa haben. Ich freue mich, heute vor allem eines zu diesem gemeinsamen Antrag der Fraktionen sagen zu können: Es geht doch. Wir haben eine ganze Menge an ganz kritischen Auseinandersetzungen und heftigen Diskussionen gehabt. Mit dieser gemeinsamen Initiative von Regierungs- und Oppositionsfraktionen setzen wir heute ein ganz wichtiges Zeichen. Und dieses ganz wichtige Zeichen hat vor allem einen Gewinner, nämlich die vielen Minderheiten in Europa.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und SSW)

Wir alle wissen aus der Geschichte, wie schwierig das Zusammenleben von Mehr- und Minderheiten manchmal war und ist. Wir wissen, wie stark ethnische Konflikte ganze Länder und Regionen verheeren können. Umso wichtiger sind für uns die Bewahrung und die Förderung der Rechte und Anliegen von Minderheiten sowie die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Das muss ein ganz wichtiger Bestandteil unserer politischen Arbeit sein. Auch und gerade die Minderheiten - das

(Rasmus Andresen)

ist mir ein ganz wichtiger Punkt - können die Toleranz und Dynamik einer Gesellschaft in ganz hohem Maße bereichern. Deshalb sagen wir an dieser Stelle vielen Dank all den Minderheiten auch in unserem Land, die sich so positiv in dieses Land einbringen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Genau deshalb ist uns die Sicherstellung von Minderheitenrechten ein sehr wichtiges Anliegen. Nur eine Gesellschaft, die diese Vielfalt achtet und fördert, ist eine tolerante, eine offene und eine liberale Gesellschaft. Wir senden heute aus diesem Landtag, wenn wir diesen Beschluss gemeinsam fassen, gemeinsam unterstützen, durch den gemeinsamen Antrag von Regierungs- und Oppositionsfraktionen ein ganz starkes Zeichen an die europäische Bürgerinitiative. Dafür möchte ich allen beteiligten Fraktionen ganz herzlich danken und wünsche mir sehr, dass sie diesen Beschluss für sich mitnehmen und zu einer kraftvollen Unterstützung für die Initiative machen. Viel Erfolg beim Sammeln der Unterschriften! - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und AfD)

Für die AfD hat jetzt der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Wir von der AfD-Fraktion sind für diesen Antrag der anderen Fraktionen sehr dankbar, da wir es uns als Partei von Anfang an auf die Fahnen geschrieben haben, die Rechte der Völker und Volksgruppen zu schützen. Da freut es uns besonders, dass die SPD einen Antrag in dieses Hohe Haus eingebracht hat, der eine europäische Bürgerinitiative unterstützt, die sich für die Erhaltung und Förderung der Identität, Sprache, Kultur, Rechte und Eigenart der europäischen Minderheiten einsetzt.

Wer hätte gedacht, dass die SPD für Identität und Eigenart einsteht, wo sie doch jeden, der sich für die Identität und Eigenart des deutschen Volkes starkmacht, kritisch beäugt, um es vorsichtig auszudrücken.

(Beifall AfD - Zurufe SPD: Was? Unglaub- lich!)

Was diese lobenswerte Initiative den Ungarn in Rumänien, den Südtirolern in Norditalien, den Sorben in der Lausitz, den Dänen in Deutschland und den Deutschen in Dänemark ganz selbstverständlich verschaffen will, sollte selbstverständlich sein für die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften. In Rumänien, Dänemark und Italien ist das auch selbstverständlich, nur bei uns scheint es einer Erklärung zu bedürfen, wenn man sich zu seinem Land, seiner Kultur, seiner Sprache und auch zu seinem Volk bekennt und sich dafür einsetzt, dessen Tradition, Sitten und Gebräuche zu schützen und zu pflegen.

Gerade Schleswig-Holstein - das wurde heute schon gesagt - mit seinen nationalen Minderheiten sollte sich für diese europäische Bürgerinitiative starkmachen. Hier hat Vielfalt einen guten Klang; denn es ist eine gewachsene Vielfalt und nicht eine, die aus ideologischen Gründen herbeigeredet und von manchen nur herbeigeträumt wird.

(Beifall AfD)

Europa ist die Heimat für viele Völker und Regionen. Ihre Selbstständigkeit zu stärken, ihre Identität zu bejahen und so einer fortschreitenden Gleichmacherei unter dem Vorzeichen der Globalisierung entgegenzutreten, sollte das Ziel aller selbstbewussten Nationen sein; denn nichts wäre schlimmer, wenn diese über Jahrhunderte gewachsene Vielfalt von supranationalen Kräften zu einem Einheitsbrei verrührt würde.

Wie weit dieses Gedankengut in der EU-Kommission gediehen ist, zeigt der im Jahr 2016 öffentlich geäußerte Wunsch des EU-Kommissars Frans Timmermans,

„dass die Zukunft der Menschheit nicht länger auf einzelnen Nationen und Kulturen beruhen werde, sondern auf einer vermischten Superkultur“.

Mit der Unterstützung der Minderheitenrechte kann sich die EU jetzt einmal von ihrer positiven Seite zeigen und die bisherige Blockadehaltung der EU-Kommission überwinden. Die europäische Bürgerinitiative für Minderheitenrechte steht für Gehör und politische Teilhabe. Schenken wir den nationalen Minderheiten in Europa dieses Gehör.

Die AfD-Fraktion unterstützt ausdrücklich den Antrag der anderen Fraktionen und beteiligt sich gerne an der Unterschriftenaktion.

(Beifall AfD - Thomas Hölck [SPD]: Besser nicht!)

- Dann nicht.

(Stephan Holowaty)

Frau Präsidentin! Liiw följkens än liiwe waane foon e manerhäide! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Europa - das hat Birte Pauls gerade schon gesagt; es ist trotzdem wichtig, das noch einmal hervorzuheben - leben rund 340 autochthone Minderheiten mit mehr als 100 Millionen Menschen. Das sind also nicht gerade wenige, sondern das ist eine richtig große Gruppe. Jeder siebte Europäer und jede siebte Europäerin sind Angehörige einer solchen autochthonen Minderheit. Auch in der EU ist es ähnlich. Neben den 24 Amtssprachen der EU gibt es über 60 Regional- oder Minderheitensprachen in der Europäischen Gemeinschaft.

Im März dieses Jahres hat die Europäische Kommission beschlossen, die Bürgerinitiative ,Minority SafePack zu registrieren. Das Minority SafePack ist ein Bündel von Forderungen auf der einen Seite und von Vorschlägen für konkrete Rechtsakte zur Förderung und zum Schutz der europäischen Minderheiten sowie deren Regional- und Minderheitensprachen auf der anderen Seite. Bei der Initiative geht es uns in erster Linie um ein solidarisches Minderheitensystem gemeinsam mit der Mehrheitsbevölkerung. Die Bürgerinitiative muss bis April 2018 in der EU eine Million Unterschriften aus mindestens sieben Mitgliedsländern sammeln. In Deutschland müssen wir mindestens 70.000 Unterschriften sammeln.

Die Vorschläge der Initiative betreffen die Bereiche Regional- und Minderheitensprachen, Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Partizipation - also auch Politik spielt eine Rolle -, Gleichheit, audiovisuelle Mediendienste und viele andere mediale Inhalte und natürlich als Basic auch die staatliche Förderung. Also auch um Knete geht es, meine Damen und Herren.

Exemplarisch möchte ich auf zwei wichtige Programmpunkte eingehen: Sowohl die großen als auch die kleineren Mitgliedstaaten haben je einen Kommissar oder eine Kommissarin bei der EU und natürlich auch einen Richter oder eine Richterin am Europäischen Gerichtshof. Auch im Rat und in den weiteren Gremien sind alle Staaten vertreten. Die meisten Minderheiten hingegen sind nicht vertreten, wenn es um die europäischen Institutionen geht, weil sie entweder zu klein sind, um ein Mandat im Parlament zu gewinnen, oder eben auch, weil es einfach nicht vorgesehen ist, Minderheiten in den Gremien zu berücksichtigen. Hier muss sich etwas ändern. Das könnte beispielsweise durch die Gründung einer Minderheitenplattform in Form eines beratenden Gremiums geschehen. Das wäre ein

erster Schritt. Da wir solche Minderheitengremien haben, glaube ich, können wir hier als gutes Beispiel dienen.

Eine weitere besonders wichtige und besonders drängende Forderung bezieht sich in unseren Augen auf die Hunderttausenden Menschen in der EU, die noch staatenlos sind. Viele von ihnen sind Angehörige einer nationalen Minderheit. Ihnen wird der Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen und auch zur Sozialhilfe verweigert, weil sie eben die Staatsbürgerschaft nicht haben. Ihnen wird natürlich auch das Recht genommen, wählen zu gehen und damit Einfluss auf die eigene Gesellschaft nehmen zu können. Daher ist eine der Forderungen des Minority SafePacks eine Anpassung der europäischen Richtlinien für Drittstaatsangehörige inklusive staatenlose Personen. Um es hier ganz deutlich zu sagen: Eine der größten Minderheiten in Europa ist von der Staatenlosigkeit und der damit verbundenen Ausgrenzung besonders betroffen, und das sind die Roma-Minderheiten in Europa.

CDU, FDP und die Grünen haben sich im Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, die Minority-SafePack-Initiative zu unterstützen. Nun heißt es natürlich, dass wir auch handeln müssen. Wir erwarten also von Ihnen - damit meine ich nicht nur die Regierung, sondern uns alle -, dass Sie offizielle Veranstaltungen im Landtag dazu nutzen, auf die Initiative aufmerksam zu machen. Die Unterschriftenlisten sollten im Landeshaus und in den Behörden des Landes nicht nur heute, sondern dauerhaft ausliegen. Wir benötigen Broschüren und Hinweise auf den Homepages des Landes zur Online-Unterschriftensammlung. Das geht inzwischen relativ einfach.

Zu den ersten Handlungen unseres neuen Minderheitenbeauftragten Johannes Callsen, dem auch ich herzlich gratuliere, gehört natürlich auch, dass er sich jetzt möglicherweise mit den Minderheitenorganisationen trifft und einmal guckt, wie man - ich glaube, das ist etwas, was uns Minderheiten und die Mehrheit gemeinsam betrifft und interessiert - eine erfolgreiche Initiative vonseiten des Landes anstoßen kann. Wir brauchen die Unterstützung der Mehrheit, damit unser Anliegen nicht nur innerhalb der Minderheiten Beachtung findet, sondern sich auch die Mehrheitsbevölkerung in Schleswig-Holstein solidarisch zeigt.

Aus unserer Sicht haben wir, glaube ich, in der Vergangenheit immer eine hervorragende Minderheitenpolitik gemacht, die sich sehen lassen kann. Wir können also auch für uns selbst werben. Vor dem Hintergrund glaube ich, ist es wichtig, dass gerade aus Schleswig-Holstein noch einmal ein deutliches

Signal herausgeht. Dass wir es hinbekommen haben, einen gemeinsamen Beschluss dazu zu fassen, macht uns richtig glücklich. Lassen Sie uns die Initiative unterstützen, damit es den Minderheiten in Europa in Zukunft noch besser geht als ohnehin schon. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Ministerpräsident Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorgänger im Amt hat mir etwas mit auf den Weg gegeben: Auf dem dänischen Jahrestreffen am 11. Juni 2017 hat Torsten Albig seinen Nachfolger dazu aufgerufen, weiterhin besonnen und umsichtig zu handeln, wenn es um das Verhältnis von Mehrheit und Minderheiten in SchleswigHolstein geht. Nun fühle ich mich nicht an alles gebunden, was die Regierung Albig in SchleswigHolstein so gemacht hat. Doch in der Minderheitenpolitik gebe ich ihm ausdrücklich recht! Da nehme ich diesen Rat auch an; denn darüber haben wir hier im Haus einen breiten Konsens. Den haben wir auch in der Landesverfassung verankert. Unsere Minderheiten zu schützen und zu unterstützen, das bleibt Zielrichtung auch dieser Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall im ganzen Haus)

Die Minderheiten in Schleswig-Holstein sind eine Bereicherung für unser Land, kulturell, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Unsere Minderheiten bringen sprachliche Vielfalt ins Land. Das ist für uns alle ein Gewinn.

Der Minderheitenbeauftragte Johannes Callsen ist vorhin schon angesprochen worden. Er nimmt die Aufgabe genauso wie seine Amtsvorgängerin als Ehrenamt nebenbei wahr. Genauso wie ich Renate Schnack angerufen habe, um mich bei ihr für ihre Arbeit, die sie ehrenamtlich gemacht hat, zu bedanken, kann ich deutlich sagen, Johannes Callsen wird dieses Amt, das auch ein Ehrenamt in der Funktion ist, absolut gewissenhaft ausüben und seine ganze Kraft da hineinlegen, weil es ihm persönlich und auch dieser Landesregierung wichtig ist, dass wir uns um die Minderheiten kümmern. Das bleibt auch in Zukunft so. Dafür werden wir entsprechend sorgen. Es gibt im Übrigen auch Stimmen aus den

Minderheiten, die uns sagen, sie empfinden es ein Stück weit als Aufwertung, dass ein Parlamentarier dieses Amt übernimmt. Von daher ist die Kontinuität hier gesichert, und Johannes Callsen wird diese Aufgabe hervorragend wahrnehmen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die europäische Bürgerinitiative Minority SafePack ist ganz stark eine schleswig-holsteinische Initiative. Sie wurde von der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten in Flensburg auf den Weg gebracht. Ziel dieser Initiative ist es, eine Million Unterschriften zu sammeln. Das ist auch online möglich. Die wichtigen inhaltlichen Ziele sind, den Minderheitenschutz in Europa zu verbessern, die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa zu erhalten und zu stärken und die Sichtbarkeit der nationalen Minderheiten zu erhöhen, auch medial.

Damit ist Minority SafePack eine der wichtigsten solidarischen Aktionen der Minderheiten in Europa seit Jahrzehnten. Schleswig-Holstein steht hinter dieser Initiative. Sie passt zu uns. Das, was wir minderheitenpolitisch machen, ist auch beispielgebend für andere europäische Länder. Deswegen haben wir als Landesregierung schon dafür gesorgt, dass auf unserem Landesportal ein Link zur Abstimmungsseite gesetzt ist. Ich habe mich in der Mittagspause daran gesetzt. Der funktioniert auch. Ich habe mich selbst dort eingetragen. Dies ist seit dem 15. Juni 2017 möglich. Wenn alles richtig war, was dort stand, so war ich der 2.641ste, der sich eingetragen hat. Da ist also noch ein bisschen Luft nach oben. Deswegen - lieber Lars Harms, du hast es ja eben auch gesagt - müssen wir jetzt dafür werben. Das tun wir als Landesregierung genauso. Überall, wo wir unterwegs sind, werden wir uns zu dieser Initiative bekennen und dafür werben, dass möglichst viele Menschen, alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, diese europäische Bürgerinitiative mit Wurzeln in Schleswig-Holstein unterstützen - aus Respekt der Mehrheitsbevölkerung vor und in Solidarität mit den Minderheiten bei uns in Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt SPD und AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bit

(Lars Harms)

te ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag in der Drucksache 19/55 (neu) einstimmig angenommen worden. - Vielen Dank.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 und 4 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Gemeindewahlen in Gemeinden mit Erstaufnahmeeinrichtungen