Protokoll der Sitzung vom 28.09.2018

Man wird schneller rechts, auch wenn man zum Teil der bürgerlichen Mitte gehört. Das haben auch Politiker hier aus verschiedenen Parteien - ich erinnere an Herrn Kubicki bei der Fernsehsendung Lanz - genau so gesagt.

(Beifall Jörg Nobis [AfD] - Christopher Vogt [FDP]: Der meinte nicht Sie! - Claus Schaf- fer [AfD]: Der meinte sich selbst!)

Das darf nicht passieren, und deswegen unterstützen wir, dass Demokratiebildung in der Schule weiter gefördert wird.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters?

Selbstverständlich.

Zum Thema Denunziantentum: Was halten Sie denn von Ihrer Aktion in Hamburg, dort Schülerinnen und Schüler dazu aufzufordern, bestimmte politische Äußerungen von ihren Lehrerinnen und Lehrern zu melden, wenn sie ihrer Ansicht nach nicht richtig sind?

- Ich habe natürlich von der Hamburger Aktion gehört. Ich glaube - nein, ich bin sicher -, dass wir im Prinzip andere Möglichkeiten haben und es, wenn sich ein Schüler indoktriniert fühlt oder falsch behandelt fühlt, Wege gibt, die er einhalten kann: Verbindungslehrer, Schulleiter, Schulbehörde. Ich

vertraue darauf, dass diesen Verdachtsfällen dann nachgegangen wird. Gleichzeitig haben offensichtlich Schüler und auch Lehrer die Erfahrung gemacht, dass das nicht immer konsequent gemacht wurde. Das ist, glaube ich, eine Reaktion darauf. Es ist eine unglückliche Reaktion; aber die Hamburger Kollegen haben sich jetzt dazu entschieden, diese Problematik einmal so öffentlich zu machen. Ich glaube, das ist der eigentliche Anlass, dass sie diesen Weg gewählt haben.

(Beifall AfD - Wolfgang Baasch [SPD]: Sie reden sich um Kopf und Kragen!)

- Ich rede mich nicht um Kopf und Kragen, denn es gibt tatsächlich eine andere Seite. Aus der Schule erreichen mich E-Mails - auch hinsichtlich des vorliegenden Antrags. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis einmal eine Lehrerin:

„In der Klasse eine Diskussion zu führen, die den Namen verdient, wird immer schwieriger. Die Schülerinnen und Schüler wissen, welche Antworten von ihnen erwartet werden. Ich spüre, dass sich viele von ihnen nicht mehr trauen, kritische Fragen zu stellen.“

(Zuruf: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, es ist offensichtlich, dass wir dieses Problem mit einem Jahr der politischen Bildung nicht mehr lösen können. Wäre das so, stimmte ich ohne Weiteres direkt zu. So möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, noch drei Anmerkungen zu machen:

Die Fächer Erdkunde, Geschichte und Politik wurden vor Jahren zum Fach Weltkunde zusammengelegt. Dabei hat man auch direkt Stunden eingespart. Ich bin selber Geschichtslehrer; deswegen war ich davon auch betroffen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Auch das noch!)

Das war falsch und sollte rückgängig gemacht werden.

(Zurufe Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und SPD: Herr Höcke!)

Das Gleiche sollte auch für den Bereich Wirtschaft/ Politik an den Gymnasien gelten.

(Unruhe SPD - Dr. Frank Brodehl [AfD] wendet sich an das Präsidium)

- Könnten Sie bitte für Ruhe sorgen? Das wäre vielleicht - - Ihre Reaktion lässt tief blicken, das muss ich sagen.

(Dr. Frank Brodehl)

(Zuruf: Ihre Rede!)

Ich habe das im Auge, aber es liegt in meinem Ermessen.

Danke sehr.

(Martin Habersaat [SPD]: Zwischenrufe ge- hören zur Demokratie!)

In belebten Zeiten wie heute sollte der Beutelsbacher Konsens wieder mit neuem Leben erfüllt werden. Sie wissen: Darin ist das Indoktrinationsverbot geregelt und dass eine Ausgewogenheit sichergestellt wird.

Wenn ich diese Woche in der Presse lese, dass gerade in den heutigen Zeiten Schule nicht mehr neutral sein dürfe, dann sagen wir: Schule muss neutral sein.

(Beifall AfD)

Ich habe anfangs schon darauf hingewiesen, dass es bereits heute sehr viele gute Demokratieprojekte gibt. Deshalb fordern oder regen wir an, sich zunächst einmal einen Überblick zu verschaffen: Was läuft schon? Wer macht eigentlich was für welche Altersgruppe? Daran anschließend sollte es eine Evaluation geben, dann kann man sehen, was nachhaltig wirkt.

Über die geplante Konzeption des politischen Jahres im Ausschuss zu sprechen, halte ich für sinnvoll. Wenn dann auch die Meinung und die Anregungen der AfD aufgenommen werden - daran habe ich keinen Zweifel -, dann sind wir auf dem richtigen Weg. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Vielen herzlichen Dank, Frau Vize-Landtagspräsidentin! - Sehr geehrte Damen und Herren! Demokratie und Bildung - wie Sie wissen, sind das zwei SSW-Lieblingsthemen. Zur Demokratiebildung gehören für uns in hohem Maße gelebte Demokratie und Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Das fängt schon mit der frühkindlichen Partizipation an. Das

Kinder- und Jugendhilfegesetz ist da ja auch ganz eindeutig formuliert:

„Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.“

Hier gibt es keinerlei Altersbegrenzungen, also gilt das uneingeschränkt auch für Kindertageseinrichtungen. Kinder sollen hier lernen, eine eigene Haltung zu entwickeln. Wir wollen mündige Kinder. Sie sollen sich damit auseinandersetzen und Einfluss darauf haben, was ihren Alltag in der Kindertagesstätte ausmacht: Was gibt es zu essen? Wie werden die Spielzeiten im Sandkasten geregelt? Wie gehen wir miteinander um? Nicht zuletzt: Wie streiten wir politisch? Wie wir es - dieses Beispiel liegt nahe - an diesem Ort immer wieder selbst erleben, ist es wichtig, auch in der Meinungsverschiedenheit konstruktiv im Umgang zu bleiben:

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das haben wir gestern gemerkt!)

Einander zuzuhören, Kompromisse einzugehen, sich überzeugen zu lassen oder eben auch nicht, für die eigene Sichtweise einzustehen und es aushalten zu können, keine Zustimmung zu bekommen.

Deswegen freue ich mich auf das Jahr 2019 als Jahr der politischen Bildung. Das ist kein Vorhaben, das den jungen Leuten ungewollt übergestülpt wird das ist besonders zu betonen -, denn sie fordern es selbst.

Der Junge Rat der Stadt Kiel setzt sich für den verpflichtenden WiPo-Unterricht an allen weiterführenden Schulen bis Ende der Mittelstufe ein. Auch die Landesschülervertretung wünscht sich insgesamt mehr Politik in der Schule, aber speziell auch Wirtschaft/Politik als verpflichtendes Fach ab der 7. Klasse, und zwar nicht als Fach Weltkunde, das Geographie, Geschichte und Wirtschaft/Politik vereint, sondern ausdifferenziert in unterschiedlichen Stunden, die Raum für die Vertiefung in den verschiedenen Bereichen bieten.

Wir vom SSW unterstützen diesen Hinweis, er leuchtet ein. Unsere jetzigen Lehramtsstudierenden bringen in ihrer Regelstudienzeit mindestens 12 Semester damit zu, die unterschiedlichen Studienfächer für sich zu studieren. Sie eignen sich so viel Wissen an, dass es sich lohnt, dieses auch ausdifferenziert in eigenständigen Fächern an die Schülerinnen und Schüler weiterzuvermitteln.

Dabei ist leider jetzt schon ein Problem zu erkennen: Uns fehlen die Lehrkräfte für den WiPo-Unter

(Dr. Frank Brodehl)

richt. Aus Sicht des SSW sollte deshalb das Fach Wirtschaft/Politik, wie wir es kürzlich auch für den Informatikunterricht beschlossen haben, bis zum 1. Februar 2019 als Mangelfach eingeordnet werden.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Es ist genau der richtige Weg, regionale Verbände und Vereine sowie Gedenkstätten mit ins Boot zu nehmen. Natürlich gehört dazu auch unser Landesbeauftragter für politische Bildung, der fest eingebunden werden muss. Er leistet mit seinem Team eine wirklich hervorragende Arbeit. Wie müssen aber auch an diejenigen denken, die wir im schulischen Bildungssystem nicht mehr erreichen. Dann wird Demokratiebildung eine Sache der Weiterbildung.

Für das lebenslange Lernen muss die Weiterbildung endlich als gleichberechtigte Säule des Bildungssystems wertgeschätzt werden. Wir brauchen hier einen Bewusstseinswandel.

Diese Maßnahmen sollen dazu führen, Demokratiefeindlichkeit gar nicht erst gedeihen zu lassen. Wir müssen Demokratie erklären, reflektieren, verbessern und vor allem zum Mitmischen ermutigen. Denn - wie wir gestern wieder exemplarisch vernehmen konnten - auch das erfolgreiche Durchlaufen des Bildungssystems bis zum akademischen Abschluss bewahrt uns nicht vor demokratiefeindlichen Aussagen. Es muss eben auch um Wertevermittlung gehen, um Freiheit, um Toleranz, um das Einhalten von Menschenrechten und um das unglaubliche Glück, dass wir in diesem Land friedlich miteinander zusammenleben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Dennys Bornhöft [FDP])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir fortfahren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags den Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks und Landespastor Heiko Naß,

(Beifall)