Warum also bedarf es noch eines Deutschen Instituts für Tourismusforschung, wenn doch alles so gut läuft? Nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden kann. So ist mit dem neuen Label ich zitiere aus der Antragsbegründung - „eine Schärfung des Profils und entscheidend auch der verbesserte Zugang zu neuen Forschungsmärkten durch Drittmittel und Forschungspartner möglich“. Damit einher geht nicht nur eine Stärkung des Tourismusstandorts Schleswig- Holstein, sondern besonders der Westküste mit Heide. Das gönnen wir als Nordfriesen den Dithmarschern.
Auch wenn wir mit Husum damals nur zweiter Sieger geworden sind, was die Etablierung der Fachhochschule angeht, stehe ich natürlich zu 100 % zum Standort der Fachhochschule und auch zum Institut für Tourismusforschung; das ist klar. Auch wir selbst haben mit unserem Betrieb schon an Projekten der Fachhochschule Westküste teilnehmen dürfen, die die Weiterbildung und Qualifizierung im Tourismus zum Ziel hatten. Außerdem besteht die Chance, dass neben den Studierenden und manchen Nachwuchswissenschaftlern auch hochqualifiziertes Personal für die Region gewonnen und in der Region gebunden werden kann.
Meine Damen und Herren, ein Deutsches Institut für Tourismusforschung, was es so in Deutschland noch nicht gibt, wäre ein klares Ausrufezeichen und ein hervorragendes Qualitätsmerkmal für den Hochschulstandort Schleswig-Holstein. Lassen Sie uns also auch aus Anlass des gerade begangenen 25-jährigen Jubiläums der Fachhochschule Westküste noch einen drauflegen. Die Fachhochschule hat es verdient, das Institut hat es verdient, und die Mitarbeiter haben es auch verdient. Deswegen bitte ich um Zustimmung zum Antrag. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel.
Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tourismus als Gesamtheit der Reiseaktivitäten in eine andere Region, ein anderes Land, auf einen
anderen Kontinent oder zu einer anderen Kultur ist mittlerweile ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens. Seitdem der Begriff „Overtourism“ auch in der öffentlichen Diskussion angekommen ist, zeigt sich aber auch, dass Tourismus ein komplexes gesellschaftliches Phänomen und eben nicht nur ein Marketingproblem ist, auch wenn einige Regionen unseres Landes noch vor dem Problem stehen, wie sie sich in Konkurrenz zu anderen Regionen besser vermarkten können.
Wir sehen auch, wie internationale Veränderungen und Konflikte Folgen für den Tourismus haben, aber auch, wie Tourismus Gesellschaften verändert. Denken Sie zum Beispiel nur an den deutlichen Rückgang des deutschen Tourismus in Richtung Türkei als Antwort auf die Negativschlagzeilen, die die Türkei leider seit einiger Zeit ständig produziert. Wir erkennen aber auch schmerzlich, welche Auswirkungen der sogenannte Massentourismus als Devisenquelle und als Beschäftigungsmotor auf die Gesellschaften, ihre Kulturen und vor allem auf die Umwelt, zum Beispiel in den Mittelmeerstaaten oder in Asien, hat und hatte.
Eine nicht abschließend geklärte Frage ist auch, inwieweit der Massentourismus zum gesellschaftlichen Wandel in damaligen Diktaturen wie Portugal, Spanien, Griechenland und zu deren Demokratisierung beigetragen hat und inwieweit die Erfahrungen aus den arabischen Ländern im Mittelmeerraum wie Tunesien, Marokko oder Ägypten übertragbar sind. Wir sehen also schon an den wenigen Beispielen, dass Tourismusforschung oder Tourismuswissenschaft als interdisziplinärer Wissenschaftsansatz sinnvoll und erforderlich ist.
Hier treffen Soziologie, Geografie, Ökonomie, Ökologie, Politikwissenschaften und Psychologie aufeinander. Die Tourismuswissenschaft ist keine neue Disziplin. Sie stößt aber schnell an ihre Grenzen, wenn sie nicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den genannten Disziplinen miteinander vernetzt, da sie kein einzelner Forscher gleichzeitig kompetent im Auge behalten könnte. Es ist schon genannt worden: Die Fachhochschule Westküste hat 2004 einen Studiengang International Tourism Management aufgebaut und natürlich 2006 das Institut für Management und Tourismus mit einem interdisziplinären Ansatz etabliert.
Trotzdem ist es sehr ambitioniert, dass die Fachhochschule Westküste in Heide jetzt auf dieser Grundlage ein Deutsches Institut für Tourismusforschung aufbauen will. Damit ist der Anspruch ver
bunden - das ist hier auch gesagt worden -, bundesweit und international auszustrahlen und sich in die deutsche Forschungslandschaft einzubetten. Ein Standort in Schleswig-Holstein und gern auch an der Fachhochschule Westküste ist in der Sache richtig, weil wir zu den tourismusstärksten Bundesländern gehören und Forschung und Praxis in diesem Bereich verzahnt werden müssen.
Nun sind Fachhochschulen in der Regel strukturell, sächlich und personell nicht ausreichend ausgestattet, um Forschung in dem genannten Sinne zu betreiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Jamaika-Koalition, insofern braucht das bisherige Institut oder auch das neue Institut nicht nur unsere Begleitung, wie das in Ihrem Antrag heißt, sondern sie brauchen handfeste Unterstützung und insbesondere zusätzliche Ressourcen.
Denn die erforderlichen Sach- und Personalkosten sind nicht einfach durch die Akquise von Drittmitteln zu erreichen, beziehungsweise viele Drittmittelgeber erwarten einen Eigenanteil. Wenn Sie nun unsicher sind, welche zusätzlichen Ressourcen erforderlich sind, dann kann ich zum Beispiel die Universität Salzburg und die Universität Bern als Referenzen empfehlen - zwei Universitäten, die ich erfreulicherweise aus eigener Anschauung kenne. Beide sind durch ihre Institute für interdisziplinäre Tourismusforschung beziehungsweise ihre Forschungsstelle Tourismus seit Jahren international bekannt. Da wissen wir dann auch, was wir meinen, wenn wir international vergleichbare Forschung hier in Schleswig-Holstein realisieren wollen.
Wenn also die Landesregierung dieses Projekt der Fachhochschule Westküste für richtig hält, erwarte ich von ihr eine klare Aussage, inwieweit sie bereit ist, die Hochschule mit zusätzlichen bedeutsamen Ressourcen zu unterstützen.
Was auf jeden Fall nicht diskutabel ist, ist, dass zugunsten eines neuen wissenschaftlichen Flaggschiffs die anderen zahlreichen Studiengänge der Fachhochschule Westküste finanziell schlechter gestellt werden.
Es geht also darum, dass in der Tat dieser neue Ansatz der Fachhochschule Westküste mit zusätzlichen Ressourcen so ausgestattet wird, dass sie international konkurrenzfähig ist. Dass eine einfache
Begleitung hier nicht reicht, sollte deutlich geworden sein. Deshalb bitte ich darum, dass wir das im Wirtschafts- und Bildungsausschuss weiter diskutieren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen der Tourismuswirtschaft bleiben auch in Zukunft trotz guter Wirtschaftsaussichten hochaktuell. Viele Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten in unserem Land hängen an der Tourismuswirtschaft.
Doch wo geht die Reise hin bei einer zunehmenden Individualisierung, neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung, sozialen Netzwerken, sich rasch verändernden Märkten, neue Nachfragen von Kundinnen und Kunden und natürlich auch den hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit, Naturverträglichkeit und einen besonderen Qualitätstourismus? Welche Qualität wird sich durchsetzen? - Schlicht und ergreifend: Wir wissen es nicht.
Wir Grüne setzen dabei natürlich auf Attraktivitätseffekte im echten Norden, die Lebensqualität, saubere Strände, sauberes Wasser. Nur wenn Menschen im echten Norden echte Natur erleben, bleiben wir zukunftsfähig - so unsere Annahme. Aber auch da sage ich ganz deutlich: Wie ist das Verhältnis zwischen Ressourcenverbrauch, der ja in der Tat auch im Tourismus stattfindet, Versiegelung von Flächen, Hotelbauten? - Das alles kennen wir ja. Da gab es auch viele Fehlallokationen in der Vergangenheit.
Was wirkt im Tourismus? Der neue Trend geht ja hin zum leichteren Gepäck. Auch in meiner Generation, in unserer Generation ist es so: Wir suchen Entschleunigung, wir suchen auch neue Wege des Urlaubs. Da ist manchmal nicht immer nur das, was in den Köpfen von Touristikern vorgeht, und das, was an Zukunftsperspektiven notwendig ist, das Richtige. Insofern haben wir da auch ein Wissensdefizit. Deshalb sind, wenn man im Tourismus plant, nicht nur diese klugen Strategien - 30-30-3 und was wir da alles haben - postuliert. Dann muss man sich auch die Fragen stellen: Was ist der Markt
von morgen? Was ist die Tourismuswirtschaft von morgen? Was brauchen wir? Ist da weniger mehr? Wo geht die Reise hin?
Ich will nur einmal daran erinnern: In Deutschland gibt es 20 Millionen Menschen - LOHAS heißen sie, Lifestyle of Health and Sustainability -, die sich ganz bewusst für eine besondere Lebensweise entscheiden, bei der Ernährung, beim Essen, bei der Mobilität, aber auch beim Urlaub, bedingt durch ihre ganz persönliche Lebensperspektive. Es ist eine wirtschaftliche, ökonomische Gruppe von Menschen, die natürlich auch bei der Frage, welches Urlaubsland sie wählen, genau hinschauen. Deshalb geht es bei den Themen auch um den ökologischen Fußabdruck und um diese Qualität.
- Herr Stegner, ich will das einmal sagen, Sie müssten dann auch einmal bei dem Thema Wirtschaft etwas genauer hinschauen.
Wenn wir solche wirtschaftlichen Gewinne wie aus dem Tourismus haben - 7,5 Milliarden € Umsatz in unserem Land, fast 700.000 Arbeitsplätze hängen daran -, dann ist diese Frage schon erlaubt. Wir leisten uns das ja auch in wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten in anderen Bereichen - gerade, weil wir von diesen Zusammenhänge und dieser Interdisziplinarität, Herr Kollege Dr. Dunckel, die Sie gerade angesprochen haben, nicht genau wissen, was da tatsächlich notwendig ist. Ich rede hier nicht für eine Betriebsverwirtschaftlichung der Tourismuswirtschaft, sondern ich will gerade auf die Inhalte, auf die Ziele und die Nachhaltigkeit eingehen. Deshalb ist Forschung und Entwicklung richtig. Wenn Sie Innovationen in Schleswig-Holstein wollen - ich will das -, dann muss man auch Innovation in Forschung und Bildung forcieren. Deshalb ist es richtig, dass wir dieses Institut für Tourismuswirtschaft jetzt einführen.
Herr Professor Dunckel, ich darf auch einmal sagen: Immer nur zu sagen: mehr Geld, mehr Geld, mehr Geld -
Aber Sie müssen doch auch einmal wahrnehmen, dass es Wissenschaftler gibt, wie Herrn Professor Eisenstein, den wir alle kennen, der bestens interna
tional vernetzt ist, und der mit verschiedenen Akteuren in der Wirtschaft hervorragend zusammenarbeitet.
Es gibt eben auch noch etwas wie eine Dynamik in der Wissenschaft, die auch damit zusammenhängt, dass man diese Netzwerke pflegt, dass diese Produkte und Projekte laufen. Lesen Sie einmal das Buch „Slow Tourism“ von ihm. Er ist da nachweislich der internationale Experte, nicht nur der deutsche. Deshalb gibt es da mehr, als immer nur über das Geld zu jammern.
Herr Kollege Dr. Tietze, bei aller Dynamik, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Kollegen Dr. Stegner?
Aber lieber Herr Kollege Dr. Tietze, wenn hier die Dynamik nur in den frommen Worten und den feurigen Reden von Abgeordneten besteht und die Entschleunigung nur durch die Nahverkehrspolitik des Wirtschaftsministers, dann haben wir nichts davon. Ich glaube, wir brauchen tatsächlich Mittel, wenn so ein Institut im Wettbewerb mit anderen bestehen will. Deshalb ist es, glaube ich, nicht der Punkt, immer nur über das Geld zu reden. Aber ein lauer Begrüßungsantrag, der denen überhaupt nichts nützt, ist die falsche Antwort. Ich glaube, man muss da tatsächlich ausdrücklich sagen: Was wollen wir als Land an Strukturen da hineinsetzen, damit sie auch eine Chance haben? Dann wird das auch vom ganzen Haus unterstützt.