Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

(Beifall Klaus Schlie [CDU] und Bernd Hei- nemann [SPD])

Ich bitte um Zustimmung zu dem Alternativantrag nun ein gemeinsamer Antrag mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD und den Abgeordneten des SSW. Ich freue mich sehr darüber. Ich bitte sehr herzlich um Zustimmung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behinderung ihre Belange selbst vertreten sollen und selbst vertreten müssen. Es wird sich für uns als Forderung durchsetzen, dass wir immer mehr Vereine und Verbände brauchen und diese stärken wollen, die Menschen mit Behinderung oder Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind, und deren Angehörige unterstützen. Wir finden es auch richtig, dass dies in Form einer hier schon angesprochenen Peer-Beratung stattfindet, dass die Beratung also von Betroffenen für Betroffene stattfindet und somit auch ganz andere Blickwinkel eröffnet.

Es gilt, solche Organisationen selbstverständlich zu fördern. Daher hat sich meine Fraktion für solch eine Förderung im Rahmen der Haushaltsberatungen im Dezember starkgemacht.

(Beifall SPD)

Wir haben viele Prozesse wie zum Beispiel die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes oder die Fortschreibung des Aktionsplans, an denen Menschen mit Behinderung beteiligt werden müssen, denn hier geht es um ihre Belange. Es gilt für uns der Grundsatz: Nicht ohne uns über uns. Aber das ist nicht alles ehrenamtlich zu leisten, und das ist vor allem nicht nebenbei zu leisten. Daher sehen wir eine Förderung und Unterstützung als notwendig an.

Zur AfD: Wir sind aber, wie gesagt, schon viel länger an dieser Problematik dran und kommen nicht

erst nach den Haushaltsberatungen und damit leider viel zu spät mit solchen Ideen. Man hat einfach den Zeitpunkt verpasst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in Schleswig-Holstein haben die ersten EUTB-Beratungsstellen ihre Arbeit aufgenommen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Brodehl?

Nein. - EUTB steht für ergänzende unabhängige Teilhabeberatung. Die Beratungsstellen der EUTB sollen Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen unterstützen. Es handelt sich hierbei um ein Beratungsangebot, welches man schon in Anspruch nehmen kann, bevor man Leistungen beantragt hat. Die Beratung soll niedrigschwellig sein und unabhängig von Leistungsträgern und Leistungserbringern angeboten werden, und im Grundsatz gilt für die EUTB: Betroffene beraten Betroffene.

Diese Beratungsstellen werden zunächst befristet auf drei Jahre als wesentlicher Baustein des Bundesteilhabegesetzes durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert mit einem Budgetanteil von bis zu 95 % je Beratungsstelle, und dies ist bis zum 31. Dezember 2022 gesichert. Das Beratungsangebot wird durch eine wissenschaftliche Untersuchung begleitet, und bei positiver Entwicklung kann es durch einen Beschluss des Deutschen Bundestags fortgesetzt werden.

Auch vor diesem Hintergrund gibt es keine Notwendigkeit, sich mit dem Antrag beziehungsweise mit der langen und langatmigen Antragsbegründung der AfD weiter inhaltlich auseinanderzusetzen. Festzuhalten bleibt nämlich: Die ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen nehmen ihre Arbeit auf und haben ihre Arbeit aufgenommen, um Menschen mit Behinderung oder auch ohne Behinderung zu unterstützen und den Menschen bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Sicherheit und Hilfestellung zu geben. Das gilt natürlich auch in allen Fragen, die über das Bundesteilhabegesetz hinausgehen. Sie geben damit eine konkrete und verlässliche Hilfe für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen.

Entsprechend froh sind wir, dass wir es geschafft haben, uns mit der Regierungskoalition auf einen gemeinsamen Antrag zu verständigen, denn ich

(Andrea Tschacher)

glaube, mit dem Antrag wird das Signal des Landtags deutlich, dass wir selbstbestimmte Beratung in Schleswig-Holstein nicht nur wichtig finden, sondern auch förderungswürdig und dass diese Förderung auch geschieht. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sagte gerade eben zum Kollegen Baasch: Wenn die Zitate über das, worüber wir uns einig geworden sind, schon vom Kollegen vorgelesen werden, dann muss ich mir überlegen, was ich stattdessen sage, aber ich komme noch einmal auf das zurück, was die Kollegin Tschacher am Anfang gesagt hat. Das ist ein wichtiges Thema. Ich finde, wir alle hier im Parlament müssen uns darüber klar sein, wie viele Menschen das Thema Inklusion betrifft:

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und vereinzelt AfD)

520.000 Menschen in Schleswig-Holstein, das ist jeder fünfte. Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen schwerbehindert sind, dann sind das 340.000 Menschen in Schleswig-Holstein. Jeder achte von uns ist davon betroffen. Insofern ist es sehr wichtig, dass wir hier Verantwortung übernehmen und dass wir bei den verschiedenen Gesetzesinitiativen nach vorn kommen. Deswegen freue ich mich an dieser Stelle ganz besonders, dass es gelungen ist, nicht nur die Jamaika-Fraktionen hinter einem Änderungsantrag zu einen, sondern dass SPD und SSW mit an Bord sind. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen, und dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das, was eben zu den unabhängigen kleinen Wohlfahrtsverbänden gesagt wurde, ist schlichtweg falsch. Wer hat denn die Koalitionsverhandlungen geführt? - Das ist schlichtweg falsch. Die haben wir aktiv frei hineinverhandelt, und das genau ist der Unterschied von Jamaika, und das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn ich höre: Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung, dann ist das doch genau der Grund

satz, den der Kollege Wolfgang Baasch gerade eben genannt hat: Nicht ohne uns über uns. Wie kommt es, dass Sie so einen Antrag stellen? Ich verstehe das einfach nicht. Ich finde, es ist gut, dass wir ihn heute ablehnen. Dieser Antrag hilft wirklich niemandem.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne gern zwei Beispiele, die verdeutlichen, warum dem so ist:

Die Lebenshilfe in Schleswig-Holstein ist ein wichtiger Akteur und für viele Menschen - auch für die Familien - Ansprechpartner Nummer eins.

Genannt worden ist schon Professor Uli Hase, der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung.

Es ist doch nicht so, dass bisher nichts gemacht worden wäre. Welchen Anschein wollen Sie denn hier erwecken? Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

Ich sage Ihnen noch etwas anderes: Wenn Sie auch etwas zu einer kleineren Initiative, nämlich dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben, gesagt hätten, dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass das alles schon während der Haushaltsberatungen beschlossen worden ist. Das kommt!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung sind, finde ich, dass wir bei der Inklusion in Schleswig-Holstein seit vielen Jahren auf einem guten Weg sind. Wir Grüne freuen uns. Es ist uns ein Herzensanliegen, dass Menschen mit Behinderung die Teilhabe bekommen, die ihnen - genauso wie allen anderen Menschen - zusteht. Diese Position teilen wir von Jamaika. Wir teilen sie auch mit der SPD und dem SSW.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen mit Behinderung und deren Angehörige stehen ein Leben lang vor großen

(Wolfgang Baasch)

und schwierigen Herausforderungen. Auch wenn wir als Gesellschaft in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht haben und die Lebensqualität für die Betroffenen verbessert werden konnte, sehen sich diese leider immer noch in vielen Bereichen mit teils deutlichen Benachteiligungen und Einschränkungen konfrontiert. Unser aller Ziel muss es sein, diesen Umstand zu bekämpfen und in diesem Land alle Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie ein möglichst selbstbestimmtes, autonomes Leben führen können.

Der primäre Ansprechpartner und Ratgeber für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein es wurde schon erwähnt - sind der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Dr. Ulrich Hase, und dessen Team. Diese leisten seit Jahren herausragende Arbeit, für die ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken möchte.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Schnitt wenden sich jedes Jahr 1.000 Menschen an diese Beratungsstelle. Die Zahlen sprechen für Kontinuität, dafür, dass es breite Akzeptanz dieses Angebotes gibt, und dafür, dass es bekannt ist. Ziel ist es, dass dieses Angebot weiter ausgebaut und gestärkt wird, sodass der Landesbeauftragte und sein Team möglichst jedem helfen können. Wir haben schon Zahlen dazu gehört, wie viele Menschen allein in Schleswig-Holstein es betrifft.

Neben der hauptamtlichen und durch den Landtag finanzierten Interessensvertretung von Menschen mit Behinderung leisten auch ehrenamtliche Institutionen in unabhängigen Selbstvertretungsinstitutionen einen wertvollen Beitrag. So hat das in der Umsetzungsphase befindliche Bundesteilhabegesetz den Fokus auf das Peer Counseling gelegt, also auf die Beratung von Betroffenen für Betroffene, was dem Grundsatz „Nicht ohne uns über uns!“ der Partizipation und Inklusion entspricht.

Eine solche ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung erhalten Ratsuchende kostenlos, und das auch in ihrer Nähe. In Schleswig-Holstein gibt es derzeit 21 solcher privaten oder gemeinnützigen Angebote mit einer guten Abdeckung. Wobei: Wenn man sich die Landkarte genauer anschaut, stellt man fest, dass Nordfriesland und Dithmarschen noch ein bisschen nachholen könnten; sie sind nicht ganz so gut vertreten wie Kiel und Lübeck; aber das Angebot wird noch ausgebaut.

Mit diesen Strukturen erfüllt Schleswig-Holstein auch die Forderung des Deutschen Behindertenrates nach Etablierung einer kostenlosen Beratungsmög

lichkeit für Betroffene von Betroffenen auf regionaler Ebene. Zunächst sollten wir uns darauf konzentrieren, die Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen mit dem Landesbeauftragten zu intensivieren. Dies ist der erfolgversprechende Weg, den Menschen zu helfen und die Ehrenamtlichen in ihrer Arbeit zu entlasten. Der steigende fachliche Austausch zwischen Ehrenamtlichen auf der einen Seite und Hauptamtlichen auf der anderen Seite führt regelmäßig dazu, dass beide Komponenten des Systems gestärkt werden.

Natürlich müssen auch die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verwaltungsebenen konsequent verbessert und die Vernetzung mit lokalen Angeboten vor Ort ausgebaut werden. Die Arbeit von allen Seiten besser zu koordinieren und so die bestmögliche Hilfe für die Betroffenen anzubieten - das wird ein dauerhaftes Ziel sein, da die Anforderungen und auch die Ansprüche hieran stetig, und dies zu Recht, steigen.

(Beifall FDP)

Um das vermeintliche Ansinnen des AfD-Antrags aufzugreifen: Die Landesregierung ist für die Belange von Menschen mit Behinderung und ihrer Selbstvertretungsorganisationen sehr aktiv, natürlich auch finanziell, und dies bereits seit mehreren Jahrzehnten. Aber auch in dieser noch jungen Legislaturperiode sind bereits Maßnahmen wie die Einrichtung eines Fonds für Barrierefreiheit und der Ausbau der Förderung von wohlfahrtsverbandsunabhängigen Trägern ergriffen worden. Vor allem der zweite Punkt kommt den in den Anträgen erwähnten Selbstvertretungsorganisationen zugute.