Wir bitten darum, die Anträge des SSW, den Antrag der SPD und den Bericht des Ministers gemeinsam im Umwelt- und Agrarausschuss zu behandeln. Ich beantrage, dass der Bericht im Ausschuss diskutiert wird, so, wie ich es vor 14 Tagen schon getan habe. Der Ausschussvorsitzende wird das sicherlich gerne bestätigen. Da werden wir weiterdiskutieren und hoffentlich für Schleswig-Holstein die Weichen richtig stellen. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich muss mich schon wundern, Frau Kollegin Eickhoff-Weber, gerade weil Sie am Ende Ihrer Rede in einem Nebensatz gesagt haben: Ja, der Minister hat auch irgendetwas gefordert. - Ich möchte daran erinnern, dass er der einzige Landesminister ist, der auch eine Tat vollzogen hat. Ich kenne keinen einzigen SPD-Minister, ich kenne kein einziges SPD-geführtes Land, ich kenne auch keine SPD-geführte Bundesregierung, die in den letzten Jahren, auch bezogen auf den Konflikt, den wir zurzeit vorfinden, irgendetwas in diese Richtung gemacht hat.
Wenn Sie sagen: „Nach langem, erheblichem Drängen hat er sich irgendwie durchgerungen“, dann sage ich: Es lagen weniger als zwei Wochen zwischen der Medienberichterstattung über Steinburg und der Maßnahme des Ministers, einen entsprechenden Erlass auf den Weg zu bringen. - Das geschah mit Sicherheit nicht kritiklos; wir wissen alle, wie die Debatte verlaufen ist. Aber er hat tatsächlich gehandelt. Angesichts dessen hier in einem Nebensatz zu sagen: „Er hat übrigens nebenbei auch noch irgendetwas gefordert“, halte ich für ein bisschen zu kurz gesprungen. Damit wird man meiner Meinung nach der Debatte nicht gerecht, auch wenn ich der Problemanalyse vollkommen zustimmen kann. Aber hier bei der Kritik den Fokus so zu verschieben, ist mit Sicherheit nicht hilfreich.
Das, was wir hier erleben, ist Folge des Umstands, dass wir als Deutschland uns viele Jahre lang immer wieder als Exportweltmeister gefeiert haben. Diese Exportweltmeistertätigkeit hat eben auch ihre Schattenseiten. Diese Schattenseiten bestehen unter anderem darin, dass wir in den Jahren 2013 bis 2017 circa 250.000 Zuchtrinder vornehmlich in die Türkei, nach Marokko, Algerien und Ägypten exportiert haben. Der Grund dafür, der immer wieder betont wird, den ich auch nachvollziehen kann, war der Aufbau von Rinderpopulationen und die Erhöhung der Milchproduktion in den jeweiligen Ländern.
Das gelingt allerdings nicht immer ganz so gut. Nehmen wir zum Beispiel den Fall Libanon. Allein seit 2011 hat Deutschland in den Libanon über 34.000 Zuchtrinder exportiert. Allein 2016 waren es rund 10.000 Rinder. Trotzdem war im Jahr 2016 die Gesamtpopulation der Rinder im Libanon nur 48.000 Rinder stark. Irgendetwas scheint dort nicht zu funktionieren. Irgendetwas scheint dort anders abzulaufen, als es gemäß dem Ziel der Erhöhung der Zuchttierpopulation vorgesehen war.
Nehmen wir beispielsweise den Fall Türkei: Ein Tiertransport in die Türkei braucht durchschnittlich vier Tage Fahrtzeit. Viele Transporte führen über die bulgarisch-türkische Grenze, ein Nadelöhr, wo es immer wieder zu massiven Tierschutzverstößen kommt. Auch die EU hat bereits mehrfach festgestellt, dass es dort Tierschutzverstöße gibt. Nichtsdestotrotz finden diese Exporte weiterhin statt. Zur Debatte über die Türkei gehört auch, dass es schon auffällig ist, dass die Türkei keine Zölle auf Zuchtrinder erhebt, aber exorbitant hohe Zölle auf Schlachtrinder. Wenn ein Kalb älter als vier Monate wird, gibt die Türkei übrigens über 200 € Subvention. Da rentiert sich ein tragendes Rind natürlich gleich doppelt.
Wenn wir uns die Exporte anschauen, dann stellen wir fest, dass es viele Probleme gibt, was den Tierschutz angeht: sei es der Platzmangel, sei es der Mangel an Futter oder der Mangel an Wasser, sei es bei niedrigen Temperaturen das Einfrieren der Versorgungszugänge oder bei hohen Temperaturen die fehlende Klimaanlage, die in solchen Transportern oft einfach nicht vorhanden ist, was eine extreme Belastung durch hohe Temperaturen zur Folge hat. Die Temperaturen können sich auf solch langen Wegen ja durchaus unterscheiden und verändern. Das wird am Anfang überprüft. Man versucht, über verschiedene Wetterseiten vorauszusehen, ob auf der Strecke eine Temperatur von über 30 Grad herrscht oder nicht. Abgesehen davon kann man
sich ja mal überlegen, wie gut die Rinderrassen, die wir aus Deutschland exportieren, auf Temperaturen über 30 Grad reagieren: Die meisten verringern ab 20 Grad ihre Futteraufnahme und damit auch ihre Milchleistung. - Aber auch das ist nur eine Randbemerkung zur Debatte über Zuchttiere.
Hinzu kommt eine Diskussion, die gar nicht so sehr im Fokus steht. Es geht um Rinder, die auf dem Seeweg zu ihren jeweiligen Zielländern transportiert werden. In diesen Fällen wird am Anfang einmal kurz kontrolliert, und das war es dann. Es wird einmal überprüft: Kann man die Tiere auf den Weg bringen oder nicht? Auf dem Weg dorthin finden keinerlei Kontrollen mehr statt. Wir können uns sicher sein, dass es solche Exporte aus SchleswigHolstein gibt. Es gibt diese Exporte! Das ist also keine rhetorische Frage.
Hinzu kommt die Frage: Welche Versorgungsstationen bestehen tatsächlich? Auch das wurde eben angesprochen. Immer wieder wird gesagt: Es gibt diese Versorgungsstationen. Auch die Richtlinie 1/2005 besagt, dass man diese Versorgungsstationen melden muss. Nichtdestotrotz gibt es große Zweifel daran, dass es diese Versorgungsstationen tatsächlich gibt. Hier wäre eine Liste hilfreich, um Klarheit zu schaffen. Allein ein Foto von diesen Versorgungsstationen außerhalb der Europäischen Union zu haben, würde die Debatte nach vorne bringen.
Wir kennen alle diese Berichte, und auch die Amtsveterinäre kennen diese Berichte. Dann erschien der hier schon mehrfach zitierte Fachaufsatz, und es entstand eine Diskussion darüber, ob durch die Kenntnis davon eine Beihilfe zur Tierquälerei vorliegen könnte. Da ist es nachvollziehbar und sehr mutig - das wurde schon von mehreren gelobt -, dass sich die Kreise als Reaktion darauf auf den Weg gemacht und gesagt haben: Dieses Risiko ist uns zu groß; wir werden keine weiteren Exporte mehr zulassen. Hierfür auch von uns: Größter Respekt und großen Dank!
Es war richtig, dass der Minister dann einen entsprechenden Exportstopp auf Landesebene erlassen hat. Auf der anderen Seite ist natürlich klar, dass dagegen rechtlich vorgegangen werden kann. Dass das vom Rinderzuchtverband gemacht wurde, ist nachvollziehbar; das hat alles seine Berechtigung. Aber es ist nicht so, dass dieser Exportstopp gänzlich vom Tisch gefegt wurde. Ja, die Vorlaufatteste sind nicht mehr möglich. Aber was darüber hinausgeht, also die Exportzertifikate, hat immer noch Gültigkeit.
Also, die Frage, ob Rinder aus Schleswig-Holstein direkt ins außereuropäische Ausland exportiert werden können, ist immer noch Teil des Erlasses; zumindest soweit ich informiert bin. Dann wird natürlich gesagt: Na ja, dann werden die halt nach Niedersachsen geschickt, nach Aurich, und dort weiterverladen und ins außereuropäische Drittland transportiert. Letzten Endes würde sich nur die Transportroute ändern. Das stimmt. Das ist frustrierend. Aber das macht den Erfolg trotzdem nicht zunichte. Wir müssen auch sagen, dass gerade das den Druck auf andere Bundesländer und auch auf den Bund erhöhen wird. Also, nur weil es eine Möglichkeit gibt, ein Gesetz zu umgehen, macht das das Gesetz nicht gänzlich unnütz.
Die Frage ist: Wie schafft man es, die Lücken zu schließen? Dazu muss man mit anderen Bundesländern in Kontakt treten. Der Kompromiss, der gestern diskutiert wurde, ist ein guter Schritt. Durch die Musterroutenpläne erhalten wir hoffentlich endlich mehr Erkenntnisse über die Versorgungsstationen. Ich bin allerdings sehr gespannt auf den Bericht des Rinderzuchtverbandes, was die Transportwege und die Abläufe der Transporte angeht. Die Darstellung möchte ich sehr gern lesen. Auch, dass Exportgenehmigungen davon abhängig sein sollen, ob auf der Route Verstöße und sonstige Auffälligkeiten bekannt sind, ist ein großer Fortschritt, um zu einer Neubewertung der Tierschutzkonformität der jeweiligen Exporte zu kommen.
Frau Kollegin Eickhoff-Weber, Sie haben gesagt, es sei nicht hilfreich, wenn man den Bund jetzt so drängen würde, oder Sie haben kritisiert, dass der Minister betont hat, dass eine bundesweite Regelung wichtig ist. Ich weiß nicht, ob ich Sie da falsch verstanden habe: Das ist immer noch wichtig.
Ich finde es extrem ärgerlich, wenn die Ministerin auf Bundesebene in der Debatte sagt: Na ja, die haben das Problem irgendwie selbst gemacht; die hätten mal nicht so überstürzt handeln sollen; da müssen die sich nicht wundern, dass jetzt alles kompliziert geworden ist. - Man hat dieses Thema bereits im April 2018 in die AMK gebracht. Sie selbst haben betont, dass dieses Thema nicht neu ist; es ist auch der Bundesministerin nicht neu. Jetzt zu sagen: „Da müssen sich die Leute nicht wundern, wenn das alles so abrupt ist“, halte ich für sehr verkürzt.
Herr Kollege Petersdotter, vielen Dank für die Pause. Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Eickhoff-Weber?
Herr Kollege, ich habe vorhin formuliert: Vor dem Hintergrund, dass der Landrat des Kreises Steinburg seit 2017 um Regelungsunterstützung bittet, ist es etwas schlicht, in diesem Moment nur nach der Bundesministerin zu rufen.
Das war der Zusammenhang, ganz klar zu sagen: Es hat seit 2017 im Landesministerium gelegen. Das hat weiß Gott nicht nur der amtierende Minister zu verantworten. Ich finde, dass auch dieser Aspekt eine Rolle spielen muss. Es muss auch in dem Haus etwas passieren. Dafür fehlen mir die Zeichen. Da reicht es nicht, ausschließlich auf Julia Klöckner zu verweisen.
Der AMK im April 2018 folgte eine AMK im Herbst. Auf dieser Herbst-AMK hätte Schleswig-Holstein dann noch einmal mit der nötigen Publicity auf die vermeintlich fehlende Tätigkeit des BMEL hinweisen können. Das war der Zusammenhang, Herr Kollege. - Danke sehr.
- Vielen Dank für die Klarstellung. Ich werde mich hüten, interne Verwaltungsabläufe eines Ministeriums zu kommentieren. Weder bin ich dazu in der Lage, noch kann ich bewerten, wann die eingegangen und in welcher Art und Weise sie behandelt worden sind. Das möchte ich nicht kommentieren. Was ich aber kommentieren möchte, ist, was Sie eben wiederholt gesagt haben: Das Einzige, was der Minister getan habe, sei, die Bundesministerin aufzufordern, doch endlich einmal tätig zu werden.
Er ist im Rahmen seiner Möglichkeiten tätig geworden - was wie gesagt kein SPD-geführtes Bundesland irgendwie hingekriegt hat. Auch eine SPDmitgeführte Regierung auf Bundesebene tut da nichts. Ich würde mich sehr freuen, wenn die SPDAgrarpolitiker und -politikerinnen auf Bundesebene Frau Klöckner dazu brächten, raus aus den Karnevalsbütten und rein in die Debatte zu gehen,
damit man tatsächlich eine bundesweite Lösung bekommt, die ja möglich ist. Es gibt Möglichkeiten zu regeln, dass zurzeit zum Beispiel nicht in den Libanon exportiert wird. Das könnte man auch auf andere Länder ausweiten, weil Transportwege, die über vier bis neun Tage oder teilweise noch länger dauern, nicht tierschutzkonform sind und man deswegen eine bundesweite Lösung braucht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der europaweite Schutz des Wohlbefindens der Tiere stellt gemäß EuGH ein im Allgemeininteresse liegendes, legitimes Ziel dar, und der Tierschutz ist - wie Sie wissen - auch verfassungsrechtlich durch Artikel 20 a des Grundgesetzes abgesichert. Selbstverständlich gibt es rechtliche Vorschriften, die die Tiere schützen sollen, auch auf langen Transportwegen, beispielsweise in die Türkei oder nach Marokko.
Dass wir die Kontrollmechanismen verbessern könnten und sollten, steht außer Frage. Aktuell bestehen Unsicherheiten darüber, wie die Kontrollen rechtssicher gewährleistet werden können. Im Ziel sind wir uns grundsätzlich einig; das ist heute ganz klar geworden.
Es ist sicherzustellen, dass die tiertransportrechtlichen Regelungen der Verordnung Nummer 1/2005 mindestens bis zum endgültigen Beförderungsort eingehalten werden, insbesondere auch dann, wenn sich dieser außerhalb der Europäischen Union befindet. Kurz und untechnokratisch gesprochen: Unwürdige Tiertransporte sind zu stoppen.
Nun gibt es unter Juristen und Anwendern der geltenden Vorschriften Unsicherheit darüber, wie das gemeinsame Ziel erreicht werden kann. Wir als
FDP-Fraktion unterstützen das Ziel des Ministers, auf ein bundesweit rechtssicheres Verfahren zu drängen. Im Interesse der Veterinärämter, im Interesse der Zuchtbetriebe und nicht zuletzt auch im Interesse des Tierschutzes muss die Sache schnellstmöglich geklärt werden.
Deswegen begrüßen wir die Vorgehensweise, wie sie gestern mit dem Runden Tisch stattgefunden hat. Auch der Brief der Minister an die Bundeslandwirtschaftsministerin war und ist ein richtiges Zeichen. Ich möchte auch gern zu dem, was Lasse Petersdotter Richtung SPD gesagt hat, ergänzen: Es ist ja nicht nur so, dass von Ihnen gar nichts gekommen ist, sondern es gab im letzten Jahr sehr gute Anträge von Grünen und FDP im Bundestag, die von der SPD einfach weggeschoben worden sind.