Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

Ich denke, das ist ein vernünftiger Antrag, der gehört in den Ausschuss. Ich beantrage daher noch einmal die Überweisung unseres Antrags in den Ausschuss. - Danke.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/76 - ich meine, es war der einzige Antrag, bei dem Sie Ausschussüberweisung beantragt haben - das ist so -, in den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag auf Ausschussüberweisung abgelehnt.

Ich lasse dann in der Sache über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/76, abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Abstimmung in der Sache des AfD-Antrags. - Dann sind Sie dafür. Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/98, abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion ist das dann einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Fairen Wahlkampf ermöglichen - Erfassungsstelle für Angriffe auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (EAMV) einrichten

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/77

Das Wort zur Begründung, sehe ich, wird nicht gewünscht. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Claus Schaffer.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal mein Bedauern für die Unterbrechung, die Verschiebung und

die Verzögerung der gestrigen Sitzung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die heutige Sitzungszeit ausdrücken. Die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Kiel möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht bewerten. Ich möchte aber noch einmal kurz Bezug auf die Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses nehmen. Ich habe gestern ein sehr hohes Maß an Unterstützung, Ausgewogenheit und Fairness der dort beteiligten Abgeordneten feststellen dürfen, und dafür möchte ich meinen Dank ausdrücken. - Vielen Dank dafür.

(Beifall AfD)

Der Begriff Fairness ist genau das, um den es bei diesem Antrag geht, was wir mit der Erfassungsstelle vorhaben. Wir haben feststellen müssen, dass in den zurückliegenden Wahlkämpfen in Bund und Land neben den völlig legitimen politischen Auseinandersetzungen noch weitere Ebenen im Kampf um Wähler und Meinungen eingezogen sind. Dieser Kampf um Wähler und Meinungen folgte dabei immer häufiger offenbar der Annahme, dass der Zweck die Mittel schon irgendwie heiligen werde. So kam es in den zurückliegenden Wahlkämpfen dazu, dass tausende Plakate zerstört und entwendet wurden, es wurden Infostände umgeworfen und Informationsmaterial und Flyer zerstört. Wahlkämpfer wurden bedroht und angegriffen. Ganze Druckaufträge mit zigtausenden von Flyern wurden entwendet und zerstört, wie wir auch aus anderen Bundesländern erfahren mussten.

Es steht nun zu befürchten, dass auch der diesjährige Bundestagswahlkampf Derartiges ergeben wird. All diese Geschehnisse sind so geschildert natürlich strafbewehrt. In den meisten Fällen ist auch Strafanzeige erstattet worden, und diese werden natürlich auch als politisch motivierte Kriminalität erfasst. Insofern bräuchte es eigentlich keine gesonderte Erfassungsstelle, so, wie wir sie fordern.

Es gibt aber noch weitere Ebenen. Eine Ebene, die sich zum Beispiel zwischen der legitimen politischen Auseinandersetzung und der politischen Kriminalität befindet. Diese Ebene bewegt sich im Grenzbereich zwischen strafbaren Handlungen und jenen, die als geradezu unanständig erkannt werden, aber kaum juristisch zu verfolgen sind. Es sind die zahlreichen Störungen und Behinderungen in einem Wahlkampf, die jenseits dessen stattfinden, was das Strafgesetzbuch abdecken kann.

Ein öffentlicher Aufruf zum Beispiel, der an einen Betreiber von Veranstaltungsräumen gerichtet ist und diesen auffordert, bestimmten Parteien keinen Zugang zu gewähren. Anderenfalls werde man

(Jörg Nobis)

ebenso öffentlich diesen Betreiber als Sympathisant oder gar als Unterstützer einer solchen Partei darstellen. Oder, wie geschehen, fordert man den Betreiber öffentlich auf, mittels Hausverbot gegen prominente Vertreter einer Partei zu agieren, um so den Zugang zu einem Veranstaltungsraum zu verhindern.

Wenn derartige Forderungen aus den Reihen der Gewerkschaftsverbände kommen, erzeugen diese durchaus auch eine gewisse öffentliche Wirkung.

Wir haben auch massiven öffentlichen Druck, Einschüchterungen und sogar Morddrohungen auf Gastwirte erlebt, nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch bundesweit, die vereinzelt zur Geschäftsaufgabe und damit auch zum Verlust der Existenzgrundlage dieser Gastwirte geführt haben. Nicht nur die Alternative für Deutschland ist hiervon regelmäßig und massiv betroffen, auch andere Parteien in Schleswig-Holstein und bundesweit müssen Angriffe und Störungen erdulden. Diese sind in keiner Weise hinnehmbar.

Eine zentrale Erfassungsstelle ist hier nach unserer Auffassung das geeignete Mittel, mit eigenen Erhebungen und kriminalstatistisch erfassten Daten ein authentisches und schlüssiges Lagebild darzustellen. Eine zentrale Erfassungsstelle beim Landeswahlleiter kann Anlaufstelle für Behörden und Bürger sein, die dort Störungen und Beeinträchtigungen der politischen Meinungsbildung im Wahlkampf melden können. Eine zentrale Erfassungsstelle kann derartige Verstöße ebenso aufnehmen, wie auch der Ausgang der Verfahren dort evaluiert werden kann. So kann jährlich ein Bericht erfolgen, der Aufschluss darüber gibt, inwieweit SchleswigHolstein eine Umgestaltung politischer Willensund Meinungsbildung ermöglicht.

Mit einer zentralen Erfassungsstelle für Angriffe auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden Sie zeigen, dass es Ihnen ernst damit ist, die durch Grundgesetz und Parteiengesetz garantierte freie Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Mitwirkung politischer Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes zu gewährleisten. Eine solche EAMV in Schleswig-Holstein wäre bundesweit beispielhaft und würde eine Vorreiterrolle im Kampf für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedeuten.

Ich bitte Sie daher: Stimmen Sie für den Erhalt der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die ungestörte Mitwirkung politischer Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes! Stimmen Sie

mit uns für die Einrichtung einer zentralen Erfassungsstelle EAMV. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eben sagte eine Kollegin in ihrem Redebeitrag, sie wolle einmal einen versöhnlichen Abschluss finden. Ich mache es einmal umgekehrt und versuche einen versöhnlichen Einstieg.

Ein fairer Wahlkampf ist, glaube ich, völlig unabhängig davon, welcher Partei oder welcher Fraktion man angehört, eine Grundvoraussetzung für eine repräsentative Parteiendemokratie, die Akzeptanz und Zustimmung in der Bevölkerung finden will. Das gilt für die am Wahlkampf beteiligten Parteien und ihr Verhalten; das gilt aber auch für die weiteren Akteure, politisch interessierte Bürger, NGOs und Organisationen sonstiger Form, und das gilt auch gegenüber allen Parteien, die zu einer Wahl zugelassen sind, und damit ausdrücklich auch für die AfD, völlig unabhängig davon, ob man mit ihren Inhalten übereinstimmt.

Von unfairen Eingriffen in den Wahlkampf sind allerdings alle Parteien immer wieder betroffen. Das beginnt - um das schöne Wort hier auch noch einmal zu gebrauchen - mit Pöbeleien oder Beleidigungen am Wahlkampfstand, geht über Sachbeschädigungen, ob es sich um Schmierereien oder um die Zerstörung von Plakaten handelt, über Hackerangriffe auf Facebook-Konten oder auf Internetseiten bis hin zu schweren Straftaten, wie zum Beispiel Brandstiftung. Ich nenne als Beispiel in Brand gesetzte Wahlkampfmobile der CDU in Berlin oder in Herne oder tätliche Angriffe auf Mandatsträger oder Morddrohungen. Aus anderen Fraktionen jeder Partei wird man Beispiele ergänzen können. Jeder von uns wird wahrscheinlich aus seinem eigenen Erleben und seinem eigenen Wahlkampf hoffentlich niederschwelligere, aber doch ähnliche Vorfälle ergänzen und berichten können.

Ein solches Verhalten gegenüber Parteien, Politikern und Repräsentanten unseres Staates ist ja nun nicht auf Wahlkämpfe beschränkt. Vielmehr erleben wir es auch im Umgang mit Wahlkreisbüros, mit Beschilderungen, mit den Fassaden von Kreisgeschäftsstellen, dass es immer wieder Sachbeschä

(Claus Schaffer)

digung und Angriffe gibt, und wenn es nur der Kratzer am Auto ist, der den Aufkleber einer Partei trägt.

Im Übrigen trifft ein solches Verhalten nicht nur Parteien, sondern es trifft fast jeden, der als politischer Akteur in Erscheinung tritt. Fast jeder muss heute leider damit rechnen, dass er für seine Meinung nicht nur argumentativ, sondern auch mit unfairen Mitteln angegangen wird, ob es sich, um nur Beispiele zu nennen, um Aktivisten handelt, die für die Rechte von Lesben oder Schwulen eintreten, ob es sich um Funktionäre und Interessenvertreter der Jäger oder der Agrarwirtschaft handelt. All diese können Beispiele dafür beibringen, wie mit ihnen umgegangen wird.

Was macht man dann in einem solchen Fall? Man geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Das ist keine Banalität, sondern ich sage das sehr bewusst und ausdrücklich: Ich kann aus dem eigenen Erleben des letzten Wahlkampfs ein Beispiel nennen, das vielleicht auch ein Beispiel dafür ist, dass wir in weiten Teilen Schleswig-Holsteins doch noch ein Stück heile Welt haben.

In meinem Wahlkreis hatten wir eine große Anzahl beschmierter Plakate nicht nur meiner Partei, sondern nahezu aller Parteien, die kandidiert haben. Das reicht für eine große Berichterstattung in der Lokalpresse. Natürlich wird in einem solchen Fall wegen Sachbeschädigung Anzeige erstattet.

Eine meiner Mitbewerberinnen äußerte sich dann so, dass sie meinte, sie habe keine Anzeige erstattet, das bringe ja sowieso nichts. Erstens, finde ich, ist das für jemanden, der politische Verantwortung tragen will, keine Art und Weise, wie man an einen solchen Fall herangeht, und zweitens geht es doch gerade um die Erfassung eben auch politisch motivierter Straftaten. Da ist die Anzeige genau der richtige Weg.

Eine Erfassungsstelle, die nur in Wahlkämpfen und nur mit Blick auf die Parteien geschaffen werden soll - und das ohne eine klare Definition, wo ich denn nun die Grenze ziehe, ob beim Strafrecht oder bei einem wie auch immer definierten anständigen oder unanständigen Verhalten -, braucht nun wirklich kein Mensch.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Straftaten gegen die AfD sind genauso zu verurteilen wie Straftaten gegenüber jeder anderen Partei. Aber mit diesem Antrag, den Sie ja nicht nur hier, sondern auch in anderen Landesparlamenten stel

len, versuchen Sie sich in eine besondere Opferrolle hineinzubringen, die Sie angeblich von anderen Parteien unterscheidet. Das betreiben Sie auch mit der parteieigenen Erfassungsstelle im Internet, bei der Sie vermeintlich unfairen Umgang mit der AfD dokumentieren. Wer sich dafür interessiert, kann sich das ja angucken.

Also ganz in diesem Sinne: Wir brauchen keine zusätzliche Bürokratie; wir brauchen keine zusätzliche Erfassungsstelle, sondern im Falle eines Falles erstattet man Anzeige, und der Fall geht seinen Gang.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Lars Harms [SSW])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Verfolgung von Straftaten, Verstöße gegen das Versammlungsrecht, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Nötigung und so weiter haben wir Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte und nicht den Landeswahlleiter.

Wer der Auffassung ist, dass eine Straftat im Wahlkampf nicht ausreichend von unserer Polizei und den Staatsanwaltschaften verfolgt wurde, möge dies bitte konkretisieren. Das Kopieren eines Antrags aus Berlin ist jedenfalls keine Konkretisierung.

(Beifall SPD und SSW)

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut; das ist richtig. Aber deshalb gilt auch für alles, was im Wahlkampf unterhalb der Strafbarkeit und von mir aus auch Ordnungswidrigkeitsschwelle ist: Der Pfad zwischen legitimem Widerspruch und schlechtem Stil oder Pöbelei mag schmal sein. Aber das ist kein Fall für eine Erfassungsstelle. Die hätte übrigens allein mit den Verbalinjurien, zum Beispiel auf den Profilen von SPD-Politikern, die hauptsächlich aus einer gewissen Ecke kommen, auch ein bisschen viel zu tun.

Wir werden den Antrag deshalb ablehnen.

(Beifall SPD, SSW und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Axel Bernstein)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Voltaire wird der Satz kolportiert: