Wie war das mit „One man, one vote“? Sie vertreten lautstark eine Minderheit und sagen, weil Sie nicht die Mehrheit hätten, müsse es dunkle Kräfte geben, die Sie demokratisch verhinderten. Das ist nicht richtig. Zum Glück ist Deutschland nach wie vor mehrheitlich pro-europäisch, pro EU, was nicht bedeutet, dass einzelne Dinge nicht kritikwürdig sind; das ist aber überhaupt keine Frage. Sie bauen hier einen Popanz auf.
Zum Thema Osteuropa und russische Fremdherrschaft äußert sich ausgerechnet Ihre Partei, eine Partei, die die völkerrechtswidrige Annexion der Krim nach außen verteidigt.
Herr Schaffer kann ja mal mit nach Estland fahren und die dortigen estnischen Kollegen fragen, was sie von der Annexion halten, ob sie sich davon etwa mehr bedroht fühlen als von dem Verfahren gegen Polen; dabei geht es übrigens nicht um „Refugees welcome!“, sondern um die Ausschaltung der Justiz.
Ja, dass die Justiz unabhängig ist, ist ein gemeinsamer europäischer Wert. Wer sich nicht daran hält, muss schlicht und ergreifend mit den entsprechenden Konsequenzen rechnen.
Sie sagen, Staaten hätten sich gegen Flüchtlinge gewehrt. Nein, in Ungarn und in Österreich haben wir eindeutig Züge eines autokratischen Systems. Ich finde, ehrlich gesagt, dass Europa da eher zu spät als zu früh reagiert hat.
Das Europäische Parlament wird gewählt. Auch in der Europäischen Kommission sitzen nicht delegitimierte Menschen, die sich etwas Böses ausdenken, sondern darin sind die Regierungen vertreten. Auch diese sind demokratisch gewählt. Das nennt sich demokratische Legitimationskette.
Sie versuchen, ein Zerrbild zu verbreiten, das Bild von einem Europa der Vaterländer und so weiter. Das hatten wir schon. Das Europa der Vaterländer, das Prinzip „Jede Nation zuerst“ hat zum Ersten Weltkrieg geführt.
Machen Sie sich einmal die Mühe, die Zeitungen des Winters 1913, Frühjahrs 1914, auch aus Großbritannien und Frankreich und so weiter, anzuschauen. Gucken Sie sich die Argumentationsstränge an. Das sind genau die gleichen Argumentationsstränge, die Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen wieder im Geiste Europas bemühen.
Okay, letzter Satz. - Die Betonung nationaler Egoismen kann man nicht friedlich lösen; Konflikte kann man nur mit Kompromissbereitschaft und Parlamentarismus friedlich lösen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fleming Meyer hat uns ja vorgeschlagen, nach solchen Beiträgen erst einmal durchatmen und, ich glaube, bis 20 zu zählen.
Ich habe versucht, bis 50 zu zählen. Mir ist es nicht gelungen; so viel ich auch zähle, solche Beiträge kann ich nur schwer ertragen.
Herr Nobis, ich hoffe sehr - das ist mein einziger wichtiger Punkt -, dass Sie niemals entscheiden, wer in unserem Land bleibt und wer nicht. Ihre Rede ist für mich ein klares Dokument, warum wir Sie und Ihre Gesinnungsgenossen in Europa nicht wählen können und nicht wählen dürfen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Dr. Dolgner, das Konzept eines Europas der Vaterländer stammt nicht aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, sondern aus den 60er-Jahren vom damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle. Das bitte ich doch zu beachten.
(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Er meinte aber was anderes, als Sie meinen! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Woher wissen Sie, was wir meinen! - Weitere Zurufe SPD)
Ich möchte aber - wenn Sie mir das erlauben - wieder auf den Kern der Sache zurückkommen. Es gibt ja einen Wahlaufruf der anderen hier im Parlament vertretenen Parteien. Das ist ein wichtiges Thema. Was wir vielleicht gemeinsam besprechen sollten das hätte ich mir auch im Vorfeld gewünscht -, ist, warum dieser Wahlaufruf nur für demokratische Parteien gelten soll,
und was es bedeutet, wenn Sie die Demokratie vor sich hertragen, aber ein ganz großes Spektrum des demokratischen Spektrums ausschließen wollen.
Ein Wahlaufruf ist immer eine gute Sache. Denn wenn Parlamente auf einem möglichst breiten Votum gegründet sind, verleiht ihnen das eine bessere Anbindung an die Bürger. Die bisher sehr geringe Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament steht ja im krassen Gegensatz zu der Bedeutung, die die EU auch für unsere Gesetzgebung besitzt.
die sogenannten Populisten als Gefahr für die EU darstellen, reklamieren sie die demokratische Willensbildung für sich. Das ist einfach falsch.
Wir haben auch im Vorfeld dieses Wahlkampfes gemerkt, wie zum Beispiel die SPD zur innerparteilichen Demokratie steht, als sie den erklärten Willen ihrer schleswig-holsteinischen Mitglieder beiseite gewischt hat und den gewählten Spitzenkandidaten Kreft für die EU-Wahl auf einen hinteren Listenplatz verbannte,
nur, weil er ein Mann ist und nicht so jung wie die Favoritin des Bundesvorstandes. Da sieht man, was der Quotenzwang alles anrichten kann. Selbst der Lübecker SPD-Chef Thomas Rother, der auch hier bei uns im Landtag sitzt, sprach von einem „zutiefst undemokratischen Verhalten“.
Die neuen Parteien in Europa sind überwiegend konservativ, aber es gibt auch linke oder anarchistische Bewegungen. Manche stehen sogar der EU ganz offen gegenüber, weil sie gern die Zuwendungen haben wollen. Aber diese neuen Parteien und Bewegungen - egal, wie man zu denen steht; ich kann mich mit ihnen auch nicht identifizieren; wir werden da ganz gern in einen Topf geschmissen, aber das ist nicht richtig - sind doch gerade Ausdruck lebendiger Demokratie.
Ein ganz kurzes Wort noch zum Kollegen Hamerich. Sie sagten ja gerade, die Außenhandelsbeziehungen könnten nur auf EU-Ebene stattfinden. Wir erleben doch gerade, dass die Visegrád-Staaten quasi eine eigene Politik verfolgen. Wir erleben gerade, dass sich 17 europäische Länder mit China getroffen haben, um über die neue Seidenstraße zu sprechen. Die EU bröckelt doch gerade. Da müssen wir ansetzen. Sie bröckelt da ganz deutlich, weil bei den Gesprächen auch EU-Mitglieder mit dabei waren wie Italien oder Portugal - die nicht populistisch regiert sind -, Griechenland - das linkspopulistisch regiert ist - oder natürlich auch Ungarn. Wir müssen eine Reform -
Ach so, Entschuldigung. - Also: Eine Reform ist notwendig. Deswegen sind alle aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Das ist sehr wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich nur schwer ertragen kann, sind Hetzreden - egal, wo sie gehalten werden. Am wenigsten kann ich sie hier im schleswig-holsteinischen Parlament ertragen.
Bei meiner ersten internationalen Jugendbegegnung, meinem ersten Jugendaustausch 1967 in Vaasa in Finnland, bin ich als Deutscher noch angespuckt worden. Das habe ich nie vergessen. Wenn ich heute nach Finnland fahre oder mit anderen zusammen eine Jugendfahrt organisiere, dann ist das ein Familienfest, weil es das geeinte Europa gibt. Ich habe das letztes Jahr auch auf Kreta erlebt, als ein Grieche mich umarmte und sagte: „Ein Glück, dass wir jetzt Europa haben, sonst wären wir untergegangen“. Und Sie wollen, dass das Europa untergeht, indem Sie ihnen Ihre Solidarität entziehen. Die sollen in Ruhe gelassen werden. In Ruhe lassen bedeutet untergehen. Das ist unsolidarisch und führt in eine falsche Richtung.
Wenn wir als Nationalstaaten versuchen, mit den Muskeln zu spielen, werden wir daran scheitern. Denn es gibt weltweit andere Nationen, die andere Gewichte in die Waagschale werfen als wir in Europa. Das sind Länder wie China, das sind Trump und Co. und so weiter. Die haben mehr Muskeln. Deshalb habe ich keine Lust, mich als Deutscher zurück in ein Schneckenhaus zu verkrümeln und mich von anderen auslachen oder gar anspucken zu lassen.