Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

Diese Fragen stellen sich nicht nur, wenn man als erwachsener Mensch Politik machen will, sondern es fängt schon dort an. Ich finde das nicht irrelevant und halte deshalb den Vorstoß des SSW für stark und hilfreich.

Natürlich muss man bestehende Strukturen verändern und stärken, um mehr Beteiligung hinzubekommen. Am Ende einer politischen Debatte, die um Beteiligung geführt wird, müssen wir uns aber ehrlich die Frage stellen: Haben wir tatsächlich mehr Beteiligung geschaffen - vor allem in der breiten Masse?

Über den Vorschlag des SSW und über andere Formen politischer Arbeit oder die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen würde ich gern im Ausschuss weiter diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, ich habe mich sehr über diesen Tagesordnungspunkt gefreut, auch wenn ich mich ein klein wenig darüber geärgert habe, weil mir der SSW zuvorgekommen ist. Ich wollte nämlich aufgrund der Gespräche in Kiel auch einen Gesetzentwurf schreiben. Der SSW ist schneller gewesen. Das tut der Sache aber keinen Abbruch.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Das werden wir im Sozialausschuss hoffentlich weiter besprechen. Wir befinden uns ja in der ersten Lesung.

Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen besser: die Steigerung der politischen Gestaltungsmöglichkeiten von nicht volljährigen Menschen ist ein Thema, aus dem ich überhaupt in die Politik gegangen bin. Minderjährige, diejenigen, die in Deutschland überwiegend nicht wählen können, sind die Menschen, die am längsten mit den getroffenen politischen Entscheidungen leben müssen, und sind diejenigen, die am wenigsten Einfluss darauf nehmen können. Das ist für mich - das ist der Grund, aus dem ich in die Politik gegangen bin ein Stück weit Ungerechtigkeit, die auch mit kleinen Schritten fortlaufend minimiert werden muss. Deshalb müssen Kinder und Jugendliche, soweit es geht, konsequent in politische Entscheidungen einbezogen werden. Das sage ich aus vollster Überzeugung.

Die Jungen Liberalen haben in das FDP-Wahlprogramm für die schleswig-holsteinische Landtagswahl 2017 eingebracht, dass wir uns für eine möglichst flächendeckende Einrichtung von Kinderund Jugendbeiräten einsetzen und deren Kompetenz ausweiten wollen. Im Koalitionsvertrag ist der Passus zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen leider ein bisschen vage geworden. Aber das tut dem keinen generellen Abbruch.

Wir reden heute nicht über das große Ganze bei der politischen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Dennoch ist jeder verbesserte Teilaspekt ein Schritt in die richtige Richtung und deswegen zu begrüßen.

(Aminata Touré)

Mit einer Normierung der Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses sprechen wir allerdings nur die Ebene der Kreise, kreisfreien Städte sowie der großen kreisangehörigen Städte an - hier Norderstedt. Der Kreis der vielleicht positiv Betroffenen wird noch kleiner, da es in den Flächenkreisen bisher keine kreisweit einheitlichen Kinder- und Jugendbeiräte gibt, die den Jugendhilfeausschuss, wie es derzeit im Gesetzentwurf steht, bestücken könnten, sodass hier erst einmal nur die größeren Städte im Fokus stehen.

Als Mitglied der FDP bin ich sonst eigentlich generell kein Fan davon, Dinge gesetzlich zu regeln, die fast reibungsfrei genauso gut freiwillig geregelt werden können.

(Zuruf FDP)

- Ich sage ja: Im Generellen, mein Kollege Fraktionsvorsitzender.

Es wurde schon festgestellt: Schon jetzt können kreisfreie Städte ein beratendes Mitglied - sozusagen eigener Priorität - in den Jugendhilfeausschuss setzen. Das kann auch jemand aus dem hiesigen Kinder- und Jugendbeirat sein.

Nun darf ich hier als kinder- und jugendpolitischer Sprecher stehen, und meiner Meinung nach überwiegt hier die gute Intention, zumindest wenn es um die weitere Diskussion eines Gesetzentwurfs geht.

Konnexität sehe ich nicht sofort berührt; das ist immer erst einmal gut für einen positiven Haken dahinter. Insofern werden wir das weitere parlamentarische Verfahren inklusive Anhörung im Sozialausschuss - nach Absprache mit dem SSW soll das in den Sozialausschuss gehen - sehr gern weiter beschreiten.

Wir müssen bei dem Wortlaut genau aufpassen, denn die Kinder- und Jugendbeiräte sind sehr heterogen aufgebaut, sowohl was ihre Zusammensetzung angeht als auch wie sie besetzt werden, welches Wahlverfahren es überhaupt gibt. Wenn wir dort den Wortlaut nicht richtig fassen, kann es passieren, dass wir nur eine Lex Kiel machen. Das will hier keiner

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Nein!)

selbst ich als Kieler Abgeordneter nicht -, sondern es soll, wenn es kommt, möglichst viele positiv berühren. In Flensburg beispielsweise liefe die Besetzung über die Schulen. Das heißt, dass wir bei der Anhörung definitiv schauen müssen, welcher Wortlaut welche Auswirkungen hätte.

Mir ist es insbesondere wichtig, dass der Landesjugendring bei diesem Gesetzesvorhaben gehört wird und er sowie vor allem seine Untergliederungen einbezogen werden. Denn bisher sind sie diejenigen - das sollen sie auch weiterhin sein -, die die enorme Arbeit für die Berücksichtigung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in unseren Kommunen haben.

Eine wie nun vom Jungen Rat Kiel gewünschte Gesetzesänderung kann es meiner Meinung nach deshalb nur geben, wenn aus dieser Gesetzesänderung ein Plus an Gestaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen erwächst und nicht eine schwächende, gegenläufige Kompetenzproblematik entsteht. Das ist ganz wichtig; sonst kann das nicht klappen. Ich bin nach den ersten Gesprächen mit dem Landesjugendring guter Dinge, dass man so einen Entwurf hinbekommt.

Klar ist aber auch - das möchte ich klipp und klar sagen -, dass, auch wenn ein so gearteter Gesetzentwurf verabschiedet wird, wir noch lange keinen Haken hinter den Bereich „vollständige Steigerung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in diesem Land“ machen können. Sowohl bei der Etablierung von Kinder- und Jugendbeiräten in der Fläche als auch bei deren Kompetenz gibt es noch einiges zu tun, worüber ich gern mit Ihnen sprechen werde. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt CDU und Bei- fall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Politik lebt von Beteiligung, Austausch und Diskussion. Künftig mehr junge Menschen daran zu beteiligen, für Politik zu begeistern, dürfte parteiübergreifend Konsens in diesem Hause sein. Der SSW beantragt heute die Änderung des Ausführungsgesetzes des Kinderund Jugendhilfegesetzes, um die Beteiligung von Kinder- und Jugendbeiräten im Jugendhilfeausschuss zu stärken. Sie sollen zukünftig mit beratender Stimme in die Arbeit eingebunden werden.

Kinder und Jugendliche altersangemessen einzubeziehen, ist Gott sei Dank in vielen Bereichen schon seit Langem gängige Praxis. Dies ist umso wichtiger, wenn Kinder und Jugendliche von der Ent

(Dennys Bornhöft)

scheidung selbst unmittelbar berührt sind. In manchen Fällen sollten sie in der Tat als Experten in eigener Sache angesehen werden.

Um zu verdeutlichen, um was es geht, wurde schon auf den Jungen Rat Kiel hingewiesen. Auch ich möchte das als Beispiel bringen. Der Junge Rat kann in Kiel als Vertreter der Jugendlichen bereits heute Anträge an die verschiedenen Ausschüsse stellen und einbringen. Allerdings ist es laut jetziger Gesetzeslage bislang nicht möglich, eigene Anträge in den Ausschüssen zu begründen oder mit den Ausschussmitgliedern in Diskussion zu treten.

Zwar dürfen die jugendlichen Antragsteller bei der entsprechenden Sitzung dabei sein, aber leider nur als Gast. In der Praxis kommt es manchmal tatsächlich dazu, dass ein ordentliches Ausschussmitglied sagt, wenn noch Fragen offen sind: Mensch, was für ein Zufall! Dort hinten sitzt ja gerade der Antragsteller. Können wir nicht darüber abstimmen, ob er Rede und Antwort steht? - Dann wird darüber abgestimmt und in der Regel im Sinne des Antragstellers so entschieden, dass er sich einbringen darf. Das ist ja auch gewünscht.

Mit der Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes könnten Jugendbeiräte ihren eigenen Standpunkt im Jugendhilfeausschuss - wir reden nur über diesen Ausschuss - künftig auch ohne Abstimmung vertreten, und zwar im direkten Austausch mit den verantwortlichen kommunalen Politikern und den Trägern der Jugendhilfe. Sie hätten dann eine Stellung, die anderen Vertretern des Jugendhilfeausschusses durchaus ähnlich ist - zum Beispiel den Vertretern der Kirchen -: eben Rederecht, aber kein Abstimmungsrecht. Akzeptieren müssten sie - das zu betonen, ist mir wichtig -, dass sie weiterhin nicht abstimmungsberechtigt wären.

Meine Damen und Herren, wenn Jugendliche die Erfahrung machen, dass ihre Angelegenheiten ernst genommen werden, dass ihnen zugehört wird, trägt das maßgeblich zur Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit bei. Der Jugendliche erfährt: Meine Stimme wird gehört, meine Stimme ist wirksam. - Die Erfahrung, dass eigene Vorschläge diskutiert werden und anschließend angenommen oder abgelehnt werden, zeigt, dass Mitbestimmung nicht nur eine hohle Phrase ist.

So eine Erfahrung spricht sich herum und führt dann hoffentlich dazu, dass die Beteiligung bei den Wahlen der bis jetzt ja nur ganz wenig vorhandenen Kinder- und Jugendvertretungen stärker wird. Das würde mehr bewirken als jede teure Kampagne. Entweder wir finden es gut, dass es Jugendvertre

tungen gibt - dann sollten wir sie nach Kräften unterstützen -, oder wir sagen: Das greift nicht; das ist bei den Jugendlichen zu unbekannt. Dann sollte man darüber nachdenken.

Jugendliche an Entscheidungsprozessen, die Auswirkungen auf ihre Lebenswelt und ihre Zukunft haben, anzuhören, ist richtig. Die Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ermöglicht es Kinder- und Jugendbeiräten mit beratender Stimme im Jugendhilfeausschuss, unmittelbar für ihre Anträge zu werben. Die Jugendbeteiligung in demokratischen Prozessen zu erweitern, wird Folge dieser Gesetzesänderung sein.

Wir werden der Gesetzesänderung des SSW deswegen zustimmen, denken aber, dass wir über die durchaus vorhandenen Fragen, die eben angesprochen worden sind, im Ausschuss noch reden sollten. Uns geht es immer darum, Jugendliche angemessen einzubeziehen und sie anzuhören. Das fällt für mich ganz klar unter den Aspekt der Angemessenheit. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Unsere Demokratie lebt davon, dass sich Menschen beteiligen und mitentscheiden dürfen. Partizipation ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Deshalb müssen sich junge Menschen in Gremien beteiligen können. Ihre politischen Mitwirkungsmöglichkeiten sollen gestärkt werden. Das ist ein guter und richtiger Ansatz.

Wir fangen in Schleswig-Holstein - das haben alle Vorrednerinnen und Vorredner gesagt - nicht bei null an. Auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte machen Kinder und Jugendliche immer stärker auf sich aufmerksam. 2010 hatten wir 30 kommunale Kinder- und Jugendvertretungen in Schleswig-Holstein, inzwischen sind es 60. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat Schleswig-Holstein bundesweit die höchste Dichte an Kinder- und Jugendbeiräten.

Wir unterstützen die Kinder- und Jugendvertretungen, indem wir seit 2008 jährlich das Forum „Parti

(Dr. Frank Brodehl)

zipAction“ für ihre Mitglieder veranstalten. Dort entstand auch die Idee, einen landesweiten Termin für Wahlen der Kinder- und Jugendvertretungen zu organisieren. Im November finden diese Wahlen bereits zum zweiten Mal statt. Auch das ist bundesweit einzigartig.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Anliegen der Kinder und Jugendlichen sind dieser Landesregierung wichtig, wie sie - um das fairerweise zu sagen - auch den Vorgängerregierungen wichtig waren. Sonst hätten wir diese Steigerung an partizipativen Möglichkeiten gar nicht gehabt. Schon seit längerer Zeit fordert diese Landesregierung mit allem Nachdruck - ich setze mich persönlich dafür ein, und das bringt nicht immer nur Spaß -, dass wir Kinderrechte endlich im Grundgesetz verankern. Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Für eine Änderung des Jugendförderungsgesetzes hat sich der Junge Rat der Stadt Kiel starkgemacht, weil er noch mehr Mitwirkungsmöglichkeiten haben möchte. Der Junge Rat möchte zukünftig fest mit beratender Stimme im Jugendhilfeausschuss der Stadt Kiel vertreten sein.

Der Landesjugendhilfeausschuss hat sich bereits mit diesem Anliegen beschäftigt und sich darauf verständigt, das Thema erneut in einer Sitzung im November aufzugreifen. Der Gesetzentwurf des SSW greift diesem Prozess nun vor.