Protokoll der Sitzung vom 23.01.2020

Und nein, liebe Koalitionskollegen, damit würden wir den Kommunen keine zusätzlichen Aufgaben oder Kosten aufbürden. Eine neue Richtlinie würde lediglich bereits bestehende Verpflichtungen der Kommunen klarstellen und die Position der Tierheime stärken. Ich würde es begrüßen, wenn wir eine pauschale Kostenübernahme für mindestens 90 Tage - Obacht! - als neuen Richtwert in die Fundtierrichtlinie aufnehmen und damit die tatsächlichen Gegebenheiten abbilden würden.

Tatsächlich ist es sogar so, dass die Gemeinde nach § 976 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Tier unbegrenzt weiterversorgen muss, wenn sich kein neues Herrchen oder Frauchen findet. Das hat ein unionsgeführtes Bundesministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Jahr 2015 hervorgehoben. Es hat die Erwartung formuliert, dass die Bundesländer dieser Rechtslage in ihren Verwaltungsvorschriften endlich Rechnung tragen.

Erinnern wir also die Kommunen an ihre gesetzliche Pflicht zur Versorgung der Fundtiere! Machen wir Schluss mit dem Ammenmärchen, dass die Finanzierungspflicht der Kommunen bereits nach 28 Tagen endet! Stellen wir einfach nur die Rechtslage klar und geben wir als Land eine Empfehlung ab,

wie eine angemessene Finanzierung der Tierheime sichergestellt werden kann!

Liebe Kollegen der CDU, ich hätte mir heute von euch ein bisschen mehr Mut gewünscht. Vielleicht kriegen wir das im Ausschuss zusammen hin - zum Wohle der Tiere und der vielen Ehrenamtler im ganzen Land. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Tierheime erfüllen in unserer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe. Sie sind notwendig - leider, möchte man sagen. Sie vermitteln - teilweise geschundenen - Tieren aus desolaten Verhältnissen eine zweite Chance, die Chance auf ein besseres Leben. Aufgrund dessen haben wir bereits in der Vergangenheit allen Anträgen, die darauf abzielten, die wirtschaftliche Situation von Tierheimen zu verbessern, immer zugestimmt.

(Beifall AfD)

Finanziell stark belastend wirken sich - wir haben es schon gehört - für Tierheime die Fälle von Animal Hoarding aus, in denen eine sehr hohe Anzahl von Tieren, meistens sind es Hunde oder Katzen, auf einen Schlag in Obhut genommen werden müssen. Bis solche Tiere an neue Besitzer vermittelt werden können, vergehen häufig mehr als vier Wochen; für diese Zeit übernehmen die Kommunen die Kosten. In derartigen Fällen, die es - leider - auch schon in Schleswig-Holstein gegeben hat, entstehen den Tierheimen schnell Kosten in vier- oder fünfstelliger Höhe.

Leider ist es auch so, dass bereitgestellte Fördermittel für Investitionen in Tierheime nicht immer vollständig ausgeschöpft wurden und nach wie vor nicht werden. Das hat nichts damit zu tun, dass manche, wie Sie es gesagt haben, Herr Kollege Rickers, das System nicht verstünden. Auch vor diesem Hintergrund halten wir den SPD-Antrag für in der Sache gerechtfertigt. Entbürokratisierung tut not in Deutschland, nicht nur bei den Förderrichtlinien für Tierheime.

(Annabell Krämer)

Leider lässt Ihr Antrag, liebe SPD-Fraktion, die notwendige Konkretisierung vermissen. Was hätten Sie denn gern in der Richtlinie zur Förderung von Investitionen in Tierheime gestrichen, damit mehr Tierheime in den Genuss von Fördermitteln kommen? Das geht aus Ihrem Antrag leider nicht hervor. In Ihrer Rede haben Sie zwar einige Dinge genannt; aber das war nicht ausreichend. Wir werden jedenfalls der Überweisung Ihres Antrags in den zuständigen Ausschuss zustimmen, weil er auch aus unserer Sicht in die richtige Richtung geht. Geld in Tierheime zu investieren ist allemal sinnvoller als die Verwendung der 3,1 Millionen €, die das Land im vergangenen Jahr für die friedliche Koexistenz des Menschen mit einer gerade einmal Handvoll Wölfe bereitgestellt hat.

(Martin Habersaat [SPD]: Für die Schafe!)

Gemessen an der großzügigen Steuergeldverschwendung von Jamaika in Sachen Wolfsmanagement und Co. kommt die Förderung der immerhin 19 Tierheime im Land wirklich sehr dürftig daher. Hier wäre deutlich mehr drin, auch ohne die Tierheime mit aufgedrängtem Reichtum zu beglücken.

Daher freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. Dann wird es hoffentlich auch etwas konkreter werden als heute hier.

(Martin Habersaat [SPD]: Wollen Sie eigent- lich immer noch Wölfe sein bei der AfD, oder haben Sie sich das inzwischen abge- wöhnt?)

- Herr Habersaat, wenn Sie eine Frage haben, gehen Sie doch zum Mikrofon. Ansonsten sollten Sie das sein lassen.

Der SPD-Antrag wurde vom SSW-Antrag inspiriert; Sie haben da schön vom SSW abgeschrieben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tierheime in Schleswig-Holstein leisten hervorragende Arbeit. Profis und Ehrenamtliche unterstützen und vermitteln Haustiere, die ohne Hilfe nicht überleben könnten. Sie organisieren tierärztliche Behandlungen und beraten Tierbesitzer bei der Pflege und der tiergerechten Unterbringung.

Diese Aufgaben sollte die Politik unterstützen, indem sie die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Aber genau das passiert eben nicht, wie die Anfragen und Initiativen des SSW, aber auch der FDP und jetzt auch der SPD immer wieder bewiesen haben.

Weil das so ist, beläuft sich der Investitionsstau bei den Tierheimen mittlerweile auf mindestens schätzungsweise 2 Millionen €. Die Tierheime kämpfen mit struktureller Unterfinanzierung, chronischem Platzmangel, schlechten Ausstattungen und vielen Vorschriften, die sie erfüllen müssen.

Verkehrt ist es, wenn Vorschriften das Ehrenamt behindern und ausbremsen. Genau das tut die Zuwendungsrichtlinie, die ja eigentlich - hier zitiere ich der „Unterstützung der Leistungen des ehrenamtlichen Tierschutzes“ dienen soll.

Nur rund 7.300 € wurden 2019 den Tierheimen für investive Maßnahmen ausgezahlt. 450.000 € hätten es sein sollen. Wenn 98,4 % der Mittel nicht abfließen, haben wir es bei den Problemen nicht mit einem Einzelfall zu tun, sondern mit der systematischen Aushöhlung des politischen Willens.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herrn, der politische Wille hier im Landtag ist die Förderung des ehrenamtlichen Tierschutzes, der in Vereinen und Tierheimen den Tieren zugutekommt. Die Landesregierung soll das Engagement der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer durch direkte Förderung unterstützen. So wünscht und fordert es der Landtag; wir haben das beschlossen.

Die Landesregierung tut es aber nicht, wie zahlreiche Berichte über Tierheime zeigen, wie direkt nach der Kleinen Anfrage des SSW in den Zeitungen nachzulesen war. Auch bei Betriebskostenzuschüssen für Tierheime und Betreuungsstationen sieht es nicht viel besser aus. Die Tierheime fühlen sich im Stich gelassen und von einem willkürlichen Verfahren gepiesackt.

Dabei wurde das Verfahren bereits verbessert, indem unter anderem die Zuwendungsgrenze, also die Höhe, in der man Zuwendungen erhalten kann, für Projekte verdoppelt wurde, und zwar auf ein Volumen von 50.000 €. Man hätte also eigentlich mit neuen Projekten die kompletten Fördermittel erhalten können, wenn es so denn einfach wäre, meine Damen und Herren.

In den im Internet abrufbaren Informationen des Ministers ist nachzulesen:

(Jörg Nobis)

„Mit diesen Änderungen erhofft sich das MELUND nicht nur die Vereinfachung im Verfahren an sich, sondern auch eine erhöhte Akzeptanz bei den Tierheimen beziehungsweise tierheimähnlichen Einrichtungen.“

In der Praxis scheitern die Tierheime bereits mit Anträgen auf Zuwendungen von 10.000 €; denn Anträge, die über dieser Summe liegen, erfordern weiterhin drei Angebote. Wer selber Bauherr ist, weiß, dass das Einholen eines verlässlichen Angebotes eines Bauhandwerkers in diesen Boom-Zeiten schon schwierig genug ist. Aber das Verfahren verlangt noch mehr von den Tierheimen: Die ehrenamtlichen Vorstände in den Tierheimen sind gezwungen, die ehrenamtlichen Gemeindevertretungen in der Nachbarschaft um Zuschüsse zu bitten, weil Mittel Dritter der Vorrang gewährt werden soll. Man muss erst einmal die Beschlüsse derjenigen abwarten, bis die Tierheime überhaupt eine Chance haben, an Geld zu kommen.

Auf diese Weise kommen haufenweise ehrenamtlich erbrachte Stunden zusammen, die mit Papierkram verbracht und damit verbrannt werden. Ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn die Tierheimvorstände das kritisieren und als Schikane bezeichnen.

Warum müssen die Antragsteller darüber hinaus auf dem entsprechenden Antragsformular angeben, welche Zuwendungen das Land Schleswig-Holstein bereits bewilligt hat? Ist dem Ministerium nicht bekannt, wem es Gelder gibt? Liegt keine elektronische Akte vor, die dem zuständigen Bearbeiter beziehungsweise der Bearbeiterin einen lückenlosen Nachvollzug aller Maßnahmen und Zuwendungen an das beantragende Tierheim erlaubt? Man kann über dieses Antragsverfahren eigentlich nur den Kopf schütteln.

Das Ehrenamt wird von der Landesregierung mit Medaillen geehrt, in Sonntagsreden und Flyern gelobt, aber in der täglichen Arbeit begegnet den ehrenamtlichen Tierschützerinnen und Tierschützern vor allem eins, nämlich Misstrauen seitens des Zuschussgebers. Das schafft Frust und schreckt Menschen vom Ehrenamt ab.

Es geht auch einfacher, meine Damen und Herren: Ein Angebot für die zu erbringende Leistung muss ausreichend sein. Es muss darauf verzichtet werden, dass eine gemeindliche Kofinanzierung eingefordert wird. Und es muss eine hundertprozentige Förderung der Baumaßnahmen geben. So einfach ist das.

Bei den Betriebskostenförderungen kann man ähnlich verfahren. Auch da gibt es die Möglichkeit der Pauschalförderung. Man muss nicht einzeln alles spitz abrechnen und mit Bürokratie versehen, meine Damen und Herren.

Deshalb appelliere ich an den Minister, die Vergabe für die Zuwendungen schleunigst zu vereinfachen, weil ich finde, die Tierheime beziehungsweise diejenigen, die Ehrenamtlichen dort tätig sind, haben es verdient, schnell an ihr Geld zu kommen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für einen Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist etwas ungewöhnlich, zu einem Thema zu sprechen, für das ich früher zuständig war, und heute in die Debatte zu gehen; aber ich habe es mit meinem Kollegen abgesprochen.

Ich möchte dem, was der Kollege Harms gesagt hat, etwas entgegenhalten. Er hat gesagt, die Menschen in den Tierheimen hätten das Gefühl, dass das Land ihnen Skepsis entgegenbrächte. Den Eindruck habe ich nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Ich habe die meisten Tierheime in diesem Land besucht und Gespräche mit den Mitarbeitern dort geführt. Sie waren zunächst einmal dankbar, nach über zehn Jahren wieder Mittel vom Land zu erhalten für eine Aufgabe, für die eigentlich die Kommunen zuständig sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und vereinzelt FDP)

Erstmals seit über zehn Jahren erhalten sie überhaupt wieder Gelder. Sie erhalten so viel Geld wie noch nie unter dieser Koalition, und zwar um dem Investitionsstau entgegenzutreten. Da passiert auch etwas. Es sei nicht so, als seien keine Mittel abgeflossen. Die Debatte, die wir gerade führen, ist: Uns geht das nicht schnell genug. Den Gedanken kann ich noch nachvollziehen. Ich finde es auch gut, wenn die Opposition unsere Politik so gut findet,

(Lars Harms)

dass sie will, dass sie noch schneller vollzogen wird. Das trage ich mit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)