Protokoll der Sitzung vom 08.05.2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Ich danke der Landespresse, die uns mit Fakten versorgt, über unsere Arbeit berichtet und uns auch mal in die Mangel nimmt. - Ich danke Ihnen, dass Sie uns in dieser schwierigen Zeit begleiten und der

Bevölkerung in der Coronakrise eine Stütze sind. Ich wünsche Ihnen viele gute Nachrichten, Geduld, wenn Sie auf angesetzte Pressekonferenzen warten müssen, faire Arbeitsbedingungen und vor allem Gesundheit. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt CDU und SPD)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrte Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD ist in der Sache richtig und außerordentlich wichtig, und wir unterstützen das darin zum Ausdruck kommende Anliegen voll und ganz. Allerdings sehen wir vor dem Hintergrund der aktuellen Situation aufgrund der Coronapandemie Änderungs- und Ergänzungsbedarf im Antrag, nicht im Hinblick auf die heutige Rede von Ihnen, Herr Stegner. Da sind Sie durchaus auf die Punkte eingegangen, und über diese hätten wir gerne im Ausschuss mit Ihnen diskutiert.

Die Coronakrise zwingt uns, unsere Aufmerksamkeit viel stärker auf die privaten Medien zu lenken. Innerhalb von gut zehn Jahren ist der Anzeigenmarkt in Deutschland zum zweiten Mal zusammengebrochen, und damit fehlen den Unternehmen, die unsere Medien produzieren, dringend benötigte Umsätze. Guter Journalismus aber kostet Geld. Wenn die Einnahmen wegbrechen, dann gefährdet das auch den freien, qualitativ hochwertigen und unabhängigen Journalismus, denn man wird Redaktionen verkleinern, weniger Redakteure beschäftigen und auch an anderer Stelle sparen, und das hat durchaus fatale Folgen für die Meinungsvielfalt in Deutschland.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt SPD)

Erinnern wir uns einmal an die Einstellung der „Financial Times Deutschland“ aufgrund der Weltfinanzkrise. Trotz des unbestritten hochwertigen Journalismus und einer mit großartigen Redakteuren besetzten Redaktion konnte das Blatt nicht gerettet werden, weil der Anzeigenmarkt zusammengebrochen war und damit das Geld fehlte, um dieses Blatt weiter betreiben zu können. Die Coronakrise könnte am Ende eine noch viel größere Bedrohung für Zeitungen und Zeitschriften darstellen als die damalige Krise. Deshalb müssen wir schnell entscheiden und schnell diskutieren, auch im Ausschuss, was uns der Erhalt der Medien- und der

(Eka von Kalben)

Meinungsvielfalt insbesondere bei den Zeitungen und Zeitschriften wert ist.

Deshalb hätten wir uns auch an der Stelle eine andere Schwerpunktsetzung gewünscht, denn es geht heute in erster Linie nicht um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der leistet unbestreitbar einen wichtigen Beitrag für die Meinungsvielfalt in Deutschland. Er hat aber den großen Vorteil, dass er durch die Beitragsfinanzierung abgesichert ist. Deshalb lassen Sie uns heute über die Medienschaffenden reden, die existentiell durch die Coronakrise bedroht sind.

Die finanziellen Auswirkungen der Coronakrise sind aber nur ein Aspekt der aktuellen Bedrohung des freien und unabhängigen Journalismus. Immer wieder werden Medienschaffende in der Öffentlichkeit angegriffen, zuletzt das „heute-show“-Team am 1. Mai und wenige Tage später ein Team der ARD. Das ist widerwärtig und ein direkter Angriff gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Gewalt gegen Journalisten ist eine perfide Bedrohung unserer freiheitlichen Demokratie und unseres Rechtsstaats.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gewalttätern, die mit ihren Taten eine freie und unabhängige Berichterstattung verhindern wollen, muss entschieden Einhalt geboten werden. Hier darf es keine Toleranz und keine falsche Zurückhaltung geben. Angriffe auf die Presse-, Rundfunkund Meinungsfreiheit sind immer auch Angriffe auf unseren Rechtsstaat. Das führt zwangsläufig zu der Frage, wie der Staat Journalisten, insbesondere in kritischen und gefahrgeneigten Situationen, wie sie immer wieder auf Demonstrationen und bei Veranstaltungen radikaler Gruppierungen festzustellen sind, wirksam schützen kann. Es ist notwendig, dass wir Sicherheitskonzepte weiterentwickeln, um Journalisten bei ihrer Arbeit zu schützen. Journalisten müssen gerade in heiklen und gefährlichen Situationen ihrer Arbeit nachgehen und über Ereignisse ungestört und ohne Angst vor Gewalt berichten können. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Polizei sie im Notfall beschützt, denn Gewalttaten gegen Journalisten dürfen eine Berichterstattung nicht verhindern.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und SPD)

Ich halte es deshalb für dringend geboten, dass Sicherheitsbehörden und Journalisten hier künftig besser und intensiver zusammenarbeiten, als das in der Vergangenheit in verschiedenen Bundesländern

der Fall gewesen ist. Das mag auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Allianz sein, aber sie ist notwendig. Nur wenn sich Sicherheitsbehörden und Medienvertreter im Vorfeld abstimmen, können Journalisten bei ihrer Tätigkeit auch in gefährlichen Lagen wirksam durch die Polizei geschützt werden. Hier muss vielleicht ein wenig das Bewusstsein geschärft werden, dass gerade bei Demonstrationen rechts- und linksradikaler Strömungen Polizei und Journalisten auf derselben Seite stehen, nämlich auf der Seite des demokratischen Rechtsstaats, für den beide einstehen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Das Wort für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, in Krisenzeiten wie jetzt erleben ARD und ZDF eine Blüte. Das gilt zum Glück, sage ich einmal, auch für die anderen Medien, denn die Leute sind zu Hause und haben mehr Zeit, als ihnen lieb ist. Aber das wird sich wieder normalisieren, und damit werden auch die Probleme, die jetzt schon angesprochen worden sind, wieder sichtbar.

Heute stellt das öffentlich-rechtliche System einen Anachronismus dar, denn es passt nicht mehr in die Zeit. Lineares Fernsehen wird mit jeder Generation unwichtiger und, wie der lineare Hörfunk auch, durch Streaming-Plattformen immer mehr ersetzt. Daher ist es nur folgerichtig, dass in allen Bundesländern an einer Reform des Systems gearbeitet wird - aus unserer Sicht viel zu zaghaft, aber diese Debatte werden wir anhand des Medienstaatsvertrags noch führen.

Heute soll es ja offenbar nicht nur um das Hohelied auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehen, sondern um starken Journalismus, wie es im Antrag heißt, und den wünschen sich alle - alle, die an ausgewogener, unabhängiger, sachlicher Berichterstattung interessiert sind. Dass es daran leider in Deutschland oftmals hapert, haben wir in den letzten Jahren viel zu oft erleben müssen, denn eine ganze Reihe von Studien hat gezeigt, dass sich besonders die öffentlich-rechtlichen Medien als erschreckend unkritisch erwiesen haben, wenn es um Krisen geht. Das war in der Eurokrise so, in der Finanzkrise und auch in der Flüchtlingskrise.

(Jan Marcus Rossa)

Nun haben wir wieder eine Krise und erleben wieder, dass die Öffentlich-Rechtlichen recht unkritisch berichten. Hinzu kommt der Trend zur Emotionalisierung, zur Konzentration auf Einzelfälle, die in die Berichterstattung passen. Dazu kommen Experten, die manchmal gar keine sind. Gerade in Krisenzeiten aber verlassen sich die Bürger auf die Medien, und ich finde es aller Ehren wert - schade, dass heute so wenige Kollegen da sind -, dass in den letzten Monaten die Journalisten von Presse, Hörfunk und Fernsehen einen so tollen Job gemacht haben und ständig aktuell über die Lage berichtet haben. Das gilt auch und gerade für den Pressebereich, der wirtschaftlich so stark unter Druck steht.

Es fällt auf, dass sich ARD und ZDF - wie auch bei früheren Krisen - eher als Verkündungsorgan der Regierungen in Bund und Land verstehen denn als kritische Beobachter. Einzelne Wissenschaftler werden quasi als unfehlbare Autoritäten dargestellt, die als verlängerter Arm der Regierung Maßnahmen begründen, die auf dramatische Weise unsere Freiheitsrechte beschneiden. Kritische Nachfragen oder ein offener Diskurs zwischen den Wissenschaftlern, der ja auch dazugehört, fällt dabei gern unter den Tisch.

Im Antrag ist von einem auskömmlichen und angemessenen Rundfunkbeitrag die Rede, der angeblich Staatsferne und Unabhängigkeit sichert. Das ist falsch, denn die Staatsferne ist in den Staatsverträgen festgeschrieben und hat per se nichts mit dem zwangsweise erhobenen Beitrag zu tun. Dänemark geht auch hier wieder voran und verwendet demnächst zum Beispiel Steuermittel für den öffentlichrechtlichen Rundfunk und keine Abgaben mehr. Der Rundfunk selbst wird stark verschlankt, und trotzdem bleibt die Staatsferne garantiert. Privatsender sind per definitionem staatsfern und brauchen dafür auch keine Beiträge.

Von Auskömmlichkeit kann nun wirklich keine Rede sein. Das System verschlingt jedes Jahr mehr als 8 Milliarden €. Das ist eine ungeheure Summe, die heute durch nichts mehr zu rechtfertigen ist. Hier handelt es sich um die künstliche Beatmung eines aufgeblähten Systems, das nur noch für einen Teil der Zuschauer und Zuhörer relevant ist, denn die Mehrheit derer ist älter als 60, und dies belegt, dass sich das System überlebt hat und einer dringenden Reform bedarf.

Herr Brockmann hat eben richtigerweise auf die BBC hingewiesen. Diese war hier im Norden dank Hugh Greene Vorbild für den NDR. Der hat, wie ich finde, einen tollen Job gemacht damals beim NWDR. Die BBC wird auch ziemlich eingedampft.

Ab 2022 wird das BBC-Geschäftsmodell überprüft und wahrscheinlich auch eingedampft, aber mir geht es um die Qualität, die die BBC heute noch hat. Diese finde ich ganz großartig, sie ist immer noch ein Leuchtturm.

Wir haben gerade gehört, wie stark Journalisten weltweit unter Druck stehen, aber die Qualität darf auch hierzulande nicht unter Druck geraten, denn wir kennen die Diskussionen. Sie kennen sie sehr gut: Es gibt eine Art von Tendenzberichterstattung, die sich dann als Haltungsjournalismus verkauft. Das halte ich für gefährlich. Viele sagen, man habe die Pflicht, Ereignisse einzuordnen. Das stimmt ja, man muss einordnen. Das geschieht schon durch die Auswahl der Themen, die man als transportwürdig erachtet. Seine persönliche Meinung kann jeder Journalist in seinen Kommentaren einfließen lassen, das ist völlig in Ordnung. Doch aus meiner Sicht ist die Trennung von Bericht und Meinung in Großbritannien und auch in Dänemark oder Schweden deutlich klarer. Hier bei uns gibt es doch zu viele Journalisten, die sich als Oberlehrer, als Missionare, als Ideologen oder als PR-Agenten einzelner Politiker begreifen. Das können sie auch gern tun, aber bitte nicht mit dem Geld von Zuschauern, die sich nicht gegen den Zwangsbeitrag wehren können, obwohl sie die zahlreichen Programme nicht nutzen.

Das Vertrauen schwindet. Man muss analysieren, warum das so ist. Wir werden die Debatte bald führen. Ich freue mich sehr darauf. Das Vertrauen schwindet, die Zahlen nehmen ab. Dafür gibt es Gründe, die muss man analysieren und auch die Konsequenzen ziehen.

Herr Abgeordneter!

Letzter Satz: Der Lack ist ab, und daran ändert dieser Antrag auch nichts mehr.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der recherchierende und einordnende Journalismus ist so wichtig wie nie, um seriöse Informationen zu gewährleisten. Mein Vor

(Volker Schnurrbusch)

redner war das beste Beispiel dafür, dass wir den Journalismus unterstützen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Tagesschau erzielt Traumquoten, und die Nachrichtenkanäle im Web sind gefragt wie nie. Auch das ist der beste Beweis dafür, dass unser System in dem Bereich funktioniert, und darüber können wir wirklich froh sein. Wir sind eins der wenigen Länder, in denen es nicht so ist, wie es sich die AfD bei uns wünscht. Darauf können wir stolz sein, dass wir so viel Demokratie und so viel Freiheit haben, und vor allem einen unabhängigen Journalismus, egal ob er öffentlich-rechtlich ist, ob es Tageszeitungen oder private Rundfunkstationen sind. Sie sind alle klasse und unterstützen die Demokratie mit ihrer Arbeit, und das sollten wir ihnen auch einmal sagen. Das ist verdient.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, und trotzdem ist der professionelle Journalismus ökonomisch bedroht. Wie haben von der Kollegin von Kalben schon gehört, dass wir gestern ein wenig Geld für private Rundfunkstationen zur Verfügung gestellt haben. Wir müssen feststellen, dass Auflagenzahlen im Zeitungsbereich stagnieren, bei manchen gehen sie sogar zurück. Kostenlose Infos scheinen massenweise im Netz verfügbar. Das bringt die Lokalzeitungen in Bedrängnis, aber auch die großen Anstalten, die mitten in einer Gebührendebatte stehen, sind immer wieder in ihrer Leistungsfähigkeit bedroht.

Wenn wir über Gebühren auch für den öffentlichrechtlichen Rundfunk reden, dann gibt es für mich nur Eines: Gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden, und Rundfunkstationen müssen eine gute ökonomische Grundlage haben, um genau diese Arbeit leisten zu können. Darüber müssen wir alle uns klar sein.

Journalisten und Journalistinnen werden bedroht und attackiert. Am Rande von rechten Demos sichern inzwischen Sicherheitsleute routinemäßig die Arbeit der freien Presse ab, und auch diese können Angriffe von rechts, aber auch von links nicht verhindern, wie wir es gerade in der letzten Woche in Berlin erlebt haben, wo ein ZDF-Team attackiert wurde. Daneben beklagt der Journalistenverband regelrechte Schmäh- und Hasskampagnen auf Journalisten im Netz; und zwar auf allen Plattformen. Rechte Kreise führen sogenannte Feindeslisten, auf

denen die Namen und Anschriften von Journalistinnen und Journalisten geführt werden. Diese seien zum Abschuss freigegeben, wenn es zum Tag X käme. Das ist widerliche Hetze, der nur mit dem Strafrecht beizukommen ist, und da müssen wir sehr viel schärfer vorgehen.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und FDP)

Da müssen wir radikal vorgehen, damit diese Leute, die diese Drohungen aussprechen, die Strafe erhalten, die sie verdient haben.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es auch gut, dass wir heute über den Journalismus reden. Vielen Dank also an die SPD für die Initiative, die wir fast genau am Tag der Pressefreiheit besprechen. Aber Sonntagsreden allein bringen keine Veränderung. Sie sichern keinen einzigen Arbeitsplatz und schaffen keine belastbare Vertrauensbasis für die Bürgerinnen und Bürger. Gerade wir Abgeordnete sollten uns an den Taten messen lassen.

Um es auch klar zu sagen: Es ist für uns einfach wichtig, dass wir Journalismus unterstützen. Das heißt nicht, dass wir ihn steuern - niemals! Das hat es in dieser Republik auch noch nie gegeben, und das wird es auch nie geben, solange Demokraten zusammenhalten. Allerdings müssen wir uns überlegen, ob wir den Journalismus so, wie wir ihn im öffentlich-rechtlichen, aber auch im privaten Bereich kennen, noch aufrechterhalten können, wenn wir ihn nicht auch ökonomisch stützen. Ich weiß, dass das schwierig ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Lage und der Unabhängigkeit von der Politik. Aber mein Kollege Vorredner ist unberechtigterweise auf das dänische Beispiel eingegangen. Dort gibt es beispielsweise die Möglichkeit, für die Distribution von Zeitungen staatliche Zuschüsse zu erhalten. Das ist kein Eingriff in den Journalismus, sondern dieser Zuschuss wird einfach pro Zeitung gezahlt - an alle Medien, egal ob sie links, rechts, in der Mitte oder sonst wo stehen. Diese können diese Zuschüsse bekommen.

Das ist ein Modell. Es ist anders als bei uns, aber wir müssen dringend darüber nachdenken, ob solche Modelle auch für uns attraktiv sein können, damit die Journalisten überhaupt noch ihre Arbeit einigermaßen niedrigschwellig anbieten können, weil wir eben die große Schwierigkeit haben, dass es auch kostenlose Internetangebote gibt, und die sind nicht immer alle gut.