Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Es ist Christian Dirschauer durchaus zuzustimmen: Wir brauchen für die verschiedenen Standorte individuelle Lösungen. Zumindest für Flensburg sind sie möglich. Ich glaube, das gilt auch für die anderen Standorte. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Karstadt-Komplex in Lübeck existiert - nicht in dieser Form, aber als Warenhaus - seit 136 Jahren. Niemand kann bestreiten, dass das über 136 Jahre stadtprägend ist. Wer heute durch die Lübecker Breite Straße geht und sieht, was das für ein Kaufhauskomplex - heute! - ist, wird erkennen, dass dieser sich nicht einfach durch Leerstand hervortun darf, sondern durch Belebung, durch Aktivitäten hervortun muss. Bei so einem großen Kasten mitten in der Lübecker Altstadt - es sind sogar zwei Warenhäuser in dieser Größe - braucht es Alternativkonzepte.

(Beifall Özlem Ünsal [SPD])

Das ist notwendig und auch klar sichtbar. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur Zeit zu gewinnen, sondern sich aktiv mit finanziellen Voraussetzungen daran zu beteiligen, Alternativen zu schaffen und vorzusehen.

Das Zweite - das wird im Antrag unserer Fraktion deutlich -: Da sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Lübeck sind es nicht 80, sondern 180, die ihre Kündigung erhalten haben. Das sind 180 Menschen und deren Familien, die darauf angewiesen sind, dass es für sie eine Perspektive gibt. Da ist es doch selbstverständlich, dass die Landesregierung sofort sagt: Ja klar, Transfergesellschaft, auch über einen längeren Zeitraum, nicht nur sechs Monate, sondern zwölf Monate. Wir geben dort wirklich finanzielle Mittel rein, um diesen Menschen und ih

ren Familien Perspektiven zu schaffen. - Was sonst sollte diese Landesregierung tun?

(Beifall SPD und SSW)

Wenn man sich den Kollegen Knuth angehört hat, kommt man zu dem Schluss, man macht halt ein Grabkreuz und stellt es vor den Kaufhausladen. Das kann man tun. Das Problem ist aber: Wenn ich mir angucke, mit welchem Einsatz wir in anderen Industrie- und Beschäftigungsbereichen vorgehen, mit welcher Kraft wir versuchen, die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft zu erhalten oder für die Windenergie kämpfen, wenn ich mir den Einsatz für die Hafenstandorte angucke: Alles das ist notwendig.

(Zuruf Annabell Krämer [FDP])

Wir können aber doch dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Karstadt nicht im Regen stehen lassen! Das geht doch nicht!

(Beifall SPD - Wortmeldung Annabell Krä- mer [FDP])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Annabell Krämer?

Nein, danke.

(Annabell Krämer [FDP]: Das sagt alles!)

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Alternativen bieten müssen und Solidarität mit den Beschäftigten bei Karstadt nicht nur öffentlich, sondern auch mit praktischem Handeln auf den Weg bringen müssen.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Zum Beispiel dort einkaufen!)

Ich glaube, dass es notwendig ist, den Städten, die arg gebeutelt sind, tatsächlich eine Perspektive für eine Entwicklung - und nicht für Leerstände - an den Standorten zu bieten. Da helfen auch keine Wolkenkuckucksheime mit kleinteiligen Geschichten. Das ist, wenn man sich die Kisten, die dort stehen, anguckt, nicht so einfach.

Herr Abgeordneter!

Die Kommunen brauchen dort eine starke Unterstützung. Die fordern wir von der Landesregierung ein.

(Beifall SPD - Zuruf Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Baasch, wann haben Sie das letzte Mal bei Karstadt eingekauft? - Das ist doch das Kernproblem! Die Innenstädte veröden, weil die Menschen nicht mehr dort einkaufen gehen.

Bei alldem, was ich heute bisher gehört habe, waren einige gute und schlaue Ideen dabei, ich habe aber auch sehr viel Ratlosigkeit gehört. Bisher hat keiner die Frage gestellt: Warum gehen die Leute nicht mehr in die Innenstadt?

(Beifall FDP)

Das ist doch die Kernfrage, die wir uns stellen müssen! Es ist übrigens auch eine Frage, die ich der einen oder anderen Kommune stellen muss: Wollt ihr überhaupt, dass Menschen aus dem Umland in die Innenstadt kommen? An dieser Stelle liegt eines unserer Kernprobleme. Denn die eine oder andere Kommune sagt: Nee, wir wollen keinen Verkehr, wir wollen keine Menschen, die von außen kommen.

(Beifall FDP)

Wir müssen schon sehen: Innenstädte leben nicht nur aus sich selbst heraus, sondern sie leben auch vom Umland.

Ich frage auch mich: Warum gehe ich nicht mehr so oft in die Innenstadt wie früher? Der eine oder andere - Christian Dirschauer hat es deutlich gesagt hat das Thema Verkehr angesprochen. Ich komme nicht mehr in die Innenstadt hinein, die Strecken sind lang, ich muss einen Parkplatz suchen, und jetzt noch das Schlimme - wenn ich mehr als einen Bleistift einkaufe: Wie transportiere ich das nach Hause, ohne mit vielen Tüten durch die Gegend zu laufen? Ich muss auch die Logistikwege etwas genauer betrachten.

(Beifall FDP)

(Wolfgang Baasch)

Wenn ich meine tagtäglichen Einkäufe nicht mehr in der Innenstadt erledige, sondern aus Bequemlichkeit ins Internet, auf die grüne Wiese oder in den Supermarkt bei mir in der Nachbarschaft gehe, könnte ich noch aufgrund von Erlebnisqualität, aufgrund von Kultur, aufgrund von Party - ach, Partys gibt es ja in Coronazeiten gar nicht mehr -, aufgrund von ähnlichen Ereignissen in die Innenstadt gehen. Tue ich das täglich? - Nein, ich tue es nicht täglich, sondern ich tue das eher selten.

Genau da liegt das nächste Problem: Die Frequenz der Reise in die Innenstädte sinkt, die Zahl der Aktivitäten dort sinkt. Wir haben Verkehrsprobleme, wir kommen nicht mehr so einfach in die Innenstadt hinein; der letzte Bus fährt um 22 Uhr nach Hause, sodass ich dort abends nicht lange bleiben kann. Das Thema Sonntagsöffnungszeiten ist bereits angesprochen worden.

Ich empfehle uns eines: Lassen Sie uns an die Menschen denken, die nicht mehr in die Innenstädte gehen. Lassen Sie uns fragen: Wie können wir die Stadt für diese Menschen attraktiver machen? Dann erledigen sich Fragen wie: Wo gibt es Arbeitsplätze?

(Beifall FDP)

Arbeitsplätze gibt es, wenn es Kunden gibt und Menschen dort etwas tun. Das ist der Weg, über den wir aus meiner Sicht nachdenken müssen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Ich bin zwar am Ende, aber Herrn Dr. Stegners Zwischenfrage möchte ich gern noch beantworten.

Herr Kollege Holowaty, da Sie grundsätzlich argumentiert haben, möchte ich Sie gern fragen: Ist Ihnen bekannt, dass auch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die FDP den Wirtschaftsminister stellt und es dort gelungen ist, auch mithilfe der Landesregierung, die wie gesagt - teilweise von ganz anderen gestellt wird, Standorte zu erhalten respektive ihnen die Zeit zu geben, die wir in unserem Antrag fordern, um ein neues Konzept zu entwickeln? Wenn das so ist, warum gelingt es FDP-Wirtschaftsminister Buchholz und seiner Regierung nicht?

- Herr Kollege Dr. Stegner, zum einen wissen Sie, dass sich gerade Wirtschaftsminister Dr. Buchholz mit großem Einsatz mit jedem einzelnen Haus in Schleswig-Holstein intensiv auseinandergesetzt hat und weiter an dem Thema dran ist. Zum anderen wissen Sie, dass wir in Schleswig-Holstein eine besondere Struktur haben: Wir leben sehr stark vom Umland. Das ist eine andere Situation als in anderen Ländern.

(Beifall FDP)

Wir müssen uns doch nicht darum kümmern, ob gerade das Karstadt-Haus dort bleibt, sondern wir müssen dafür sorgen, dass Läden in der Innenstadt eine Chance haben, wie beispielsweise Karstadt in Flensburg mit 80 Arbeitsplätzen. Kollege Richert hat es ganz richtig gesagt: Zehnmal acht in kleinen Läden interessieren mich genauso wie einmal 80 bei Karstadt.

(Beifall FDP)

Es geht nicht darum, nur Karstadt zu erhalten, sondern darum, allen Läden in den Innenstädten eine Zukunft zu bieten.

(Beifall FDP)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage des Abgeordneten?

Es ist mir sehr sympathisch, dass Sie nicht nur Karstadt retten wollen, aber ich wünsche mir, dass Sie auch Karstadt retten wollen; mehr fordern wir gar nicht, als dass die Zeit dafür da ist, das zu entwickeln. Es bleibt die Frage, warum Herrn Buchholz nicht gelingt, was anderen FDPWirtschaftsministern gelingt, übrigens in einer Region - Sie haben Strukturen angesprochen -, in Rheinland-Pfalz, das von seiner Struktur mit Schleswig-Holstein durchaus vergleichbar ist. NRW vielleicht weniger, aber Rheinland-Pfalz ist mit Schleswig-Holstein durchaus vergleichbar. Sie können nicht behaupten, bei uns sei alles komplett anders. Anderswo gelingt es, sogar im rot-rot-grün regierten Berlin gelingt das, wo Sie die Regierung wahrscheinlich ganz schrecklich finden; da ist die FDP nicht beteiligt.

(Zurufe)

(Stephan Holowaty)