Wenn man die Eckpunkte des geplanten Gesetzes anschaut, dann könnte man meinen, das sei alles gar nicht so schlimm. Die Belastungen sollen für Unternehmen ab 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelten, und es soll keine Erfolgspflicht gelten. Die Betriebe müssen lediglich nachweisen, dass sie alles getan haben, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Aber auch wenn Arbeitsminister Heil sagt, den Unternehmen solle nichts aufgebürdet werden, was sie nicht leisten können, so ist doch genau das der Fall. Kein Unternehmen kann sicher wissen, wie genau eingekaufte Teilprodukte hergestellt wurden, auch bei sorgfältigster Recherche nicht.
Wir wollen das Level-Playing-Field. Wir wollen gleiche Bedingungen für alle. Einer bedarfsgerechten europäischen Lösung werden wir uns deswegen nicht verschließen, aber ein nationales Lieferkettengesetz nach diesem Strickmuster schadet deutschen Betrieben, den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien, die gerade besonders schlimm dran sind, ohne Freiheit und Menschenrechte weltweit auch nur irgendwie voranzubringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in SchleswigHolstein stehen zu unserer mittelständischen Wirtschaft. Gerade jetzt, nach den Herausforderungen der Coronakrise, brauchen wir gut arbeitende Betriebe. Wir brauchen die Sicherheit durch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Wir wollen keine Belastungen, mit denen die Betriebe nicht zurechtkommen. Freiheit und Menschenrechte weltweit sind erklärtes Ziel der Freien Demokraten. Es ist ei
nes unser sechs Parteiziele. Aber Außenpolitik ist nicht Sache der Betriebe, das ist Sache der Bundesregierung, und die darf sich ihrer Verantwortung nicht durch ein solches Gesetz entziehen, schon gar nicht auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben und deren Familien. - Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag behandelt ein wirklich wichtiges Thema, das zu Recht auf großes Interesse in der Öffentlichkeit stößt. Im Handel und in der Produktion gibt es im Zuge der globalisierten Wertschöpfungs- und Lieferketten immer wieder Verstöße gegen Menschenrechte. Dazu zählen besonders in Schwellenländern die Arbeit von Kindern, Dumpinglöhne und nicht selten auch ein völlig unzureichender Arbeitsschutz. Regelungen, wie sie die deutsche Arbeitsstättenverordnung vorsieht, über die wir auch in dieser Sitzung diskutiert haben, sind in anderen Regionen der Welt nicht vorstellbar.
Der Antrag setzt nun dieses bundespolitische Thema zu einem Zeitpunkt auf die Tagesordnung, an dem noch nicht einmal Details eines zukünftigen Bundesgesetzes bekannt sind. Bisher ist bekannt, dass nach dem Wunsch der Bundesminister Heil und Müller in Zukunft Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern dafür verantwortlich gemacht werden sollen, dass Lieferanten im Ausland soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Vorgesehen ist dabei eine vorrangig zivilrechtliche Haftung, und das Gesetz soll schon 2020/21 in Kraft treten.
Trotz der Bedeutung, die der Kampf gegen Dumpinglöhne und Kinderarbeit auch für uns hat, stellt sich hier zunächst eine zentrale Frage: Warum wird die Initiative für das Lieferkettengesetz gerade jetzt, inmitten von Zeiten von Corona, Wirtschaftskrise und Lockdown, gestartet? Hier können wir dem Wirtschaftsrat der CDU, die vielleicht doch nicht so geschlossen ist, nur zustimmen, der vor Kurzem erklärte, dass das Lieferkettengesetz zur denkbar schlechtesten Zeit ein Zeichen des Misstrauens an die Wirtschaft aussendet und sie einmal mehr unter Generalverdacht stellt.
nicht mehr gehört. Marx-Engels-Werke - das habe ich zuletzt von kommunistischen Kommilitonen im Studium gehört. Wenn das Ihre Basis ist, um Unternehmen zu beurteilen, dann ist dieser Generalverdacht in den Reihen der Sozialdemokratie wohl immer noch lebendig.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die deutsche Industrie- und Handelskammer und der Handelsverband Deutschland warnen gemeinsam vor ungerechtfertigten Zusatzbelastungen, die deutschen Unternehmen in Zukunft aufgebürdet würden. Selbst das Wirtschaftsforum der SPD, man höre und staune, warnt vor nationalen Alleingängen und einer Zersplitterung des EU-Binnenmarktes. Das ist ausnahmsweise einmal etwas Vernünftiges aus dieser Ecke.
Aber es geht hier nicht um den fragilen Zustand der Wirtschaft in Zeiten von Corona und Lockdown. Wir reden ja im Moment von einem aktuellen Minuswachstum von 10 %. Nein, auch inhaltlich bringt das Vorhaben massive Probleme mit sich, denn der Mittelstand sagt zu Recht: Wir haben keine Compliance-Abteilung wie große Unternehmen.
Herr Kilian hat eben von großen, global agierenden Unternehmen gesprochen. Das klingt immer so nach Siemens, Daimler, BMW und Bayer, aber es gibt auch viele mittlere Unternehmen, die 501 Mitarbeiter haben. Diese müssen dann eine Compliance-Abteilung einführen. Sie müssen dann irgendwo auf einem indischen Baumwollfeld neben der Pflückerin stehen und gucken, ob vorher Pflanzenschutzmittel gesprüht worden sind. Sie müssen nach Pakistan, Bangladesch oder Vietnam fliegen und in den Textilunternehmen nachsehen. In Kambodscha habe ich damals auch vorbeigeguckt, weil es auch dort gebrannt hatte. Dort hat man für Nike gearbeitet, und die Näherinnen haben 5 ct. pro Stunde bekommen. Aber das kann ein Mittelständler nicht leisten, nämlich danebenzustehen und jeden Tag nachzusehen, was der Subunternehmer des Subunternehmers des Subunternehmers macht, denn so läuft das in der Praxis in diesen Ländern. Deswegen ist es unrealistisch, anzunehmen, dass Betriebe ab 500 Mitarbeitern das leisten können. Ich bin nun kein Jurist, Herr Kilian und Herr Minister, das wissen Sie wahrscheinlich besser, aber eine
Weiter geht es natürlich mit der Frage, die auch schon Herr Richert angesprochen hat, nämlich: Wie gehen wir mit China um? Wir wissen, wie China seine ethnischen Minderheiten behandelt, zum Beispiel die Uiguren, aber nicht nur die. Sollen wir jetzt die Handelsbeziehungen kappen? Sollen wir nicht mehr dort produzieren? - Gut, dann müssen wir das so machen. Das müssen wir den Betrieben dann aber auch rechtzeitig sagen. Das sollten wir aber auch in Bezug auf die Türkei, Katar, die Emirate und Saudi-Arabien einführen. Überall dort werden die Menschenrechte mit Füßen getreten und Minderheiten unterdrückt.
Also: Weg mit der Produktion dort und zurück nach Europa, womit wir zum Beispiel gar kein Problem hätten, denn gerade im Zeichen der Coronakrise haben wir erlebt, dass die Versorgungssicherheit durch die Lieferketten nach Ostasien und Südasien durchaus gefährdet war. Ich habe also nichts dagegen, wenn wir das wieder zurückholen. Man muss nur wissen, was das bedeutet, und man muss jetzt vielleicht nicht mit einem Lieferkettengesetz als Schnellschuss aus der Hüfte schießen.
Das Thema ist komplex. Es ist etwas komplexer, als Frau Metzner es dargestellt hat. Deshalb wäre ich sehr dafür, dass wir es sehr ausführlich im Ausschuss beraten, möglichst im Wirtschaftsausschuss. Da gehört es aus meiner Sicht hin. Ansonsten kann ich nur hoffen, dass es auf Bundesebene nicht zu Schnellschüssen kommt. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Dinge sind im Grunde ganz einfach und doch kaum zu verstehen. Wir wissen, dass zunehmend global produziert und gehandelt wird. Die Gewinne vieler weltweit agierender Konzerne steigen und steigen. Gleichzeitig sehen wir aber auch immer wieder, dass Menschenrechts- und Umweltstandards unterlaufen werden. Für viele Unternehmen ist es offenbar schwer oder fast unmöglich, diese Standards zu erfüllen. Der einzig erkennbare Grund hierfür ist oftmals das Interesse an maximalem Profit.
Wenn viele hundert Menschen durch den Einsturz einer maroden Textilfabrik sterben - das haben wir schon gehört -, dann ist das leider nur die tragische Spitze des Eisbergs. Tagtäglich kommen in Asien, Afrika oder anderswo Menschen zu Schaden oder ums Leben, weil sie unter unwürdigen Bedingungen arbeiten; auch für uns, für deutsche Unternehmen und für den deutschen Markt.
Deshalb sage ich ganz deutlich: Unabhängig davon, ob eine Geschäftsbeziehung direkt oder indirekt über ausländische Zulieferer besteht, ist für den SSW eines völlig klar: Auch Unternehmen aus Deutschland tragen eine Verantwortung für die Arbeitsbedingungen und die Lebensgrundlagen der Menschen entlang unserer Lieferketten.
Man sollte also meinen, der Fall ist klar. Aber darauf zu setzen, dass Unternehmen freiwillig auf Menschenrechts- und Umweltstandards achten, funktioniert leider nicht. Die Initiative Lieferkettengesetz weist darauf hin, dass Konzerne in Deutschland sehr viel Zeit hatten, dies zu beweisen. Doch nicht einmal ein Viertel der von der Bundesregierung befragten Unternehmen kommen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht wirklich nach. Das ist aus unserer Sicht zu wenig.
Die Forderung nach einem gesetzlichen Rahmen in Form eines Lieferkettengesetzes ist insoweit völlig legitim. Es ist gut und wichtig, dass diese Debatte nicht nur hier, sondern vor allem auch in Berlin geführt wird. Freiwillige Maßnahmen oder Bündnisse - wie in der Kakao- oder der Textilbranche - sind leider oft nicht viel mehr als reine PR-Maßnahmen. Echte Fortschritte für Mensch und Umwelt erreichen wir auf diesem Weg nicht.
Bei allem Verständnis für Unternehmen, die im harten globalen Wettbewerb stehen, müssen wir hier endlich zu echten Verbesserungen kommen. Dafür braucht es eine nationale und schnellstmöglich auch eine europaweite - gesetzliche! - Regelung.
Dass Schleswig-Holstein die Agenda 2030 der UN mit ihren Nachhaltigkeitszielen umsetzt, ist aller Ehren wert. Natürlich tragen auch wir als Land Verantwortung für Menschenrechte und die natürlichen Lebensgrundlagen, vor allem natürlich da, wo es um öffentliche Aufträge und öffentliche Beschaffung geht. Umso erstaunlicher, lieber Kay Richert, ist es, dass die Jamaika-Koalition unser Tariftreue
Ein solches Verhalten lässt sich zumindest schwer mit dem vollmundigen Bekenntnis zu globaler Menschenwürde und Naturschutz vereinbaren.
Vor diesem Hintergrund ist es also kaum eine Überraschung, dass wir den Antrag der SPD voll und ganz unterstützen. Denn auch, wenn dieses Thema vor allem auf nationaler und internationaler Ebene bewegt werden muss, wäre ein einiger Landtag schon ein sehr wichtiges Signal. Gleichzeitig sollten wir aber eben auch hier, auf Landesebene, alle Hebel nutzen. Und: Tariftreue und verbindliche Kriterien bei Vergaben gehören für uns dazu.
Das wäre vielleicht ein kleiner, aber sicherlich kein unwichtiger Beitrag zu fairen Arbeitsbedingungen und nachhaltigem Wirtschaften. Darauf sollten wir nicht ohne Not verzichten. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil ich glaube, dass zu einigen Punkten doch noch einmal etwas gesagt werden muss.
Erstens zu der Behauptung, der Staat schiebe die Verantwortung ab: Ich habe schon ausführlich dargelegt, dass global agierende Unternehmen ebenfalls relevante Akteure der internationalen politischen Landschaft sind. Deren Verantwortung darf nicht unterlaufen werden. Es kann in einer globalisierten Welt nicht alleinige Aufgabe von Staaten sein, sich für Menschenrechte einzusetzen. Diese gelten universell und schließen die Verantwortung von Unternehmen ein.
Zweitens zu dem Thema „nationale Alleingänge“: Gerade dadurch, dass wir ein nationales Gesetz bekommen könnten, würden wir zum Vorreiter für die sowieso erfolgende EU-Gesetzgebung werden, die sich an dem orientieren könnte, was wir im nationa
Drittens zu der Sorge vor Haftstrafen und zivilrechtlichen Folgen für die Unternehmerinnen und Unternehmer: Wenn man gegen Menschenrechte verstößt, hat man dafür geradezustehen. Und: Der Fokus des Gesetzentwurfs auf der Bundesebene liegt eben nicht nur auf der zivilrechtlichen Verfolgbarkeit, sondern gerade auch auf Überprüfbarkeit und Transparenz, die in einem ersten Schritt wichtig sind, damit wir überhaupt nachvollziehen können, was in den Lieferketten passiert.
Viertens zu der Erzählung, ein Lieferkettengesetz sei schlecht für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen: Das Gesetz, das die Bundesregierung in Eckpunkten vorlegen möchte, spricht Unternehmen mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Das sind keine kleinen und mittleren Unternehmen; das sind große Unternehmen, werte Kolleginnen und Kollegen, und das wissen Sie auch.