Protokoll der Sitzung vom 28.08.2020

Viertens zu der Erzählung, ein Lieferkettengesetz sei schlecht für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen: Das Gesetz, das die Bundesregierung in Eckpunkten vorlegen möchte, spricht Unternehmen mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Das sind keine kleinen und mittleren Unternehmen; das sind große Unternehmen, werte Kolleginnen und Kollegen, und das wissen Sie auch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Unternehmen dieser Größenordnung haben selbstverständlich ein eigenes Supply-Chain-Management.

(Beifall Lukas Kilian [CDU])

Wenn sie das nicht haben, kann ich das ehrlicherweise nicht verstehen.

Fünftens - das ist der letzte Punkt - zu dem Narrativ von einem Nachteil für die deutschen Unternehmen: Diesen Nachteil für deutsche Unternehmen, insbesondere für die großen deutschen Unternehmen, die sich schon Sorgen machen und sich um ihre Lieferketten kümmern, haben wir doch schon heute am europäischen Markt, weil es Mitbewerberinnen und Mitbewerber gibt, die kein Interesse daran haben, wie ihre Lieferketten ausgestaltet sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lukas Kilian [CDU])

Deshalb überrascht es nicht, wenn Unternehmerinnen und Unternehmer sagen - wenn ich sinngemäß zitieren darf -: Wir brauchen gesetzlich geregelte Mindeststandards, um Wettbewerbsneutralität im europäischen und auch im deutschen Markt zu gewährleisten.

(Christian Dirschauer)

Meine Damen und Herren, ich glaube, es liegt definitiv auch im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, die von den Eckpunkten des Gesetzentwurfs betroffen wären, dass wir ein solches Gesetz auf den Weg bringen. Ich würde mich freuen, wenn wir dazu im Ausschuss weiterkämen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal die Klarstellung an die Kollegen vom SSW: Ich glaube, es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Lieferkettengesetz und dem Tariftreue- und Vergaberecht: Letzteres funktionierte gerade nicht größenangepasst, sondern jedes Unternehmen wurde von den Vorschriften erfasst. Das war nicht umsetzbar. Das war unsere Kritik am Tariftreue- und Vergaberecht. Darin sahen wir dessen zentrales Problem, zumal die Einhaltung nicht überprüft wurde.

Das ist vorliegend anders. Es ist meines Erachtens schon ein wesentlicher Unterschied, wenn ich darauf hinweisen kann, dass es hier um internationale Großunternehmen geht, die das ohne Probleme leisten können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Dann komme ich zu Ihnen, Herr Schnurrbusch: Es ist absurd, wenn Sie sich hier hinstellen und die große Geschichte erzählen von den ach so vielen Unternehmen mit 501 Mitarbeitern, die dann auf einmal vor diesem Problem stehen. Das ist eine absurde Argumentation!

Sie geht noch weiter, das heißt, sie wird noch absurder, wenn Sie sagen, wir könnten keinen Handel mit Ländern treiben, in denen Menschenrechte verletzt werden - was machen wir denn dann mit China, was machen wir denn dann mit der Türkei? -, um im nächsten Satz zu erklären, dass es eigentlich gar nicht schlecht wäre, wenn wir eine europäische Lösung hätten. Entschuldigung, was machen wir denn dann mit China, mit der Türkei et cetera pp.? Das Problem wäre immer noch das gleiche.

Es ist einfach so: Sie wollen es nicht. Sagen Sie es doch einfach: Sie wollen es nicht!

Liebe Freunde von der FDP, es ist super, dass man etwas als Grundwerte der Partei verankert hat. Manchmal geht es aber auch ein bisschen darum, was man auf die Straße kriegt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Ich muss sagen, wenn man mit einem liberalen und marktgerechten Ansatz herangeht, stellt man fest, dass es eine Vielzahl von deutschen Großunternehmen gibt, die sich an solche Verpflichtungen - die ja schon rechtlich existieren, aber nicht überprüfbar beziehungsweise nicht oder nur schwer juristisch durchsetzbar sind - halten. Diese Großunternehmen weisen darauf hin: Moment mal! Wir halten uns an Recht und Gesetz. Wir halten menschenrechtliche Verpflichtungen ein, stellen aber fest, dass zwei Häuser weiter in Deutschland ein Geschäftsmodell super funktioniert, obwohl dessen Betreiber sich an diese Verpflichtungen nicht halten.

Es wäre doch liberale Politik, wenn Sie sagen würden: Wir stärken diejenigen, die sich an Gesetze halten, und unterstützen sie dabei. Das wäre meines Erachtens ein hervorragender Ansatz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Zu guter Letzt: Wir brauchen nicht so zu tun, als ob alles irgendwie aus der weißen Wolke falle. Wir haben eine europarechtliche Verordnung, die das ganze Thema ab 1. Januar 2021 für den Abbau von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold regelt. Für diese Rohstoffe ist das also machbar. Wieso soll es bei anderen Produkten nicht machbar sein?

Was die Coronakrise angeht: Natürlich ist das ein blöder Zeitpunkt. Das Gesetz kommt doch aber nicht aus der Hüfte geschossen, Herr Schnurrbusch! Die freiwillige Selbstverpflichtung gibt es seit Jahren; aber sie hat nicht funktioniert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich zwar hinstellen und sagen: Wir warten auf Europa. Das passt gerade nicht. - Aber man sollte sich ehrlich machen und fragen: Wann passt es einem denn wirklich? Oder ist das vielleicht nur ein wohlfeiles Argument, weil man tatsächlich sagen möchte: Insgesamt ist es zwar ein tolles Projekt, aber bitte nicht bei uns! - Diese Position kann man haben; aber man sollte sie dann auch ehrlich vertreten.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

(Joschka Knuth)

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe ganz stark davon aus, dass es uns alle in diesem Hause eint, dass Menschenrechte unteilbar sind und dass es keine Menschenrechte light gibt. Es ist ein absolut wichtiges Thema, wie in Deutschland produziert wird, Waren und Dienstleistungen hergestellt und auch vertrieben werden. Das ist ein wichtiges, aber durchaus auch extrem komplexes Thema.

Festhalten kann man auch, dass alle UN-Mitgliedstaaten sich dazu verpflichtet haben, soziale und ökologische Standards einzuhalten. Dazu gehört dann auch, wie Produkte hergestellt werden.

Was es aber wirklich schwierig macht, das ist die Abgrenzung dessen, was der Staat und was Private leisten müssen, gerade im internationalen Kontext. Wichtig ist insoweit, dass die staatliche Ebene, die Bundesregierung und die Europäische Union, ihrer Verantwortung gerecht wird und nicht zu viel Verantwortung auf die Unternehmen und Privaten abwälzt. Das müssen wir gegeneinander abgrenzen, und darüber müssen wir auch weiterhin diskutieren.

Man muss sich auch fragen: Welchen Einfluss habe ich als einzelnes Unternehmen, ob ich nun fünf Mitarbeiter habe, ob ich 490 Mitarbeiter habe oder ob ich 501 Mitarbeiter habe, welche Einflussmöglichkeiten habe ich, um Rahmenbedingungen, beispielsweise die Gesetzgebung, auch in anderen Ländern, zu beeinflussen? Wenn es in dem einen Land völlig zulässig ist, dass jemand für 58 Ct am Tag arbeitet, dann ist das natürlich etwas, wo wir ansetzen müssen. Hier gilt es unserer Meinung nach, die Entwicklungspolitik entsprechend zu befördern, damit so etwas nicht länger passiert. So etwas ist natürlich sehr schwierig, zumal der Arbeitsschutz hier auch noch eine Rolle spielt, nicht nur die Löhne.

Die Transparenz der Lieferkette wurde angesprochen. Ja, auch das ist extrem wichtig, dafür braucht man eine Zertifizierung. Nur wissen wir auch, dass das mittlerweile oft umgangen wird. Selbst das

FSC-Zertifikat, das eine hohe Akzeptanz hat, und zwar zu Recht, wird, wenn nicht richtig kontrolliert wird, ausgehöhlt, und am Ende landet dann doch Mahagoniholz in der Fertigung.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Zweifelsfall muss also auch die Zertifizierung verbessert werden.

Wir diskutieren jetzt darüber, dass wir im Zweifelsfall für das Verhalten von Dritten haften, das außerhalb der Einflusssphäre der Normadressaten durch die deutsche Gesetzgebung liegen kann. Das muss ebenfalls einbezogen werden. Es muss klar werden, dass es auch um die eigene Verpflichtung geht und dass das Organisationsversagen nicht zulässig sein kann, wenn immer gesagt wird: „Das ist ein Subunternehmer, der das gemacht hat.“ Das darf natürlich nicht sein. Trotzdem brauchen wir dazu noch eine Vertiefung im Ausschuss. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Verehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Knuth, gestatten Sie mir zwei Bemerkungen in Ihre Richtung. Sie haben natürlich völlig recht, wenn Sie auf die europäische Dimension abheben. Das ist ja auch genau einer meiner Kritikpunkte gewesen. Denn was bringt es unseren Unternehmen, wenn wir jetzt ein nationales Gesetz durchprügeln - ich sage bewusst „durchprügeln“, weil es eigentlich schon Anfang 2021 gelten soll -, während wir ein solches Gesetz auf europäischer Ebene nicht haben? Dann haben wir wieder eine innereuropäische Konkurrenz; das bringt ja nichts. Das war einer meiner Punkte. Insofern gebe ich Ihnen recht.

Das andere war: Natürlich haben auch Mittelständler - ich sage auch hier bewusst „Mittelständler“; denn es gibt ja die Definition, dass der Mittelstand bis 1.000 Mitarbeiter geht, und dann gibt es auch noch die Umsatzzahlen, die dazugehören - ein Supply-Chain-Management, wenn sie 15 Leute in ihrer Lieferkette haben. Aber ich habe gesagt, die haben kein Compliance-Management. Das ist der Unterschied. Das ist auch der Unterschied zu den Großunternehmen, Herr Kilian.

Natürlich haben große Unternehmen, die weltweit agieren und riesige Lieferketten haben, andere Maßstäbe, weil sie auf andere Betriebe nicht unbedingt Rücksicht nehmen wollen, was ja auch vernünftig ist. Ich meine, es wäre gut, wenn ein Mittelständler so etwas auch macht.

Wir sind ja gar nicht so weit auseinander. Ich habe doch nur gesagt, dass die Initiative zur Unzeit kommt. Das sagt nicht nur der Wirtschaftsrat der Union, sondern auch Ihre Wirtschaftsvereinigung. Alle sagen, das komme zur Unzeit und passe jetzt überhaupt nicht. Wir haben ein negatives Wirtschaftswachstum und wissen nicht, wie es weitergeht. Wir wissen auch nicht, wie die Lieferketten funktionieren. Dann kommt noch so eine Belastung dazu. Nur das habe ich zum Ausdruck bringen wollen.

Das Prinzip ist ja völlig richtig. Ich habe nur gesagt, es muss realisierbar sein, auch für kleine Unternehmen. Und dazu zähle ich auch den Betrieb mit 501 Mitarbeitern, der eine überschaubare Lieferkette hat.

Was China und so weiter betrifft, habe ich gesagt: Es ist ein Problem, wenn wir jetzt alle gleichbehandeln und Menschenrechtsverletzungen ahnden; dann müssten wir konsequenterweise auch aus diesen Ländern raus. Das fände ich richtig, und ich habe auch nichts dagegen, wenn wir wieder mehr in Europa oder in anderen Ländern produzieren, wo die Menschenrechte eingehalten werden. Das wäre auf jeden Fall besser.

Bei alledem besteht insoweit gar kein Dissens. Mir geht es nur darum, dann auch konsequent zu sein.

Ich hoffe, das war alles verständlich. - Vielen Dank.