Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Gesundheitspolitik darf aber nicht ökonomischen Kalkülen unterworfen werden. Hier wird definitiv am falschen Ende gespart, wenn die einzige Kinderklinik in einem Landkreis geschlossen werden soll. In diesem Zusammenhang müssen wir an eine erst kürzlich hier im Haus geführte Diskussion zur Verbesserung der Krankenhausfinanzierung erinnern. Wir benötigen über eine Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Krankenhäuser hinaus auch strukturelle Veränderungen und somit ein tragfähiges Gesamtkonzept, um ein qualitativ hochwertiges Angebot der medizinischen Versorgung in der Fläche für die Saarländer sicherzustellen.

Ich habe seinerzeit bereits darauf hingewiesen, dass unser bestehendes Gesundheitssystem die falschen finanziellen Anreize für die Krankenhäuser setzt. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall, da die geplante Schließung der Pädiatrie damit begründet wurde, dass im bestehenden System der Finanzierung von Krankenhausleistungen die dortigen Leistungen ganz schlecht entlohnt werden.

Ich sehe aber auch die SHG-Geschäftsführung in der Pflicht. Noch im Jahr 2010 wurde in Zusammenhang mit der Reduzierung der Bettenzahl in der Kinderklinik von zwölf auf fünf vom SHG-Geschäftsführer Alfons Vogtel verkündet, die Umwandlung sei ein erster und nachhaltiger Schritt zum langfristigen Erhalt der Kinderklinik. Die seinerzeitigen Prognosen, die in Bezug auf die Kinderklinik Merzig ein Sterben auf Raten vorhersagten und von den Verantwortlichen vehement bestritten wurden, bewahrheiten sich leider. Ein Sterben auf Raten steht einem Krankenhaus jedenfalls nicht gut zu Gesicht; Wortbruch einem Krankenhausträger auch nicht. Deshalb sind wir froh, dass sich die heute anwesenden Hebammen weiterhin für den Erhalt der Pädiatrie in Merzig einsetzen. Unsere Unterstützung haben Sie. Wir hoffen, dass auch die saarländische Umweltministerin, die aus diesem Bereich kommt, sich dafür einsetzt. Vielleicht schaffen wir es dann, die Pädiatrie zu erhalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat der Abgeordnete Volker Schmidt von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN haben mit ihrem Antrag, die Schließung der Kinderklinik in der SHG-Klinik Merzig zu verhindern, in der Tat ein sehr sensibles Thema aufgegriffen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Würde normalerweise die SPD machen, aber die regiert ja mit.)

Ich komme gleich darauf. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, mit einem solchen Thema lässt sich trefflich Stimmung machen. Nichts anderes haben Sie vor. Ich halte es allerdings für gänzlich unseriös - wie im Antrag der GRÜNEN suggestiv geschehen -, Ängste von werdenden Müttern zu schüren. Der Kollege Hans ist bereits darauf eingegangen. Er hat die Argumente, die gegen das sprechen, was Sie vorgetragen haben, schon vorgetragen; ich will es nicht wiederholen. Ich will auch nicht auf das eingehen, was die Kollegin Schramm ausgeführt hat. Das geht über das hinaus, was an schlimmen Äußerungen im Antrag der GRÜNEN steht.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Gehen Sie doch einmal auf die 13.000 Unterschriften von den Leuten ein, die davon betroffen sind!)

Ich komme gleich darauf, Kollege Ulrich. - Natürlich habe ich großes Verständnis für diejenigen, die sich für den Erhalt des perinatalen Zentrums einsetzen. Es hat bereits eine Demonstration in Merzig stattgefunden. Soweit ich weiß, war sie von den Hebammen organisiert. Frau Kollegin Peter hat eben ausgeführt, dass wahrscheinlich heute noch Unterschriftslisten übergeben werden. Mir liegt eine Resolution des Gemeinderates Perl vor, die sich ebenfalls gegen die Schließung wendet. Wie gesagt habe ich für eine solche Haltung natürlich Verständnis. Ich bitte allerdings darum, Verständnis für die Argumente derjenigen zu haben, die die Schließung des perinatalen Zentrums zum Ende des Jahres 2013 beschlossen haben.

Ich kann Ihnen sagen, erfreut darüber, eine solche Entscheidung treffen zu müssen, war keiner der Beteiligten. Ich will einige der Argumente anführen. Damit kein Missverständnis entsteht oder irgendjemand behaupten kann, ich würde mich vor meiner Verantwortung drücken, will ich klar sagen: Ich selbst bin Mitglied des Aufsichtsrates des Klinikums Merzig. Ich selbst habe den Beschluss, die Pädiatrie zum Jahresende zu schließen, mitgetragen, wie im Übrigen alle anderen Aufsichtsräte auch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Fakten. Die GRÜNEN behaupten in ihrem Antrag - Kollege Hans ist bereits darauf eingegangen -, von den 601 Geburten im Jahr 2012 würden 310 Neugeborene von einem Kinderarzt medizinisch betreut. Das stimmt. Sie suggerieren aber mit dem Hinweis auf das Saar

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

ländische Krankenhausgesetz, wo eine Mindestmenge von 300 Geburten im Jahr festgeschrieben ist, dass diese 300 Geburten eventuell nicht mehr erreicht werden und dadurch der Fortbestand der Geburtshilfeabteilung gefährdet sei, was auch von den Hebammen immer wieder angeführt wird. Das ist in der Tat völliger Unsinn. Die medizinische Betreuung Neugeborener durch einen Pädiater hat nun wirklich nicht automatisch etwas mit einer Risikogeburt zu tun. Die Anzahl der Geburten, die als Risikogeburten im Sinne der Kriterien eines perinatalen Schwerpunktes gelten, lag im Jahr 2012 gerade mal bei 60. Zieht man diese 60 Geburten von den 601 ab, hätten im Jahr 2012 immer noch 540 Geburten durchgeführt werden können. Dieses Schließungsgerede bezüglich der Geburtshilfeabteilung ist meines Erachtens reine Panikmache.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das sehen die Leute anders!)

Im Übrigen - das will ich ebenfalls sagen, weil es heute noch nicht angeführt wurde - ist durch die Schließung der Geburtshilfe in Hermeskeil mit einer steigenden Zahl von normalen Geburten in Merzig zu rechnen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, natürlich haben die Autoren der Perler Resolution recht, wenn sie schreiben, dass unsere Kinder nicht als Kostenfaktor oder betriebswirtschaftliches Risiko gesehen werden dürfen. Eine Abteilung mit fünf Betten ist allerdings auch viel zu klein, um sie jemals auch nur ansatzweise betriebswirtschaftlich auskömmlich betreiben zu können. Außerdem - das werden zumindest die Fachleute und auch die Hebammen zugestehen - machen Mindestbehandlungsmengen Sinn, denn je mehr Behandlungen hinsichtlich bestimmter Erkrankungen durchgeführt werden, umso mehr steigt die praktische Erfahrung der Behandelnden. Allein schon aus diesem Blickwinkel ist die Konzentration in größere Behandlungseinheiten sinnvoll.

Noch eines gehört zur Wahrheit: Merzig ist nicht die einzige Geburtsklinik im Saarland ohne perinatalen Schwerpunkt. Auch hierauf ist der Kollege Hans bereits eingegangen. Es gibt den Rastpfuhl, das Krankenhaus Dudweiler, das Krankenhaus in St. Wendel und das in Püttlingen. Nirgendwo gibt es eine Pädiatrie, trotzdem gibt es dort sehr viele Geburten. Die Leute gehen sehr gerne dorthin, weil sie sich gut aufgehoben fühlen. Alles andere, liebe Kollegin Schramm - das soll aber auch das einzige Mal sein, dass ich heute auf Sie eingehe -, ist wirklich absolute Panikmache.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Was die Frage von wohnortnahen Entfernungen anbelangt, so haben wir Saarländerinnen und Saarländer ohnehin ein etwas merkwürdiges Verhältnis zu der Definition, was als weit zu gelten hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zu den finanziellen Aspekten kommen. Ich habe es bereits mehrfach an anderer Stelle gesagt: Auch gemeinnützige Krankenhausträger können von Verlusten nicht leben. Ein Jahresverlust von rund 900.000 Euro in nur einer Abteilung kann einen kompletten Standort gefährden. Das muss man einfach wissen und sehen. Auch die betriebswirtschaftlichen Analysen der Kollegin Peter helfen uns da nicht weiter, denn sie haben mit der Realität absolut nichts zu tun. Die SHG-Klinik Merzig, das weiß ich aus erster Hand, hat im Jahr 2012 keine schwarze Null geschrieben und auch keine rote Null, sondern es gab einen sehr hohen Verlust. Da ist es rechtliche Verpflichtung des Aufsichtsrates, darauf hinzuwirken, dass diese Verluste abgebaut werden, weil wir ansonsten den gesamten Standort des Klinikums Merzig in Gefahr bringen könnten. Erstens dürfen wir das nicht und zweitens kann beim besten Willen niemand wollen, dass ein Aufsichtsrat so fahrlässig handelt. So verständlich also die Forderung nach Aufrechterhaltung des perinatalen Schwerpunktes auch sein mag, so kann man dennoch nicht von einem Träger verlangen, dass er diese Defizite trägt.

Was den Antrag der GRÜNEN anbelangt, so stelle ich fest, dass er handwerklich nicht nur relativ, sondern absolut schlecht gemacht ist. Es steht mehr Falsches als Richtiges drin. Ziel des Antrages ist es allerdings auch nicht gewesen, sich an den Fakten zu orientieren, sondern lediglich ein hochsensibles Thema zu nutzen, um Stimmung zu machen. Dieses Thema ist dafür aber - das sagte ich bereits - in der Tat völlig ungeeignet. Frau Peter, Sie werden nicht sonderlich überrascht sein, dass wir den Antrag ablehnen werden. Was die Schließung als solche betrifft, so kann ich leider nur feststellen, dass den Verantwortlichen bei der SHG keine andere Möglichkeit bleibt, als an der Schließung des perinatalen Schwerpunktes zum Jahresende 2013 festzuhalten. Das macht niemand gerne, es lässt sich aber leider auch nicht ändern. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schmidt. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Michael Neyses von der Fraktion der PIRATEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie in fast allen saarländischen Krankenhäusern verschlechtert sich auch die finanzielle Situation der Krankenhäuser in den Landkreisen Saarlouis und Merzig-Wadern zusehends. Die Finanzierungslücke zwischen steigenden Kosten und deutlich hinterherhinkenden

(Abg. Schmidt (SPD) )

Einnahmen wächst stetig. Laut Saarländischer Krankenhausgesellschaft fehlen in den Krankenhäusern in beiden Landkreisen insgesamt rund 5,6 Millionen Euro. Nahezu die Hälfte aller Krankenhäuser in Deutschland schreibt rote Zahlen. Im Saarland ist es fast jedes dritte Krankenhaus.

Herr Hans, es ist richtig, dass dies keine Entscheidung der Politik ist. Wir sollten uns aber alle - auf Bundes- und Landesebene und auch bei der SHG für eine faire Finanzierung einsetzen. Genau das steht doch in diesem Antrag. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich den Antrag: „Deshalb fordert der Landtag des Saarlandes die Landesregierung auf, sich bei der SHG-Geschäftsführung für eine Aufhebung der geplanten Schließung der Pädiatrie-Abteilung im Merziger SHG-Klinikum einzusetzen und alles dafür zu tun, eine wohnortnahe Versorgung der Frühgeburten und anderer Risikoschwangerschaften weiterhin zu gewährleisten.“ Da steht doch nicht, wir sollen beschließen, dass nicht geschlossen werden soll!

(Abg. Hans (CDU) : Herr Neyses, wirklich, ich bitte Sie!)

Das Problem der unter gemeinnütziger oder öffentlicher Trägerschaft stehenden Krankenhäuser ist, dass konfessionelle Verbände oder Kommunen die Defizite nicht ausgleichen können. Daher sind politische Lösungen auf Bundes- oder Landesebene unausweichlich. Im Falle Merzig soll die Pädiatrie zum 31. Dezember 2013 mit fünf Betten, davon drei für die Neugeborenenabteilung, geschlossen werden. Laut SHG-Geschäftsführung habe die Station ein jährliches Defizit von 900.000 Euro. Normale Geburten, bei denen keine Komplikationen zu erwarten sind, und Kaiserschnittoperationen soll es weiterhin in Merzig geben. Die Geburtshilfeabteilung bleibt vorerst bestehen. Ob dann die Zahl von 300 Geburten noch erreicht wird, wird sich zeigen.

Es wurde bereits 2006 über die Schließung diskutiert. Damals hat sich die SHG bereit erklärt, die Pädiatrie mit weniger Betten weiterzuführen. Zurzeit, das wurde eben schon angesprochen, gibt es erneute Proteste im grünen Kreis, um die Schließung zu verhindern. Es gibt Unterschriftenaktionen, Demonstrationen, Flugblätter und Infostände. Wir PIRATEN unterstützen diese Aktionen. Kolleginnen und Kollegen, die Pädiatrie in Merzig muss erhalten bleiben!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Die Kinderklinik in Merzig ist doch jetzt schon die einzige im grünen Kreis. Einwohner aus Perl müssten weit über 50 Kilometer bis nach Saarlouis fahren, um ihre Kinder im Klinikum zu besuchen. In letzter Zeit war Saarlouis auch öfter überlastet. Dann werden die Menschen weiter nach Saarbrücken geschickt. Vor einiger Zeit ist die Palliativstation aus einem separaten Bau auf die innere Abteilung im

Haupthaus umgezogen. Erst ging es um die Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen, nun geht es um diejenigen, die ihr Leben gerade beginnen. Wir PIRATEN sehen in der Schließung der Kinderklinik eine große Gefahr für die Versorgung von Schwangeren und kranken Kindern im Kreis Merzig. Daher unsere klare Forderung: Der grüne Kreis braucht 24 Stunden einen Kinderarzt. Die Kinderklinik muss erhalten bleiben.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Heute findet parallel zu dieser Plenarsitzung ein runder Tisch in Merzig statt. Er wurde vor einigen Jahren beim Kampf um den Erhalt der Kinderklinik gegründet. Die Parteien aus der Region haben das Problem alle erkannt - auch CDU und SPD. Meine Damen und Herren, wir leisten uns aus Steuergeldern einen Flughafen für 10 Millionen Euro, aber es fehlt uns das Geld für die medizinische Versorgung.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Die Menschen sollten im Mittelpunkt stehen. Bei uns PIRATEN stehen die Menschen im Mittelpunkt.

(Ungehaltene Zurufe von der CDU und Spre- chen.)

Fragen Sie doch einmal die Bürger, ob sie die Kinderklinik für wichtig halten! Wir fordern die Landesregierung - wie ich das sehe, gemeinsam mit LINKEN und GRÜNEN - auf, sich bei der SHG-Geschäftsführung gegen die Schließung einzusetzen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es ist notwendig, eine Versorgung für Frühgeburten und Risikoschwangerschaften wohnortnah zu gewährleisten, meine Damen und Herren. Wenn wir wenigstens einen vernünftigen ÖPNV in der Region hätten!

(Zurufe.)

Aber gerade in Merzig-Wadern ist es doch so, dass man oft an der Bushaltestelle länger steht, als man die Strecke zu Fuß gelaufen wäre.

(Ministerin Bachmann: Jetzt geht es aber wirklich los! - Anhaltende Zurufe von der CDU.)

Natürlich brauchen wir ein Konzept für das ganze Saarland, das ist ganz klar. Aber bis dieses Konzept fertig ist, ist doch die Klinik geschlossen! Für uns ist klar, der grüne Kreis braucht eine vernünftige medizinische Versorgung. Wollen Sie denn zuerst schließen, dann ein Konzept machen und hinterher wieder aufmachen?

(Abg. Schmitt (CDU) : Das Konzept steht!)

Noch ein Wort zum Thema Risikoschwangerschaften. In Deutschland wird pro Jahr fast jedes zehnte Kind zu früh geboren, rund 8.000 Kinder kommen mit einem Gewicht von weniger als 1.500 Gramm

(Abg. Neyses (PIRATEN) )

zur Welt. Solche Frühchen bedürfen hoch qualifizierter Pflege und medizinischer Versorgung. Aber im Übrigen, Herr Schmidt: Das wichtigste Kriterium ist dabei definitiv die Nähe der Klinik zum Wohnort. Selbst bei Risikofällen überwiegt die räumliche Nähe das Kriterium einer besonders guten medizinischen Ausstattung. - Ich bitte Sie alle, dem Antrag zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Astrid Schramm von der Fraktion DIE LINKE.