Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Bisher hat man gesagt, die Sicherheit ist primär zu betrachten. Je mehr Daten gespeichert werden, desto besser ist es. Jetzt kommt auch der Datenschutz in den Blick. Man sagt, je weniger Daten, desto besser. Man nimmt die Bedürfnisse der Menschen und ihre Ängste sehr, sehr ernst im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Daten. Zwischen Sicherheit und Grundrechtsschutz sollte man nicht so sehr auf Konfrontation der politischen Kräfte bauen, sondern man sollte hier viel mehr kooperieren. Es sind Verhandlungen vonnöten, auch zwischen Koalitionspartnern, die aufgrund der Bedeutung des Themas auch Zeit beanspruchen.

Wir brauchen wirksame Maßnahmen statt symbolischer Aktionen, wie sie in diesem Antrag vorgeschlagen werden. Denn wir alle haben, so meine

ich, ein gemeinsames Ziel: Wir wollen eine sichere und freiheitliche Informationsgesellschaft durch Recht, Technik und Organisation. Und wir treten auch ein für eine wehrhafte Demokratie, die, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihre Herausforderungen hat in einem Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftsliberalismus à la USA und der diktatorischen Internetkontrolle à la Iran oder China.

Wir brauchen zweifelsohne ein hohes Datenschutzniveau, ausgearbeitet in einem Prozess, in dem alle Interessen abgewogen wurden. Dieser Antrag genügt nach meiner Meinung diesen Voraussetzungen nicht. Er wird diesem Anspruch nicht gerecht, der an die Vorratsdatenspeicherung zu stellen ist, der auch an die diesbezügliche Diskussion zu stellen ist. Denn er nimmt ja auch eine gesetzliche Regelung, die es noch nicht gibt, vorweg. Man hat mir gestern berichtet, in der vergangenen Woche sei in München von den Datenschutzbeauftragten auch besprochen worden, dass diese Entscheidung des EuGH für spätestens März kommenden Jahres erwartet wird. Dann wird man auch beginnen, das umzusetzen, damit man tatsächlich konform handelt.

Ich denke, eine moderne Informationsgesellschaft und ein funktionierender Rechtsstaat können nur auf einem Regelwerk aufbauen, das die Vielfältigkeit der gesellschaftlichen, politischen und auch wirtschaftlichen Strukturen einbezieht. In diesem Sinne sollten wir alle abwägen, darauf sollten wir bauen. Deshalb ist auch die Entscheidung abzuwarten, unser Bundesgesetzgeber wird sich auch daran zu orientieren haben. Das Bundesverfassungsgericht hat in, wie ich finde, eindrucksvoller Weise dezidiert geurteilt und Vorgaben gemacht, die man sehr wohl ausfüllen kann und die auch auf dem Boden des Grundgesetzes auszufüllen sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Das Wort hat die Innenministerin Monika Bachmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Manchmal ist es gut, dass noch ein Abgeordneter vor einem selbst spricht, damit man sich noch einmal etwas beruhigen kann. Das trifft für mich zu nach diesem Redebeitrag der Birgit Huonker.

(Beifall bei den Koalitionsfraktionen.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Ängste der Bürger werden von dieser Landesregierung, von allen Landesregierungen in Deutschland und auch darüber hinaus ernst genommen.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

(Abg. Berg (SPD) )

Deshalb ist es für mich schwierig zu verstehen, dass sich die Abgeordnete Birgit Huonker hier hinstellt und ihre Rede folgendermaßen beginnt: Haben Sie heute schon telefoniert? Waren Sie heute schon im Internet? - Denn damit suggeriert sie, dass wir alle kontrolliert werden, dass dieser Staat unter Kontrolle steht.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das ist ja auch so! Weitere Zurufe von der Opposition: Genau so ist es! Stichwort „NSA“!)

Ich gebe Ihnen gerne recht, liebe Birgit Huonker, wenn Sie sagen: Aus diesem Land muss eine Signalwirkung kommen! - Aber doch bitte keine, die den Menschen Angst macht. Frau Huonker, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das Thema ernst nehmen würden

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Das tue ich die ganze Zeit!)

und sich nicht in der zweitletzten Reihe kaputtlachten!

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Über die Unterstellung, ich würde den Menschen Angst machen.)

Sie tun es in der Weise, dass Sie wohl an diesem Thema interessiert sind, dass Sie aber sehr wohl auch den Bogen überspannen, indem Sie sagen: Wenn Sie bei der Aids-Hilfe anrufen und dort Hilfe brauchen… - Und damit stellen Sie gewissermaßen im gleichen Atemzug infrage, dass die Menschen, die Hilfe brauchen, keine Angst haben müssen, sich bei unseren Beratungsstellen zu outen, um deren Hilfe zu bekommen. Das ist für mich unerträglich! Deshalb habe ich das an den Beginn meiner Ausführungen gestellt.

Wir spielen nicht mit den Ängsten der Bürger, wir nehmen sie ernst. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die EU-Kommission die überarbeitete Richtlinie möglicherweise erst im Frühjahr 2014 vorlegen wird. Und wir müssen feststellen, dass das genau deshalb so lange dauert, weil die Kommission nicht im engen Kreis tagt und irgendwelche Vorschläge macht, sondern die Richtlinie unter Einbeziehung der Datenschützer erarbeitet. Das muss man wissen. Gleichwohl liegt der Bundesregierung mittlerweile die von der EU-Kommission angekündigte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der fehlenden Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vor. Vor diesem Hintergrund komme ich nun zu Ihrem Antrag.

Ich will mich jetzt überhaupt nicht über das aufregen, was Herr Hilberer gesagt hat. Nachdem ich zu den Aussagen betreffend die Arbeit der Polizei aufgeschrien habe, hat er schnell noch ein bisschen relativiert.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Ein bisschen?!)

Tatsache ist aber doch, dass das zur Aufklärung insbesondere schwer ermittelbarer Kriminalität, vor allem auch von Wirtschaftskriminalität, notwendig ist. Die Kollegin Meyer hat das bereits gesagt: Wir haben Leute neu eingestellt, um eben dieses Referat Cybercrime einzurichten, das nun gestartet ist, um mehr Einblick in die Wirtschaftskriminalität und die Kriminalität im Internet zu gewinnen sowie Aufgaben zur Aufklärung von Straftaten, die unter Nutzung moderner Kommunikationstechnologien begangen werden, Aufgaben zur Terrorismusbekämpfung und nachrichtendienstlichen Aufgaben wahrzunehmen.

Unser erklärtes Ziel ist es, den unabweisbaren Bedürfnissen nach wirksamer staatlicher Strafrechtspflege sowie der Gefahrenabwehr letztlich Rechnung zu tragen. Dies setzt voraus, dass die zur Aufklärung erforderlichen Tatsachen grundsätzlich ermittelt werden können. Telekommunikationsverkehrsdaten werden aufgrund der technischen Entwicklung hin zu Flatrates anders als in der Vergangenheit, als gerade die Verbindungsdaten der Telefonie zum Beispiel für Abrechnungszwecke noch viele Monate verfügbar waren, oftmals entweder überhaupt nicht mehr gespeichert oder bereits gelöscht, bevor eine richterliche Anordnung zur Auskunftserteilung erwirkt werden kann.

Schwerwiegende Lücken, liebe Kolleginnen und Kollegen, ergeben sich durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung und der Verfolgung der organisierten Kriminalität. Denn diese Arten der Kriminalität leben von der schnellen Kommunikation zur gemeinsamen Planung und arbeitsteiligen Begehung schwerer Straftaten. Durch die zum Teil nur kurzen Speicherfristen bei den Telekommunikationsunternehmen besteht insbesondere die Gefahr, Zusammenhänge zwischen Einzeltaten nicht zu erkennen, beispielsweise im Falle von Serieneinbrüchen durch reisende Tätergruppierungen, mit denen wir es im Moment im Saarland zu tun haben. Die Einsatzgruppe, die wir gegründet haben, hat festgestellt und ermittelt, dass mehr als 95 Prozent der Einbrüche von diesen reisenden organisierten Kriminellen begangen werden. Daher sind wir sehr daran interessiert, so schnell wie möglich an diese Daten heranzukommen.

Es ist allgemein bekannt, dass auch im und um das Internet herum Straftaten begangen werden. Das Internet kann Tatort sein, aber auch Tatmittel. Um effektiv zu verhindern, dass sich die elektronische Kommunikation und insbesondere das Internet zu einem rechtsfreien Raum entwickeln, müssen die entsprechenden Verkehrsdaten für eine gewisse Dauer einer Aufbewahrungs- und Sicherungspflicht unterliegen. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat, es ist bereits angesprochen worden, in seinem Urteil über die damalige Vorratsdatenspeicherung

(Ministerin Bachmann)

die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat ausdrücklich für zulässig erklärt.

Sie, sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch Sie, Herr Hilberer, im Antrag der PIRATEN, haben zwei Forderungen gestellt. Erste Forderung ist die rigorose Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung. Das jedoch widerspricht den Sicherheitsinteressen unseres Landes; ich würde es deshalb sehr begrüßen, würde der Antrag abgelehnt. Die zweite Forderung lautet, auf den Bund einzuwirken, mit einer Regelung bis zu einer Entscheidung des EuGH zu warten. Dem kann ebenfalls nicht zugestimmt werden, denn zum einen existiert noch kein Gesetzentwurf, den wir im Saarland beraten könnten, zum anderen ist mir nicht ersichtlich, dass eine verfassungskonforme Neuregelung in Deutschland der Entscheidung nicht entsprechen könnte. Deshalb plädiere ich persönlich dafür, diesen Antrag abzulehnen, und ich bitte die Opposition ganz herzlich, dieses Thema weiterzuverfolgen - im Sinne der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich bitte aber auch darum, nicht einfach nur mit viel Gestik und vielen wohlverfassten Worten Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Nur diese Bitte habe ich, auch an Sie, Frau Birgit Huonker: Seien Sie ein klein bisschen ruhiger und besonnener und sorgfältiger in Ihrer Argumentation! - Ich danke Ihnen.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Birgit Huonker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir doch sehr intensiv über dieses Thema diskutieren. Das ist übrigens schon mehrfach im Bundestag passiert und es ist klar, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Aber wir haben hier gerade festgestellt, Sie widersprechen sich selber in der Koalition.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Die einen wollen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs warten, die anderen nicht. Vielleicht sollten Sie sich innerhalb der Koalition einmal einigen, wo eigentlich der Weg langgeht. Das ist das eine. Das andere geht an die Adresse der SPD. Es ist bezeichnend - man kann eigentlich nur hoffen, dass die junge Generation bald einmal übernimmt -, dass die Vorratsdatenspeicherung von den Jusos nämlich selber massiv abgelehnt wird!

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Hört, hört! - Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Frau Ministerin Bachmann, gerade weil mir bestimmte Berufsgruppen äußerst wichtig sind, mache ich mir Gedanken darüber, was -

(Zuruf von Ministerin Bachmann.)

Würden Sie mir bitte zuhören! Gerade deswegen warne ich vor der Vorratsdatenspeicherung. Ich befinde mich damit in guter Gesellschaft, Warnungen kommen sogar selbst aus Kreisen der Polizei!

Erlauben Sie mir noch einen Schlusssatz: Wenn sogar die Bundeskanzlerin sich Gedanken gemacht hat, nachdem ihr Handy abgehört wurde, sind das, glaube ich, Sachen, die man zum Anlass nehmen sollte, bestimmte Vorgehensweisen zu überprüfen.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Geht’s noch? - Weitere Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte noch etwas sagen. Wir schätzen und achten selbstverständlich die Arbeit der Polizei. Es ist eine Unterstellung, dass wir ihr dadurch die notwendigen Instrumente nehmen wollen. Das tun wir nicht! Daher gebe ich zurück: Seien Sie besonnen! Danke schön.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Roland Theis.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Huonker, ich möchte am Ende dieser Debatte auf einen Gesichtspunkt eingehen, der, wie ich finde, in dieser Debatte zu wenig zum Tragen gekommen ist. Das ist die Grundlage, auf der wir unter der Herrschaft des Grundgesetzes heute über das Thema Vorratsdatenspeicherung überhaupt diskutieren können. Die Grundlage dieser Debatte formuliert das Grundgesetz sozusagen in seinen ersten Zeilen, nämlich: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Alles, was Sie an Diffamierungen gegenüber den Sicherheitsbehörden hier losgelassen haben, entbehrt der Grundlage. Warum ist das so, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Weil zum einen ein Rechtsstaat auch und gerade die Aufgabe hat, die Sicherheit und die freiheitlichen Grundrechte, zu denen auch die körperliche Unversehrtheit, der Schutz gegenüber Kriminalität gehört, zu schützen. Wenn Sie sagen, dann stellt doch mehr Polizisten ein, aber gebt ihnen nicht die Möglichkeit,

(Ministerin Bachmann)

mit den Mitteln mitzuhalten, die Kriminelle nutzen, wenn Sie sagen, dann stellt doch einfach mehr Polizisten ein, die diese Aufgaben wahrnehmen, dann ist das das Gleiche, wie wenn Sie sagen, dann holt denen doch bitte schön die Polizeiwagen weg, wenn genug Polizisten da sind, können wir den Bankräubern auf der Flucht auch zu Fuß folgen.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Niemand will das!)