Protokoll der Sitzung vom 21.01.2015

Zweite Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze (Drucksache 15/1114)

Zur Berichterstattung über die Beratungen im Ausschuss erteile ich der Ausschussvorsitzenden, Frau Christiane Blatt, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf wurde vom Plenum in seiner 31. Sitzung am 12. November 2014 in Erster Lesung einstimmig, bei Zustimmung aller Fraktionen, angenommen und zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuss für Justiz, Verfassungsund Rechtsfragen sowie Wahlprüfung überwiesen. Das Rechtspflegergesetz enthält eine Ermächtigungsgrundlage für die Bundesländer, wonach bestimmte, derzeit noch dem Richter vorbehaltene Aufgaben im Bereich der Handels- und Registersachen sowie der Nachlass- und Teilungssachen auf den Rechtspfleger übertragen werden können. Von dieser Ermächtigung macht das Saarland mit dem vorliegenden Gesetzgebungsvorhaben Gebrauch. Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 13. Januar 2015 das Gesetz einstimmig, ohne Enthaltung, zur Annahme empfohlen. Der Ausschuss empfiehlt dem Plenum daher die Annahme des Gesetzes in Zweiter und letzter Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall.)

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1114 in Zweiter und letzter Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der

(Abg. Heib (CDU) )

Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/114 in Zweiter und letzter Lesung einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen, angenommen wurde.

Wir kommen nun zu Punkt 10 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der PIRATEN-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Das Saarland begrüßt das „Europäische Jahr der Entwicklung 2015“ (Drucksache 15/1215)

Zur Begründung erteile ich der Abgeordneten Margriet Zieder-Ripplinger das Wort.

Nach Schätzungen der UNO sind heute weltweit etwa 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Hunger, Armut, Krieg und Terror. Das macht uns alle tief betroffen. Aber was hat das mit uns hier im Saarland zu tun?

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekanntlich hängt ja alles mit allem zusammen. Kaufe ich mir beispielsweise heute in Saarbrücken eine Jeans für 3,50 Euro, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass wahrscheinlich in Südostasien Menschen unter unvorstellbaren Arbeitsbedingungen und zu Hungerlöhnen diese Hose hergestellt haben. Wir alle haben noch das Drama vor Augen, das sich abgespielt hat, als im April 2013 in Bangladesch die völlig baufällige und überbelegte Fabrik Rana Plaza eingestürzt ist und mehr als tausend Menschen unter ihren Trümmern begraben hat - während diese Menschen Billigkleidung für den Westen hergestellt haben.

Wirtschaftliche Ausbeutung oder mangelnde wirtschaftliche Entwicklung ebenso wie Umweltkatastrophen in Form von Dürre oder Überschwemmungen, der fehlende Zugang zu Ressourcen, aber auch der Kampf um den Zugang zu Ressourcen sind die Gründe dafür, dass Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Im Jahr 2000 haben sich daher 189 Staats- und Regierungschefs in New York auf eine Erklärung geeinigt, die sogenannte Milleniumserklärung, die vor diesem Hintergrund die Aufgaben der internationalen Politik klar benennt. Die Erklärung definiert insgesamt vier Handlungsfelder: erstens „Frieden, Sicherheit und Abrüstung“, zweitens „Entwicklung und Armutsbekämpfung“, drittens „Schutz der gemeinsamen Umwelt“, viertens „Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung“. Als wichtigstes Ziel ist die Beseitigung extremer Armut und des Hungers definiert. Darüber hinaus werden die Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung, die Senkung von Kindersterb

lichkeit, die Verbesserung der Gesundheit von Müttern, die Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria und Aids, die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter sowie die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft angestrebt.

Obgleich die Vereinbarungen völkerrechtlich nicht verbindlich sind, ist es gelungen, im Zeitraum von 1990 bis 2015 die Anzahl der Menschen, die in extremer Armut und in Hunger leben, um die Hälfte zu reduzieren. „Extrem arme Menschen“ werden, damit Sie davon auch eine Vorstellung haben, definiert als Menschen, die weniger als einen Dollar am Tag zur Verfügung haben. Dabei gibt es allerdings noch starke regionale Unterschiede: Während südlich der Sahara noch fast 50 Prozent der Menschen extrem arm sind, ist die Zahl der extrem Armen in China von 60 Prozent auf 12 Prozent gesunken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz eindeutiger Erfolge in vielen Bereichen bestehen auch weiterhin viele globale Herausforderungen fort beziehungsweise haben sich sogar verschärft. Ein Team von Fachleuten hat im Auftrag von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon herausgefunden, dass die Vernachlässigung ökologischer Zusammenhänge hierfür verantwortlich ist. Deshalb sollen die künftigen globalen Entwicklungsziele alle Dimensionen nachhaltiger Entwicklung berücksichtigen. Das heißt, dass bei der Betrachtung von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen immer auch die sozialen, die wirtschaftlichen und die ökologischen Auswirkungen mitbedacht werden müssen. Die Definition dieser universell gültigen Nachhaltigkeitsziele soll Bestandteil der Post-2015-Entwicklungsagenda werden, die im September dieses Jahres auf einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in New York beschlossen werden soll. Die Nachhaltigkeitsziele gelten künftig gleichermaßen für die Entwicklungs- wie auch für die Schwellen- und die Industrieländer. Denn nur, wenn alle Staaten Verantwortung für unsere Erde übernehmen, kann der notwendige globale gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungsprozess in Gang gesetzt werden.

Zur Vorbereitung des Gipfels wurde von der Weltgemeinschaft bereits im Jahr 2012 ein breit angelegter Konsultationsprozess eingeleitet, der sowohl nationale als auch regionale und globale Akteure einschließt. So beteiligten sich im vergangenen Jahr interessierte Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aktiv an der Ausarbeitung der deutschen Position zur Post-2015-Agenda, entweder über das Internet oder bei zahlreichen Diskussionsveranstaltungen unter dem Titel „EINEWELT - Unsere Verantwortung“. Auf europäischer Ebene soll die Zivilgesellschaft ebenfalls über die aktuellen Debatten zur Entwicklungspolitik umfassend informiert werden, um dadurch das Interesse an diesem Politikfeld zu stär

(Vizepräsidentin Ries)

ken. Deshalb wurde auf Beschluss des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates das Jahr 2015 zum „Europäischen Jahr für Entwicklung“ deklariert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag des Saarlandes begrüßt diese Initiative für ein „Europäisches Jahr für Entwicklung 2015“ ausdrücklich. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz herzlich bei der Kollegin und den Kollegen von den GRÜNEN und den PIRATEN bedanken, dass sie bereit sind, mit SPD und CDU gemeinsam die Aktivitäten zum „Europäischen Jahr für Entwicklung“ im Saarland und in der Großregion zu begrüßen. Denn es ist wichtig, die Zusammenhänge zwischen den wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Veränderungen in der Welt zu verstehen. Die Bekämpfung von Hunger und Armut, von Klimawandel und den weltweit zunehmenden Fluchtbewegungen kann nur gelingen, wenn auch die Menschen hier bei uns im Saarland und in anderen Ländern für diese Herausforderungen sensibilisiert werden und sich für die entsprechenden Änderungen einsetzen. Daher freue ich mich sehr, dass das Netzwerk Entwicklungspolitik Saar in Zusammenarbeit mit unserem Entwicklungsministerium und vielen Akteuren im Saarland und bei unseren direkten Nachbarn Lothringen und Luxemburg ein Programm auf den Weg gebracht hat, das genau auf dieses Ziel ausgerichtet ist. Ulrich Commerçon wird noch auf die Einzelheiten des Programms und auf die saarländische Entwicklungspolitik im Allgemeinen eingehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Abschluss meines Redebeitrages möchte ich noch einen Wunsch äußern. Das Saarland versteht sich aufgrund seiner Geschichte und seiner geografischen Lage als Brücke nach Frankreich. Warum dehnen wir diesen Raum nicht bis zum südlichen Mittelmeerraum aus? Frankreich hat seit langen Jahren Verbindungen zu den südlichen Nachbarn, beispielsweise nach Marokko und Algerien. Unsere französischen Freunde können uns dort Türen öffnen. Ermutigen wir doch unsere Wirtschaft, noch stärker dort aktiv zu werden! Dadurch können Arbeitsplätze vor allem auch für die sehr junge Bevölkerung dort geschaffen werden. Das wäre ein ganz konkreter Beitrag zur Entwicklungspolitik und gewissermaßen eine Erweiterung der Frankreich-Strategie um einen wichtigen Bereich. Das wäre sicherlich auch ein Beitrag, die Welt ein bisschen friedlicher zu gestalten. Denn entwickelt man gemeinsame Interessen und Ziele, wirkt man zum beiderseitigen Nutzen zusammen, wird man keinen Hass aufeinander entwickeln. Und wozu Hass führt, das haben wir gerade in jüngster Zeit wieder einmal erfahren. Die Lehre von Charlie Hebdo darf gerade nicht das Zurückziehen, das Abschotten sein, muss vielmehr das aufeinander Zugehen sein. Deshalb ist dieses Aktionsjahr das richtige Zeichen zur richtigen Zeit. Wir müssen die Türen

zwischen den Kulturen offenhalten und durch diese Türen hindurch aufeinander zugehen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist aktive Friedenspolitik. Lassen Sie uns unsere Welt zu einem besseren Ort machen! - Vielen Dank.

(Beifall von SPD, CDU, B 90/GRÜNEN und PI- RATEN.)

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es haben sich einige gewundert, weshalb wir, die Fraktion DIE LINKE, nicht unter diesem Antrag stehen. Das ist nicht so, weil wir etwa gegen Entwicklungshilfe wären. Das ist auch nicht so, weil wir etwa gegen das Europäische Jahr für Entwicklungshilfe wären. Es ist vielmehr so, weil wir den Antrag in der Form, in der er vorliegt, doch für ziemlich unverbindlich halten. Im Grunde beschränkt er sich darauf, zwar schöne Zielsetzungen zu formulieren, er setzt sich aber mit der Entwicklungspolitik selbst nicht kritisch auseinander.

Es ist ja nicht so, dass Entwicklungspolitik politisch nicht sehr kontrovers diskutiert würde, dass sie nicht auch im gesellschaftlichen Spannungsverhältnis stehen würde. Das, was wir in der Welt erleben, ist ja nicht einfache wirtschaftliche Zusammenarbeit, es geht vielmehr auch um wirtschaftliche Einflusssphären, um bestimmte Interessen, auch um Interessen von Konzernen und Unternehmen. Alle diese Punkte sind in diesem Antrag überhaupt nicht angesprochen. Das alles ganz abgesehen davon, dass auch die Zielsetzungen der Entwicklungspolitik, was die quantitative Seite angeht, nicht kritisch hinterfragt worden sind. So wird zwar im Antrag Bezug genommen auf die UN-Millenniumserklärung. Diese Erklärung besagt, dass 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe aufgebracht werden sollten. Davon ist die Bundesrepublik Deutschland weit entfernt mit noch nicht mal ganz 0,4 Prozent. Selbst ein Land wie Großbritannien erfüllt diese Voraussetzung, zwar knapp, aber immerhin mit 0,71 Prozent. Viele andere europäische Länder, auch Frankreich, hinken da hinterher. Ich glaube, das muss einmal kritisch eingewandt werden. Wir sind sehr dafür, dass mehr für Entwicklungshilfe ausgegeben wird; es muss aber auch diskutiert werden, wie sie angelegt wird. Selbstverständlich begrüßen wir, auch wenn das nur in bescheidenem Maße möglich ist, Anstrengungen der saarländischen Ebene.

Wir dürfen uns da auch keine Illusionen machen. Wenn ich mir die Beträge anschaue, die im Haushalt veranschlagt sind, dann sind das bei unserem - wie

(Abg. Zieder-Ripplinger (SPD) )

haben Sie es genannt? - Entwicklungsministerium, das halte ich für einen doch nicht ganz unbescheidenen Ausdruck, gerade mal 150.000 Euro, die dort im Haushalt des Einzelplans 06 stehen. Im Einzelplan 08 sind es noch mal 180.000 Euro. Das ist natürlich nicht besonders viel. Ich plädiere nicht dafür, diese Mittel großartig aufzustocken, weil ich weiß, dass die Ressourcen begrenzt sind.

Ich bin schon auch sehr dafür, dass in diesem Antrag steht, dass im Saarland der Gedanke der Entwicklungszusammenarbeit aufgegriffen werden soll und dass sich die saarländische Landesregierung zum Ziel gesetzt hat, im Dialog mit den entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen dazu beizutragen, weltweit Armut zu bekämpfen. Diese Zielsetzung unterstützen wir selbstverständlich. Ich glaube, da muss auch mehr gemacht werden. Deshalb bin ich auch sehr dafür, dass wir hier in einen Dialog eintreten, dass wir das zum gesellschaftlichen Thema machen. Ich glaube, das ist zentral, das nehme ich auch als Kern Ihres Plädoyers, dass wir das hier zu einem Thema machen, weil wir sehen müssen, dass das nicht etwas ist, was weit weg ist, sondern etwas, was uns in der Tat alle angeht. Aber wir müssen natürlich auch darüber reden, wie diese Entwicklungspolitik angelegt ist, welche gesellschaftlichen Widersprüche damit verbunden sind, welche Interessen damit angesprochen werden. Damit müssen wir in eine gesellschaftliche Auseinandersetzung treten.

Wir sind deswegen diesem Antrag nicht beigetreten, weil all diese kritischen Dimensionen hier weitestgehend ausgeblendet sind. Wir werden dem Antrag letztlich zustimmen, wollten aber hier noch mal deutlich machen, dass es eines kritischen Dialogs, einer kritischen Auseinandersetzung bedarf mit der Zielsetzung, Entwicklungspolitik zu verstärken, mit der Zielsetzung, die Organisationen, die sich darum kümmern, stärker zu unterstützen und sie stärker in die saarländische Politik mit einzubeziehen. - Vielen Dank.

(Beifall von LINKEN und bei PIRATEN und GRÜ- NEN.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Roland Theis von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ein Antrag zur Entwicklungshilfepolitik im saarländischen Landtag, da stellt sich zunächst einmal die Frage nach der Relevanz. Der ein oder andere wird sich vielleicht fragen: Was haben denn das kleine Saarland und die „große Bühne“ der Entwicklungshilfepolitik als geo

politisches Thema, als ein Thema vielleicht der Länder des Südens, Afrikas und anderer sehr armer Regionen unserer einen Welt, miteinander zu tun?

Ich finde, sehr viel, und deshalb ist es sehr richtig, dass wir uns heute damit beschäftigen, denn Entwicklungshilfe, das Ziel einer gemeinsamen Anstrengung für eine faire eine Welt ist viel mehr noch als früher Innenpolitik, ist viel mehr noch als früher etwas, was sich mitten in unserem Land abspielt und was keine Frage von Außenpolitik ist, sondern von etwas, was hier, in unserem Land, stattfindet. Denn wenn wir gemeinsam Erfolg beim Ziel einer fairen einen Welt im Zeitalter von globalisierten Märkten haben wollen, geht dies nur dann, wenn wir uns hier, wo wir in unserem Land Verantwortung tragen, als politische oder ökonomische Akteure, aber auch als Individuen, als Käufer, als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen, als Konsumenten, dafür sensibilisieren und die Frage stellen: Was bedeutet unser Handeln hier für die Menschen in anderen Regionen unserer Welt?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Sensibilisierung ist nicht nur ein wichtiges Ziel dieser Debatte, sondern auch ein wichtiges Ziel der saarländischen Entwicklungshilfepolitik. Und ich finde, es ist ein richtiges Ziel, denn Entwicklungshilfepolitik ist Innenpolitik, nicht Außenpolitik, und deshalb ist diese Debatte an sich wertvoll. Deshalb zunächst einmal herzlichen Dank für die Unterstützung unseres Antrags.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Sich die Frage zu stellen: „Was bedeutet mein Verhalten als Konsument, was bedeutet mein Verhalten als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen für die Produzenten dieses Gutes, das ich nachfrage, für diejenigen, die den Kaffee herstellen, für diejenigen, die auf der Plantage arbeiten, für diejenigen, die in der Wertschöpfungskette arbeiten?“, das ist in Zeiten globalisierter Märkte vielleicht noch viel relevanter als staatliche Entwicklungshilfepolitik im Sinne der unmittelbaren Überweisung von Geldern von A nach B. Deshalb ist es richtig, dass diese Landesregierung sich dem Europäischen Jahr der Entwicklung dergestalt nähert, dass wir es zu einem bildungspolitischen Jahr machen. Denn die Sensibilisierung beginnt natürlich zunächst einmal in den Familien, aber eben auch in den Schulen. Deshalb ist es ein gutes Signal, dass wir in der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Europa und Fragen des Interregionalen Parlamentarierrats hören durften, dass es eine große Bereitschaft an unseren Schulen gibt, diese Angebote auch wahrzunehmen - von Lehrern, aber auch von Schülerinnen und Schülern, die sich für das Thema der einen fairen Welt interessieren und es deshalb zu ihrem Thema machen. Es gibt zahlreiche Beispiele im schulischen Bereich die Aktion Palca, viele andere wären auch noch zu

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

nennen -, die mit außereuropäischen Ländern zusammenarbeiten, aber auch mit europäischen Ländern. Es gibt Benefizprojekte wie deutsch-rumänische Freundeskreise, aber auch andere Benefizund karitative Aktionen mit anderen Ländern dieser Welt.

Es ist ja so, dass vom Saarland bereits gute Initiativen ausgegangen sind, wenn ich etwa an den Kampf gegen Zwangsbeschneidung beispielsweise in Benin und sonst wo in Afrika denke. Diese Projekte müssen wir nennen, wenn es darum geht, was wir Saarländerinnen und Saarländer tatsächlich leisten können.

Da bin ich bei dem zweiten Punkt, den ich an dieser Stelle ansprechen will und der meines Erachtens in dieser Debatte in den Mittelpunkt gerückt sein sollte. Entwicklungshilfepolitik ist eben keine rein staatliche Angelegenheit, und sie darf es auch gar nicht sein. Wir müssen vielmehr einfordern, das, was viele engagierte Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich in ihrer Freizeit tun, noch stärker zu würdigen. Wenn es so ist, dass es vielmehr darum geht, wie wir als Individuen, als Verbraucher, als Konsumenten agieren, dann geht es auch darum, dass das ein zivilgesellschaftliches Projekt ist, in einer gemeinsamen einen und fairen Welt zu leben. Deshalb ist es ein gutes Signal, wenn wir sehen, dass sich im Netzwerk Entwicklungspolitik Saarland so viele in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Landes engagieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle können wir als saarländischer Landtag die Gelegenheit nutzen, denjenigen Danke zu sagen, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für eine faire Welt engagieren. Auch das gehört zu dieser Debatte.

(Beifall von den Regierungsfraktionen, bei LIN- KEN und PIRATEN.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem dritten und letzten Punkt will ich eine Bemerkung machen zu dem, was Kollege Bierbaum gesagt hat. Es ist richtig: Wir nähern uns dem Europäischen Jahr der Entwicklung, und das hat meines Erachtens zwei Seiten. Zum einen ist Entwicklungshilfe und Entwicklung hin zu einer einen, fairen Welt ein europäisches Anliegen, ein Anliegen, das wir in gemeinsamer Verantwortung der Europäerinnen und Europäer gemeinsam nach vorne tragen wollen. Es ist aber auch ein Anliegen, das von den Erfahrungen, die wir in Europa mit einem Zusammenwachsen von Märkten mit unterschiedlichen Wohlstandsniveaus in der Vergangenheit hin zu einem gemeinsamen Markt mit einigermaßen gleichem Wohlstand realisieren konnten, profitieren kann. Dies ist auch eine Lehre, denn das beste Mittel, was wir den Menschen in der früher sogenannten Dritten Welt, in den Ländern des Südens, an die Hand geben können, ist selbstverantwortlich in freien Märkten weltweit mitbieten, mit

handeln zu können, mit in den Wettbewerb zu gehen, in einen fairen Markt, in einen transparenten Markt, Hemmnisse abzubauen, damit wir gemeinsam mit Vorteilen für alle Beteiligten an dieser einen freien und fairen Welt arbeiten können, in der Menschen miteinander leben und arbeiten. Das muss das Ziel saarländischer Politik sein auch in dieser Frage als wohlverstandenes Interesse des Landes und in wohlverstandener humanitärer Verantwortung. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der PIRATEN-Landtagsfraktion Michael Hilberer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben tatsächlich auf der einen Welt, die wir haben. Ich möchte es so formulieren, wenn Sie aus dem Saarland in irgendeine Richtung gehen, und lang genug gehen, dann kommen Sie auch wieder hier an. Das ist eine Binsenweisheit, aber das ist heutzutage tatsächlich für jeden nachvollziehbar, da wir in einem globalen Dorf leben. Es liegt uns heute sehr nahe, was auch in weiterer Entfernung passiert. Und auch der Globale Süden und die Entwicklung im Globalen Süden liegen uns schon näher als vor einigen Jahren.

Das wollen wir auch betonen, indem wir die Wichtigkeit der Entwicklungshilfe unterstreichen. Entwicklungshilfe ist ein unglaublich umfassendes Feld, das ganz verschiedene Aspekte behandelt und in seiner Komplexität für viele von außen betrachtet kaum wahrzunehmen ist. Entwicklungshilfe hat zwei große Ziele. Das eine ist eher altruistisch zu betrachten, das ist der Wunsch, mehr Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen. Das zweite ist auch immer von eigenen Interessen geleitet, auch wenn es im Endeffekt zum gegenseitigen Nutzen sein muss, das ist das Eröffnen neuer Märkte, auch im heutigen Globalen Süden. Funktioniert hat das mit Sicherheit bereits in großen Teilen der asiatischen Welt, wo es einen starken Anstieg des Wohlstands gibt aufgrund des Eröffnens von neuen Märkten. Darin liegt natürlich in der EU eine besondere Verantwortung einerseits für ein zukünftiges und nachhaltiges Wachstum mit unseren Partnern zusammen in aller Welt, andererseits auch für den Bereich der Gerechtigkeit. Ich denke, wir haben alle die jüngste Oxfam-Studie gesehen, die ganz klar zeigt, wir werden dieses Jahr den Zustand erreichen, dass einem Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der Welt gehören, rein finanziell betrachtet. Da kann man nicht mehr von Gerechtigkeit sprechen. Das ist auch nicht gesund, das ist etwas, wogegen wir aktiv arbeiten müssen.