Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Darüber hinaus besteht doch derzeit ein Wertungswiderspruch, denn in der nächsthöheren Stufe der Volksgesetzgebung, beim Volksentscheid, ist eine Briefwahl möglich. Herr Theis, das meinten Sie eben. Auf der vorgelagerten Stufe ist sie aber nicht möglich. Das heißt doch, dass im Gesetzgebungsverfahren selbst die Briefwahl möglich ist, bei der Schaffung der Voraussetzungen für dieses Verfahren aber nicht. Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Nur damit zeigen Sie, dass Sie wirklich reale, dass Sie wirklich echte Demokratie wollen! - Ich danke Ihnen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

(Laute Zurufe vonseiten der Opposition. - Die Ab- geordneten Ulrich (B 90/GRÜNE) und Augustin (PIRATEN) halten Karten zur Wortmeldung in die Luft.)

Wir haben hier klare Regeln. Tut mir leid!

(Anhaltendes Sprechen.)

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

Ich lasse das jetzt zu. Ich weise aber darauf hin, dass Wortmeldungen während der Debatte abzugeben sind, andernfalls wird die Debatte geschlossen. In diesem Fall lasse ich das jetzt noch einmal zu.

(Zuruf von der CDU: Nein, das sind Antragsteller, Frau Präsidentin!)

Okay, das Wort hat die Abgeordnete Petra Berg von der SPD-Landtagsfraktion.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Jetzt stimmt’s wieder. - Abg. Meiser (CDU): Zur Geschäftsordnung: Die PIRATEN sind Antragsteller.)

Die haben sich aber nicht gemeldet.

Frau Präsidentin, wer Antragsteller ist, braucht sich nicht zu melden, der bekommt das Wort. Und zwar als Erster. Deshalb sind jetzt die PIRATEN an der Reihe, und dann kommt -

Die haben eine gemeinsame Begründung, Herr Meiser! Das muss ich richtigstellen: Die haben eine gemeinsame Begründung, und die hat die Fraktion DIE LINKE vorgetragen. Damit war das erledigt. Es gibt dann keine extra Begründung von den PIRATEN.

(Sprechen.)

Genau so ist es in der Geschäftsordnung vorgesehen. - Als nächster Redner ist die Abgeordnete Petra -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Sie ist eine Rednerin!)

Vielen Dank.

(Zuruf der Abgeordneten Berg (SPD).)

Von der CDU?

(Abg. Berg (SPD) : Ja.)

Mir ist das egal. - Um dieses ganze Durcheinander zu vermeiden: Künftig werde ich so etwas nicht mehr zulassen. Wenn keine Wortmeldungen mehr vorliegen, wird künftig die Debatte geschlossen. Herr Theis von der CDU-Landtagsfraktion, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Mit dem heutigen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE eröffnen wir, das hat die Wortmeldung der Frau Kollegin Schramm eben gezeigt, zumindest teilweise erneut eine Diskussion, die dieses Parlament anlässlich der Verfassungsreform in dieser Legislaturperiode bereits geführt hat und hinsichtlich des Volksabstimmungsgesetzes bereits zu einem vorläufigen Ende

gebracht hat. Es geht nämlich um das Verhältnis der plebiszitären Elemente in unserer Verfassung zu unserer repräsentativen Demokratie. Was in Ihrem Gesetzentwurf, Frau Schramm, so unschuldig als Verfahrensfrage daherkommt, ist tatsächlich, was auch Ihr Redebeitrag, was auch die von Ihnen vorgetragene Begründung gezeigt hat, eine wesentliche Kernfrage im Rahmen des plebiszitären Gesetzgebungsverfahrens, das unsere Verfassung und das Volksabstimmungsgesetz regeln.

Ich möchte, bevor ich auf die einzelnen Regelungen zu sprechen komme, noch den einen oder anderen Gedanken mit auf den Weg geben. Nicht verstanden habe ich, dass Sie zwar das eine oder andere in Ihrem Vortrag vorgeschlagen, es aber nicht in Ihren Gesetzentwurf reingeschrieben haben. Nicht verstanden habe ich, weshalb Sie manches als fehlend kritisiert haben, obwohl dies schon lange Recht und Gesetz in diesem Land ist. Dadurch wird der ohnehin schon widersprüchliche Vorschlag, den Sie heute vorgelegt haben, noch widersprüchlicher.

Zum Beispiel kritisieren Sie, es sei in der Stadt Saarbrücken nur möglich, im Rathaus zu unterschreiben, nicht aber in den Bürgerämtern. Diese Kritik kann sich nicht an das Volksabstimmungsgesetz und nicht an die Verfassung unseres Landes richten, denn „amtliche Auslegung“ - das haben wir in der Debatte anlässlich der Verfassungsreform und in den Gesetzesbegründungen und -beratungen zum Volksabstimmungsgesetz auch zum Ausdruck gebracht - meint eben nicht nur die Auslegung in dem einen Rathaus. „Amtliche Auslegung“ heißt sehr wohl auch, dass eine Stadt oder eine Gemeinde sagen kann: Wir legen, nun einmal für das Beispiel Saarbrücken, amtlich Unterstützungsblätter auch in Dudweiler im Bürgeramt aus. Das ist schon lange möglich. Wenn Sie diesbezüglich etwas kritisieren wollen, sprechen Sie doch einmal mit Ihren Kollegen im Stadtrat, mit den Kollegen der LINKEN im Saarbrücker Stadtrat! Ich habe gehört, Sie hätten dort eine Mehrheit. Sprechen Sie also bitte mit der Oberbürgermeisterin, dass sie das Gesetz doch bitte so umsetzen soll, wie es der Landtag beschlossen hat. Damit ist das alles möglich. Sie brauchen das dann hier auch nicht zu kritisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall von der CDU.)

Es ist recht interessant, was Sie vorschlagen, aber nicht in Ihren Gesetzentwurf reinschreiben: die völlig freie Sammlung. In der Tat, neben dem Stand von Greenpeace und dem des ADAC gleichzeitig im Kaufhaus noch ein Gesetz zu ändern, das ist ja anscheinend das, was Sie wollen. Wenn Sie das wollen, dann schlagen Sie es doch bitte auch vor! Dann können wir uns auch tatsächlich über das unterhalten, worum es Ihnen geht.

(Vizepräsidentin Ries)

Ich will Ihnen aber sagen, worum es Ihnen meiner Meinung nach auch geht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will die Diskussion um das Verhältnis zwischen repräsentativer und plebiszitärer Demokratie an dieser Stelle nicht wiederholen. Aber eines lasse ich nicht zu, nämlich dass diejenigen, die sich hier für plebiszitäre Elemente einsetzen, sagen, alle anderen seien keine echten Demokraten! Das ist eine Beleidigung aller Parteien in diesem Parlament! Ich gehe davon aus, dass es hier nur echte Demokraten gibt!

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Huonker (DIE LINKE) : Das hat sie doch überhaupt nicht gesagt.)

Ich finde, Sie zeichnen in dem, was Sie hier gesagt haben - insbesondere in Ihrer Begründung, ich bin mir aber sicher, es kommt auch noch in der Debatte - ein Zerrbild unserer Demokratie. Das, was Sie an dieser Stelle heute und auch früher schon häufiger gesagt haben, trifft nicht die Realität. Sie bezeichnen unsere Demokratie als eine, die von der Mehrheit der Menschen so eigentlich nicht gewollt ist, als eine, die grundlegend verändert werden sollte und die dem wahren Willen der Menschen, den natürlich nur Sie kennen, nicht entspricht.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Dieser Ansicht sind wir auch.)

Kurz: Sie sagen, dass unsere Demokratie des Grundgesetzes und damit auch die der Verfassung des Saarlandes, denn die ist an dieser Stelle sehr ähnlich, die Menschen nicht richtig vertritt. Ich finde, Sie zeichnen damit nicht nur ein Zerrbild unserer Gesellschaft, sondern Sie zeichnen auch ein Zerrbild der Verfassungsgeschichte unseres Landes. Denn die demokratische Ordnung des Grundgesetzes, und die ist hinsichtlich der demokratischen Entscheidungsformen der Verfassung des Saarlandes so nahe wie keine andere Verfassung in Deutschland, ist die Grundlage der erfolgreichsten Demokratie, die es je auf deutschem Boden gab. Sie hat sich nicht nur bewährt, werte Kollegin Schramm, sie hat nicht nur einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass wir eine stabile Demokratie und seit Jahrzehnten Frieden und Freiheit in Deutschland haben, sondern sie hat sich insbesondere auch durchgesetzt gegenüber solchen Gesellschaftsordnungen, die von sich behauptet haben, dem wahren Willen der Menschen zu entsprechen - so wie Sie es heute auch getan haben. Tatsache ist: Der wahre Wille der Menschen hat sich darin ausdrückt, dass die Menschen dafür gesorgt haben, dass die repräsentative Demokratie in unserem Land stabil und erfolgreich ist.

Ich will Ihnen zwei Beispiele dafür nennen, dass das tatsächlich von dem wahren Willen der Menschen auch so gesehen wird. 1989 sind die Menschen in

Ostdeutschland auf die Straße gegangen, weil sie eine echte Demokratie wollten - so wie die des Grundgesetzes.

(Zurufe von der LINKEN. - Abg. Kugler (DIE LIN- KE) : Sagen Sie doch mal was zum Gesetzentwurf!)

Ich sage gleich etwas zu Ihrem Gesetzentwurf. Der ist peinlich genug. Seien Sie froh, wenn ich nichts dazu sage. - Meine Damen und Herren, die Menschen, die heute zu uns kommen als Flüchtlinge, natürlich auf der Suche nach Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, die kommen auch in dieses Land, weil wir eine funktionierende Demokratie sind. Sie zeichnen ein Zerrbild unseres Landes, Frau Schramm.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Es geht hier um Volksabstimmungen!)

Wir sind eine starke Demokratie, meine Damen und Herren. Dieses Bekenntnis gehört an den Anfang einer solchen Debatte und nicht das, was Sie den Menschen weiszumachen versuchen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich komme - auch auf Anregung der Kollegin Kugler - gern zu Ihrem Gesetzentwurf, denn der liefert uns genügend Gründe, um ihn heute abzulehnen. Sie schlagen nämlich vor, dass zukünftige Verfahren auf der Grundlage - ich zitiere - „bestehender bundesund landesrechtlicher Regelungen“ erfolgen sollen. Damit schlagen Sie sozusagen hier in einer der Kernvorschriften des plebiszitären Gesetzgebungsverfahrens eine dynamische Verweisung hinsichtlich der Anforderungen an das Eintragungserfordernis vor, die, mit Verlaub gesagt, ziemlich ungenau ist. Sie sagen, dass in Zukunft das Gesetzgebungsverfahren des Landes darauf verweisen soll, was bestehende bundes- und landesrechtliche Regelungen beinhalten, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wo bleibt denn da die Rechtssicherheit, wenn heute schon einzelne Städte und Gemeinden - Ihr Beispiel zeigt das ja - offensichtlich mit der Auslegung des Volksabstimmungsgesetzes überfordert zu sein scheinen? Wie soll denn eine Gemeinde mit einer solch nebulösen Vorschrift zurechtkommen? Wenn Sie sich daran machen, demokratische Vorschriften, die Kernvorschriften unserer Verfassung und unseres Rechtsstaates sind, zu verändern, dann tun Sie das bitte mit etwas mehr Sorgfalt. So jedenfalls geht das in einer Demokratie nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Diese Rechtsunsicherheit geht - und das zeigt das Beispiel, das Sie eben genannt haben - ja insbesondere zulasten der Initiatoren solcher Begehren. Denn die Amtlichkeit der Eintragung, wie sie in der Verfassung festgeschrieben ist, dient in erster Linie der Rechtssicherheit und dem Ziel, unstreitige Ver

(Abg. Theis (CDU) )

fahren zu erreichen, damit Volksentscheide tatsächlich zeitnah zu einem Ergebnis kommen, auch dann, wenn das Ergebnis eben ist, dass sie nicht zustande kommen. Es bringt nämlich den Initiatoren solcher Begehren überhaupt nichts, wenn wir am Ende darüber streiten, ob eine Unterschrift, die irgendwo in der Bahnhofstraße am Stand der LINKEN gesammelt worden ist, rechtsgültig ist.

(Abg. Schramm (DIE LINKE) : Das ist kontrolliert worden.)

Deshalb ist die amtliche Sammlung, sehr geehrte Kollegin Schramm, ein Instrument, das den Initiatoren der Volksbegehren Rechtssicherheit gibt und damit auch Schnelligkeit bewirkt, denn gerade darum geht es bei plebiszitären Entscheidungsformen. Diese leben - das sage ich positiv - davon, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihnen ruht. Wenn es Ihnen nicht gelungen ist, das bei Ihrem Volksbegehren zu schaffen, tut mir das leid, aber dafür kann das Gesetz nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Kugler (DIE LINKE) : Oh doch: Die Hürden sind viel zu hoch.)