Erste Lesung des von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften (Drucksache 15/1539)
Erste Lesung des von der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften (Druck- sache 15/1541)
Zur Berichterstattung zur Evaluation der Fünf-Prozent-Klausel und des Sitzzuteilungsverfahrens, Drucksache 15/1543, erteile ich dem Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und Sport, Herrn Abgeordneten Günter Waluga das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Saarländische Verfassungsgerichtshof hat in drei Entscheidungen zum Wahlrecht aus den Jahren 2011, 2012 und 2013 festgestellt, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel und das derzeitige Sitzzuteilungssystem bei Landtagswahlen noch verfassungsgemäß sind. Gleichzeitig hat er dem Landtag einen Prüfauftrag erteilt. Hierbei sollte geklärt werden, ob die Sperrklausel auch zukünftig noch beibehalten werden kann oder eine Änderung oder gar Abschaffung geboten ist. Insbesondere sollte die Frage Berücksichtigung finden: Ist eine Sperrklausel in dieser Form zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlamentes erforderlich? Zum Sitzzuteilungsverfahren sollte geprüft werden, ob es nicht Systeme gibt, welche den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichwertigkeit der Wahl und dabei vor allem der Chancengleichheit der Parteien besser entsprechen als das derzeitige, ohne dass diese anderen Systeme schwerwiegende Nachteile mit sich bringen dürfen.
Die für Inneres und Justiz zuständigen Ausschüsse haben in der 14. Wahlperiode des saarländischen Landtages mit der Evaluierung begonnen und erste Expertenanhörungen durchgeführt. Aufgrund des vorzeitigen Endes der Wahlperiode konnte der Auftrag nicht zu Ende geführt werden, er ist in der 15. Wahlperiode durch den Ausschuss für Inneres und Sport unter Hinzuziehung des Ausschusses für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung fortgeführt worden. Dabei beschlossen die Ausschüsse in ihrer Sitzung am 13. Juni 2013, die bisherigen Ergebnisse aus der 14. Wahlperiode einzubeziehen.
Insgesamt neun wissenschaftliche Experten aus den Bereichen Staatsrecht und Politologie haben schriftlich und mündlich zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Inhaltlich wurde dabei durchweg die Beibehaltung einer Sperrklausel zur Vermeidung einer zu großen Zersplitterung der Parlamentszusammensetzung empfohlen. Zusätzlich wurden auch neue Vorschläge, etwa die Einführung einer „bedingten Alternativstimme", in die Diskussion eingebracht und seitens der Experten kontrovers diskutiert. Beim Sitzzuteilungsverfahren haben die Experten alle drei derzeit in Deutschland verwendeten Berechnungsmethoden vorgestellt und deren Vor- und Nachteile aufgezeigt. Eine ablehnende Haltung ergab sich im Laufe der Anhörung lediglich zum Aus
zählungssystem nach Hare/Niemeyer, das auf Bundesebene aufgrund verfassungsrechtlicher Schwierigkeiten inzwischen auch wieder abgeschafft worden ist. Eine zwingende Empfehlung zugunsten eines der beiden verbliebenen Systeme gab es hingegen nicht. Es geht dabei um die Verfahren nach D'Hondt und Sainte-Laguë/Schepers.
Die Ausschüsse haben im Nachgang der Anhörungen die Landtagsverwaltung mit der Erstellung einer hierauf basierenden schriftlichen Evaluierung beauftragt. Diese setzt sich inhaltlich mit den aufgeworfenen Fragen in beiden Bereichen auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Sperrklausel nach Art und Höhe auch heute noch erforderlich ist, um eine Zersplitterung des Parlamentes und damit die Gefahr einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit zu vermeiden. Sie stützt sich dabei auf aktuelle saarländische Wahlergebnisse und Wahlumfragen zu Landtags-, Bundestags-, Europa- und Kommunalwahlen. Insbesondere die beiden zuletzt genannten Gruppen von Wahlen, bei denen schon derzeit keine Sperrklausel besteht, zeigen dabei deutlich, wie stark sich die Zusammensetzung dieser Volksvertretungen in Richtung einer Zersplitterung fortentwickelt hat. Die Expertenanhörungen haben zudem ergeben, dass sich dies auch außerhalb des Saarlandes beobachten lässt.
Weiterhin setzt sich die rechtliche Begutachtung kritisch mit dem Modell der „bedingten Alternativstimme" auseinander und kommt zum Ergebnis, dass diese an mehreren Stellen mit den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen in Deutschland kollidieren würde. Bezüglich des Sitzzuteilungsverfahrens kommt die Prüfung zum Ergebnis, dass die Entscheidung, für welches der beiden Verfahren man sich entscheidet, im Ermessen des Landtages liegt.
Der Bericht wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport und des Ausschusses für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung am 03. Juli 2015 beraten. Der Berichtsteil zur Fünf-Prozent-Sperrklausel wurde dabei vom Ausschuss bei Enthaltung der PIRATEN-Landtagsfraktion einstimmig angenommen. Der Berichtsteil zum Sitzzuteilungsverfahren wurde bei Enthaltung aller drei Oppositionsfraktionen einstimmig angenommen. Der Gesamtbericht wurde sodann ebenfalls einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen. Weiterhin wurde er bei Zustimmung aller Fraktionen einstimmig ans Plenum zur heutigen Beratung überwiesen. Dieser Bericht liegt Ihnen nun als Drucksache 15/1543 vor. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses zum Abschlussbericht lautet: Der Landtag nimmt die Ausführungen zustimmend zur Kenntnis. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen und gleichzeitig zur Aussprache erteile ich Frau Abgeordneter Petra Berg das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung der Verfassung des Saarlandes und des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes beinhaltet zwei Themenkomplexe.
Erstens wird Artikel 120 der saarländischen Verfassung neu gefasst, der dann das Konnexitätsprinzip verfassungsrechtlich festschreiben wird. Diese Festschreibung wurde mit dem Kommunalpaket Saar für die Jahre 2015 bis 2024 zwischen der Landesregierung und dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag vereinbart mit dem Ziel, die Haushalte nachhaltig zu konsolidieren, die kommunale Leistungsfähigkeit zu sichern und damit auch die Zukunftsfähigkeit des Saarlandes zu gewährleisten. Die Regelungen im Kommunalselbstverwaltungsgesetz werden entsprechend angepasst.
Zweitens wird, meine Damen und Herren, in Art. 66 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes die Fünf-Prozent-Sperrklausel, die bislang einfachgesetzlich im Landtagswahlgesetz verankert ist, verfassungsrechtlich normiert. Der Entscheidung, der Fünf-Prozent-Sperrklausel Verfassungsrang einzuräumen, ging eine Evaluation in der 14. und der 15. Wahlperiode des saarländischen Landtags voraus, nachdem der Verfassungsgerichtshof in einem Prüfauftrag dem Gesetzgeber aufgegeben hatte, festzustellen, ob die Sperrklausel beibehalten, reduziert oder aufgehoben werden sollte und ob andere, gegebenenfalls auch mildere Mittel zur Verfügung stünden, um die Funktionsfähigkeit des saarländischen Parlaments zu gewährleisten. Diese Prüfung hatte sich an der politischen Wirklichkeit zu orientieren und musste betrachten, ob sich die Verhältnisse offensichtlich geändert haben.
Das Ergebnis der Auswertung der Expertenanhörungen liegt, wie eben von Kollegen Günter Waluga berichtet, in der Drucksache 15/1543 vor. Zur Verdeutlichung möchte ich Ihnen das Ergebnis kurz erläutern: Die Sperrklausel gibt es auf Bundesebene seit mehr als 60 Jahren. Die Sperrklausel greift in ihrer Wirkung in den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Gleichheit der Wahl ein. Sie wirkt sich auf den Erfolgswert der Wählerstimmen aus, denn die Stimmen, die für Parteien abgegeben werden, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, finden keine Berücksichtigung. Sie wirkt sich auch auf das Gebot der Gleichbehandlung politischer Partei
Dieser Eingriff in die Gleichheit der Wahl besteht unstreitig. Er ist aber aus guten Gründen gerechtfertigt. Zweck der Sperrklausel ist es nämlich, die Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung zu sichern. Das Parlamentssystem soll vor einer Zersplitterung geschützt werden, einer Zersplitterung in Miniparteien, Kleinstgruppen und fraktionslose Einzelbewerber, die die Bildung stabiler und regierungsfähiger Mehrheiten auf Dauer erschweren oder sogar unmöglich machen würde. Historischer Hintergrund der Einführung der Sperrklausel sind die in der Weimarer Republik gemachten Erfahrungen. Seinerzeit kannte man bei geltender Verhältniswahl keine Fünf-Prozent-Hürde, es kam in der Zeit von 1919 bis 1933 zu insgesamt 20 Regierungsbildungen. Oftmals hatten die Regierungen keine Parlamentsmehrheit hinter sich, eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Parlamenten war daher nicht möglich. Das war ein Faktor des Scheiterns der Weimarer Republik.
Dieses Scheitern hat die Wahlgesetzgebung in der noch jungen Bundesrepublik nachhaltig geprägt, denn es war eine schmerzliche Erkenntnis, dass sich die Demokratie von innen heraus selbst Schranken auferlegen muss, um als System zu funktionieren. Die Sperrklausel ist eine solche Schranke, und sie hat die Aufgabe, Bestand und Entwicklung der parlamentarisch-demokratischen Ordnung vor dem gefährlichen Zerfall in kleinteilige Partikularinteressen zu schützen. Es geht um die Abwägung zwischen der Wertigkeit einer jeden abgegebenen Wahlstimme einerseits und der Arbeitsfähigkeit der Parlamente andererseits. Mehrheitsbildung und Entscheidungsfindung sollen gesichert werden. Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, so wichtig Wahlen auch sind, Wahlen sind kein Selbstzweck! Und Wahlen alleine sind auch noch keine Demokratie. Nach Wahlen sollen solide Mehrheiten möglich sein für handlungs- und entscheidungsfähige Parlamente und damit für stabile und politisch aktionsfähige Regierungen.
Dies zu sichern ist ein legitimer Zweck, das hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen bestätigt. Die Frage ist nun: Bedarf es der Sperrklausel auch in den aktuellen Verhältnissen noch, um Gefahren für die Funktionsfähigkeit von Volksvertretungen abzuwehren? Ihre Gegner führen an, dass unser heutiges demokratisches System stabil genug sei, um auch Splitterparteien auszuhalten. Anders als zur Zeit der Weimarer Republik stehen heute auch die Bürger mehrheitlich hinter ihrem demokratischen Staatswesen. Die Gesellschaft insgesamt ist demokratisch durchdrungen. Bedarf es daher also noch des Korrektivs dieser Sperrklausel?
Ja, meine Damen und Herren, das tut es! Denn wie sind denn die Verhältnisse heute? Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass die Parteienvielfalt zugenommen hat. Noch hat sich dadurch im Saarland die Regierungsbildung nicht deutlich erschwert. Berücksichtigt man aber den bundesweit zu beobachtenden Trend der Ad-hoc-Gründung zum Teil sehr kurzlebiger Ein-Themen-Parteien, verstärkt sich die Wirkung zulasten der politischen Stabilität. Derzeit müssen wir leider erleben, dass selbsternannte Patrioten landauf landab marschieren und Stimmung gegen Ausländer und gesellschaftliche Minderheiten machen. Menschenverachtenden Strömungen, die in der breiten Gesellschaft auf Ablehnung stoßen, die aber in der Lage sind, kurzfristig diese Meinungen in ihrem Sinne zu kanalisieren, darf keine Bühne in einem Parlament bereitet werden!
Das würden wir gerade mit einem Verzicht auf die Sperrklausel tun. Das würde auch die faktische Sperrklausel, die im Saarland bei rund 2 Prozent liegt, nicht verhindern, das hat die Sachverständigenanhörung ergeben.
Ja, wir leben in einer stabilen Demokratie. Ja, wir haben funktionsfähige Parlamente. Ja, wir leben in einer demokratisch durchdrungenen Gesellschaft. Und ja, wir haben eine unabhängige, starke Justiz, die ebenfalls ihren Teil zur Demokratie beiträgt. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhältnisse müssen wir uns also die Frage stellen: Wie widerstandsfähig ist denn diese Demokratie, und wie sehr setzt ihr die parteipolitische Instabilität zu? Eine Zersplitterung des Parlaments würde bedeuten, dass am Ende keine politische Kraft bleibt, die imstande wäre, Regierungsverantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen.
Eine kraftlose Demokratie ist anfällig. Sie ist schwach, sie ist verführbar. Deutschland und das Saarland müssen eine unverführbare Demokratie bleiben. Hier ist auch noch ein saarländisches Spezifikum zu beobachten. Wir sind ein Haushaltsnotlageland, meine Damen und Herren, die Schuldenbremse und der mit dem Stabilitätsrat vereinbarte Konsolidierungspfad, die laufenden Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, all das erfordert politische Stabilität im Land, nach innen und nach außen. Darauf hat auch unser Finanzminister eben hingewiesen. Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit eines Landes spiegeln sich in seiner politischen Stabilität wider. Diese müssen wir im Sinne der Eigenständigkeit des Landes sichern.
Die Sperrklausel hat auch nicht zu einem Erstarren der politischen Verhältnisse geführt. Der Aufstieg der GRÜNEN seinerzeit und auch der der PIRATEN im Jahr 2012 sind doch Beweis dafür. Es ist möglich, auch mit einer neu gegründeten Partei, die zu
mindest noch zu Beginn ihrer Existenz einen eher eingeschränkten Interessenkreis vertritt, in Parlamente einzuziehen. Gelingt es ihr dort, breitere Gesellschaftsschichten hinter sich zu versammeln, wird sie auch im Parlament bleiben. Jede Partei muss sich doch die für manch einen sicher unangenehme Frage nach ihrer gesamtgesellschaftlichen Relevanz gefallen lassen. Und jede Partei, ob neu oder alt, die Minderheitenpositionen vertritt, muss dafür kämpfen, dass diese mehrheitsfähig werden.
Die Meinungsvielfalt in unserer Gesellschaft zu kanalisieren, das ist die Kernaufgabe der Parteien. Dass manche daran scheitern, ist aber gerade keine Ungerechtigkeit des Systems, meine Damen und Herren, sondern im Gegenteil gerade der Anspruch an eine Volksvertretung. Es muss eine ausreichende Zahl von Wählerinnen und Wählern geben, die von einer bestimmten Partei vertreten werden will. Die Sperrklausel fördert auch nicht die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger. Denn, meine Damen und Herren, wie groß wäre die Unzufriedenheit mit der Politik, wenn gewählte Parlamente nicht mehr in der Lage wären, stabile Mehrheiten und arbeitsfähige Regierungen hervorzubringen? Wenn parteipolitisches Gezänk und das sture Beharren auf Partikularinteressen und die Kompromissunfähigkeit widerstreitender Einzelakteure zu einem politischen Stillstand führten? Wenn es mangels verlässlicher Mehrheiten vermehrt zu Regierungsumbildungen und Neuwahlen käme? Solche Entwicklungen würden die Politikverdrossenheit fördern, und das kann nicht gewollt sein.
Man hat festgestellt, dass als ein mögliches milderes Mittel auch die Absenkung der Sperrklausel auf 3 Prozent nicht helfen würde. Die Experten sind in ihrem Votum zu dem Schluss gekommen, dass es dadurch zu einer verstärkten Zersplitterung des Parlaments kommen würde.
Ein weiterer, auch sehr wichtiger Prüfpunkt, meine Damen und Herren, war die Verkleinerung dieses Parlamentes. Das würde die faktische Sperrwirkung erhöhen. Aber mit seinen 51 Abgeordneten ist der saarländische Landtag bereits ohnehin klein. Bei einer weiteren Reduzierung der Anzahl der Abgeordneten wäre die Aufgabenwahrnehmung durch sie nicht mehr sichergestellt. Die Aufgaben werden bei einer Verkleinerung des Parlamentes ja nicht weniger. Lediglich die Zahl der Schultern, die sie tragen müssen, nimmt ab. Das würde aber - und dies gilt insbesondere für die kleineren Fraktionen - irgendwann zur Folge haben, dass die Aufgaben gar nicht mehr wahrgenommen werden könnten. In dieser Legislaturperiode ist die Zahl der Ausschüsse bereits stark angewachsen, wir haben derzeit drei Untersuchungsausschüsse und wir setzen heute noch einen Unterausschluss für Flüchtlingsfragen ein. Die Gren
zen des Leistbaren dürften vor allem für die kleineren Fraktionen und deren Mitarbeiterschaft bald erreicht sein.
Auch die Einführung einer Alternativstimme als milderes Mittel wurde geprüft. Auch das begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, denn es gilt immer noch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Dieser Grundsatz erfordert die vorbehaltlose und bedingungsfreie Stimmabgabe. Die Alternativstimme ist aber an die Erfolglosigkeit der ersten Stimme gebunden. Solche Eventualvoten stehen einer eindeutigen Wahlentscheidung entgegen. Und auch praktische Erwägungen sprechen gegen eine Alternativstimme, denn jeder, der einmal in einem Wahllokal als Wahlhelfer mit ausgezählt hat, weiß, dass es nicht so ohne Weiteres durchführbar ist, plötzlich die Stimmen noch mal in einem Eventualverhältnis auszuzählen. Auch dort sind Grenzen gesetzt.
Der vorliegende Bericht enthält des Weiteren die Überprüfung des Sitzzuteilungsverfahrens. Die Rechtsprechung ist seinerzeit zu dem Ergebnis gelangt, dass weder das Verfahren nach D’Hondt noch nach Hare/Niemeyer oder Sainte-Laguë/Schepers in der Lage ist, die erhaltenen Stimmen exakt in Parlamentssitze zu überführen. Geprüft wurde dabei, ob eines der drei Sitzzuteilungsverfahren angepasst an die saarländischen Verhältnisse erfolgswertoptimal ist. Nachdem dem Verfahren Hare/Niemeyer auf Bundesebene verfassungsrechtliche Bedenken entgegengebracht wurden, wurde untersucht, welche Auswirkungen sich ergäben, wenn das derzeitige System nach D’Hondt auf das System nach SainteLaguë/Schepers umgestellt würde. Unter Berücksichtigung der Sitzverteilungen in den Jahren 2004 und 2009 und der möglichen Verlagerung eines Sitzes von der SPD zu B 90/GRÜNE im Jahr 2012 auch das hatte man geprüft - kam die Prüfung zu dem Ergebnis, dass für das saarländische Parlamentssystem keines der beiden Systeme so vorzugswürdig ist, dass eine Umstellung hierauf verfassungsrechtlich geboten wäre.
Zusammengefasst stellt der Bericht fest, dass es derzeit bei dem bewährten System nach D’Hondt bleiben kann und auch, dass sich die Sperrklausel bewährt hat.
Dann hat sich die Frage gestellt, muss der Sperrklausel deshalb Verfassungsrang zugestanden werden? Ja, wir sind zu der Auffassung gelangt, das muss so sein. Ihrem Zweck, der Sicherung der Fusionsfähigkeit des Parlaments, kommt nämlich Verfassungsrang zu. Unsere Verfassung ist eine wesentliche Grundlage für die Eigenständigkeit dieses unseres Saarlandes. Diese Eigenständigkeit wird entscheidend davon abhängen, wie die Finanzprobleme unseres Landes gelöst werden, auch das haben wir heute Morgen schon gehört. Um die hierfür notwendige politische Stabilität zu gewährleisten, wol
len wir der Sperrklausel Verfassungsrang geben. Das ist konsequent. Das Wahlrecht wird so nicht zum Spielball verschiedener Mehrheiten. Verfassungsrang bedeutet Kontinuität, Verfassungsrang bedeutet Bestandssicherheit.
Die Anhörungen haben gezeigt: Das perfekte, absolut gerechte Wahlsystem gibt es nicht. Die Sperrklausel greift in die Wahlgleichheit ein. Ich bin der Meinung, sie muss es. Das ist der Preis, den wir beim System der Verhältniswahl zahlen müssen, damit wir keine Zersplitterung unserer Parlamente erleben, und den wir auch bereit sind zu zahlen. Die Alternative wäre die Gefährdung unserer parlamentarischen Demokratie, diesen Preis sind wir nicht bereit zu zahlen.
Die Stabilität des Parlamentarismus muss gesichert bleiben, das Saarland soll eine starke Demokratie bleiben, das Saarland soll eine unverführbare Demokratie bleiben. Deshalb bitten wir um die Zustimmung des Gesetzentwurfes und auch um Zustimmung des vorliegenden Berichtes. - Vielen Dank und Glück auf.
Zur Begründung des Gesetzentwurfes der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion erteile ich dem Abgeordneten Michael Neyses das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Fünf-Prozent-Hürde beschäftigt uns schon recht lange. Kollegin Berg hat bereits die Gründe genannt, die für die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Hürde sprechen. Ohne Fünf-Prozent-Klausel wäre die Regierungsbildung erschwert, die Entscheidungsfindung erschwert. Wir brauchen auch eine Fraktionsstärke; eine einzelne Person ist zu einer breiten Mitwirkung faktisch nicht in der Lage. Wir haben viele Ausschüsse, für eine einzelne Person nahezu nicht zu stemmen.
Obwohl wir GRÜNE in der Vergangenheit bereits an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind, sind auch wir für diese Hürde. Sie sehen, meine Damen und Herren, uns geht es nicht um den eigenen Vorteil, sondern um die Bürgerinnen und Bürger im Saarland. Die Einführung eines strikten Konnexitätsprinzips befürworten wir GRÜNE schon lange. Wir freuen uns, dass die Koalition sich endlich in Bewegung setzt. Wir bedauern aber, dass der vorgeschlagenen Umsetzung die erforderliche Striktheit fehlt, dass die