Protokoll der Sitzung vom 05.10.2016

sich erst einmal keine Rolle, das ist für mich aber kein Grund, das Abkommen an sich abzulehnen.

Dann haben wir kurz etwas zum Verbraucherschutz gehört. Ja, da gibt es viele Bedenken, aber nicht jedes existierende Bedenken ist auch unbedingt begründet. Der Kollege Wegner hat es ja schon gesagt, Bausilikon in Brustimplantaten ist etwas, was in Europa passiert ist. Von wem wurde der FIFASkandal aufgedeckt? Den Amerikanern. Von wem wurde der VW-Abgasskandal aufgedeckt? Den Amerikanern. Also ist es durchaus so, dass wir auch nicht im Land der Glückseligen leben, was den Verbraucherschutz angeht. Von daher ist nicht per se gesagt, dass durch ein Freihandelsabkommen mit besagten Ländern der Verbraucherschutz bei uns leiden muss. Das ist eine Frage der Ausgestaltung der Verträge. Ich glaube, bei CETA ist das schon recht gut gelungen.

Noch einmal, CETA wird angegriffen aufgrund dieses Vorranges, dass die EU es teilweise schon in Kraft setzen kann für Dinge, die einfach im Gesetzgebungsbereich der EU liegen. Dann wird behauptet, das wäre nicht demokratisch. Das ist aber nicht korrekt, weil die Nationalstaaten diese entsprechenden Kompetenzen an die EU abgegeben haben, und das auch aus gutem Grund, weil man das einfach in der Gemeinschaft besser verhandelt als jeder Staat an sich. Auch das ist also kein Argument.

Der Kollege Bierbaum hat auch noch gesagt, dass es ihm um den Ausgleich des öffentlichen Interesses gegen privatwirtschaftliche Interessen geht. Das ist mit Sicherheit ein sehr wichtiges Feld, das wir als Politiker im Auge behalten müssen, aber ich glaube, über die Freihandelsabkommen diese Diskussion zu führen, ist eine Stellvertreterdiskussion. Im Detail, in der Ausführung geht es natürlich immer wieder darum, aber es nicht prinzipiell so, dass es im privatwirtschaftlichen Interesse liegt, Freihandelsabkommen zu schließen, und im öffentlichen Interesse liegt, sie nicht zu schließen. Das führt meiner Meinung nach zu kurz.

Die Art der Verhandlung ist mit Sicherheit ein Problem, wir haben auch von der Intransparenz gehört. Ob es jetzt so ist oder nicht oder ob man den Parlamentariern, die da verhandeln, vertrauen kann oder nicht, das muss man getrennt diskutieren, dafür reicht aber meine Redezeit bei Weitem nicht aus. Allerdings muss ich konstatieren, dass man heute wohl Abkommen so nicht mehr verhandeln kann, das zeigt der öffentliche Druck. Daraus muss man lernen, das muss in Zukunft besser werden.

Ein kurzes Wort noch zu den beiden Anträgen. Auch hier habe ich das Gefühl, es werden wieder die üblichen Halbwahrheiten, die man oft in der öffentlichen Diskussion zu dem Freihandelsabkommen hört, einfach noch mal unreflektiert durchgekaut. Das schürt

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

natürlich Wut, das schürt Aggression. Auch vor diesem Hintergrund muss ich diese Anträge leider ablehnen. Ich halte die Freihandelsabkommen für kritisch, definitiv. Das wird weitreichende Folgen haben, aber wir müssen sie gestalten. Eine prinzipielle Ablehnung in der Richtung wird uns nicht weiterführen. - Vielen Dank!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Danke, Herr Fraktionsvorsitzender. - Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion, Drucksache 15/1956. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke schön. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Danke schön. - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/1956 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fraktion DIE LINKE sowie von der PIRATEN-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Andreas Augustin. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie der Fraktionsvorsitzende der PIRATEN Michael Hilberer. Enthalten hat sich die Kollegin Freigang.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 15/1965. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke schön. - Wer ist dagegen? - Danke. - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/1965 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktion DIE LINKE sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die Fraktion der PIRATEN.

Wir kommen zu den Punkten 9 und 15 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln fördern

(Drucksache 15/1962)

Beschlussfassung über den von der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Bewusstsein für Lebensmittel stärken - regionale Produkte fördern (Druck- sache 15/1966)

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Frau Abgeordneter Pia Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Viele Lebensmittel landen auf dem Müll. Auf dem Weg vom Acker über die Produktion zum Großmarkt oder Gastgewerbe bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern werden brauchbare Lebensmittel weggeworfen. Das Ausmaß der Verschwendung ist noch nicht präsent genug, genauso wie die verheerenden weltweiten sozialen und ökologischen Folgen. Für die Produktion von Lebensmitteln werden Wasser und Rohstoffe verbraucht und landwirtschaftliche Flächen genutzt und dann werden nicht unerhebliche Mengen an Lebensmitteln weggeworfen.

Bundesweit landen in Deutschland jedes Jahr 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von circa 25 Milliarden Euro auf dem Müll. Heruntergerechnet auf das Saarland bedeutet das 82 Kilo Lebensmittel pro Einwohner, das heißt, alle Saarländer zusammen verschwenden im Jahr circa 80 Millionen Kilogramm Lebensmittel - eine nicht akzeptable Zahl nur für dieses kleine Bundesland.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind jedoch nur für etwa 40 Prozent der Lebensmittelabfälle verantwortlich. Lebensmittelverluste entstehen ebenso entlang der gesamten Kette vom Acker bis zum Verbraucher. Die Verschwendung von Lebensmitteln hat auch Auswirkungen auf die Umwelt wie zum Beispiel das Roden riesiger Flächen der Regenwälder zum Anbau von Palmöl. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft sowie den Handel zum Umdenken und zum Rückgriff auf regionale Produkte zu bewegen, schon allein wegen des Umweltrucksacks dieser Produkte und wegen des Umweltschutzes.

(Sprechen.)

Ein Rückgriff auf regionale Produkte ist ein Teil von vielen Lösungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang spielt auch die Wertschätzung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Wir müssen nicht nur die Ernährungsbildung und das Wissen über Landwirtschaft stärken, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher für den Wert von Lebensmitteln besser sensibilisieren, damit sie ihren Beitrag zur Reduktion vermeidbarer Lebensmittelabfälle leisten können.

(Anhaltendes Sprechen.)

Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr unruhig. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Wichtig ist es, wie schon an einigen Schulen und Kindergärten praktiziert - aber bei Weitem noch aus

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

baufähig -, Kindern und Jugendlichen über zum Beispiel Schulgärten, Bauernschulpatenschaften oder die Betreuung von Bienenvölkern lebensnah den Ursprung der Lebensmittel zu vermitteln.

Daher möchte ich in diesem Zusammenhang das EU-Schulobstprogramm, welches das Saarland damals als erstes Bundesland eingeführt hat, noch mal positiv erwähnen. Ziel des Schulobstprogrammes ist es, den Verzehr von Obst und Gemüse bei Kindern zu steigern und so deren Ernährungsgewohnheiten dauerhaft im Hinblick auf eine der Gesundheit förderliche und ausgewogene Kost zu prägen. Gleichzeitig dient das Programm der Absatzförderung von Obst und Gemüse, das nach Möglichkeit regional und ökologisch erzeugt wurde. - Ein rundweg sinnvolles und daher auch erfolgreiches Projekt.

Nach wie vor ist der Trend ungebrochen, sich immer bewusster zu ernähren beziehungsweise umweltbewusster zu konsumieren. Dennoch landen Jahr für Jahr in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, rund 1,3 Milliarden Tonnen Essen weltweit. Gleichzeitig hungern auf der Welt über 795 Millionen Menschen, während Lebensmittel wie zum Beispiel Milch, Fleisch und Getreide immer billiger werden und die Landwirte bei den Produktionskosten oft drauflegen müssen.

Mit den weltweit weggeworfenen Lebensmitteln könnte das Ernährungsproblem der gesamten Weltbevölkerung gelöst werden, weil dann jeder Erdenbürger circa 3.000 Kalorien pro Tag zur Verfügung hätte. - Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die Wertschätzung und das Bewusstsein bei den Menschen zu schaffen, kann aber nur eine Seite der Medaille sein. Auch die Lebensmittelindustrie beziehungsweise der Handel sowie das produzierende als auch das verarbeitende Gewerbe müssen hier neue Wege beschreiten.

Nach wie vor werden in der Landwirtschaft erzeugte Produkte wie Gurken und Salat einfach weggeworfen, weil sie nicht dem Marktpreis entsprechen oder nicht die gewünschten Standards erfüllen. Durch Transport und Vertrieb verderben Obst- und Gemüsesorten. Die Hersteller sind bei Überproduktion bestrebt, diese zu vernichten. Die meisten Bäckereien entsorgen immer noch das Brot und die Brötchen vom Vortag. Einige bieten sie den Kunden mittlerweile zum halben Preis an. Kantinen müssen Essensreste aus hygienischen Gründen entsorgen.

Wichtig wäre es unserer Meinung nach, den Handel zu sensibilisieren, damit diese durchaus noch verzehrbaren Produkte nicht auf dem Müll landen, sondern denen zur Verfügung gestellt werden, die sie

an Bedürftige weitergeben können, wie zum Beispiel den Tafeln.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Jeder sollte selbst entscheiden können, ob er einen Joghurt, der gerade einmal einen Tag das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat, noch verzehren möchte oder nicht. Leicht verderbliche, nicht so lange haltbare Lebensmittel benötigen aber nach wie vor ein Mindesthaltbarkeits- oder Verfallsdatum als wichtige Orientierung. Bei anderen dauerhaft haltbaren oder länger haltbaren Produkten wie Zucker und Salz, Kaffee, Tee und Nudeln kann dagegen auf ein Mindesthaltbarkeitsdatum verzichtet werden. Die bundesweite Kampagne „Zu gut für die Tonne“ sollte unbedingt fortgeführt werden.

Auch ein verstärktes Angebot des Handels, kleinere Packungsgrößen anzubieten, das den Bedürfnissen der ständig steigenden Zahl an Singlehaushalten und der allein lebenden älteren Menschen Rechnung trägt, ist ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung.

Frankreich und Italien sind da schon einen Schritt weiter als wir. Frankreich hat ein Gesetz verabschiedet, das Supermärkte ab 400 m² Ladenfläche verpflichtet, nicht verkaufte Waren billiger abzugeben oder zu spenden, nicht mehr genießbare Lebensmittel zu kompostieren mit dem Ziel, die Abfallmengen bis 2025 zu halbieren. Italien hat ein Gesetz verabschiedet, in dem die Möglichkeiten der Lebensmittelspenden umfassend vereinfacht und die Vorschriften zum Mindesthaltbarkeitsdatum beziehungsweise Verbrauchsdatum reformiert wurden.

Zu begrüßen ist, dass die neue EU-Abfallrahmenrichtlinie nunmehr auch Lebensmittelabfälle aufgenommen hat. Lebensmittelabfälle sollen beim Einzelhandel, beim Konsumenten, aber auch entlang der Lieferkette verhindert werden. Mitgliedsstaaten sollen deshalb dafür sorgen, dass bis 2030 der Lebensmittelabfall um 50 Prozent reduziert wird.

Auch das kürzlich von Umweltministerin Barbara Hendricks im Rahmen des integrierten Umweltprogramms 2030 vorgestellte sogenannte Öko-Etikett, auch als „zweites Preisschild“ bekannt, kann dabei helfen, Lebensmittel, deren Herstellung die Umwelt massiv schädigt, nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt zu konsumieren wie beispielsweise Rindfleisch aus Massentierhaltung, bei der große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden.

Abschließend kann man sagen: Die Ansatzpunkte sind mannigfaltig und die Chancen groß, bei allen Beteiligten ein anderes - besseres - Bewusstsein für Lebensmittel zu schaffen. Hierbei fällt immer wieder das gleiche Wort: Wertschätzung. Deshalb setzen wir uns für ein Gesetz gegen die anhaltende Lebensmittelverschwendung auf Bundesebene ein. Wir

(Abg. Döring (SPD) )

fordern die Landesregierung auf: sich auf Bundesebene für die Prüfung eines Öko-Etiketts einzusetzen, eine Arbeitsgruppe beziehungsweise einen Runden Tisch einzurichten, der mit Beteiligten aus Politik, Verbänden, Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe sinnvolle Strategien gegen Lebensmittelverschwendung entwirft; im Rahmen eines Zertifizierungsprozesses solche Kantinen auszuzeichnen, die besonders wenige Lebensmittelabfälle produzieren und dadurch Transparenz beim Verbraucher schaffen und ein positives Signal in den privaten Sektor senden; Lebensmittelproduktion und -vermarktung weiter zu fördern und das öffentliche Bewusstsein und deren Bedeutung für Ökologie und Ökonomie weiter zu stärken; eine Bundesinitiative zur Einschränkung der verpflichtenden Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums zu prüfen.

Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass wir mit der heutigen Plenardebatte einen Denk- und Arbeitsprozess anstoßen, an dessen Ende sowohl bei Industrie und Handel als auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ein neues Bewusstsein dafür geschaffen wird, einen fortschrittlichen und nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln langfristig zu etablieren.

An dieser Stelle danke ich unserem Verbraucherschutzminister Reinhold Jost für seinen unermüdlichen Einsatz gegen die Lebensmittelverschwendung und den Preisverfall von Landwirtschaftsprodukten und würde mir wünschen, dass sein Engagement von allen im Landtag vertretenen Fraktionen entsprechend unterstützt wird, denn es geht um eine wichtige gesellschaftliche und keine parteipolitische Aufgabe.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bitte um Zustimmung für unseren Antrag und möchte mitteilen, dass wir auch dem Antrag der PIRATEN zustimmen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und den PI- RATEN.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Zur Begründung des Antrages der PIRATEN-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Jasmin Freigang das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits gehört: Etwa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von ungefähr 25 Millionen Euro landen jedes Jahr auf dem Müll. Um diese Menge zu transportieren, sind 275.000 Sattelschlepper notwendig. Hintereinander gestellt ergibt das eine Strecke von Düsseldorf nach Lissabon und zurück. Teils finden diese Lebensmittel nicht einmal den Weg zu den Endverbrauchern. Viele Lebensmit