Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich denke, dass wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzes in der Tat einen deutlichen Fortschritt erzielen, einen Fortschritt als Grundlage der dann noch ausstehenden Verbesserungen des öffentlichen Personennahverkehrs. Wir denken aber auch, dass dieser Gesetzentwurf noch weiter verbessert werden kann. Deswegen möchte ich empfehlen, hier im Plenum unseren Abänderungsantrag nicht, wie im Ausschuss geschehen, abzulehnen, sondern ihn anzunehmen. In die gleiche Richtung geht der Abänderungsantrag der Kollegen der Fraktion der PIRATEN, den wir daher ebenfalls zur Annahme empfehlen. Weil wir auch kleine und kleinste Fortschritte honorieren wollen - ich habe es im Ausschuss bereits gesagt -, stimmen wir auch dem Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu, der ja zum Abänderungsantrag des Ausschusses insgesamt geworden ist. Was den Gesetzentwurf insgesamt angeht, sehen wir noch erhebliches Verbesserungspotenzial. Deshalb werden wir ihn zwar nicht ablehnen, uns aber enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Peter Strobel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der moderne öffentliche Personennahverkehr, wie wir ihn uns vorstellen, orientiert sich in allererster Linie zunächst einmal an den Nutzern beziehungsweise an denen, die wir als potentielle Nutzer im Auge haben, für die aber im Moment das Angebot nicht passt. Auch für

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

die wollen wir was tun. Diesem Ziel haben wir unsere Überlegungen zum neuen ÖPNV-Gesetz zugrunde gelegt und wir haben daher aus der Perspektive der Nutzer gedacht.

Die neuen Regelungen setzen sich zusammen aus dem eigentlichen Gesetz und einem Kooperationsund Dienstleistungsvertrag. Kern des Gesetzes ist die Strukturveränderung und die damit verbundene Weiterentwicklung der bisherigen Verkehrskooperation zum pflichtigen Verbund der Aufgabenträger. Die Gestaltung des ÖPNV wird nunmehr pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit. Im neuen Zweckverband Personennahverkehr Saarland - ZPS - sind alle Aufgabenträger Mitglieder, also die Landkreise, die auch bisher schon Aufgabenträger waren, das Land und jetzt neu die Kommunen mit eigenen Verkehrsbetrieben, das sind derzeit die Landeshauptstadt Saarbrücken und die Mittelstadt Völklingen.

Die VGS erhält die Funktion der Geschäftsstelle des ZPS-neu. Dort werden folgende Leistungen gebündelt erbracht: die integrierte und koordinierte Verkehrsgestaltung des ÖPNV, die Fortentwicklung des Gemeinschaftstarifs, die einheitlichen Beförderungsbedingungen, die einheitlichen Produkt- und Qualitätsstandards - was das Fahrgastinformationssystem angeht, das Betriebssystem, aber auch das Material -, ein einheitliches Marketing, die einheitliche Gestaltung der Kundenpartizipation. Ganz besonders wichtig ist, dass die Ausschreibung der Verkehre dort erfolgen wird und daraus resultierend auch die Vergaben mit Ausnahme der Inhouse-Vergaben natürlich, und wir werden dort ein permanentes Controlling aller Verträge sehen. Dort wird auch die Entwurfsbearbeitung der Nahverkehrspläne gemacht werden und die Mittelzuweisung und die Verwendungskontrolle für die Ausgleichszahlungen im Ausbildungsverkehr. Es ist also ein umfassendes Programm, das zukünftig dort absolviert wird.

Das neue ÖPNV-Gesetz sieht vor, die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr nach Preis-Kosten-Ausgleich mit einer ÖPNV-Pauschale und damit absolut transparent an die Aufgabenträger auszuzahlen. Regionalisierungs- und Entflechtungsmittel bleiben beim Land, was auch durchaus Sinn macht, weil die Regierung bei Projekten von übergeordnetem Landesinteresse Herrin des Verfahrens bleiben muss. Was die Sonderlasten der BOStrab-Strecke für die Landeshauptstadt Saarbrücken und die Gemeinde Riegelsberg angeht, sieht das Verkehrsministerium keinen finanziellen Spielraum für eine Änderung der bisherigen Regelung. Das Anliegen der beiden Kommunen, hier eine Erleichterung herbeizuführen, ist natürlich nachvollziehbar. Das Wirtschaftsministerium ist in entsprechenden Gesprächen, Eugen Roth hat das eben schon erwähnt. Eine Gleichstellung von EBO- und BOStrab-Strecke,

wie es die PIRATEN in ihrem Antrag im September gefordert haben, wird es aber leider nicht geben können, das ist von der Finanzierung her leider derzeit nicht zu stemmen.

Die Anhörung zum ÖPNV-Gesetz hat gezeigt, dass die unterschiedlichen Beteiligten durchaus unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben, dass es aber auch konsensuale Interessen gibt. In diesem Sinn haben wir unseren Änderungsantrag formuliert. Wir betonen die Notwendigkeit, den ÖPNV selbst und die gesetzliche Grundlage viel stärker grenzüberschreitend zu denken - über Landes- und Bundesgrenzen hinweg als Verkehre innerhalb der Großregion ganz im Sinne der Frankreichstrategie der Landesregierung. Das neue ÖPNV-Gesetz eröffnet hier alle Möglichkeiten. Es wird den ÖPNV grenzüberschreitend mit Sicherheit ein Stück weiterbringen.

Entsprechend den Regelungen im Bundespersonenbeförderungsgesetz sind die Verkehrsleistungen grundsätzlich eigenwirtschaftlich zu erbringen. Daraus erwächst der Wunsch nach Transparenz, Effizienz und Diskriminierungsfreiheit. Deswegen muss den Vergaben eine außerordentlich präzise Ausschreibung zugrunde gelegt werden, damit wir einen funktionierenden Wettbewerb der unterschiedlichen Verkehrsanbieter gewährleisten können und wir mittelständischen Unternehmen den Zugang zum Markt ermöglichen. Wir wollen uns auch offen zeigen für die Möglichkeiten und Chancen, die uns die zunehmende Digitalisierung bietet, beispielsweise im Bereich des Ticketing oder etwa im Bereich des autonomen Fahrens. Ich erinnere an meine Anmerkungen in der Ersten Lesung zur fahrerlosen U-Bahn, die es in Nürnberg ja bereits gibt.

Das ÖPNV-Gesetz gibt den Rahmen für die Organisation und die Finanzierung des ÖPNV im Saarland vor. Konkrete Vereinbarungen zum operativen Geschäft werden im Kooperationsund Dienstleistungsvertrag geregelt, der dann auch flexibel angepasst werden kann. Hierin wird unter anderem das Tarifsystem geregelt. Das Wabensystem wird im Sinne der Benutzerfreundlichkeit überarbeitet und attraktive Kurzstreckentarife werden neu eingeführt. Es gibt Freiräume für Aktions- und Park-and-RideTarife. Die Systematik von Gesetz und Vertrag folgt dem Vorbild der Organisation des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar, den man aufgrund seiner Nutzerzahlen als durchaus erfolgreich bezeichnen darf.

Im Sinne der Attraktivität des ÖPNV und der damit verbundenen Möglichkeiten für die Nutzer halte ich im Übrigen - ich habe das schon öfters gesagt - den mittel- bis langfristigen Anschluss des saarländischen ÖPNV an den Verkehrsverbund RheinNeckar weiterhin für einen reizvollen Gedanken. Das neue ÖPNV-Gesetz verbaut uns zumindest diesbezüglich nichts, genauso wenig, wie es Überlegungen

(Abg. Strobel (CDU) )

zu zusätzlichen Mobilitätsmöglichkeiten an den Anschlussstellen des ÖPNV verhindert - ich nenne exemplarisch Car-Sharing oder Fahrradverleihsysteme.

Die Änderungsanträge der Opposition zeigen durchaus einige Gemeinsamkeiten - Herr Professor Bierbaum hat auch darauf hingewiesen -, aber natürlich auch Unterschiede. Ich möchte ein Beispiel aus dem Gesetzentwurf der PIRATEN aufgreifen, dort heißt es unter Punkt 2: In § 4 soll verändert werden - ich zitiere aus dem Abänderungsantrag -: „Es werden zukünftig Voraussetzungen dafür geschaffen, den öffentlichen Nahverkehr im Saarland über Beiträge zu finanzieren.“ Das können wir natürlich nicht mitmachen, denn das ist Ihr Konzept vom ÖPNV für lau,

(Heiterkeit. - Abg. Hilberer (PIRATEN) : Das heißt, man braucht es doch nicht zu bezahlen?)

deswegen können wir natürlich Ihrem Änderungsantrag leider nicht zustimmen.

Alles in allem ist das neue ÖPNV-Gesetz eine gute Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung des ÖPNV in unserem Land. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu dem Gesetz mit dem Änderungsantrag des Ausschusses. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der saarländische Nahverkehr, dessen Grundlage bis heute noch das ÖPNV-Gesetz von 1998 bildet, ist durch eine sehr kleinteilige und sehr komplexe Struktur geprägt. Diese Struktur hat bis zum heutigen Tage dazu geführt, dass der ÖPNV im Saarland im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht darstellt, das muss man immer wieder betonen. Alle Verwaltungsebenen, vom Land über die Kreise bis zu den Gemeinden, sind daran beteiligt. Die Finanzierung erfolgt im Wesentlichen über die Landesregierung durch die vom Bund gezahlten Regionalisierungsmittel. Diese Mittel fließen zum größten Teil in den Schienennahverkehr und darüber hinaus an den Saarländischen Verkehrsverbund, an die Kommunen und an die Landkreise und für Investitionszwecke auch an Verkehrsunternehmen.

Diese Strukturen haben sich allerdings zusehends überholt, nein, sie bilden sogar ein Hemmnis für einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr hier im Saarland. Die Auswirkungen dieser Strukturen stellen sich besonders anhand der Ineffizienz des ÖPNV hier im Saarland dar. Andere Verkehrs

räume mit gleicher Einwohnerdichte kommen annähernd auf die doppelte Nachfrage nach ÖPNV-Leistungen. Als Beispiel kann man hier immer wieder den Verkehrsverbund Karlsruhe heranziehen, der mit einer Einwohnerdichte von 376 auf 133 Fahrten pro Einwohnerin und Einwohner kommt. Der SaarVV kommt bei einer Einwohnerdichte von 385 - also fast der gleichen - gerade mal auf die Hälfte der Fahrten, auf 75 Fahrten pro Einwohner. Darüber hinaus ist das Angebot hier im Saarland viel zu teuer. Der SaarVV, das muss man auch immer wieder erwähnen, gehört zu den teuersten Verkehrsverbünden, die hier in Deutschland zu finden sind. Und dazu kommt noch: Die Verbindungen im SaarVV sind schlecht aufeinander abgestimmt.

Deshalb haben wir auch einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der versucht hat, diese Probleme grundsätzlich anzugehen. Wir haben das bereits im September des Jahres 2014 getan und haben versucht, mit unserem Gesetzentwurf die völlig zerklüfteten Strukturen hier im Saarland zum sogenannten ZPS-neu zusammenzuführen. Dadurch wäre ein echter Verkehrsverbund in diesem Lande entstanden, der dann bei gleichen Finanzierungsmitteln ähnlich gut funktionieren könnte wie im Nachbarland Rheinland-Pfalz oder wie in Nordrhein-Westfalen. Vorteil wäre gewesen, dass die Finanzhoheit an diesen ZPS neu übertragen worden wäre. Damit wären die Kommunen, die den Großteil der Last zu tragen haben, als die Gewinner aus diesem neuen Gesetz hervorgegangen. Auch die Landeshauptstadt Saarbrücken hätte davon profitiert. Denn dadurch, dass der ZPS-neu Aufgabenträger für den ÖPNV mit landesweiter Bedeutung geworden wäre, hätte er auch die Aufgabenträgerschaft zumindest teilweise übernommen und hätte sie komplett aus den Regionalisierungsmitteln finanzieren können. Wir wissen alle, gerade die Saarbahn in diesem Land hat ein Defizit in Millionenhöhe.

Zum Regierungsentwurf. Wir kennen alle den Satz: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Nur trifft dieser Satz auf Ihren Entwurf, Frau Ministerin, leider nicht zu. Ganze drei Jahre haben Sie gebraucht, um überhaupt etwas zu Papier zu bringen, zu dem man eigentlich nur sagen kann: Alter Wein in neuen Schläuchen. Das sagen auch eigentlich alle Fachleute hier in diesem Land.

An der bisherigen Methode, wonach das Land die Regionalisierungsmittel vereinnahmt und sie nach dem Entflechtungsgesetz verteilt, wird nicht gerüttelt. Wir haben in der Vergangenheit immer gefordert, dass die Mittel einem integrierten ZPS zugeführt werden, wo dann alle Aufgabenträger, also Land, Kreise und Kommunen, einen Verteilungsschlüssel für die Pauschale zur Finanzierung des SPNV und des straßengebundenen ÖPNV definieren würden. Das wäre transparent, das wäre ge

(Abg. Strobel (CDU) )

recht, und vor allen Dingen wäre es auch wettbewerbskonform. Genau das ist Ihr Entwurf nicht.

Was wir jetzt haben, gleicht wieder eher einem Tarifverbund als einem Verkehrsverbund. Es hilft eben nichts, das wird seit Jahren im Saarland so gemacht, wenn ich einen Tarifverbund als Verkehrsverbund lackiere, wird daraus eben kein Verkehrsverbund. Tatsache ist, das Land bleibt Aufgabenträger für den ÖPNV, und das birgt ganz verschiedene Problemstellungen. Man muss sich vor Augen halten, dass das Saarland bisher 11 Euro pro gefahrenen Kilometer an die Bahn bezahlt hat. In den anderen Bundesländern zahlt das Land im Durchschnitt 5 Euro pro gefahrenen Kilometer. Das ist schon ein drastischer Unterschied, den man sich immer wieder vor Augen führen muss. Wir haben also eine drastische Übersubventionierung der Bahn in diesem Land, und das geht zulasten eines besseren Angebots.

Wie die Finanzverteilung überhaupt vonstattengehen wird, bleibt in Ihrem Gesetzentwurf weiterhin völlig unklar. Beispielsweise soll die ÖPNV-Pauschale an die Verkehrsunternehmen auf mindestens 8 Millionen Euro pro Jahr festgeschrieben werden. Was bedeutet eigentlich dieses „mindestens“? Das ist eine sehr unklare Definition. Warum legen Sie nicht eine Dynamisierung von 1,8 Prozent fest, mit denen die Regionalisierungsmittel pro Jahr erhöht werden? Das könnte man machen, wenn man es konkreter haben wollte. Darüber hinaus ist es künftig so, dass Busunternehmen keine finanziellen Zuschüsse mehr für die Anschaffung neuer Fahrzeuge erhalten, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Wie die Vertreter der Landkreise St. Wendel und Saarlouis betonten, müsste die Pauschale auf mindestens 14 Millionen Euro aufgestockt werden, um Investitionen gewährleisten zu können.

Ein weiteres Problem ist und bleibt die Finanzierung der Saarbahn, ich habe es eben angesprochen. Die Saarbahn gilt je nach Gebiet entweder als Eisenbahn und erhält Regionalisierungsmittel, oder sie gilt als Straßenbahn ohne finanzielle Unterstützung vom Land. Mit dieser Regelung entstehen hohe Kosten für die Saarbahn und auch für die Landeshauptstadt Saarbrücken. Ein weiterer Ausbau der Saarbahn wird über diese Art der Finanzierung faktisch verhindert. Der Zuschuss von circa 3 Millionen Euro, den die Saarbahn nach den Verhandlungen zusätzlich erhalten soll, wird die Finanzierungslücke von rund 7,3 Millionen Euro wohl kaum kompensieren können.

Wir bleiben deshalb bei unserer Forderung, dass die Struktur noch einmal grundlegend überarbeitet werden muss. Ein leistungsfähiger ÖPNV kann nur gelingen, wenn sich das Land und die kommunalen Aufgabenträger zusammenschließen und gleich stimmberechtigt über die Verteilung der Finanzmittel

für den ÖPNV und über den Schienenverkehr entscheiden. Das würde gewährleisten, dass die Finanzmittel wirklich effektiv eingesetzt werden können. All das sind die Gründe, warum wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. - Vielen Dank.

(Beifall von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei den PIRATEN.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer.

Vielen lieben Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich eine Freude, heute erneut das Thema öffentlicher Personennahverkehr hier in der großen Plenarrunde anzusprechen. Kollege Eugen Roth, Sie haben vorhin so schön gesagt: So weit waren wir seit Jahrzehnten nicht mehr. Da haben Sie leider recht, denn wir kommen aus 20 Jahren Stillstand auf diesem ganzen Gebiet, wir sind tatsächlich seit Jahrzehnten nicht mehr so weit gewesen wie heute. Klare Zuständigkeiten, attraktives Angebot, fairer Preis. Das wären die Zutaten für einen erfolgreichen ÖPNV in diesem Land. Ich muss leider sagen, der Entwurf, den die Landesregierung vorgelegt hat, kann an diesen zentralen Stellen nicht liefern. Nach 20 Jahren Stillstand, und es waren eben 20 Jahre Stillstand, ist diese Reform einfach unzureichend. Besser ist da natürlich unser Abänderungsantrag.

(Heiterkeit und Sprechen. - Zuruf des Abgeordne- ten Strobel (CDU).)

Herrn Kollegen Strobel ist vorhin auch aufgefallen, der Schelm hat es gemerkt, dass wir wieder einen umlagefinanzierten ÖPNV in dem Antrag versteckt haben. Das kommt natürlich nicht von ungefähr, es sind die Forderungen, die wir bereits in unserem Gesetzentwurf von 2013 hier ins Plenum eingebracht haben und die leider keinen Niederschlag im jetzigen Entwurf der Regierung gefunden haben. Das lässt sich aber natürlich durch die Annahme unseres Abänderungsantrags noch problemlos heilen.

(Beifall bei PIRATEN und B 90/GRÜNE. - Spre- chen und Heiterkeit.)

Ein ÖPNV, der umlagefinanziert ist, der aus einer Hand gemanagt wird, das ist wahre Kundenorientierung. Da geht es uns nicht mehr um die Kunden, die heute schon mit dem ÖPNV fahren müssen. Das müssen wir leider sagen, weil viele Menschen bei uns im Land nicht deshalb mit dem ÖPNV fahren, weil sie ihn so toll finden und er so attraktiv ist, sondern weil sie fahren müssen und leider keine Alternative haben. Wir denken also nicht nur an die, die heute schon fahren müssen, sondern wir denken vor allem an die, die in Zukunft fahren wollen, weil dann

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

dieser ÖPNV in der Umlagefinanzierung für alle fahrscheinlos so attraktiv ausgebaut werden kann und mit einer zentralen Zuständigkeit für die Planung so toll wird, dass jeder damit fahren will.

(Beifall bei PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Auch nicht zu vergessen an der Stelle: Es wäre endlich die lange fällige Entlastung für Familien. In unserem Umlagefinanzierungsentwurf ist es schlicht und ergreifend so, dass man unter 18 Jahren überhaupt keine Umlagefinanzierung bezahlen muss. Dann, lieber Kollege, ist es tatsächlich ÖPNV für lau, für alle Kinder, dann ist es eine klare Entlastung der Familien. Das ist der Ausstieg aus der Abzocke durch die Schülerverkehre, die heute leider zum großen Teil den ÖPNV finanzieren.

(Beifall bei PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Kollege Roth, Sie haben eben das schöne Beispiel der wandernden Wabe erwähnt. Das ist nur ein Herumdoktern an sehr schlechten Symptomen der Tarifstruktur. Es macht die Sache nicht einfacher. Wir wollen, dass derjenige, der in unserem Land von A nach B will, einfach in Bus und Zug „reinfallen“ und „rausfallen“ kann, wo er will. Er muss sich überhaupt keine Gedanken machen über wandernde Waben, ob er noch eine Haltestelle weiterfährt, ob er mehr bezahlen muss oder nicht. Nein, er hat schon bezahlt, er kann rein, er muss keinen Fahrschein zeigen. Das ist ein zukunftsfähiges Konzept, deshalb brauchen wir es umlagefinanziert, deshalb brauchen wir es fahrscheinlos.

(Beifall bei PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Wir brauchen den politischen Willen zu sagen, der ÖPNV in unserem Land muss eine vollwertige Alternative zum eigenen Auto sein. Das muss das Ziel sein, so muss es definiert sein. Bisher fehlt es an diesem Willen. Deshalb muss ich leider sagen, auch wenn dieser Entwurf in vielen Detailpunkten heute eine Verbesserung bringt, ist er doch ein uninspirierter Entwurf. Wenn man sich das große Ziel setzt, wenigstens mit dem Individualverkehr in diesem Land gleichziehen zu wollen, ist es zu wenig.

Erlauben Sie mir noch einen Hinweis. Wir hatten die Verzögerungstaktik Regionalisierungsmittel. Was mich nach wie vor wundert, ich finde in diesem Entwurf keinen belastbaren Hinweis darauf, warum wir auf die Einigung der Regionalisierungsmittel haben warten müssen. Aber ich bin mir sicher, die Verkehrsministerin wird nachher dazu noch ein Wort sagen. Im Moment erschließt es sich mir nicht, was der Grund war, dass wir auf diesen Entwurf so lange warten mussten. Es erscheint mir als Verzögerungstaktik.