Reden wir über eine individuelle Förderung, dann können wir diese nicht allein auf die Frage von Richtwerten reduzieren. Wenn man die Begründung liest, müsste man konsequenterweise auf einen anderen Weg kommen. Dann müsste man darüber reden: Was ist mit dem Schulgesetz und was ist mit dem Haushaltsgesetz?
Von daher ist das hier Wahlkampf. Ansonsten würde ich auch Ihre Anzeigen in den Zeitungen nicht verstehen.
Es bleibt dabei – und das sage ich jetzt ganz bewusst unaufgeregt –: Wenn wir auch inhaltlich eine Übereinstimmung mit der Forderung des FDP-Antrages haben, so haben wir uns in der Koalition nicht auf ein anderes Ergebnis einigen können; deshalb werden wir ebenfalls ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion verfolgt ein wichtiges Anliegen. Bildungsexperten halten relativ kleine Klassen für pädagogisch sinnvoll im Sinne einer hohen Qualität des Schulunterrichtes. Frau Bonk hat es soeben ausführlich ausgeführt.
Gerade vor dem Hintergrund der Zunahme sozialer Spannungen und ihrer Übertragung von den Familien auf die Schule wäre eine langfristige Absenkung der Richtwerte zur Klassenbildung günstig. An dieser Stelle sei auch der erhöhte pädagogische und vor allem sozialpädagogische Aufwand – insbesondere in den sächsischen Großstädten – erwähnt, der durch Ihre Einwanderungspolitik verursacht wird. Das geht an die Koalition.
Jedenfalls steht fest, dass Schülerinnen und Schüler in Zukunft noch individueller als bisher gefördert werden müssen. Eine Verkleinerung der Klassen – sei sie geplant
oder sei sie durch die Abnahme der Schülerzahlen bedingt – ist ein Gebot der Bildungspolitik. Klassenstärken unterliegen naturgemäß einer gewissen Schwankung. Deshalb müssen die Richtwerte zur Klassenbildung von Zeit zu Zeit an die Realität angepasst werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass mittelfristig eine falsche Planung des Bedarfs an Lehrern und beim Schulhausbau stattfindet.
Schon heute weisen Praktiker darauf hin, dass aufgrund der Richtwerte eine unrealistische Planung des Lehrerbedarfs stattfindet, was wiederum den sächsischen Schülerinnen und Schülern in einigen Jahren zum Nachteil gereichen wird. Auch die weitere Planung der Schulbauten im Freistaat droht mittelfristig unrealistisch zu werden, wenn an den jetzigen Richtwerten festgehalten wird. Mir ist auch unverständlich, warum nach der Änderung des Schulgesetzes, den Klassenteiler von 33 auf 28 Schüler zu senken, die Richtwerte nicht angepasst wurden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man mittels der alten Richtwerte schlicht und einfach bei der Bedarfsplanung sparen wollte.
Damit bin ich am wunden Punkt des FDP-Antrages angekommen. Sie sind leider an keiner Stelle Ihres Antrages auf die finanziellen Folgen des Begehrens eingegangen. Dadurch setzen Sie sich wieder einmal des Verdachtes des bloßen Populismus aus, obwohl Sie grundsätzlich ein richtiges Ziel verfolgen. Bekanntlich leiden die Anträge der sächsischen Liberalen öfter an diesem Manko.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte ja nichts unversucht lassen, um auf der Baustelle des sächsischen Bildungssystems ein paar Grundpfeiler einzuschlagen, die dem Gebäude eine größere Stabilität verleihen und ihm gleichzeitig eine moderne Architektur verpassen.
Hieran haben schon viele mitzuwirken versucht; beispielsweise auch meine Fraktion bereits im Frühjahr 2005, als wir einen eigenen Gesetzentwurf zum Sächsischen Schulgesetz vorgelegt und darin das angeregt haben, was die FPD heute auch wünscht: kleinere Klassen, individuelle Förderung und alles, was dazugehört. Die PDS – damals hieß sie noch so – hat ebenfalls einen ähnlichen Vorstoß in diese Richtung gewagt. Bislang allerdings waren alle Bemühungen der Opposition vergebens, die Koalition auf einen vernünftigen schulpolitischen Kurs zu bringen.
Herr Colditz und Herr Hähle, es würde mir unheimlich viel Redezeit ersparen, wenn Sie einfach fragen und ich antworten würde.
(Dr. Fritz Hähle, CDU: Ich habe nichts zu fragen, sondern ich habe nur gesagt, Sie stellen nicht die Regierung!)
Wer weiß, was noch kommt. – Wir kennen zum Beispiel alle die Pressemitteilung des bildungspolitischen Sprechers der Sozialdemokraten, Martin Dulig, vom April dieses Jahres, in der er Bezug auf dieses Problem nimmt. Ich zitiere ihn – er hätte es jetzt ansprechen können –: „Die Klassenrichtwerte entsprechen weder der gesetzlichen Lage noch der Realität. Wir erwarten, dass die Staatsregierung den Klassenrichtwert an die veränderte gesetzliche Lage und die Realität anpasst.“ – So weit, so gut.
Wir hören, dass auch die CDU, von der Not getrieben, auf ihren Regionalkonferenzen nun verkündet, dass sie nichts mehr gegen einzügige Mittelschulen hat. Ich war erstaunt.
Mir wurde das berichtet, Herr Flath. Im Kreis Kamenz hat Herr Hähle das erzählt und die Zuhörer waren ergriffen und begeistert.
Im sogenannten Strategiepapier der CDU für die Zukunft des ländlichen Raumes steht geschrieben: „Eine weitere Reduzierung von Schulen im ländlichen Raum muss vermieden werden, sowohl mit Blick auf die Verlängerung von Schulwegen als auch aus strukturellen Gründen. Über flexible Regulierung bei den Gruppengrößen sollten daher die Mittelschulen in die Lage versetzt werden, neben der Realschulbildung grundsätzlich in jedem Falle auch die Hauptschulbildung anzubieten.“ Frau Henke, darauf hätten Sie vorhin eingehen können. Da hätten Sie vielleicht andere Lösungen gefunden.
Das sah vor ein paar Jahren noch ganz anders aus, als Herr Hähle anlässlich des Schul-Volksantrages schrieb: „Wir lehnen die im Volksantrag sehr weitgehende Reduzierung der Klassenstärken ab, weil weder die dafür erforderliche Lehrerzahl noch die benötigte Zahl von Klassenräumen von der Allgemeinheit zu finanzieren wären.“ Nun ist also Bewegung in die Sache gekommen.
Es ist vor allem wieder einmal an der Zeit, an die Sozialdemokraten zu appellieren, Ihre Verkündigung nun endlich ernst zu nehmen und sich beim Abstimmungsverhalten daran zu erinnern. Es nützt nichts, nur warme Worte zu sprechen, von der Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Schulkultur zu reden und die strukturellen Bedingungen dabei scheinbar völlig außer Acht zu lassen.
Darüber hinaus könnten sich die sächsischen Koalitionspartner auch bei ihren Kollegen in Hessen schlaumachen. Die hessische CDU nämlich hat im Jahr 2004 Klassen
richtwerte eingeführt: 17 Schüler für Hauptschulen, 23 für Realschulen und 24 für Gymnasien. Aber erklärtermaßen bleiben die Grundschulen von dieser Regelung ausgenommen. Dort gilt das Prinzip: kurze Wege für kurze Beine. Die hessische SPD zieht seit Jahren übers Land und fordert, diese Richtwerte grundsätzlich abzuschaffen.
Ich bin davon überzeugt, dass Klassenrichtwerte von 20 Schülern bei Grundschulen und 22 Schülern bei den weiterführenden Schulen pädagogisch durchaus sinnvoller sind als die zurzeit geltenden. Auch die finanziellen Auswirkungen eines solchen Beschlusses würden sich in Grenzen halten; dies umso mehr, als sie letztendlich nur eine Anpassung an die Realität bedeuten würden. Wir haben es vorhin bereits gehört.
Das Problem scheinen mir die starren Planungsvorgaben schlechthin zu sein, die dann Folgen für die Planung des Lehrerbedarfs und die Förderung des Schulhausbaus haben. Ich denke, dass die Zeit der starren Vorgaben ohnehin bald Vergangenheit sein wird. Künftig müssen wir verstärkt darüber diskutieren, welche einschränkenden Regelungen wir den Schulträgern überhaupt zumuten und wie viel Eigenverantwortung wir den Städten und Landkreisen in diesen Fragen zugestehen wollen.
In den baltischen Ländern zum Beispiel, die der Ausschuss für Schule und Sport in diesem Jahr besuchte, obliegt es den Schulen, selbst festzustellen, wie groß der Lehrerbedarf in den einzelnen Fächern ist. Es wäre auch denkbar, dass es in speziellen Fällen sinnvoll ist, zu völlig anderen Regelungen zu kommen, und dann würden die hier vorgeschlagenen Werte zur Klassenbildung wiederum nur eine Einschränkung bedeuten. Vielleicht kommen wir auch im weiteren Verlauf der Flexibilisierung des Bildungswesens tatsächlich dazu, die bestehenden Richtwerte für die Klassenbildung ganz abzuschaffen und die Lehrerzuweisung nicht mehr an der Zahl der gebildeten Klassen, sondern an den pädagogischen Zielen oder an den strukturellen Bedingungen der jeweiligen Schule vor Ort zu orientieren.
Mir ist bewusst, dass es eine längere Zeit dauern wird, bis wir diese Debatte geführt und abgeschlossen haben. Aber wir sollten Mut haben, um neue und bessere Lösungen zu finden. Es ist völlig klar, dass die Beibehaltung der bisherigen Richtwerte zur Klassenbildung weder modernen pädagogischen Ansprüchen gerecht wird noch geeignet ist, das Schulsterben auf dem Lande tatsächlich zu beenden.
Meine Fraktion hält den FDP-Antrag für einen richtigen Schritt in die richtige Richtung und wir werden deshalb zustimmen.
Das ist nicht der Fall. Dann Herr Staatsminister oder – korrekter – Herr amtierender Staatsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe auch gerade darüber nachgedacht, wie man jetzt dazu spricht: als amtierender Kultusminister und gleichzeitig amtierender Finanzminister.
Das wäre alles möglich. Spielen wir das doch einmal durch. Es ist auch interessant, wie Frau Günther-Schmidt sich soeben vorstellte, in der Regierung zu sitzen. Wenn Sie das anstreben – dagegen ist nichts einzuwenden –, dann wäre mein Rat: Überlegen Sie, was Sie hier so zu Protokoll geben,
Herr Abg. Herbst, Sie als Antragsteller geben in den heutigen Anzeigen zunächst einmal zu, dass wir in Sachsen kleine Klassen haben.
Das ist schon einmal interessant. Sie fürchten, dass die Klassen jetzt wieder größer werden. Gott sei Dank, sage ich, dass sie wieder größer werden. Sie zielen ja in Ihren Anzeigen auf die Grundschule ab, weil das am meisten beim Volk ankommt, wenn man über kleine Klassen an Grundschulen spricht. Wenn ich in die amtliche Schulstatistik im vergangenen Schuljahr schaue, so hat Sachsen 19,4. Dann schaue ich mir die großen Klassen an, welche Bundesländer das sind: Hamburg, die größten, da sind Sie nicht in der Regierung, in Berlin sind Sie auch nicht in der Regierung. Dann kommt schon Nordrhein-Westfalen mit sage und schreibe 25 Schülern an den Grundschulen je Klasse. Knapp 25 Schüler, und die FDP ist in der Regierung!
Jetzt stelle ich mir einmal vor, wie dort eine Debatte abläuft. Es wäre ja denkbar, dass man darüber diskutiert, ob man weiterhin Geld zur Unterstützung in Länder wie Sachsen gibt, dass das Land weiter aufgebaut wird. Dann würde dort vielleicht auch aus der Opposition jemand fragen, wie es sein kann, dass sich Sachsen 19,4 Schüler leistet, und ein Teil wird auch von Nordrhein-Westfalen bezahlt, und dort haben sie 25 Schüler. Auf diesen Konflikt weise ich hin. Dass eine kleine Klasse schöner ist, will ich gar nicht bestreiten. Hier gibt es ganz andere Möglichkeiten.
Von Frau Falken und von Frau Günther-Schmidt sind Beispiele von Leipzig und Dresden kritisch benannt worden. Dies bestreite ich gar nicht. Gegenwärtig wird von der Schulverwaltung versucht, in den Großstädten zu vernünftigen Klassengrößen zu kommen. Das ist vernünf