Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

Frau Falken, das ist mir nicht bekannt. Aber ich bin keine Leipziger Abgeordnete und gehe davon aus, dass die Linken im Stadtparlament auch Abgeordnete haben. Wir beide wissen, dass die Kommunen für die Schulnetzplanung verantwortlich sind, und diese Verantwortung sollten sie wahrnehmen. Man kann dies sicherlich in Leipzig mit einer besseren Schulnetzplanung anders regeln. Im ländlichen Raum klappt das hervorragend, und was Leipzig betrifft, müssen Sie das mit Ihren Leipziger Abgeordneten klären.

In diesem Sinne würde ich Sie ermutigen: Sagen Sie doch ganz einfach einmal, was wir bisher in der Schulpolitik erreicht haben. Natürlich wissen wir, dass wir noch lange nicht das obere Ende der Fahnenstange erreicht haben; aber ich glaube, das Schlechtreden unserer Schulpolitik – –

Frau Henke, es gibt den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage.

Moment. – Auch die anderen Bundesländer schauen und sagen, dass wir viel erreicht haben. Das würde Ihnen gut zu Gesicht stehen. Herr Herbst, wenn man als FDP – das ist auch richtig und steht Ihnen zu – Anzeigen schaltet und sagt, die Klassenstärken sollten heruntergesetzt werden, dann kommt dies natürlich bei der Bevölkerung, vor allem bei den Eltern, an; denn es ist so wie mit der gefühlten Temperatur: Je länger man den Leuten etwas einredet, umso mehr glauben sie es auch. Aber in der Realität haben wir im ländlichen Raum doch gerade im Grundschulbereich sehr, sehr viele Klassen, die unter 20 Schülern liegen; und wir wissen doch beide, dass das stimmt.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Frau Henke, gestatten Sie die Zwischenfrage – ja oder nein?

Frau Henke, ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel die Stadt Dresden, als sie einen Schulnetzplan vorgelegt hat, der dem Kultusministerium nicht genehm war, so lange mit einem Fördermittelstopp belegt wurde, bis er dem entsprach, was die Staatsregierung vorgesehen hatte?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Also, dann gehe ich einmal davon aus: Es gibt Richtlinien oder es gibt Anregungen, wie Schulnetzpläne erstellt werden. Ich denke, im Interesse der Kinder wird vielleicht die Stadt Dresden – die Stadt Dresden möge mir verzeihen, weil ich es nicht kenne – eventuell doch ein paar Fehler gemacht haben,

(Lachen des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

die korrigiert werden müssten im Sinne dessen, was für die Kinder gut ist.

Selbstverständlich können Schulnetzpläne nur dann genehmigt werden, wenn sie dementsprechend, auf dem Schulgesetz basierend, auch korrekt sind.

In dem Sinne denke ich, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden, weil wir sehr wohl zu der Meinung stehen, dass das Schulgesetz mit den geringeren Schülerzahlen ausreichend Gelegenheit gibt, kleine Klassen zu bilden.

Dann müssen wir davon ausgehen: Wenn wir jetzt schon gerade im Grundschulbereich einen Großteil von Klassen mit 18 oder 19 Schülern haben und wir die Größen noch weiter nach unten setzen, ist noch lange nicht bewiesen, dass man besseren Unterricht abgeben kann, weil PISA ganz eindeutig gesagt hat, dass damit kein Zusammenhang besteht.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU-Fraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Frau Henke, das war nicht toll!)

Die Linksfraktion, vertreten durch Frau Bonk, hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Henke, Sie haben schon verstanden, dass das Beispiel, das die Kollegin Günther-Schmidt mit der Schulnetzplanung sowohl in Dresden als auch in Leipzig genannt hat, sehr deutlich belegt, dass es sehr wohl die Kultusverwaltung, die Bildungsagenturen des Landes sind, die den Kommunen ihre eigentliche Freiheit, über die Schulnetzplanung über die Schulhausbaumittel zu entscheiden, aus der Hand nehmen.

Genauso ist es, was die Frage der Klassenbildung angeht. Das Beispiel machte deutlich: Die Bildungsagentur verbietet den Schulen, vier Klassen in einem Jahrgang mit 22 Schülern einzurichten, sondern zwingt sie auf 28 zu gehen, und zwar anhand der Richtwerte zur Klassenbildung und nicht anhand der Mindestschülerzahlen.

Mir kam es ein bisschen so vor, als wenn Sie das verwechseln würden.

(Rita Henke, CDU: Nein, nein!)

Die Mindestschülerzahlen sind nicht die Richtwerte zur Klassenbildung. Vielleicht sollten wir einfach beim Thema bleiben, um in der Sache vorwärtszukommen.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Die Richtwerte zur Klassenbildung haben einen Einfluss auf das zahlenmäßige Lehrer-Schüler-Verhältnis. Sie bilden eine Grundlage für Unterrichtsqualität und die

Planung der Personalressourcen. Sie sind also im Sinne von besserer Förderung ein Instrument, das wir uns ansehen müssen, damit kleinere Klassen auch möglich sind.

Aber nun kommen in der nächsten Zeit in Sachsen auch schon die geburtenstarken Jahrgänge zum Tragen, sodass der neue Trend zu größeren Klassen geht. Der Richtwert liegt jetzt bei 25 Schülern. Die Realität aber sind 19,5 an der Grundschule und 21,7 an der Mittelschule. Das bedeutet, dass die Kollegen von der FDP eigentlich lediglich die Anpassung an die reale Lage fordern. Die wäre allerdings notwendig, um auch eine entsprechende Planung der Personalressourcen im Interesse kleiner Klassen vornehmen zu können. Das wäre eine Nachholung der notwendigen Anpassung der Richtwerte an den gesetzlich veränderten Klassenteiler, der jetzt bei 28 ist.

Ich möchte dabei auch den Kollegen von der FDP recht geben und den Punkt bekräftigen, dass gerade die Schulschließungen der Landesregierung den Trend verstärkt haben, zusammen mit den geburtenstarken Jahrgängen jetzt größere Klassen zu haben, um Personalressourcen zu sparen. Das ist eine Situation, die wir an den Schulen häufiger vorfinden, gerade nach dem Lehrerstellenabbau. Sie entziehen das Fundament, was die Häuser, die Personen usw. angeht, und lassen diese geburtenstärkeren Jahrgänge in großen Klassen zurück.

Allerdings muss ich anmerken: Der Schwerpunkt der Begründung im Antrag nimmt kaum Bezug auf die pädagogischen Auswirkungen der Richtwerte und eine individuelle Förderungsverbesserung. Der Zusammenhang zwischen Klassengröße, Unterrichtsqualität und individueller Förderung im Bereich Politik und Öffentlichkeit wird oftmals zu linear oder monokausal diskutiert; denn das Merkmal Klassengröße ist nicht nur und nicht in erster Linie ein Kostenfaktor.

Ich möchte das an einigen Punkten noch einmal deutlich machen; denn die deutsche Schulforschung und auch Ihre Argumentation negieren häufig den Einfluss der Klassengrößen im Gegensatz zu amerikanischen Untersuchungen. Die These ist: Klassengröße allein würde wenig verändern, erst die Kopplung an veränderte Unterrichtsformen – das möchte ich verstärken – zeigt die Auswirkungen. Dazu möchte ich einen Beitrag von Grit Brahm auf der Internetseite zur Bildungsforschung zitieren. Sie meinte, nur wenn die Klassengröße den Unterrichtsprozess nachhaltig beeinflusst, können Unterschiede in der individuellen Leistungsentwicklung von Schülern in kleinen und großen Klassen erwartet werden. Eine Studie an Grundschulen zeigt, dass das Potenzial kleinerer Klassen in Deutschland bisher nicht ausreichend ausgeschöpft wird. Internationale Studien belegen insbesondere den Vorteil für sozial benachteiligte Schüler bei kleineren Klassen. Und sogar bei kleinen Kindergartengruppen sind Effekte beobachtet worden. 1985 startete Tennessee mit dem Projekt „Star“, bei dem sich zeigte, dass insgesamt speziell sozial benachteiligte Schüler einen höheren Vorteil aus dem Besuch einer kleinen Klasse ziehen.

Das Fazit: Ohne eine Anpassung der didaktisch-methodischen Unterrichtsgestaltung an die Klassengröße wird demnach das Potenzial kleinerer Klassen im Sinne einer leistungssteigernden Wirkung nicht ausgeschöpft. Ergo sollte auch mehr über die pädagogischen Konzepte für kleinere Klassen gesprochen werden statt nur über die Planungsgrößen, wie wichtig diese auch sind.

Aber ich betone: Wenn wir sagen, es soll keiner zurückgelassen und jeder gefördert werden, dann dürfen wir uns in Sachsen auch nicht die Chance kleiner Klassen entgehen lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Es gibt keine linearen und einfachen Wirkungszusammenhänge. Deswegen müssen wir sowohl bei der Klassenbildung als auch für die Lehreraus- und -weiterbildung Schlussfolgerungen ziehen. Eine Studie aus BadenWürttemberg kann kaum Auswirkungen feststellen, lediglich – das wird besonders betont – beim Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler. Die Schüler der kleinen Klassen, so heißt es dort, wiesen danach das günstigste Sozialverhalten auf, mittlere und große Klassen unterschieden sich nicht.

Kleinere Klassengrößen sind damit quasi eine Oberflächenvariable. Das bedeutet, unter der Oberfläche verstecken sich andere, moderierende Variablen, die letztlich für die Varianzunterschiede verantwortlich sind. Dazu gehören natürlich die Begabungen der Schüler, die soziale Herkunft, die Motivationsstruktur oder das didaktischdiagnostische Geschick der Lehrer, der Unterrichtsstil der Lehrer usw.

Ich möchte zusammenfassen: Beim Frontalunterricht mit Lehrervortrag kann es egal sein, wie viele Schülerinnen und Schüler lauschen. Bei einer Klassenfrequenz von 20 und darunter aber greift überhaupt erst ein Unterricht, der differenziert auf eine heterogene Schülerschaft zugeschnitten ist,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sehr richtig!)

der Gruppenarbeit, selbstständiges Lernen und individuelles Eingehen auf Schüler ermöglicht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sehr richtig!)

Wie insgesamt im Bereich Schulpolitik hilft es wenig, an einzelnen Stellschrauben zu drehen und kleinere Veränderungen vorzunehmen. Notwendig sind die Veränderung des Gesamtsystems und dabei auch der Unterrichtskultur und der Klassengröße.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion wird vertreten durch Herrn Abg. Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn meine Kollegin Frau Henke heute adrett in Koalitionsfarben gekleidet ist,

(Beifall der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD)

ist ja nun klar, dass wir beim Thema Bildung nicht immer nur einer Meinung sind.

(Thomas Colditz, CDU: Waren wir nie!)

Ich erinnere an die Diskussion, die wir im März-Plenum hatten, weil ich genau in dieser Debatte darauf hingewiesen habe, dass wir an diesem Klassenrichtwert Veränderungen vornehmen müssen. Ich habe damals das Kultusministerium aufgefordert, diese Frage zentral zu klären, weil meiner Meinung nach doch einige Ungerechtigkeiten drin liegen.

Nur, brauchen wir jetzt diesen FDP-Antrag? Was soll der FDP-Antrag? Die Überschrift ist falsch und die Begründung ist falsch.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Reden wir über eine individuelle Förderung, dann können wir diese nicht allein auf die Frage von Richtwerten reduzieren. Wenn man die Begründung liest, müsste man konsequenterweise auf einen anderen Weg kommen. Dann müsste man darüber reden: Was ist mit dem Schulgesetz und was ist mit dem Haushaltsgesetz?