Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Sächsische Schulgesetz bedarf dringend einer Überarbeitung, einer Änderung. Von daher ist es zielgerichtet, dass die FDP-Fraktion hier ansetzt. Mich wundert allerdings, dass Sie einen so indirekten Weg zur Zielerreichung wählen. Sie fordern etwas
ein, formulieren aber den Weg dorthin gänzlich anders. Die Frage nach der Sollbestimmung bezüglich der Zügigkeit von Mittelschulen und Gymnasien ist doch keine Frage von Schuleingangsklassen, sondern wir müssen uns in Anbetracht der sinkenden Schülerzahlen Gedanken machen, wie wir ein dichtes Schulnetz unter der Maßgabe sinkende Schülerzahlen erhalten wollen. Wir könnten uns vorstellen, dass die Gesamtschülerzahl ein mögliches Kriterium ist. Wenn wir bedenken, dass wir einen modernen Unterricht auch als jahrgangsübergreifenden Unterricht gestalten wollen, ist die Frage der Zügigkeit hinfällig. Die Frage der Minutenregelung in Ihrem Artikel 2 ist eine recht befremdliche Angelegenheit. Ich komme aus dem ländlichen Raum und weiß, wie bei uns die Schülerbeförderungssatzung ausgestaltet ist. Dort sind 45 Minuten als maximale Beförderungsdauer von Schülerinnen und Schülern angesetzt. Im wirklichen Leben sieht es häufig anders aus. Da werden die Kinder – ich würde fast sagen – noch vor dem Aufstehen losgeschickt, um zum Schulbus zu gelangen. Sie werden über Dörfer geschickt, die sie nie aufsuchen würden, wenn sie den direkten Weg zur Schule wählen würden, obwohl sie gezwungen sind, die nächstgelegene Schule anzusteuern, weil die Familien sonst keine Kostenerstattung für die Schulbusfahrten bekommen. Das grenzt wirklich an absurdes Theater, ist aber täglich geübte Praxis.
Hier sollten wir ansetzen. Ob wir nun im Gesetz 20, 35 oder 45 Minuten stehen haben, zu beantworten ist doch die Frage nach der Zumutbarkeit der Schulwege. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die FDP-Fraktion in einer Änderung des Schulgesetzes ganz deutlich sagen würde: Wir wollen ein dichtes Schulnetz, wir wollen wohnortnahe kleine Schulen erhalten. Das ist der Punkt!
Da wir Ihr Anliegen aber so verstanden haben und es unterstützen können, müssen wir sagen, indirekt haben Sie es versucht, der Weg ist nicht unbedingt der, den wir eingeschlagen hätten, aber das Ziel ist das richtige. Wir verstehen Ihren Antrag auf Gesetzesänderung dahin gehend, dass wir uns darauf verständigen wollen, im ländlichen Raum ein dichteres Schulnetz zu erhalten als das, was uns ins Haus steht. – Wir haben nachher noch eine Aktuelle Debatte, wo es um den Kahlschlag bei Lehrerstellen und Schulstandorten geht. – Insofern wird meine Fraktion diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes zustimmen.
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Herr Staatsminister Flath, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion geht davon aus, dass es notwendig sei, Maximalzeiten für die Schülerbeförderung gesetzlich festzulegen, um eine zumutbare Schülerbeförderung zu gewährleisten. Nun hat Frau Abg. Henke schon auf einige Aspekte hingewiesen, die ich nicht wiederholen will. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Landkreise für die Schülerbeförderung
zuständig sind und dass im Landesentwicklungsplan Orientierungszeiten genannt sind. Es wird Sie deshalb nicht wundern, wenn die Staatsregierung der Auffassung ist, dass dies ausreichend ist. Ich will bemerken, dass es möglicherweise noch etwas mit dem Wahlkampf im letzten Jahr zu tun hat, dass der Gesetzentwurf ausgerechnet von der FDP-Fraktion kommt.
Wenn ich mir die Aussagen der Abg. Frau Bonk ansehe, die von Schulsterben und Kahlschlag spricht, und zu den einzelnen Dingen Umfragen in Sachsen machen würde, wäre immer eine Mehrheit gesichert. Wer soll etwas gegen den Ausspruch „Kurze Beine, kurze Wege“ haben? Wenn Sie in Regierungsverantwortung sind und einen solchen beispiellosen Anpassungsprozess gestalten müssen, dann ist das ein bisschen schwieriger. Dann hätte ich zumindest von der FDP-Fraktion erwartet, wenn sie so einen gesetzlichen Vorschlag bringt, der im Grunde in der praktischen Umsetzung völlig unrealistisch ist, dass sie eine finanzielle Betrachtung anstellt. Wir müssen das Wünschenswerte mit dem Finanzierbaren in Einklang bringen.
Eines will ich auch sagen. Weder die CDU-Fraktion noch die SPD-Fraktion oder die Staatsregierung kann das richten – klar, man kann sagen, dass man über Familienpolitik manches besser machen kann, das will ich jetzt außen vor lassen –, aber die Entscheidung, die für das Problem ausschlaggebend ist, mit dem wir uns in den nächsten Monaten und Jahren noch sehr oft im Landtag herumschlagen werden, haben Bürger ganz frei getroffen. Wenn wir noch so viele Kinder auf dieser Welt hätten, wie das noch vor 20 Jahren der Fall war, hätten wir diese ganzen Probleme nicht. Wenn ich innerhalb von 15 Jahren mit einer halbierten Schülerzahl umzugehen habe, ist es völlig logisch, dass ich nicht alle Schulen offen halten kann. Wenn ich auch nur eine Schule schließe, ist es logisch – und so habe ich es noch von der Schule her in Erinnerung –, dass sich daraus ergibt, dass die Schulwege nicht kürzer, sondern bei Schließung auch nur einer Schule im Durchschnitt länger werden.
Herr Staatsminister Flath, bei allen Sachzwängen würde mich interessieren, wie Sie das persönlich als Staatsminister und als Vater sehen. Finden Sie 10 km Schulweg für junge Menschen angemessen?
nächst persönlich antworten. Wenn ich 35 Jahre zurückgehe in meine Schulzeit, dann waren 30 Minuten Eisenbahnfahrt mit anschließendem halbstündigem Fußweg durchaus noch zumutbar. Das war Praxis. Wenn ich an meine Kinder denke, die nun inzwischen nicht mehr in der Schule sind, dann würde ich so etwas auch für zumutbar halten. Ich meine, es ist nicht sachgerecht zu sagen, dass Konzentrationsschwächen, die tatsächlich in zunehmendem Maße feststellbar sind, darin begründet sind. An der Meinung, dass der Schulweg nicht allzu lang sein soll und dass Kinder nicht allzu früh aufstehen sollen, ist sicherlich etwas dran. Darüber kann man diskutieren. Aber dann ist doch zumindest genauso darüber zu diskutieren, wie lange ich abends vor dem Fernseher gesessen und wie lange ich vor dem Computer verbracht habe.
Es ist dann also auch darüber zu sprechen, ob nicht die Konzentrationsschwäche darauf zurückzuführen ist – was ich vermuten würde.
Dass wir uns hier in einem Konflikt befinden, wird von mir doch nicht bestritten. Aber ich halte auch nichts davon, den Ball immer wieder zwischen der kommunalen Ebene und dem Land hin und her zu spielen. Mir wurde ja vorgeworfen, ich würde die Kommunen nur die schlechten Nachrichten verkünden lassen. Herr Abg. Herbst, so ist es wahrlich nicht. Ich habe eher den Eindruck, dass ich in den nächsten Wochen die schlechten Nachrichten verkünden muss. Ein notwendiger Mitwirkungsentzug bedeutet ja nichts anderes, als dass im Grunde etwas nachgeholt wird, was vorher durchaus in einer ordentlichen Schulnetzplanung bereits hätte entschieden sein können. So ist es ja auf den Punkt gebracht.
Aber mir geht es nicht darum, den Ball immer hin und her zu spielen. Ich weiß sehr wohl, dass die Kommunen mit dieser weisungsfreien Pflichtaufgabe dazu aufgefordert sind, den Schülerverkehr so zu organisieren, dass er am Ende tatsächlich von den Schülerinnen und Schülern selbst auch als zumutbar empfunden wird. Deshalb bitte ich ganz einfach, diesen Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Fassung abzulehnen.
Weil Sie, Frau Bonk, schon auf den Änderungsantrag eingegangen sind, will ich Folgendes sagen: Ich bin nicht der Meinung, dass die Lösung darin besteht, dass wir im ländlichen Raum in Sachsen auf einzügige Mittelschulen zugehen; denn damit würden Sie schon eine Entscheidung in der Richtung treffen, dass spätestens in fünf bis zehn Jahren in Sachsen im ländlichen Raum allein Hauptschulen übrig bleiben würden. Das zeigen die Erfahrungen in anderen Gegenden.
Ich möchte, dass wir im ländlichen Raum gleiche Bildungschancen erhalten wie in den Städten. Das ist unser Ziel. Es gibt einige Gebiete in Sachsen, die tatsächlich
dünn besiedelt sind. Gott sei Dank sind es nicht so viele wie in Brandenburg oder wie in Mecklenburg-Vorpommern. Dort ist dieser Umgestaltungsprozess noch weit schwieriger als in Sachsen. Deshalb bilde ich mir auch ein, dass das in Sachsen insgesamt besser zu bewerkstelligen ist als in den anderen Ländern. Diese Aufgabe möchten wir gemeinsam mit der kommunalen Ebene angehen.
Meine Damen und Herren! Wir können nun zur Abstimmung kommen. Ich schlage Ihnen wieder vor, artikelweise vorzugehen. Gibt es Widerspruch? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.
Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion und beginnen mit der Überschrift: „Gesetz zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes“. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einigen Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich rufe Artikel 1 Nr. 1 auf. Dazu liegt mir ein Änderungsantrag der PDS-Fraktion vor. Ich bitte jetzt um Einbringung der Drucksache 4/0986. Bitte, Frau Abg. Bonk.
Im ersten Punkt geht es uns, wie schon angekündigt, um die Regelung zur Zügigkeit und keineswegs darum, im ländlichen Raum lediglich Hauptschulen vorzuhalten. Wir setzen bekanntlich auf mehr Integration. Uns geht es darum, Schulen vorzuhalten und diese nicht in bessere und schlechtere zu untergliedern. Wir wollen, dass die Mittelschulen in der bestehenden Struktur auch einzügig geführt werden können. Deswegen schlagen wir vor, so zu formulieren: „Die Schulträger können bestimmen, dass Mittelschulen einzügig und Gymnasien zweizügig geführt werden können.“ Wir wollen das also mit stärkerer juristischer Durchschlagskraft formulieren, weil uns die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Regelung nicht ausreicht. Wir bitten um Zustimmung zu diesem Änderungsantrag. – Vielen Dank.
Wir werden diesen Änderungsantrag ablehnen. Zum einen muss man sagen – und das weiß die PDS-Fraktion auch –, dass wir im Mittelschulbereich keine Binnendifferenzierung haben, sondern eine so genannte äußere Differenzierung. Das hat auch etwas mit der Abschlussbezogenheit zu tun. Sie von der PDS-Fraktion wissen auch sehr wohl, dass es dazu auch eine Anerkennung über die Kultusministerkonferenz gibt, so dass wir in diesem Punkt auf keinen Fall zustimmen können. Wenn man der Meinung ist, dass Schulträger das allein bestimmen können, hinterfragt man die gesamte Schulnetzplanung. Wir werden den Antrag also ablehnen.
Ich habe eine gewisse Grundsympathie für die Stoßrichtung der PDS. Wir haben das lange diskutiert und sind der Auffassung, dass unser Vorschlag ausreicht. Deshalb werden wir uns bei diesem Änderungsantrag der Stimme enthalten.
Frau Präsidentin, ich möchte noch einmal für den Antrag sprechen und insbesondere den Kollegen Herbst bitten, die gewisse Grundsympathie vielleicht auch in praktische Sympathie, sprich Zustimmung zu unserem Antrag, umzumünzen, und zwar aus folgendem Grund: Ihr Antrag im Ursprungstext „Mittelschulen sollen mindestens zweizügig geführt werden“ bedeutet, dass es sich um eine Sollbestimmung handelt, von der man auch Ausnahmen zulassen kann. Nach der bisherigen Praxis und bei dieser Staatsregierung mit einem nach wie vor CDU-geführten Kultusministerium ist klar, dass diese Ausnahmeregelungen über die Regionalschulämter nicht erfolgen werden. Wie die Regionalschulämter in Sachsen arbeiten, wissen wir: nämlich nicht zugunsten der Schulträger und nicht zum Erhalt eines wohnortnahen Schulnetzes.
Mit der Formulierung, die wir vorschlagen, ist geregelt, wer entscheidet: nämlich der jeweilige Schulträger. Es muss klar sein, dass das nicht in der Kultusbürokratie hängen bleibt; denn dann ist selbst im Falle der Annahme des Gesetzentwurfes nicht gesichert, dass diese Ausnahmen tatsächlich zugelassen werden.
Zu dem, was Frau Henke eben bezüglich des Änderungsantrages ausgeführt hat, möchte ich nur Folgendes sagen: Frau Henke, Sie wissen so gut wie ich, dass es in Sachsen einzügige Mittelschulen und zweizügige Gymnasien gibt. Wir haben mehrere Anfragen dazu gehabt. Es hat sich gezeigt, dass diese Schulen gute und sehr gute Ergebnisse erreichen. Es gibt überhaupt keinen Grund, diese Schulen zu diskreditieren. Wenn man wie wir überhaupt keinen Hauptschulbildungsgang mehr will, sondern allen Schülern eine möglichst hohe Bildung zukommen lassen möchte, dann steht auch die Frage der äußeren Differenzierung nicht mehr. Wir wollen diese Differenzierung nicht und insofern ist unser Änderungsantrag konsequent.
Dann lasse ich jetzt über die Drucksache 4/0986, Änderungsantrag der PDS-Fraktion, abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich rufe jetzt Artikel 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzentwurfes der FDP-Fraktion auf. Wer möchte die Zustim
mung für Artikel 1 geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 1 mehrheitlich abgelehnt. Ich rufe Artikel 2 – In-Kraft-Treten – auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte! – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe Stimmen dafür ist Artikel 2 mehrheitlich abgelehnt worden.
Da alle Teile des Gesetzentwurfs abgelehnt wurden, brauchen wir keine weitere Abstimmung durchzuführen. Der Gesetzentwurf ist nicht beschlossen.