Protokoll der Sitzung vom 12.03.2009

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Günther?

Nein. – Fast jeder Käse – damit komme ich auf Ihre Frage zurück – wird über das GVOLabferment Chymosin gebildet.

(Stefan Brangs, SPD: Was? – Angelika Pfeiffer, CDU: Können Sie das mal erklären?)

Ja, Käse! – Viele Produkte sind derzeit überhaupt nicht deklarationspflichtig und deshalb dem Verbraucher auch nicht bekannt.

(Zuruf von der SPD: So ein Käse!)

Weitere Beispiele für GVO sind: gentechnisch veränderte Hefe im Weizenbier – ohne GVO-veränderte Hefe könnten wir kein Weizenbier trinken –

(Angelika Pfeiffer, CDU: Oh!)

oder gentechnisch veränderte Bakterien im Joghurt. Geredet wird aber immer nur über den bösen MonsatoMais. Das letzte Beispiel: Selbst die Produktion von Milch wäre ohne genveränderte Soja nicht möglich.

(Zuruf der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Auch auf die Gefahr hin, Sie damit zu langweilen, will ich die europäischen Rechtsvorschriften zu GVO einmal aufzeigen. Sie dienen vor allem zwei Zielen, und speziell für Sie, Frau Dr. Deicke, möchte ich das einmal als eine Lehrstunde bringen, weil Sie davon sprachen, dass die

Einführung von genveränderten Organismen intransparent wäre. Das Ziel ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sowie echte Binnenmarktbedingungen für sichere gentechnisch veränderte Produkte in der Europäischen Union zu schaffen. Sämtliche GVOVorschriften wurden immer wieder angepasst, um einen neuen Rechtsrahmen zu schaffen.

Wesentliche Bestandteile dieses Rechtsrahmens sind folgende Vorschriften: Die Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in der Umwelt gilt für zwei Verfahren: die Freisetzung in die Umwelt zu Versuchszwecken sowie für das Inverkehrbringen von GVO, beispielsweise durch Anbau, Einfuhr oder Umwandlung von GVO in industrielle Produkte. – So geht das Stück für Stück weiter. Nichts ist intransparent und nicht öffentlich, es ist alles transparent und im Moment wunderbar geregelt.

Zudem wurde in den letzten Jahren eine beträchtliche Zahl von Umsetzungsmaßnahmen verabschiedet, die die praktische Anwendung dieser Rechtsvorschriften erleichtern. Hierzu gehören auch die Leitlinien für die Risikoabschätzung, und das ist nur ein Bruchteil der Verordnungen und Rechtsvorschriften. Ich kenne keinen Bereich in der Wirtschaft, auf dem Markt, der solch ein extremes Prozedere durchlaufen muss. Derzeit liegen für Dutzende Pflanzen – sei es für die Pharmaindustrie, als Biomasse oder als Nahrungs- und Futterpflanzen – Anbaugenehmigungen vor, angefangen bei Baumwolle über Mais, Raps, Blumen und Kartoffeln bis hin zu Soja, Zuckerrüben usw. usf. Wenn Sie die Wahlfreiheit nehmen, diese Pflanzen anzubauen, dann ist das grüner Ökosozialismus, eine Planwirtschaft durch die Hintertür, die wir nicht wollen.

(Beifall bei der FDP – Stefan Brangs, SPD: Ja!)

Wir sind für die Wahlfreiheit in der Landwirtschaft und für Kennzeichnungspflicht aller direkt oder mithilfe von GVO produzierten Nahrungsmittel auf der Verpackung, selbstverständlich! GVO stünde dann auf fast allen Verpackungen, und die Geisterdebatte um eine Technik, die nicht mehr umkehrbar ist, sowie die derzeit herrschende Verbraucherverunsicherung, die Sie hier schaffen, wäre hoffentlich endlich bald vorbei.

(Beifall bei der FDP – Stefan Brangs, SPD: Das wäre gut!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die intensiv genutzten Flächen, die wir mit GVO naturnah bewirtschaften könnten, wären in Zukunft auch für die Renaturierung wieder möglich und machbar. Das sieht auch Bundesforschungsministerin Schavan so, und die ablehnende Haltung unserer Super-Dirndl-Agrarministerin Aigner ist uns unverständlich,

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

doch durch ihren weiß-blauen Welpenschutzstatus kommt man da im Moment nicht weiter. Geradezu dreist ist das Verhalten von Umweltminister Gabriel.

(Stefan Brangs, SPD: Nein!)

Sein Abstimmungsverhalten in der EU und die Unterstützung des Genmaisverbotes in Ungarn gegen die Haltung der CDU und der Kanzlerin zeigen im Grunde nur die Verfassung der Großen Koalition im Bund,

(Stefan Brangs, SPD: Sehr gut! Der hat Charakter!)

und die Debattenbeiträge von CDU und SPD zeigen auch hier in Sachsen, wie verquer die Diskussion bei Ihnen läuft. Äußerungen von CDU und SPD zu diesem Thema gehen konträr auseinander. Minister Gabriel schießt sich gerade auf Monsanto ein – wie alle möglichen grünen Verbände. Doch wenn die grüne Gentechnik nur noch Konzernen vorbehalten ist, dann fragen Sie sich mal, warum! Bei völlig überzogenen, jahrelangen Genehmigungsverfahren, die mit geduldeten Feldzerstörungen bei Landwirten und Forschern einhergehen, haben kleine und mittelständische Unternehmen keine Chance mehr. Wir wollen das ändern. Wir sind für Wahlfreiheit in der Landwirtschaft, in der Forschung und im Unternehmertum. Moderne GRÜNEN-Maschinenstürmerei, wie hier bei diesem Antrag, lehnen wir genauso ab wie diesen Antrag.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Danke schön. – Das war die erste Runde. Es war angedeutet worden – Herr Heinz, möchten Sie noch eine zweite Runde? – Ich eröffne eine zweite Runde; Herr Heinz, CDU-Fraktion; bitte.

Vielleicht noch einige klarstellende Bemerkungen. Auch wir gehören nicht zu denjenigen, die sagen, in der Gentechnik liege das Heil aller Dinge. Das, was im Moment an gentechnisch veränderten Produkten bzw. Früchten im Feldbau in Europa zugelassen und möglich ist, ist im Moment verzichtbar. Man kann den Mais auch mit anderen Mitteln produzieren. Das würde bedeuten: weitergestellte Fruchtfolgen, Pfluganbau – pflügen wollen wir aber auch wieder nicht so richtig, weil es nicht sehr erosionsmindernd ist.

Wie gesagt, auf das, was im Moment mit gentechnisch verändertem Saatgut gemacht wird, kann man zur Not verzichten. Wir wissen aber nicht, wie sich so manches weiterentwickeln wird. Wenn ich daran denke, ob sich die Prognosen der Klimaerwärmung, der Trockenheit im ostsächsischen Raum so wie vorausgesagt einstellen werden, dann gehe ich davon aus, dass bereits heute Wissenschaftler an Pflanzen mit Trocken- und Stresstoleranzen arbeiten; und ich möchte den Landwirten dann nicht erklären, warum solche Pflanzen aus ideologischen Gründen nicht angebaut werden dürfen. Deswegen möchten wir das Thema ein wenig offen halten.

Zum Thema Kennzeichnungspflicht: Wenn es wirklich solch ein großes Thema ist, wie Sie immer befürchten, dann wundert es mich, warum der hoch konzentrierte Lebensmitteleinzelhandel dies noch nicht als Vermarktungsinstrument entdeckt hat. Genauso wie man auf

manchen Fußbällen lesen kann: „Garantiert ohne Kinderarbeit hergestellt“, könnte doch auch ein Vermarktungsinstrument sein: „Ohne Zutaten aus gentechnisch veränderten Produkten hergestellt“, und wenn Aldi das von seinen Lieferanten verlangt, dann ist übermorgen die Gentechnik in Europa tot. Das tun sie aber nicht, weil es der Verbraucher nicht fordert; aber Sie reden dem Verbraucher ein, dass er es fordern soll, und der weiß überhaupt nicht so richtig, warum.

Also, meine Damen, meine Herren: etwas weniger Panik! Die Wahrheit liegt, wie überall, in der Mitte.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Wie ich sehe, gibt es keinen Widerspruch dagegen, dass nun der zuständige Staatsminister spricht; Herr Kupfer, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft.

Danke schön, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Hause bereits mehrfach mit der grünen Gentechnik und dabei auch mit dem Thema gentechnikfreie Regionen beschäftigt, zuletzt im November des vergangenen Jahres. Seither haben sich weder die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gentechnik verändert, noch gibt es neue, belastbare Erkenntnisse oder schlüssige Argumente, die die Einrichtung gentechnikfreier Zonen durch staatliche Vorschriften als notwendig erscheinen lassen.

Die Position der Staatsregierung ist daher die gleiche wie im November. Es spricht nichts – meine Damen und Herren, hören Sie genau zu! – gegen gentechnikfreie Zonen auf freiwilliger Basis. Aber die Einrichtung gentechnikfreier Zonen durch staatlichen Zwang lehnen wir ab. Auch die Bundesministerin Aigner sagt, dass es für staatlich verordnete gentechnikfreie Zonen kaum europarechtlichen Spielraum gibt.

Wir halten es weder für sinnvoll noch für zielführend, Länder, Kommunen oder Regionen über den Anbau von Pflanzen entscheiden zu lassen, deren Unbedenklichkeit zuvor in einem EU-weit harmonisierten Genehmigungsverfahren festgestellt wurde. Wir wollen weder Kleinstaaterei noch Willkür in der Landwirtschaft. Kein Landwirt darf zur Abkehr von seiner bevorzugten Bewirtschaftungsform genötigt oder sogar gezwungen werden. Die Landwirtschaft soll selbst entscheiden, was auf ihren Äckern angebaut wird, und zwar wirklich selbst.

Grüne Wahlfreiheit sieht anders aus. Sie verbietet das eine, nämlich die Gentechnik. Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Freiheit zu tun. Das ist typisch grüne Verbotspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In Deutschland gibt es klare Regelungen zur Koexistenz der Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik. Dabei wird der ökologische Landbau besonders berücksichtigt. Der

Mindestabstand zwischen Feldern mit Mais der Linie MON 810 und Flächen des Ökolandbaus muss doppelt so groß sein wie zu konventionell bewirtschafteten Schlägen. Mit diesen Abstandsregelungen ist es nach allen bisher vorliegenden Erfahrungen möglich, Auskreuzungen zu minimieren und den gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 % einzuhalten. Den Beweis für Ihre Behauptung, die Regelungen würden nicht funktionieren, sind Sie bisher schuldig geblieben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Grüne Politik erschöpft sich leider im Aufstellen von Hypothesen und Schreckensszenarien.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich habe nicht „Popanz“ gesagt.

Bereits nach dem derzeitigen Recht ist es auch möglich, den Anbau von MON 810 in ökologisch sensiblen Gebieten zu untersagen, wenn dadurch Schutzziele beeinträchtigt werden könnten. Selbst dafür müssen keine gentechnikfreien Zonen eingerichtet werden.

Auch die Haftung ist klar geregelt. Ein Anbauer von MON 810 muss für etwaige wirtschaftliche Schäden des Nachbarn haften, wenn in Erzeugnissen des Nachbarn der Schwellenwert an gentechnisch veränderten Bestandteilen von 0,9 % überschritten wird.

Das gilt auch für die Imkerei. Wenn im Honig mehr als 0,9 % an MON-810-Pollen nachgewiesen werden, kann der Imker für daraus resultierenden wirtschaftlichen Schaden eine Entschädigung verlangen. Im Übrigen heißt das nicht, dass Honig durch MON-810-Pollen gesundheitsschädlich oder ungenießbar wird. Es stimmt gleich gar nicht, dass der Honig dann als Sondermüll entsorgt werden müsse, wie ich es kürzlich in der Presse gelesen habe.

Meine Damen und Herren! Sowohl die EU-Kommission als auch der EU-Umweltrat haben zu erkennen gegeben, dass derzeit keine Änderungen des europäischen Gentechnikrechtes geplant sind. Auch der heute bereits mehrfach zitierte Beschluss des EU-Umweltministerrates vom 2. März lässt nicht den Schluss zu, dass die Anbauverbote von MON 810 in Österreich und Ungarn rechtskonform wären. Damit wurde lediglich der Vorschlag der EU-Kommission abgelehnt, das nach deren Meinung unbegründete Anbauverbot aufzuheben.

Der politische Beschluss des EU-Umweltrates zieht kein Anbauverbot von MON 810 in Deutschland nach sich. Ein solches Verbot müsste von der dafür in Deutschland zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, erlassen werden. Dies ist bisher nicht geschehen.

(René Despang, NPD: Vielleicht wird es noch!)

Somit ist derzeit in Sachsen der Anbau von MON 810 bei Einhaltung der Regelungen der Gentechnik-Pflanzenerzeugungs-Verordnung zulässig. Das Ergebnis der von Frau Aigner angekündigten Prüfung, ob Monsanto gegen