pekt vor Ihrer Entscheidung, zu diesem Thema eine Aktuelle Debatte zu beantragen. Martin Dulig begründete es mit „kalkulierter Provokation“. Ja, es ist ähnlich provokativ, wie wenn ein Brandstifter dazu aufruft, über Brandschutzstrategien zu debattieren; das können wir aber gern tun.
Wir müssen uns auch nicht wundern, wenn Sie die Opposition herausfordern, dass ein entsprechendes Echo zurückschlägt. Ich hätte auch viel, viel lieber über Bildungsqualität diskutiert; ich hätte gern darüber diskutiert. Aber der Zeitpunkt ist nun mal ein ganz anderer und die Debatte – auch an den letzten Tagen –, auch die Reaktionen aus der Öffentlichkeit haben doch gezeigt, dass derzeit keiner, der im sächsischen Schulsystem in irgendeiner Weise verankert ist, den Kopf frei hat, über die Verbesserung von Bildungsqualität nachzudenken; das ist doch nun mal ein Fakt.
Mehr Qualität im Schulwesen mit der Streichung von 3 399 Lehrerstellen? Mehr Qualität mit dem Aus für 150 Mittelschulen? Mehr Qualität mit der Pistole auf der Brust für die Lehrer? Das glauben Sie doch selbst nicht, meine Damen und Herren! Das glauben im Übrigen auch Ihre Wähler nicht. Ich glaube, die Mehrzahl der Sachsen glaubt das auch nicht.
Sie wollen mehr Qualität in der Bildung. Doch wo ist Ihre Handschrift in der aktuellen Schulpolitik? Ich kann davon herzlich wenig erkennen. Sie machen sich zum Erfüllungsgehilfen der CDU. Sie tragen dazu bei, dass die ländlichen Regionen ausbluten. Sie tragen dazu bei, dass die Lebensqualität genau in diesen Regionen sinkt. Sie tragen dazu bei, dass junge Familien abwandern.
Wir haben keine Wunder von dieser Koalition erwartet; ich glaube, da geht es uns allen ähnlich. Bei dem Wahlergebnis der SPD – von einer Volkspartei sind Sie ohnehin sehr weit entfernt – konnten wir ohnehin nicht erwarten, dass Sie dieser Koalition den prägenden Stempel aufdrücken würden.
Ich möchte meinen Gedanken gern noch zu Ende führen. Aber dass es Ihnen selbst in der Schulpolitik, Ihrer Herzenssache im Wahlkampf, nicht gelungen ist, einen Systemwechsel herbeizuführen, das heißt, den Systemfehler der CDU zu korrigieren, ist nun wirklich ein glattes Armutszeugnis!
Herr Kollege Herbst, Sie haben dargestellt, dass Schulen geschlossen werden und ein Stellenabbau vollzogen wird. Sind Sie bereit anzuerkennen, dass es Rahmenbedingungen gibt, die dies notwendig machen?
Herr Colditz, ich stimme Ihnen völlig zu, dass wir nicht jede Schule erhalten können. Ich glaube, das haben auch alle Oppositionsparteien in den letzten Tagen verdeutlicht. Die Frage lautet aber: Wo legen wir die Messlatte an?
Wollen wir Ihr System, das bereits unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr funktioniert, fortführen und rasenmäherartig weiterkürzen? Oder sollten wir nicht überlegen, ob das System falsch ist?
Heute steht in der Zeitung, dass im Landkreis TorgauOschatz zwei von elf Mittelschulen Ihre Kriterien erfüllen. Wir können der Meinung sein, mit den Schulen sei etwas nicht in Ordnung. Ich bin der Meinung, mit Ihrem System ist etwas nicht in Ordnung. Sie sollten den Mut haben, dies zu korrigieren. Danke. (Beifall bei der FDP, der PDS und des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen: Der Titel der Aktuellen Debatte „Bildungsabbau in Sachsen?“ hat bei mir einen gewissen Heiterkeitsausbruch ausgelöst.
Als ich gelesen habe, dass die Frage von der SPD kommt, habe ich mir gedacht: Was soll man dazu sagen? Ja, leider? Nein, aber nicht mit uns? Es ist schwierig. Da ich für die bildungspolitischen Ansätze der Sozialdemokraten eine gewisse Sympathie hege, weil sie den unsrigen sehr nahe kommen, habe ich mir gedacht, dass es doch positive Anknüpfungspunkte geben müsste.
Gleich. Der kleine Koalitionspartner SPD hat zum Beispiel die Gemeinschaftsschule in die Regierungskoalition eingebracht. interjection: (Vereinzelt Beifall bei der SPD)
Er befürwortet die Ganztagsschule und hat noch immer ein waches Verständnis von Bildungsgerechtigkeit.
Leider wedelt auch im wirklichen Leben der Schwanz nur sehr selten mit dem Hund. Da liegt das Problem.
Die CDU-Bildungspolitik macht sich im Moment an zwei Kriterien fest, die wir durchaus als Bildungsabbau charakterisieren können, nämlich Lehrerstellenabbau und Schulschließungen.
Die Liste der Grausamkeiten bei den Schulschließungen soll ja heute vorgelegt werden. Wenn wir den Stellenabbau in der Lehrerschaft nüchtern betrachten, so stellen wir fest, dass bis zum Jahre 2010 über 8 000 Lehrer – in Anführungszeichen – freigesetzt werden sollen. Dem steht ein Stellenzuwachs von 31 % in der Kultusbürokratie im Zeitraum 1994 bis 2005 gegenüber. Das dokumentiert die deutliche Schieflage im aktuellen Bildungssystem. Der Fokus liegt offenbar auf Verwaltung, nicht auf Schule.
Das Ziel allerdings, einen allgemeinen Anstieg des Bildungsniveaus zu realisieren, kann man auch in Zeiten des Bevölkerungsrückgangs, des Schülerschwundes und knapper Kassen vorantreiben. Dann muss man sich aber der Mühe unterziehen, nach intelligenten Lösungen zu suchen.
Wir bieten folgende Anknüpfungspunkte an: einen effektiven Personaleinsatz – dieser wird auch von den Sozialdemokraten immer wieder gefordert –, ein kritisches Hinterfragen der in den vergangenen Jahren durch die Regionalschulämter erfolgten Stellenzuweisungen und die Frage, ob Arbeitszeitkonten nicht auch für Pädagogen eingerichtet werden können.
Die berechtigte Kritik der Opposition an der verfehlten Bildungspolitik der CDU als „Demagogie“ zu brandmarken zeugt schon von recht tiefer Verzweiflung.
Unser „grüner“ Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes, gestern eingebracht, ist ein Weg in die richtige Richtung; denn damit können Sie verhindern, dass Bildungsabbau zum Hauptstichwort in der sächsischen Bildungspolitik wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Sie erwischt! Sie haben wiederum die ganze Zeit nicht über Bildungsqualität, sondern nur über den Haushalt und den Lehrerstellenabbau debattiert. Dass Sie nicht über die Qualität von Bildung diskutieren, ist Ihr Problem.
Italien, Portugal und Griechenland haben einstellige Schüler-Lehrer-Relationen. Diese Länder schneiden bei Pisa aber zum Teil deutlich schlechter ab als Sachsen. Japan, Korea, Neuseeland und Großbritannien haben völlig andere personelle Voraussetzungen. Dort sind die Schüler-Lehrer-Relationen bedeutend ungünstiger als in Sachsen. Dennoch schneiden diese Länder viel besser ab. Das zeigt, dass gute Bildung mehr ist als nur eine reine Personalfrage.
(Beifall bei der SPD und der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Weil in Sachsen alles im Argen liegt!)
Angesichts dieser Einsicht muss doch die Frage lauten: Warum gelingt es anderen Schulsystemen, mit der gleichen oder sogar einer schlechteren Ausstattung mit Lehrern deutlich bessere Ergebnisse zu erzielen, uns aber nicht? Die Antwort haben wir wiederholt gegeben; eine erneute Wiederholung kann offensichtlich nicht schaden: Die erfolgreichen Schulsysteme gehen deutlich effizienter mit dem Personal um. Sie organisieren den Lernprozess der Kinder und Jugendlichen intelligenter.