Protokoll der Sitzung vom 15.07.2005

(Beifall bei der PDS)

Danke schön. – Herr Günther für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache mich jetzt unbeliebt. Bei der Reform der Zuckermarktordnung geht es ja, wie wir alle wissen, nicht darum, ob es eine Reform geben muss, sondern nur eindeutig darum, wie die Reform stattfinden wird. Es wird Sie nicht verwundern, dass mein politisches Verständnis ein sehr liberales Verständnis ist. Liberales und marktwirtschaftliches Denken und Quoten passen einfach nicht zusammen. Rein sachlich betrachtet ist dieses Quotensystem ein Kennzeichen planwirtschaftlicher Modelle. Planwirtschaftliche Modelle und Marktwirtschaft gehen nicht zueinander. Da ist es ganz klar, Planwirtschaft hat ja nicht unbedingt zu jedem Erfolg geführt. Deshalb ist es nur verständlich und fair, wenn wir jetzt unseren sächsischen Landwirten sagen und sie darauf einstellen, dass natürlich langfristig, aber realistisch die Zuckerquote auslaufen wird und muss, denn nur so können sich unsere sächsischen Landwirte auf die veränderten Bedingungen, die sie vorfinden werden, einstellen und entsprechende Schritte einleiten. Unseren Landwirten irgendetwas vorzumachen, dass sie weiterhin mit der Bezuschussung im herkömmlichen Ausmaß aus der EU rechnen können, ist einfach realitätsfern.

Wir begrüßen ein Stück weit den Antrag der CDU und SPD dahin gehend, dass sie sich langsam in die realistische Richtung wenden, wenn sie von einer Grundquote reden. Wenn wir dann langfristig schrittweise darauf hinarbeiten, die Grundquote zu senken, sind wir auf dem richtigen Weg, denn wir können nicht in Europa mit Milliarden von Euro die Produktion von Zucker und dessen Ausfuhr stützen und dann daraufhin die Anbieter, die in der Dritten Welt viel preiswerter Zuckerrohr anbauen, vom Markt wegdrängen, aber durch Entwicklungshilfe den Ländern helfen, denen wir zuvor keine Chance gegeben haben, auf dem europäischen Markt ihren Zucker zu verkaufen.

(Beifall bei der FDP)

Die Abstufung der Quote erfordert selbstverständlich Vertrauensschutz und Anpassungszeit im Interesse der sächsischen Landwirte. Deshalb hat sich auch die FDP auf Bundesebene für die Beibehaltung der bisherigen Marktordnung bis 2006 ausgesprochen.

Zu begrüßen ist außerdem die Schaffung eines Umstrukturierungsfonds.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Kann es sein, dass Ihnen gerade ein Fehler unterlaufen ist, indem Sie gesagt haben, Quoten tragen dazu bei, dass Überproduktion entsteht? Gerade

durch Quoten und Senkung der Quoten, für die Sie ja sehr wohl sind, kann Überproduktion begrenzt werden.

Nein, wir haben Quoten und eine Überproduktion.

Deswegen sollen die Quoten gesenkt werden. Wenn eine Produktion völlig frei gelassen wird, wird die Überproduktion nicht eingeschränkt werden.

Das war keine Frage mehr, Frau Altmann. Jetzt kommt aber noch eine Frage.

Herr Abgeordneter, ich will eine Brücke bauen, damit auch die PDS das verstehen kann: Können Sie vielleicht noch einmal erklären, wie das mit Nachfrage und Angebot zusammenhängt und was passiert, wenn die Nachfrage wegfällt?

Wenn wir also etwas herstellen, egal was, und die Sachen werden nicht mehr gebraucht, dann kauft sie niemand mehr. Wenn ich aber eine Quote habe und diese noch finanziert bekomme, dann habe ich Zucker, wofür ich Geld bezahlt habe. Ich muss wieder Geld ausgeben, um den überplanmäßigen Zucker, den niemand braucht, ins Ausland zu transportieren. Das ist das Schlimme an dieser Quote.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Also die Quote senken! Das steht bei Marx.)

Ach, lassen Sie Marx!

Zu begrüßen ist die Schaffung eines Umstrukturierungsfonds, der ein geeignetes Mittel ist, den Strukturwandel zu erleichtern. Ein finanzieller Ausgleich wurde im vorgelegten Gesetzentwurf der EU meines Erachtens bereits angemessen berücksichtigt. Punkt 1 des CDU-/SPD-Antrages hat sich daher glücklicherweise erledigt.

Wie man der Stellungnahme der Staatsregierung zum NPD-Antrag entnehmen kann, ist der Staatsregierung nicht bekannt, dass es zu Arbeitsplatzverlusten aufgrund der Zuckermarktordnung kommt. Ich kann Ihnen auch sagen, weshalb nicht: weil der rational handelnde sächsische Landwirt sich nämlich bereits darauf eingestellt hat. Er hat auch verstanden, dass sich das System des Zuckermarktes etwas ändern muss. Der sächsische Landwirt stellt sich darauf ein und die Zuckerrüben produzierenden Bauern prüfen bereits jetzt, inwieweit sie diese für die Umwandlung regenerativer Energien mittels Biomasse nutzen können. Wenn wir die Augen nicht vor der Realität verschließen, können wir zu Lösungen kommen, die Chancen zum Zuckerrübenanbau in Deutschland haben, die sich durch den Handel mit frei werdenden Produktionsmengen vielleicht in anderen Ländern eröffnen könnten.

Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen und halten Sie bitte nicht am Status quo fest!

Nun zur NPD: Wenn Sie also wie hier dargelegt und auch in Ihren Programmen davon künden und reden, dass Sie den Absatz nur in der Region haben wollen, also sehr regional eingeschränkt, und schreiben: „Vordergründig muss der Absatz von in der Region erstellten

Lebensmitteln stehen“, ist das nur mit einer Beschränkung der Einfuhr aus anderen Wirtschaftsräumen zu erreichen, also durch Eingrenzen. Die logische Konsequenz ist: Wenn nichts hereinkommen soll, darf aber auch nichts hinausgehen; denn hier gilt das Prinzip: Wer das eine will, muss das andere mögen. Wir werden diese Anträge ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Für die GRÜNEN spricht Herr Kollege Weichert. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inzwischen liegen die Reformvorschläge der EU-Kommission zur europäischen Zuckermarktordnung vor. Insofern gehe ich davon aus, dass der Antrag der Koalition sich eigentlich erledigt hat; denn der Vorschlag der Kommission sieht neben den Preissenkungen auch Ausgleichszahlungen für Zuckererzeuger, Herauskauf von Zuckerquoten sowie Umstrukturierungshilfen für die Zuckerwirtschaft vor. Meine Damen und Herren! Die gegenwärtige Zuckermarktordnung besteht seit 1968. Sie ist durch ein System von garantierten Preisen, festgelegten Produktionsquoten und hohen Importzöllen gekennzeichnet, um den europäischen Binnenmarkt vor Importen abzuschotten. Überschüsse werden mit Hilfe von Exportsubventionen auf dem Weltmarkt verkauft, gleichzeitig werden einer kleinen Gruppe von Entwicklungsländern quotierte Importpräferenzen gewährt. Dies geschieht hauptsächlich im Rahmen des Zuckerprotokolls mit den so genannten AKP-Staaten, also Afrika-, Karibik- und Pazifikstaaten. Die Kosten der Zuckermarktordnung für europäische Verbraucher und Steuerzahler schätzt der Europäische Rechnungshof auf zirka 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ich wiederhole: 6,5 Milliarden Euro nur für die Zuckermarktordnung. Daher ergibt sich aus unserer Sicht ein erheblicher Reformbedarf.

Meine Damen und Herren! Europa muss seine Zuckerpolitik im Sinne einer wettbewerbsfähigen Zuckerproduktion, einer nachhaltigen Wirtschaft und eines gerechten internationalen Handels grundlegend umstellen. Nur so kann die Glaubwürdigkeit des multilateralen Handelssystems gestärkt und die WTO-Entwicklungsrunde vorangebracht werden. Wichtigste Bestandteile einer solchen Reform sind die kurzfristige Abschaffung aller direkten und indirekten Subventionen. Gleichzeitig gilt es, den ärmsten Ländern ab 2009 uneingeschränkten Marktzugang zu gewähren und die AKP-Länder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit beim Umbau ihrer Zuckerwirtschaft zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Die Folgen der bestehenden Zuckermarktordnung sind für die ärmsten Länder verheerend. Die künstlich hoch gehaltenen Zuckerpreise zerstören die bescheidenen landwirtschaftlichen Strukturen in der Dritten Welt. Drei der ärmsten Länder dieser Erde, Mosambik, Malawi und Äthiopien, verloren durch die Zuckermarktordnung im letzten Jahr seit 2001 238 Millionen Dollar. Es ist doch absurd, dass die europäischen Steuerzahler in die eine Tasche greifen, um den Zuckerpreis hierzulande auf die dreifache Höhe des

Weltmarktpreises zu subventionieren, diesen Zucker zu Dumpingpreisen auf die internationalen Märkte zu bringen, und dann in die andere Tasche, um Entwicklungshilfe zu zahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Auch der sächsische Steuerzahler zahlt dreifach: die Agrarsubvention, den erhöhten Zuckerpreis und den Anteil an der Entwicklungshilfe.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt alles beim Alten belassen würden, organisieren wir uns nach dem legendären Butterberg den Zuckerberg. Mehr als eine halbe Million Tonnen Zucker liegen jetzt schon auf Halde. Allein an Lagerkosten hat der europäische Steuerzahler dafür 300 Millionen Euro im Jahr zu zahlen.

Mir ist schon bewusst, meine Damen und Herren, dass die Einschnitte der Reform auch für die sächsischen Landwirte hart sind. Mit den jetzt auf dem Tisch liegenden Übergangsregelungen und den Ausgleichszahlungen haben die Landwirte Gelegenheit, sich auf den geänderten Markt einzustellen. Sie können nicht immer davon reden, Subventionen abbauen zu wollen und dann, wenn der Subventionsabbau vorgeschlagen wird, kneifen und versuchen, die Klientel zu bedienen, der das natürlich nicht gefällt. Das ist völlig klar.

Die beiden Anträge verhindern Reformen und werden deshalb von uns abgelehnt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Das war die erste Runde der Fraktionen. Will etwa noch jemand sprechen?

(Vereinzelt Heiterkeit bei den Fraktionen)

Dann bitte ich die Staatsregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte nur noch ein paar Sätze sagen. Die WTO hat die Europäische Union in Sachen Zucker verklagt. Die Kommissarin hat Reformvorschläge vorgelegt. Die Sächsische Staatsregierung und auch alle anderen Landesregierungen kämpfen dafür, dass die Zuckerrübenbauern in Deutschland eine Chance haben, sich auf diese neuen Bedingungen einzustellen. Deswegen mussten die Reformvorschläge noch angepasst werden. Wir kämpfen darum, dass die Ausgleichszahlungen mittelfristig bis 2013 mindestens 60 % der bisherigen Einkommen umfassen, um den Unternehmern und ihren Familien eine Anpassung an neue Produkte zu ermöglichen.

Darüber hinaus lassen Sie mich sagen, dass die PDSFraktion es womöglich nie schaffen wird, Herr Porsch, Frau Altmann, in diesem Hohen Haus eine Zuckerfabrik in Sachsen mit einem Antrag zu retten. Dazu bedarf es anderer Voraussetzungen.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Der NPD-Fraktion will ich sagen: Meine Damen und Herren, Ihre Behauptungen, wir würden lügen oder

Informationen zurückhalten, weise ich zurück. Ich bin nicht überrascht, dass Sie fachlich wenig zu bieten haben. Ihr Änderungsantrag ist schlichtweg einfach Schwachsinn bzw. ein typischer Antrag der NPD-Fraktion, der Sie selbst und Ihren Geist entlarvt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Danke schön. Wir kommen zu den Schlussworten von jeweils fünf Minuten. Es beginnt die NPD-Fraktion. Fünf Minuten sind die Obergrenze. Wir können durchaus darunter bleiben.

Ich werde es versuchen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wäre es dringend geboten, dem unseligen und vor allem folgenschweren Bestreben der WTO, den Nationen ein stetiges Anwachsen der internationalen Handelsströme aufzuzwingen, endlich die Stirn zu bieten. Obwohl man weiß, dass bei den Landwirten der Zuckerrübenanbau der ertragsreichste Produktionszweig ist – ich rede an dieser Stelle nicht nur von Sachsen, sondern von Deutschland und auch von Europa – und teilweise einen Anteil von 70 % des Betriebsgewinns ausmacht, setzt man diesen einer Konkurrenz von Anbietern aus, welche die geforderte Nachhaltigkeit sowie die Ansprüche an Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards vermissen lassen. Die eintretenden Preiseinbußen können vielen landwirtschaftlichen Betrieben und deren Arbeitnehmern letztlich sogar das Genick brechen, von der Bedeutung der Landwirte für unsere Kulturlandschaft ganz zu schweigen. Doch die später notwendigen Strukturmaßnahmen für den ländlichen Raum werden erfahrungsgemäß auf den Steuerzahler abgewälzt.

Der CDU-/SPD-Antrag ist in einem Grad seicht und unkonkret gehalten, wie er unverbindlich gemeint ist. Bleibt nur zu hoffen, dass die deutschen Bauern nicht weiter auf die wahlkampfabhängigen Versprechen von CDUund SPD-Fraktion hereinfallen werden. Was fordern wir eigentlich? Treten Sie für eine Verbesserung der Situation der Rübenbauern ein, soll der Status quo gehalten werden oder wollen Sie den agrarpolitischen Flurschaden nur kosmetisch minimieren? Geht es Ihnen gar nur um Wählerstimmen? Die bisherige Zuckermarktordnung zeichnete sich durch Haushaltskostenneutralität aus. In welcher Höhe und woher soll der Verlustausgleich kommen? Wieso traten Sie vorher niemals für die Verhinderung dieser EU-Richtlinie ein? Wir müssen die drohende Zuckermarktreform verhindern. Alles andere ist Flickschusterei.

Herr Weichert ist gerade nicht anwesend, aber er hatte vorhin gesagt, dass die AKP-Länder jetzt mehr Möglichkeiten haben, ihre Produkte international besser vermarkten zu können, also mehr Zugänglichkeit zu erhalten. In den Dritte-Welt-Ländern herrschen bei der Landwirtschaft noch feudalistische Zustände, die wir aus dem Mittelalter kennen. Es gibt Großgrundbesitzer, die die Menschen für Hungerlöhne arbeiten lassen. Ich finde es nicht gerade besonders grün, wenn wir diese Zustände noch fördern wollen.