Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Das, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, sind alles Hypotheken für das bürgerschaftliche Engagement im Freistaat, für die Ihre Parteien ganz unmittelbar die Verantwortung tragen. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln.

Wenn man noch deutlicher werden will, muss man die Frage in den Raum stellen, wie gut es eine Partei und ihre Politik mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement ihrer Bürger meinen kann, die es tatenlos hinnimmt, das in Deutschland mittlerweile sage und schreibe 1,7 Millionen Kinder ihr Leben auf Sozialhilfeniveau fristen müssen.

Können Sie sich nicht vorstellen, meine Damen und Herren von der CDU- und von der SPD-Fraktion, wie es mit der Bereitschaft junger Menschen stehen muss, sich im Sport oder sonst wie für die Allgemeinheit zu engagieren, die keine Arbeit und keine Zukunftsperspektiven haben?

Das alles müssen Sie sich schon fragen lassen, wenn Sie hier diesen hochtrabenden Antrag einbringen. Ich sagte es schon, es ist ein reiner Schaufensterantrag. Die Menschen gerade hier im Freistaat haben dank Ihrer Politik im Augenblick andere, drängendere Probleme, als ihre Freizeit im Sportverein zu organisieren. Stellen Sie endlich die Probleme ab! Machen Sie endlich Schluss mit Ihrer so genannten Leuchtturmpolitik! Dann können wir gern auch über Sport und bürgerschaftliches Engagement reden.

Meine Fraktion wird sich zu diesem Antrag der Stimme enthalten.

Sport frei!

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Abg. Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ehrenamtliche Engagement vieler Sachsen im Vereinssport ist für unser Land eine Bereicherung. Ich glaube, darüber sind wir uns fraktionsübergreifend einig. Die Meisten von uns kennen es wahrscheinlich auch aus eigenem Erleben, weil sie entweder in Sportvereinen tätig waren oder noch tätig sind. Wir alle wissen, das macht Spaß und manchmal gelingt es dadurch auch, die eigene Persönlichkeit ein Stück weit zu entwickeln.

Sport hat auch seine schönen Seiten gerade für die Politik. Man lernt eben, dass es nicht nur Siege gibt, sondern auch Niederlagen, und dass sich beide miteinander abwechseln.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viele Leute sich in Sachsen engagieren, ist das in der Tat beeindruckend. Gerade wenn man sich vorstellt, dass allein rund 80 000 Sachsen heute als Übungsleiter, als Kampfrichter, als Jugendwarte, als Schatzmeister oder Vorsitzende von Sportvereinen neben ihrem eigentlichen Beruf tätig sind. Diesen gehören unsere Wertschätzung und unser Dank.

Sport ist aber auch mehr als ein Mittel zur Gesunderhaltung. Einige Redner haben darauf verwiesen. Sport ist gesellschaftlich wertvoll, denn er dient der Erziehung, auch der Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere im Jugendbereich. Er dient auch dazu, Kinder einzubinden, die aus sozial schwächeren Familien stammen, ihnen auch ein Stück weit Gemeinschaftserlebnisse zu gönnen.

Sport ist nicht zuletzt auch ein Imageträger für Sachsen. Wir alle haben etwas davon, wenn sächsische Sportler bei internationalen Wettbewerben oder nationalen Wettkämpfen auf dem Siegerpodest stehen. Wir wissen, dass auch diese Leistungen im Spitzensport nicht möglich sind ohne

das große Engagement ehrenamtlich tätiger Sachsen im Breitensport.

Ich möchte auch darauf verweisen, dass der Sportbereich ein Betätigungsfeld für viele unserer Mitbürger bietet, die beispielsweise kaum noch eine Chance aufgrund ihres Alters haben, auf dem Arbeitsmarkt einen Job zu bekommen. Sie erhalten so das Gefühl, sich dort gesellschaftlich wertvoll einzubringen. Ich glaube, dass beide Seiten von diesem Engagement in hohem Maße profitieren.

Die Zahlen derjenigen, die sich im Sport engagieren, zeigen, dass sehr wohl in der Gesellschaft eine Bereitschaft zum Dienst an der Allgemeinheit besteht. Das bürgerschaftliche Engagement straft all diejenigen Lügen, die glauben, sich heute nur noch in einer Ellbogengesellschaft zu befinden. Das ist nicht so. Das beweist das Engagement vieler Sachsen.

Der Vereinssport ist ohne das Ehrenamt undenkbar. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern gerade auch der gesellschaftlichen Anerkennung, die dieses Engagement genießt. Wichtige Punkte in den Vereinen – das wurde schon angesprochen – sind die Hilfestellung bei der Administration. Ich glaube, keiner füllt gern Berge von Papier aus, sondern die Leute wollen sich wirklich ihrem Verein und ihren Vereinsmitgliedern widmen. Da müssen wir noch ein Stück weiter schauen, dass wir möglichst viel von bürokratischem Aufwand wegnehmen können. Es geht um die gezielte Aus- und Weiterbildung beispielsweise von Schiedsrichtern. Und es geht um öffentliche Anerkennung. Hier kann ich es mir auch nicht ganz verkneifen, wenn ich mir die Antwort der Staatsregierung durchlese, süffisant zu lächeln, weil hier, weit hergeholt, sagen wir mal, jede einzelne Maßnahme aufgelistet ist, die man in etwa als öffentliche Anerkennung einschätzen könnte.

Aber ich sage auch, jeder Abgeordnete, und zwar wir alle, hat es in der Hand, selbst ehrenamtlich zu helfen oder denjenigen, die es tun, im persönlichen Gespräch Anerkennung zu vermitteln.

Der Antrag kann mit drei Zeilen für den Sport in Sachsen kein Wunder bewegen. Etwas mehr Ideenreichtum hätte ich mir schon von den Koalitionsfraktionen gewünscht.

(Beifall des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Aber wenn die Debatte vielleicht zu etwas beiträgt, dann dazu, den vielen im ehrenamtlichen Sportbereich Tätigen zu signalisieren: Ihr Engagement wird in diesem Hause wahrgenommen. Wir schätzen es und wollen es weiter nach Kräften fördern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Günther-Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Berichtsantrag von CDU und SPD hat uns doch ein wenig irritiert. Natürlich können wir gern berichten, ausführlich berichten und ehrlichen Herzens für das zivilgesellschaftliche Engagement danken, das auch in den Sportvereinen geleistet wird. Das kostet wenig Mühe. Das kommt, wenn es gut ist, von ehrlichem Herzen. Aber es kostet auch kein Geld. Insofern bringt uns dieser Bericht überhaupt keinen Millimeter weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Jetzt ist schon häufig genug auf die schriftliche Stellungnahme eingegangen worden. Auch bei mir hat sie zu einigem Heiterkeitserfolg beigetragen. Ich will die Zitate jetzt nicht wiederholen. Es zeigt sich, dass doch eine gewisse Hilflosigkeit auch innerhalb der CDU mit diesem Thema verbunden ist.

Ich möchte in dieser Debatte noch einige Akzente setzen, die uns als GRÜNE doch einigermaßen wichtig sind. Es geht um die Rahmenbedingungen im Freistaat Sachsen. Wir haben zum Beispiel mit Befremden festgestellt, dass der Zuwendungsvertrag mit dem Landessportbund bereits geschlossen wurde, bevor der Haushalt das Parlament passiert hatte. Das war eine seltsame Reihenfolge, die wir schon damals scharf kritisiert haben.

Die andere Frage ist, wenn sich die CDU jetzt hinstellt und dieses zivilgesellschaftliche Engagement in den Vereinen lobt und auf die Übungsleiteraufwandsentschädigung Bezug nimmt: Diese Übungsleiteraufwandsentschädigung ist auf Bundesebene von der CDU zur Disposition gestellt. Wir werden sehen, was in den nächsten Monaten dort passiert.

Ein anderer Punkt: Wir hatten vorhin das Stichwort gehört, Generationen finden im Sportverein zusammen. Hier sind die Strukturanpassungsmaßnahmen, die in Kooperation mit den Arbeitsagenturen durchgeführt werden, denke ich, eine ganz wichtige Sache. 110 Hauptamtliche können die Strukturen tragen und erhalten, die in den Vereinen aufgebaut wurden. Aber das Wesentliche, was an Vereinsförderung und damit auch an Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements in den Sportvereinen ermöglicht wurde, ist auf Bundesebene passiert.

Hier ist es zu einer Verbesserung des Unfallschutzes gekommen. Hier ist eine Anhebung der Aufwandsentschädigungspauschale durchgesetzt worden. Das sind doch Maßnahmen, die auch tatsächlich griffig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bürgerschaftliches Engagement im Sport eröffnet natürlich auch Möglichkeiten zu einer politischen Stellungnahme. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat schon vor geraumer Zeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund einen Sprechbaukasten aufgelegt. Er heißt „Kontra geben – Argumente gegen Rechtsextre

mismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt“ und ist ausdrücklich für Übungsleiter und Vereinsvorsitzende konzipiert worden, die mit jungen Menschen zusammenarbeiten. Schließlich der Aspekt Drogenprävention, der natürlich auch im Sportverein eine ganz wesentliche Rolle unter dem Motto „Kinder stark machen“ spielen kann.

Ich kann es mir nicht verkneifen zu sagen: Die Schulschließungswelle im Lande führt natürlich auch dazu, dass die Sportstätteninfrastruktur nachhaltig geschwächt wird. Darauf sollten wir in Zukunft ein waches Auge haben.

(Zuruf des Staatsministers Steffen Flath)

Das haben Sie nicht verstanden? Ich werde es Ihnen erklären, Herr Flath. Dadurch, dass Sie Schulstandorte massenhaft auf dem platten Lande geschlossen haben, haben Sie das Problem, dass die Sportstätten, die möglicherweise mit hohem finanziellem Aufwand in den einzelnen Ortschaften errichtet oder saniert wurden, leer stehen.

(Staatsminister Steffen Flath: Werden weiter genutzt!)

Sie können weiter genutzt werden. Aber vormittags sind die Schüler in einer anderen Stadt oder in einem anderen Dorf. Nachmittags sitzen sie im Bus, um nach Hause zu fahren. Anschließend machen sie Hausaufgaben. Es wird schwierig. Ich denke, das werden wir vielleicht noch einmal zum Anlass nehmen können für eine weitere Debatte zum Thema.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Meistens machen sie gar keine Hausaufgaben, wenn sie nach Hause kommen, und gehen so zum Sport!)

Das will ich jetzt nicht kommentieren!

Die Frage, wie Sportunterricht überhaupt in der Sächsischen Staatsregierung angesiedelt oder eingeordnet wird, werden wir möglicherweise in einer der nächsten Sitzungen hier im Hause debattieren müssen. Seit gestern ist eine Kleine Anfrage von mir – „Stundenausfall im Sportunterricht seit 2001“ – überfällig. Mal sehen, welche Antworten uns dort gegeben werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es für die nächste Diskussionsrunde aus den Fraktionen schon Redebedarf? – Nein. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Flath.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst will ich mich bei der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion für den Antrag bedanken. Denn ich denke,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das darf nicht das Einzige sein!)

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Dieser warme Händedruck führt eben dazu, Herr Dr. Hahn, dass überall im Lande – in den Medien, in den Zeitungen – bei Leuten mitunter nach 40 oder 50 Jahren Arbeit – was überhaupt niemand so richtig mitbekommen hat, außer den unmittelbar im Sportverein Engagierten – dies einmal öffentlich gewürdigt wird. Das ist die Rolle der Staatsregierung. Das ist Ihnen zu wenig, aber es ist meine Auffassung, dass dies die richtige Art ist, wie wir in Sachsen herangehen – im Übrigen ähnlich dem, wie wir es in der Kulturförderung auch tun.

die Ehrenamtlichen im Sport haben es einfach verdient, dass das Thema auch einmal hier im Landtag vorkommt.