Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie brauchen sich wahrlich nicht zu wundern, dass das Vertrauen der Menschen in die Politik zunehmend schwindet und EUkritische Töne Hochkonjunktur erhalten. Die Sozialsysteme geraten durch die demografische Entwicklung aus den Fugen, Hunderttausende Arbeitsplätze sind durch die Konkurrenz aus Billiglohnländern bedroht. Das monatelange Feilschen um den Finanzrahmen der EU zeigt den Bürgern, wie teuer eine Vergrößerung wirklich ist, weil viele auf Fördermittel zugunsten der ärmeren Regionen verzichten müssen. Von der demografischen Zeitbombe bis zum Geburtenschwund, der Überalterung und der mit ihr verbundenen Masseneinwanderung aus der Dritten Welt ist bei den EU-Gipfeln kein Wort zu hören.

Meine Damen und Herren! Man kann es drehen und wenden, wie man will – die Stimmung der Bürger hat sich seit den Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und Holland im letzten Jahr nicht geändert. Diese Stimmung lässt sich am besten mit den Worten zusammenfassen: Nein zu dieser EU!

Meine Damen und Herren! Werter Herr Schowtka, natürlich mache ich überhaupt keinen Hehl daraus, dass sich die NPD für einen Austritt aus der Europäischen Union stark macht, damit Deutschland endlich wieder seine Kompetenz- und Souveränitätsrechte erhält. Richtig ist

aber: Wir sagen Ja zu Europa, aber eben Nein zu diesem EU-Europa der Technokraten und Bürokraten.

(Beifall bei der NPD)

Herr Kosel, es ist vollkommener Schwachsinn, was Sie hier von sich gegeben haben, denn gerade wir Nationaldemokraten wollen die kulturelle Vielfalt der Völker erhalten,

(Gelächter bei der FDP)

die Völker in ihrer Eigenart, in ihrer Souveränität. Da können Sie lachen, so viel Sie auch wollen. Sie sind diejenigen, die das genaue Gegenteil wollen: Sie wollen einen multikulturellen Einheitsbrei schaffen. Sie wollen einen ethnokulturellen Kastraten schaffen, den man seiner Identität berauben will!

Meine Damen und Herren, wären wir verantwortungslos, dann könnten uns die immer absurderen Erweiterungspläne der Europäischen Union wahrhaft kalt lassen.

(Unruhe bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wir könnten uns gemütlich zurücklehnen und abwarten, bis sich die EU durch den immer hemmungsloseren Größenwahn ihrer EU-Fanatiker selbst zu Tode erweitert, eines Tages kollabieren und den Volkszorn in allen europäischen Völkern gegen das EU-Europa der Technokraten und Konzerne hervorrufen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Verantwortung für Deutschland und aus Verantwortung für den

Überlebenskampf eines Europas freier und wahrhaft selbstbestimmter, in ihrer eigenen kulturellen Vielfalt erhaltener Völker halten wir jedoch ein Veto im Bundestag,

(Widerspruch bei der CDU – Buh-Rufe von der Linksfraktion.PDS)

halten wir ein Veto des Bundesrates für zwingend geboten. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, die Geduld der Bürger nicht überbeanspruchen. Stimmen Sie mit uns gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD – Proteste bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Somit kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle nun die Drucksache 4/4203 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag der NPD-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wir machen die Gegenprobe. – Wer enthält sich der Stimme? – Bei 9 Pro-Stimmen ohne Enthaltungen wurde der Antrag durch das Haus abgelehnt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

Realistische Schulkosten ermitteln – Für eine verantwortungsvolle Politik im Umgang mit Schulen in freier Trägerschaft

Drucksache 4/4543, Antrag der Fraktion der FDP

Der Einreicher hat das erste Wort und dann wiederum die gewohnte Reihenfolge.

Ich bitte die FDP-Fraktion. Herr Abg. Herbst, bitte.

(Präsidentenwechsel)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren gibt es im Umgang mit Schulen in freier Trägerschaft einen Knackpunkt: Das ist die Höhe des staatlichen Zuschusses. Wir haben heute Vormittag eine leidenschaftliche Diskussion zum gescheiterten Referentenentwurf erlebt. Kultusminister Flath hat eine grandiose Bauchlandung erlebt, weil er eine Veränderung durchpeitschen wollte, die sich nicht an den Realitäten orientiert. Eine Frage ist damit aber nicht vom Tisch: Was ist eigentlich die angemessene Zuschusshöhe für Träger freier Schulen?

Der gescheiterte Gesetzentwurf ist deshalb eine Chance, das Problem unter Einbeziehung aller Beteiligten zu lösen. Es gibt in Sachsen bisher Gutachten, wird das Argument des einen oder anderen sein, die sich die Mühe

gemacht haben, Schülerkosten zu bestimmen. Doch je nachdem, wer sie beauftragt hat, kommen die Gutachter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Bei den Ist-Kosten für die Grundschulen liegen die Schätzungen zwischen 4 216 Euro und 5 478 Euro pro Kopf. Das Statistische Bundesamt spricht von 4 400 Euro und im alten Referentenentwurf der Regierung billigte man den Grundschulen 2 400 Euro zu. Wenn man die letzte Zahl nimmt, dann sind das 60 % der Kosten dessen, was eine vergleichbare öffentliche Schule zur Verfügung hat, auch nach den eigenen Zahlen aus dem Kultusministerium. Das ist von der Messlatte der anerkannten 90 % der vergleichbaren Kosten sehr weit entfernt.

Wie kommen die Unterschiede in den ermittelten Schülerkosten zustande? Wenn man sich einmal anschaut, nach welchen Kriterien ermittelt wurde, sieht man, dass in einigen Gutachten manche Kostenpunkte überhaupt nicht auftauchen. Da gibt es keine Gebäudekosten, keine Personalverwaltungskosten, Kosten für den Ergänzungsbereich findet man auch nicht. Was die Regierung bisher

zum Thema Privatschulfinanzierung als Begründung der Zuschussformeln vorgelegt und mit dem Referentenentwurf geplant hat, gleicht eher einer Blackbox als einem transparenten, objektiv nachvollziehbaren Rechenwerk.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen das verändern. Deshalb sind wir für eine Datengrundlage, die von allen Seiten akzeptiert wird, bevor der Landtag endgültig über eine Neufassung der Zuschussformeln entscheidet. Andere Länder gehen diesen Weg. Bei unserem Nachbarn Thüringen wird gerade ein gemeinsames Gutachten von der Staatsregierung und den Interessenvertretern der freien Schulträger erstellt. Ich glaube, daran kann sich Sachsen ein Beispiel nehmen.

Neben der Kostenermittlung geht es uns aber auch um Kostenkontrolle und um Effizienz. Im Jahresgutachten des Rechnungshofes 2002 wird empfohlen: „Über einen Vergleich der im öffentlichen Schulwesen entstehenden Kosten mit den jeweils entsprechenden Zuschüssen für Schulen in freier Trägerschaft sollte der Landtag in regelmäßigen Abständen, etwa einmal je Legislaturperiode, unterrichtet werden.“ Ein solcher Bericht, meine Damen und Herren, würde uns eine bessere politische Bewertung des Zusammenhangs zwischen Ressourceneinsatz und Bildungsqualität ermöglichen. Freie Schulen, meine Damen und Herren, brauchen eine ausreichende, vor allem aber transparente und nachvollziehbare Finanzierungsgrundlage. Der alte Referentenentwurf der Staatsregierung wurde beidem nicht gerecht.

Mit unserem Antrag kann der Sächsische Landtag die Voraussetzung dafür schaffen, dass dieses Problem gelöst wird. In Regierungssprache hieße es dann, die Voraussetzungen für einen „großen Wurf“ zu schaffen. Sie können dabei mithelfen. Ich bitte Sie ganz herzlich um Zustimmung.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte die CDUFraktion. Frau Abg. Henke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Herbst, der Antrag Ihrer Fraktion ist eben nicht zielführend. Sie hatten richtig erwähnt, dass schon mehrere Gutachten erstellt worden sind. Auch was Sie auf die Diskussion von heute Morgen mit einer „Watsche“ und einem „Zurückziehen“ bezogen haben, konnten wir klären. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg.

Der Herr Minister hat das auch ausgeführt. Gerade die Formel, die in diesem Referentenentwurf steht, ist im allgemein bildenden Bereich so gehalten, dass die Schulen in freier Trägerschaft sich besser stellen als bisher.

Es gibt, wie gesagt, drei Gutachten, die den Versuch unternommen haben, Kosten öffentlicher Schulen zu berechnen: eines der TU Dresden, die Steinbein-Studie

und ein Gutachten des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung.

Keines dieser Gutachten, Herr Herbst und meine Damen und Herren, konnte trotz erheblichen Aufwandes abschließend verlässliche Aussagen treffen. Alle drei Verfasser haben mittlerweile auch Unsicherheiten einräumen müssen.

So sind beispielsweise nicht nur die Kosten der Schulverwaltung schwer zu berechnen. Auch wurde bei der Begutachtung durch die TU Dresden festgestellt, dass große Abweichungen zwischen den Schulen in Einklang gebracht werden müssen. Die Verzerrung der Ergebnisse durch so genannte Ausreißer ist zu befürchten. Gründe hierfür sind die Über- oder Unterfinanzierung von einzelnen Schulen durch Ineffizienz wie zum Beispiel geringere Auslastung wegen extrem rückläufiger Schülerzahlen oder unterschiedlicher Prioritätensetzung – was jetzt keine Kritik ist – der Kommunen bezüglich der Sachkosten. Es ist also problematisch, Durchschnitts- und Mittelwerte zu definieren.

Auch die Steinbein-Studie ist – wie von den Gutachtern selbst zugegeben – von Unsicherheiten behaftet. Sie geht von offiziellen statistischen Zahlen aus, muss dann aber durch pauschale Zuschläge und Anpassungen Korrekturen vornehmen. Diese Unterschiedlichkeiten können in absehbarer Zeit nicht behoben werden und sicherlich auch nicht dadurch, dass wir ständig diskutieren: Machen wir noch ein Gutachten und noch ein Gutachten.

Deshalb würde ein weiteres Gutachten unter diesen Umständen zu keinen neuen Erkenntnissen führen. Also, meine Damen und Herren, auch die „In-Auftrag-Gebung“ von zehn weiteren Gutachten würde keine abschließende verlässliche Auskunft geben können. Der Sachverhalt ist so weit aufgeklärt, wie er vor dem Hintergrund der Problematik, die ich eben benannt habe, überhaupt aufgeklärt werden kann.

Ein weiteres Gutachten würde – von erheblichen Kosten einmal ganz abgesehen – vom Zeitpunkt der Auftraggebung bis zur Vorlage des Endberichtes mindestens ein Jahr dauern. Es ist jedoch notwendig – das, meine Damen und Herren, hat die Diskussion heute Morgen gezeigt –, schnell politische Entscheidungen zu treffen. Denn es gibt nicht nur dringenden Handlungsbedarf für die notwendige Anpassung, sondern es stehen auch wesentliche Verbesserungen für Schulen in freier Trägerschaft auf dem Spiel, so zum Beispiel die von vielen freien Trägern geforderte Wartezeitverkürzung.

Wie gesagt, der Referentenentwurf wurde zurückgezogen. Wir haben uns darüber ausgetauscht. Ich bin aber trotzdem überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten zu Gesprächen kommen werden, sodass ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gebracht werden kann und das Gesetz zum 01.08.2007, so hoffe ich, an unseren Koalitionspartner gerichtet, in Kraft treten kann.

Denn, meine Damen und Herren, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich betonen: Die CDU

Fraktion war und ist ein leidenschaftlicher Vertreter der Schulen in freier Trägerschaft.