Protokoll der Sitzung vom 08.06.2007

Zum personellen Mehrbedarf kann ich nur sagen: Die Klage ist des Kaufmanns Gruß. – Sicherlich sollte uns das alles etwas wert sein, aber die Anstrengungen sollten nicht unbedingt nur materiell belohnt werden. Wir haben gehört, es ist eine Phase, die zugegebenermaßen mit erhöhten Anstrengungen verbunden ist. Aber diese Phase ist irgendwann abgeschlossen und mündet in einen fortgesetzten Prozess, der bei den Studiengängen drei Jahre dauern soll, ein. Insofern denken wir, es sollte nicht notwendigerweise mit Stellen und zusätzlichen Finanzen verbunden sein.

Im Ergebnis sind die Dinge, die Sie fordern, nicht der Realität gemäß. Sie ziehen frühe und zum Teil falsche Schlussfolgerungen. Deshalb müssen wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh, das war mir jetzt ganz neu!)

Die Linksfraktion.PDS möchte darauf reagieren. Frau Abg. Werner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, wir können Ihrem Entschließungsantrag nur zustimmen. Wir stellen fest, dass die von uns formulierten kritischen Passagen der kleinen Novelle genau zu den aufgezählten Missständen geführt haben.

Ich möchte nur vier Punkte herausgreifen, die mir am Entschließungsantrag besonders wichtig erscheinen, weshalb meine Fraktion ihm auch zustimmen wird. Das Erste ist die Sicherung der internationalen Mobilität.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Darüber hatten wir schon einmal während der kleinen Novelle diskutiert. Diese soll durch „Bologna“ leichter gemacht werden. Allerdings wird es durch das neue Hochschulgesetz für die Studierenden nicht leichter. Uns wurde sogar in der damaligen Anhörung gesagt, dass der bürokratische Aufwand an der Heimathochschule für ein Auslandssemester mehr Zeit benötigen würde als der Aufenthalt im Zielland selbst.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Meine Fraktion wird diese Anerkennungspraxis viel großzügiger fassen. Wir meinen, dass ein Aufenthalt im Ausland etwas sehr Wichtiges ist; denn es ist unter kulturell und sprachlich neuen Bedingungen und in einem neuen Studiensystem ein ganz besonderer Bildungswert. Man muss eine neue Sprache und eine neue Kultur kennenlernen, es gibt eine andere Art der Kommunikation.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Für Herrn Gansel ist das neu!)

Dies sind Schlüsselkompetenzen, die einen möglichen Qualitätsunterschied im Studium, denke ich, aufwiegen können. Herr Gansel, Ihre Angst und Ihre Unsicherheit, die Sie hier gezeigt, und dieses verkrampfte Klammern an Vertrautes, das Sie geäußert haben, erinnert mich ein wenig an die Fremdelzeit meiner Kinder. Wobei ich sagen muss, die beiden haben das zum Ende des ersten Lebensjahres abgelegt, und Sie sind auf diesem Kleinkindniveau stehen geblieben.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, und Martin Dulig, SPD – Jürgen Gansel, NPD: Sie sind keine Psychologin! Überlassen Sie das einer Psychologin!)

Zur Studieneingangsphase: Das ist eine Forderung, die sich auch in unserem Hochschulgesetz wiederfindet. Diese Modularisierung birgt auch Gefahren in sich. Es ist also eine sehr komplexe Anforderung, die man in einer solchen Phase erlernen kann. Außerdem bietet sie die Möglichkeit, Studienabbruch zu verringern.

Wir sprachen in den letzten Tagen über Probleme der Berufsorientierung. Dies bezieht sich natürlich auch auf das Studium. Die Studierenden kommen zum Teil mit sehr geringem Vorwissen für das gewählte Studium an die Hochschule, und diese Phase bietet sowohl die Möglichkeit der Orientierung als auch gegebenenfalls der Umorientierung.

Zur Ausdünnung der Stoff- und Prüfungsdichte wurde ebenfalls einiges gesagt. Ich denke, dass dies zugunsten anderer sogenannter Schlüsselkompetenzen notwendig ist. Ein sehr wichtiges Bildungsziel muss für alle akademischen Berufe – auch den Bachelor – die wissenschaftliche Urteilsfähigkeit sein. Sie ergibt sich nicht durch die Anhäufung von abfragbarem Wissen oder in einem Schmalspurstudium.

Ein letzter Punkt: finanzielle und personelle Ressourcen. Frau Staatsministerin Stange, wir haben immer gesagt, dass diese Hochschulvereinbarung eine Erpressung der Hochschulen war. Die Hochschulen hatten überhaupt keine andere Möglichkeit, als sich darauf einzulassen; denn ihnen wurde angekündigt, dass sie ansonsten noch weniger Geld bekämen. Deshalb haben wir als Linksfraktion in unseren Haushaltsanträgen immer zusätzliche finanzielle Mittel eingefordert – für eine Verbesserung der Qualität der Lehre und die Umsetzung der Studienreform.

Insofern, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, unterstützen wir Ihre Forderungen und können und werden Ihrem Antrag zustimmen.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich habe von der FDP-Fraktion noch eine Wortmeldung gesehen; Herr Herbst, bitte.

Frau Präsidentin! Wir teilen zwar das Anliegen der GRÜNEN, wir sagen, die Hochschulen müssen in diesem Umstellungsprozess unterstützt werden. In diesem Prozess ist auch laufend zu evaluieren. Allerdings ist die Art und Weise der Vorschläge typisch GRÜNE – oder ich sollte besser sagen: typisch staatsgläubig.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Was?!)

Man kann nicht immer nur von Hochschulautonomie und Freiheit sprechen. Wenn man in Ihren Forderungskatalog schaut, so fordern Sie an vier Stellen neue gesetzliche Regelungen. Das hat mit Freiheit sehr wenig zu tun. Meine Damen und Herren, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie für Freiheit oder für Staatsdirigismus sind.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Wir waren mal wieder deutlich besser!)

Aus diesem Grund werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Gibt es weiteren Redebedarf? – Dies ist nicht der Fall. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 4/8988 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen und eine größere Anzahl von Stimmen dafür. Damit ist dem Entschließungsantrag dennoch mehrheitlich nicht gefolgt worden. Die Behandlung der Großen Anfrage ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Beschäftigungschancen in Sachsen erhöhen

Drucksache 4/8177, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Keine „Bürgerarbeit“ zum Billigtarif – 3 000 Stellen aus öffentlich geförderter Beschäftigung schaffen

Drucksache 4/8043, Antrag der Linksfraktion.PDS, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Modellprojekt Bürgerarbeit für Sachsen in Anlehnung an das Modell von Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt)

Drucksache 4/7724, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Pietzsch, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beschäftigungschancen in Sachsen erhöhen! Angesichts der 3,8 Millionen Arbeitslosen und Geringverdiener, vor allem im Hinblick auf die Langzeitarbeitslosen, die 50 plus, die niemand mehr einstellen will, und der vielen unqualifizierten Jungen, denen jegliche Berufserfahrung fehlt, steht der Staat vor dem Dilemma, Lohn, von dem sich leben lässt, Arbeit, die sich rentieren muss, Lohn so niedrig, dass sich die Arbeit für den Arbeitgeber lohnt, Lohn so hoch, dass sich die elementarsten Notwendigkeiten finanzieren lassen, verantwortungsbewusst zu regeln. Bei einer Anzahl von 70 bis 80 Fördertatbeständen eine Aufgabe, die zuerst die Frage nach der Wirksamkeit der bisher geltenden stellt.

Mit einem Zuwachs von 13,6 % der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe hat Sachsens Wirtschaft im vergangenen Jahr Platz eins in Deutschland erreicht.

Starke Auftragseingänge, besonders aus dem Ausland, sind der Motor für den Wachstumskurs sächsischer Unternehmen. Die Konjunktur zieht an und erreicht den sächsischen Arbeitsmarkt. Die positive Stimmung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sachsen nach wie vor eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zu verzeichnen hat. Zwar stieg die Zahl der offenen Stellen und die sächsische Wirtschaft verzeichnet bereits zum heutigen Zeitpunkt einen Bedarf, der nicht gedeckt werden kann, dennoch gingen die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen, die der älteren Arbeitslosen über 50, die Zahl der Langzeitarbeitslosen und vor allem auch die Zahl der erwerbslosen Frauen nur unterdurchschnittlich zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Legt man die Ergebnisse der Entwicklung des vergangenen Jahres zugrunde und betrachtet die prognostizierte demografische Entwicklung für Sachsen und den entstehenden konjunkturellen Fachkräftebedarf, so muss man feststellen:

Erstens. Die Wirtschaft läuft auf zunehmenden Fachkräftemangel zu, der mit den bestehenden Arbeitsmarktinstrumenten nicht mehr in vollem Umfang gedeckt werden kann.

Zweitens. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen bleibt nahezu unverändert. Die bisherigen Qualifizierungsmaßnahmen haben in dieser Gruppe nur zu geringen Erfolgen bei der Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt geführt.

Drittens. Besonders die Altersgruppen der jugendlichen, der langzeitarbeitslosen und der älteren Sachsen ohne Arbeit partizipieren vom Erfolg der Wirtschaft nur unterdurchschnittlich.

Viertens. Auch die Zahl der Frauen ohne Job nimmt nicht in dem Maße ab, wie sich der Erfolg sächsischer Unternehmen im Gegenzug einstellt.

Fünftens. Sachsen schiebt eine fast unverändert hohe Bugwelle an Langzeitarbeitslosen und Arbeitslosen mit geringerer oder am Markt nicht mehr nachgefragter Qualifikation vor sich her.

Um diese Situation nachhaltig zu verbessern, müssen in der kommenden Förderperiode zur Verfügung stehende Mittel des ESF gezielt für Programme eingesetzt werden, welche die Chancen der von mir beschriebenen Gruppen der Arbeitslosen am ersten Arbeitsmarkt verbessern. Dabei sollten folgende Dinge Vorrang haben:

Primäre Orientierung der Maßnahmen auf den ersten Arbeitsmarkt, Verstärkung der Förderung der Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, Qualifizierung mit anerkannten Berufsabschlüssen, anknüpfend an die individuellen Bildungsvoraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten, Unterstützung von ARGEn und Optionskommunen beim Einsatz effektiver Instrumente der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Initiieren von Beschäftigungsangeboten für ältere Langzeitarbeitslose mit geringen Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt für einen aktiven Übergang, Erhöhung der Berufschancen junger Menschen durch eine zusätzliche Förderung von Ausbildungsplätzen im dualen System, Schaffung und Unterstützung integrierender Maßnahmen zur Qualifizierung Jugendlicher mit abgebrochener oder fehlender Berufsausbildung sowie Jugendlicher mit nicht marktgerechter Ausbildung, ausgerichtet am aktuellen Bedarf am ersten Arbeitsmarkt, enge Kooperation von Land und Kommunen mit der Bundesagentur für Arbeit, Anwendung der Grundsätze von Gender Mainstreaming auf die Ziele und Maßnahmen der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik des Freistaates.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle von mir genannten Ziele sind die Grundlage für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Sachsen. Trotz aller sich auf dem ersten Arbeitsmarkt einstellenden Erfolge – so muss man feststellen – hat eine große Zahl von Arbeitslosen aufgrund ihrer Erwerbsbiografie aktuell keine realistische Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt. Unsere Aufgabe ist es, Teilnahme zu ermöglichen, um an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu können. Teilhabe und Teilnahme unter Achtung der Würde des Betroffenen nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit zu organisieren, das sollte Ziel unserer Bemühungen sein.

Ist die Bürgerarbeit eine neue Wunderwaffe? Ist es die Antwort auf die von den Arbeitgebern viel beschworene Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, die notwendig sei? Was heißt das eigentlich auf Arbeitgeber-Deutsch? Für mich heißt es jedenfalls, dass die Arbeitgeber die Freiheit erhalten, die Bezahlung ihrer Beschäftigten ausschließlich nach ihren eigenen Bedürfnissen und denen ihres Geschäftes zu gestalten. Im Ergebnis dieser Forderung nach Flexibilisierung steht für mich die Frage, wieweit man mit der damit verbundenen Armut umgehen will. Also doch Bürgerarbeit?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bürgerarbeit ist vielleicht kein geeignetes beschäftigungspolitisches Instrument, sondern ist eher als eine Maßnahme der Sozialpolitik zu sehen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass dadurch Perspektiven für die Betroffenen nicht nur aufgezeigt, sondern auch als Brücke zu den von mir vorher genannten notwendigen Maßnahmen angesehen werden können.