Herr Flath, abseits vom Spaß würde ich Sie trotzdem gern fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass nur in der Grundschule in Sachsen nicht
differenziert wird, weder nach Herkunft noch nach Vorkenntnissen noch nach Elternhaus oder sonst etwas, sondern dass dort jeder genommen wird, der das Einschulungsalter erreicht hat; dass aber an den Mittelschulen und an den Gymnasien aussortiert wird, sodass insofern allenfalls die Grundschulen als Gemeinschaftsschulen gelten können.
Frau Abgeordnete, wenn ich es recht sehe, berührt das, was Sie hier ansprechen, eine ideologisch belastete Debatte, die in Deutschland seit mindestens drei Jahrzehnten geführt wird. Deshalb sage ich, dass wir das nicht in einer Aktuellen Debatte abarbeiten können. Wir haben darüber schon sehr häufig gesprochen.
Aber einen Vorwurf möchte ich zurückweisen: Wenn es um den Übergang von der Grundschule an die Mittelschule oder ans Gymnasium geht, dann differenzieren wir genau nicht nach der Herkunft der Schüler. Diesen Vorwurf möchte ich zurückweisen.
Jetzt bleibe ich aber dabei: Spaß beiseite. Was dahintersteht, ist der aktuelle Anlass, dass sich Eltern in Dresden Sorgen machen, was die Gemeinschaftsschule in Pieschen betrifft. Natürlich wollte die PDS wieder einmal versuchen, die Koalition zu ärgern, insbesondere die SPD. Es bleibt auch nach dieser Debatte dabei, dass CDU und SPD unterschiedliche Vorstellungen haben. Wir haben uns für diese Legislaturperiode im Koalitionsvertrag auf einen Kompromiss geeinigt. Dort steht, dass Gemeinschaftsschulen als Schulversuch zuzulassen sind. Das hat Herr Kollege Colditz ausgeführt, und dabei bleibt es auch.
Es stimmt also nicht, dass ich dort Steine in den Weg lege, sondern ich will zum Fall Pieschen ganz klar sagen: Ich halte mich an die Absprache. Ich habe im März signalisiert, dass in Dresden eine Gemeinschaftsschule eingerichtet wird, und ich halte mich daran. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass es in Dresden Eltern gibt, die diese Schule wünschen. Natürlich haben sie das Recht, diesen Wunsch mit Unterschriften, mit Petitionen zu verstärken. Aber ich will den Eltern deutlich sagen: Ich habe bereits zur Kenntnis genommen, dass das bei den Eltern gewünscht ist. Nur bin ich nicht nur Kultusminister für die Landeshauptstadt Dresden, sondern für das ganze Land. Deshalb bitte ich zu verstehen, dass ich einheitlich handeln muss.
Nun kann ich das nicht erzwingen. Der Dresdner Stadtrat muss nicht Wünsche eines Kultusministers erfüllen, natürlich nicht. Es wäre freilich gut gewesen, man hätte sich darauf verständigen können, die Gemeinschaftsschule in Dresden an einer bestehenden Schule einzurichten.
Dann wäre es auch mit Beginn des neuen Schuljahres möglich gewesen. So musste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich der Stadtrat anders entschieden hat, dass er eine Gemeinschaftsschule völlig neu einrichten will. Da bitte ich um Verständnis. Bevor ich einen Schulversuch genehmigen kann, muss es zunächst einmal eine Schule geben. Das werden wir sicherstellen. Das fällt uns nicht ganz leicht. Es dürfte die einzige Mittelschule in ganz Sachsen sein, die neu eingerichtet wird.
Aber wir werden das erfüllen. Diese Schule wird mit dem nächsten Schuljahr auch Lehrerinnen und Lehrer haben. Das gehört ja zu einer Schule. Mit diesen müssen wir dieses Konzept, das Eltern gemeinsam mit Pädagogen, aber eben einer Schule, die nicht besteht, vorlegen, besprechen. Denn ich muss die Genehmigung einem Schulträger erteilen und mit dieser Genehmigung übernehmen wir die Verantwortung, dass eines Tages auch die Abschlüsse, die dort erzielt werden, vergleichbar sind und auch in anderen Bundesländern anerkannt werden. Deshalb ist es zwingend, ob es uns nun gefällt oder nicht, dass wir die Regelung, die die Kultusministerkonferenz beschlossen hat, auch in dieser Schule zur Anwendung bringen.
Herr Staatsminister, werden Sie Anträge von Schulen und Schulträgern, die gegebenenfalls noch folgen, nur genehmigen, wenn in dem Konzept eine äußere Differenzierung ab Klasse 7 enthalten ist, oder nicht?
Diese äußere und innere Differenzierung, Frau Abgeordnete, überlassen wir mal den Gesprächen, die im Zuge einer Genehmigung notwendig sind. Dort muss man sich darauf verständigen. Auf der einen Seite gibt es die Anforderungen der Kultusministerkonferenz und auf der anderen Seite erläutern uns dort Lehrerinnen und Lehrer, wie sie diese Vorschriften umsetzen. Da will ich nicht vorgreifen und will das heute gar nicht in den Vordergrund stellen.
Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, zu den bisherigen Streitpunkten eine Einigung zu erzielen. Ich will auch eines richtigstellen: Es ist in Sachsen überhaupt keine Ablehnung erfolgt. Entweder haben Antragsteller, nämlich Schulträger, Anträge zurückgezogen oder wir haben uns darauf verständigt, dass diese Anträge noch nicht genehmigungsreif sind. So haben wir – das möchte ich hier auch sagen, Kollege Rohwer hat es bereits angeführt – die Gespräche mit der Landeshauptstadt Dresden als Schulträger geführt. Ich gehe davon aus, dass spätestens mit Beginn des nächsten, heute muss ich sagen, des
Ich signalisiere den Eltern, dass sie darauf vertrauen können, wenn ich eine solche Zusage mache. Ihren Kindern wird kein Nachteil entstehen, wenn in diesem Jahr aus mehreren von mir angeführten, auch formellen Gründen noch keine Genehmigung vorliegt, weil in der 5. Klasse der Unterschied zwischen einer Mittelschule und einer Gemeinschaftsschule vielleicht darin besteht, dass an der Schule außen unterschiedliche Schilder angebracht sind. Wollen wir die Sache doch mal ganz praktisch sehen. Deshalb sage ich: Die Eltern können darauf vertrauen.
Ich will heute eines sagen: Ich lerne selbstverständlich auch daraus. Ich werde im Freistaat Sachsen im nächsten Jahr nicht noch einmal einen Antrag für einen Schulversuch für eine Schule entgegennehmen, die es überhaupt nicht gibt.
Diese Lehre werde ich daraus ziehen, denn ich fühle mich in dieser Sache auch ein Stück über den Tisch gezogen. Aber ich will das nicht auf die Spitze treiben, damit die Eltern, die darauf vertrauen, nicht darunter leiden, sondern die Schule wird eingerichtet. Wir werden im Laufe des Herbstes die Gespräche fortsetzen und es wird zur Genehmigung kommen.
So viel zur Aktualität hinsichtlich der Gemeinschaftsschule in Pieschen. Über alles andere, über unterschiedliche Ansichten in der Bildungspolitik werden wir uns wahrscheinlich in zehn Jahren in diesem Hohen Haus genauso streiten wie jetzt.
Aber ich will Kollegen Colditz recht geben: Wir können uns mit unserem sächsischen Schulsystem durchaus sehen lassen. Viele Elemente des sächsischen Schulsystems – Abitur nach zwölf Jahren, zentrale Abschlüsse in Sachsen oder auch das Modell unserer Mittelschule – werden mittlerweile von anderen Bundesländern kopiert.
Darunter sind im Übrigen auch SPD-geführte Bundesländer. Ich glaube, sogar die Linksfraktion in Berlin ist mit dabei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als antragstellende Fraktion wollen wir gern noch einmal zusammenfassen bzw. auf einzelne Punkte eingehen.
Herr Rohwer, in den Leitlinien für Gemeinschaftsschulen steht mitnichten, dass ein solches Schulmodell zwangsläufig aus Grundschule und Mittelschule gebildet werden soll. Es steht dort, dass es in Kooperation verschiedener Schulen entstehen soll, aber die von Ihnen beschriebene Notwendigkeit steht darin nicht. Im Gegenteil, Herr Flath, Ihr Ministerium war es, das den Pieschenern gesagt hat, eine Mittelschule müsste her, um dann in einer Kooperation diese Gemeinschaftsschule von der Grundschule aus wachsen zu lassen. So war die Reihenfolge und wenn diese Mittelschule nun im nächsten Schuljahr schon da ist, warum kann sie dann nicht Gemeinschaftsschule sein? Warum muss dafür wieder ein Jahr der Verunsicherung, der Verhandlung usw. ins Land gehen?
Ich glaube, dass eher genau darin das Konzept liegt, kein Signal des Erfolges einer solchen Initiative zu senden, Leute im Land unsicher zu lassen oder sie vielleicht auch einfach aus Kleinlichkeit nicht gewinnen zu lassen. Ich weiß es nicht.
Aber wir freuen uns über die Zusage, die Sie für Pieschen gemacht haben. Das haben wir zur Kenntnis genommen, das steht im Protokoll. Die Vertreterinnen und Vertreter haben es auch gehört.
Wir werden auch im Auge behalten, inwieweit sich die Diskussion um die innere Leistungsdifferenzierung in den Verhandlungen mit den Schulen fortsetzt, denn das ist der springende Punkt. Darauf darf das Haus nicht bestehen und ich denke, dass darin auch eine Verantwortung der Koalitionspartner liegt.
Dass es dazu hier im Land unterschiedliche Meinungen gibt, wissen wir. Aber das Thema bleibt für uns so lange aktuell, wie die Koalition in Pieschen und anderswo so agiert. Das möchte ich feststellen.
Ich finde es schade, dass auf mein Berliner Beispiel niemand eingegangen ist; denn selbst wenn man sich in der Koalition nur auf einen Modellversuch einigen kann, wie auch in Berlin der Fall, gibt es eben verschiedene Varianten, das zu betreiben, zum Beispiel mit 53 Schulen und 22 Millionen Euro Unterstützung für die Legislaturperiode oder eben so, wie es hier in Sachsen passiert. Das ist kein Schicksal und wir werden die politischen Alternativen im Land immer weiter starkmachen.
Herr Colditz, ich möchte Sie bitten, an einer Stelle sehr aufmerksam zu sein. Und zwar habe ich in dieser Debatte von Herrn Gansel und von Vertretern der NPD-Fraktion ähnliche Begriffe von „Bildungsideologen“ und der „Neigung einer Hierarchisierung der Gesellschaft“ gehört. Diese Hierarchisierung wird nur von sehr wenigen gesellschaftlichen Kräften noch vertreten und ich wünsche mir sehr, dass keine Überschneidungen in der Argumentation entstehen.
Die CDU-Redebeiträge habe ich eigentlich als ein letztes Aufbäumen gegen einen Zug verstanden, der schon lange nicht mehr aufzuhalten ist.
Diese gesellschaftliche Veränderung, das längere gemeinsame Lernen, wird kommen und wir werden die politische Umsetzung und gerade auch den Rahmen, den das Kultusministerium dafür setzt, immer wieder thematisieren. Denn Pieschen ist für mich ein Beispiel. Sogar, wenn es von unten, wenn es von den Menschen gewollt ist, von den Eltern, von den Lehrern, vom Schulträger, vom Stadtrat, vom Gemeinderat, wenn alle Partner sich an einen Tisch setzen, sich Modelle ausdenken und eine Schule gründen – über die Neugründung kann man ja diskutieren –, sogar dann kommt das Kultusministerium und erteilt den Menschen im ersten Zug eine Absage, gibt ihnen das Gefühl von Verunsicherung und versucht, Inhalte zu diktieren.
Wenn Sie die Menschen und die Schulen ihren eigenen Weg finden lassen, dann lassen Sie sie auch die Konzepte selbst entwickeln! Mischen Sie sich nicht ein, verlangen Sie keine Differenzierung!