Im Prinzip greifen Direktzahlungen und Fördermittel für den ländlichen Raum in ihrer Funktion bereits jetzt stark ineinander.
Landwirte sind natürlich auch gleichzeitig Bewohner des ländlichen Raumes. Insofern ist eine individuelle Förderung der ländlichen Räume der richtige Weg in die Zukunft. Dort, wo gestiegene Preise nachhaltig für höhere Einkommen der Landwirte gesorgt haben, können Direktzahlungen reduziert werden. Aber diese freigewordenen Mittel dürfen nicht gekürzt, sondern müssen zur wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Räume und für die Bewältigung neuer Aufgaben umgeschichtet werden, zum Beispiel in den bereits erwähnten Umwelt- und Klimaschutz. Insofern würden wir eine schrittweise Umschichtung von einigen Prozenten der Finanzmittel der Direktzahlungen begrüßen.
Beim Instrument der Milchquote gilt es, den für 2015 vorgesehenen Ausstieg bereits jetzt flankierend zu begleiten.
Ein moderner Landwirtschaftsbetrieb braucht auch eine moderne Infrastruktur und nach Möglichkeit ein sogenanntes zweites Standbein. Landwirte, die sich neben der Produktion von Nahrungsmitteln verstärkt den Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Energie stellen, haben eine ganz neue Art von Zukunft. Wir können das heute, wenn Sie einmal durchs Land gehen, auch an der einen oder anderen Stelle sehen. Ich nenne nur einmal das Stichwort „Biogaserzeugung“.
Eine Grundvoraussetzung für eine derartige Umschichtung ist, dass die umgeschichteten Mittel in den Regionen bleiben, aus denen sie stammen. Dabei müssen die Schaf
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der seit Jahren andauernden Diskussion um die Finanzierung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik erleben wir zurzeit einmal wieder einen ihrer Höhepunkte und auch hier in Sachsen wie immer mit den gleichen Ritualen.
Die CDU fordert – wir haben es vorhin gerade gehört – die komplette Entlassung der Landwirte in die Marktwirtschaft. Die GRÜNEN schlagen laut Pressemitteilung – für mich relativ unmotiviert – gegen sogenannte Agrarkonzerne auch hier in Sachsen Alarm.
Meine Damen und Herren! Damit wird schon das erste Problem deutlich. In keinem Politikfeld haben sich seit 1992 die Rahmenbedingungen auf EU-Ebene so oft und so drastisch geändert wie in der Landwirtschaft, und das in einem Bereich, der mit der Produktion von Lebensmitteln eine unserer existenziellen Lebensgrundlagen sichert. Darum lautet zum jetzigen Zeitpunkt die erste Forderung der Fraktion DIE LINKE: Es darf überhaupt keine Änderung bei den Regelungen geben, die 2003 beschlossen und bis 2013 schrittweise umgesetzt werden sollen.
Das habe ich bei den anderen Rednern etwas anders herausgehört. Wir sind der Meinung, dieser Vertrauensschutz und diese Verlässlichkeit sind das Mindeste, was die Bauern in ganz Europa von der Politik erwarten können.
Heute, etwa in der Mitte der Laufzeit der aktuellen EU-Agrarreform, ist es richtig, die Wirkung der 2003 beschlossenen Regelungen zu bewerten und über sinnvolle und notwendige Veränderungen bei der Finanzierung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik für die Zeit nach 2013 zu diskutieren.
Herr Gerlach, Sie haben ja gesagt, alles, was jetzt vorgebracht wurde, sind gute Vorschläge als Diskussionsgrundlage. So weit gehen wir eindeutig mit, aber wir wollen ab dem nächsten oder übernächsten Jahr keine gravierenden Veränderungen.
Auch für uns, DIE LINKE, gibt es reichlichen Diskussionsbedarf. Für uns ist es schon heute unumstritten, dass es auch nach 2013 eine gemeinsame europäische Agrarpolitik geben muss und dass die sächsischen Landwirte auch nach 2013 aus dem EU-, dem Bundes- und dem sächsischen Landeshaushalt gefördert werden müssen. Die Legitimation für diese Förderung ergibt sich für uns aus den bedeutsamen gesellschaftlichen Leistungen, die nicht nur DIE LINKE, sondern auch der Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer der Landwirtschaft zuschreibt. In einem Brief an die Vorsitzende und die
Obleute des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Bundestages schreibt er: „Europa hat ein Interesse an vitalen ländlichen Regionen, in denen bedeutsame gesellschaftliche Leistungen, insbesondere auch von der Landwirtschaft, erbracht werden, die von der Erhaltung der landschaftlichen Räume für Tiere und Pflanzen über Beiträge zur Energieerzeugung und Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln bis hin zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt reichen. Diese gesellschaftlichen Leistungen sind im ländlichen Europa eine wichtige Grundlage für Arbeitsplätze und Wertschöpfung – auch über Sektorengrenzen hinaus.“ – Genau das könnte auch von uns stammen.
Vor diesem Hintergrund sind für uns die zum x-ten Mal von der EU-Kommission zur Diskussion gestellten Kürzungen von Direktzahlungen an Landwirtschaftsbetriebe ab einer bestimmten Summe einfach nur absurd. Sie berücksichtigen in keiner Weise die historisch gewachsenen, von der Größe und den Eigentumsformen her sehr unterschiedlichen Agrarstrukturen in der EU. Aber auch die unterschiedlichen Bedingungen zwischen Betrieben innerhalb Sachsens, etwa zwischen reinen Ackerbaubetrieben und Tierhaltungs- sowie Veredlungsbetrieben, fallen bei dieser Herangehensweise völlig unter den Tisch.
Würden diese Pläne der EU-Kommissarin Frau Fischer Boel real, wäre in Sachsen die oben genannte wichtige Grundlage für Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, Infrastruktur und Wertschöpfung im ländlichen Raum völlig sinnlos und bar jeder Vernunft gefährdet.
Hier in Sachsen hat sich nach der politischen Wende die Mehrzahl der ehemaligen LPGs dazu entschieden, als größere Mehrfamilienbetriebe, zum Beispiel als Agrargenossen, weiter gemeinsam zu wirtschaften; und sie sind – lieber Kollege Weichert, ich muss es Ihnen noch einmal sagen – keine Agrarkonzerne, auch keine Großgrundbesitzer, sondern vor Ort verankerte mittelständische Unternehmen, die oft auch heute noch über ihre Betriebe hinaus Verantwortung in den Dörfern übernehmen. Auf dieser Grundlage lehnen wir eine undifferenzierte Kürzung der Direktzahlungen, die sich nur an der absoluten Förderhöhe der Betriebe orientiert, ab, egal, ob sie heute oder ab 2013 in Kraft treten soll.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen nun vorgetragen, was wir als LINKE in der zukünftigen Finanzierung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik nicht wollen. In meinem nächsten Redebeitrag werde ich darauf eingehen, wie wir uns das zukünftig vorstellen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Titel der Aktuellen Debatte „Keine Benachteiligung der sächsischen Landwirtschaft...“ versuchen sich die Koalitionsfraktionen
wieder einmal als glänzender Retter der sächsischen Landwirtschaft darzustellen, sozusagen als Robin Hood der sächsischen Bauern.
Allerdings – das, meine Damen und Herren, werden wir Ihnen immer wieder sagen müssen – haben Sie leider überhaupt nicht das Recht dazu, sich diese Rolle anzumaßen. Wer war es denn, der zugelassen hat, dass die EU ihre Politik über die Köpfe der Menschen hinweg machen kann? Wer war es denn, der zugelassen hat, dass immer mehr Mitgliedsstaaten hinzukommen; und wer war es denn, der zugelassen hat, dass Deutschland Jahr für Jahr als größter Nettozahler mehr Geld in die Europäische Union einzahlt, als es zurückbekommt?
Sie waren es. Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf der Bundesebene haben diese Situation erst geschaffen und sich gleichzeitig jeder Handlungsmöglichkeit beraubt, diese Entwicklung wieder rückgängig zu machen. Es ist eine Tatsache, dass langfristig immer weniger von unserem Geld aus Brüssel in unser Land zurückfließen wird. Es gibt zahlreiche neue Beitrittsländer, deren Finanzbedarf gerade auf den Agrarsektor einem Fass ohne Boden gleicht.
Die EU hat sich von ihrem ursprünglichen Ziel, die europäische Wirtschaftskraft zu stärken und die eigenen Arbeitsplätze zu sichern, Schritt für Schritt verabschiedet. Ich nenne nur die Stichworte Zuckermarkt oder Biokraftstoffe. Wenn die EU einmal so viel Energie bei den WTOVerhandlungen an den Tag legen würde, wie sie es bei den Bevormundungen ihrer Mitgliedsstaaten tut, dann wären wir ein ganzes Stück weiter.
Meine Damen und Herren! Natürlich sehen auch wir die Probleme, die bei der Umsetzung der Pläne der Europäischen Kommission auf die sächsischen Landwirtschaftsbetriebe zukommen. Wir wissen, dass die geplante Kappung der Direktzahlungen verstärkt sächsische Agrarbetriebe treffen wird, weil es in Sachsen aus der historischen Entwicklung heraus nun einmal eine höhere Anzahl größerer Unternehmen betrifft, die stärker von der Kappung betroffen sein werden, als es Kleinbetriebe, wie in anderen Bundesländern oder in Europa, betrifft. Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, hier jedoch den Eindruck erwecken, es gebe dazu im Rahmen des jetzigen EU-Systems Alternativen, dann belügen Sie die betroffenen Bauern.
Der frischgebackene Landwirtschaftsminister Herr Wöller sprach kürzlich davon, er wolle alle Vorschläge aus Brüssel unterstützen, die die sächsische Landwirtschaft stärken. Herr Wöller, ich prophezeie Ihnen heute, dass Sie dann in Zukunft – zumindest, was diesen Bereich betrifft – relativ wenig zu tun haben werden. Sie wissen genauso gut wie wir, dass der Agrarhaushalt der EU auf dem bisherigen Niveau nicht gehalten werden kann. Gehalten werden könnte er nur auf Kosten weiterer Zahlungen der größten Nettozahler – darunter natürlich Deutschland – in den EU-Haushalt, was jedoch angesichts der finanziellen Schieflage Deutschlands kaum möglich sein wird.
Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft der neu in die EU aufgenommenen Staaten ist überall durch einen hohen Anteil der Landwirtschaft geprägt. Alle diese Staaten, wie Rumänien oder Bulgarien, haben Anspruch auf Zahlungen aus dem schrumpfenden Agrarhaushalt. Diese Zahlungen werden sich folglich in Kürzungen bei den bisherigen EUStaaten niederschlagen. Im Klartext bedeutet das, dass wir mit unseren Steuergeldern die Konkurrenten unserer Landwirte in Europa finanzieren. Es ist daher dringend an der Zeit, nicht mehr nur über irgendwelche Verteilungsmechanismen zu diskutieren, sondern endlich Schritte zu ergreifen, um dieser zwangsläufig kommenden Entwicklung entgegenzutreten.
Die Existenz der heimischen Landwirtschaft kann auf Dauer nur gesichert werden, wenn der Markt für Agrarprodukte in Deutschland vor Billigimporten aus Staaten mit geringeren Sozial- oder Umweltstandards geschützt wird. Der deutsche Markt für Agrarprodukte ist groß genug, um die einheimischen Landwirte angemessen zu ernähren; vorausgesetzt, dass ein dem Aufwand angemessener Preis bezahlt wird.
Der derzeitige Zustand, dass deutsche Agrarprodukte subventioniert exportiert werden, gleichzeitig jedoch in großem Maßstab Importe von billigen Agrarprodukten erfolgen, welche auch in Deutschland produziert werden könnten, ist nicht akzeptabel. Beispiele dafür sind umfangreiche Importe von Sojafutter oder der Zuckerimport aus den AKP-Staaten.
Der einzige Weg, meine Damen und Herren, eine Benachteiligung der sächsischen Landwirte zu verhindern, kann also nur darin liegen, die Zahlungsmodalitäten zu korrigieren. Der einzige Weg ist eine Rückkehr zur nationalen Agrarpolitik, die regionale Wirtschaftskreisläufe stärkt und den Absatz der heimischen Produkte im Land zu angemessenen Preisen sichert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ich gerade gehört habe – nationale Agrarpolitik –, so ein Unfug! Ich denke, wir sind uns in diesem Raum einig, dass das nicht funktioniert, nicht einmal in Europa.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die größte ökonomische Herausforderung für die EU-Landwirtschaft geht zweifellos von der Dynamik der internationalen Agrarmärkte aus. Experten schätzen, dass diese auch längerfristig anhalten wird. Als Gründe hierfür werden genannt:
erstens – die steigende Nachfrage nach hochwertigen Nahrungsmitteln am Weltmarkt infolge von Bevölkerungs- und Einkommenswachstum,
zweitens – eine weltweit zunehmende staatlich geförderte Umwidmung von Agrarflächen zur Produktion von Bioenergie anstelle von Nahrungsrohstoffen und Futtermitteln,
drittens – der schrittweise Abbau von Handelsschranken im Rahmen der Welthandelsgespräche, vor allem die Senkung von Überschüssen in Hochpreisländern. Mit ihrem Gesundheitscheck will die EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel das 55 Milliarden Euro schwere Agrarbudget anders verteilen – das übrigens 45 % des gesamten EU-Budgets ausmacht.
Angesicht der rasant gestiegenen Preise für Milch und Getreide hält die Kommissarin auch das System von Stützkäufen und Höchstmengen für die Milchproduktion für überholt. Die Kommission hat in der Mitteilung zum Agrar-Hilfscheck eine mögliche Degressionsvariante eingebracht. Diese sieht vor, dass Zahlungen über 100 000 Euro um 10 %, Zahlungen über 200 000 Euro um 25 % und Zahlungen über 300 000 Euro um 45 % gekürzt werden. Außerdem ist eine Erhöhung der Modulation von 5 auf 13 % geplant. Das bedeutet drastische Einkommenskürzungen bei großen Agrarbetrieben. Davon werden vor allem ostdeutsche Betriebe betroffen: allein in Sachsen 7 % der Betriebe, 60 % der Arbeitskräfte, 72 % der Fläche und 81 % der Milchviehbetriebe.
Um die Zahlen nochmals zu verdeutlichen: 660 Betriebe mit rund 5 800 Beschäftigten sind nach den Plänen von Brüssel bei uns direkt in Gefahr; denn während die Landwirtschaft in den alten Bundesländern vorwiegend aus mittelständischen bäuerlichen Betrieben mit einer Durchschnittsgröße von 45 Hektar besteht, gibt es vor allem im Osten Deutschlands, hier in Sachsen, große Agrargenossenschaften mit Flächen bis 1 400 Hektar. Allein in einem Betrieb in meiner Nähe, in Pfaffroda, würde diese Umstellung etwa 150 000 Euro weniger betragen, und die Konsequenzen wären ganz klar und eindeutig: Entlassungen und eine Umstellung in den Pflegemaßnahmen für die Landwirtschaft sowie die Landschaft, die der Betrieb vornimmt.
Da die Kommission das Ziel verfolgt, zu einer einheitlichen Flächenprämie zu gelangen, ist das Ziel mit dieser Differenzierung nicht wirklich erreicht, schon gar nicht für die Milchviehbetriebe. Diese sollten nach Zielstellung der EU eigentlich zu den Gewinnern der neuen Reform gehören. Würde dieser Vorschlag der Kommission realisiert, würde allein Deutschland als Hauptzahler der EU die Hälfte der Einsparsumme tragen. Diese würde vor allem auf die Agrarbetriebe in den neuen Bundesländern entfallen. Für uns heißt das konkret: Sachsen würde jährlich circa 56 Millionen Euro an Direktzahlungen verlieren. Das ist nicht hinnehmbar.
Die Frage, wie man die Agrarbetriebe behandelt, hängt stark davon ab, wie man die Ziele bewertet, die mit den Zahlungen verfolgt werden. Wenn es als Einkommensstützung ist, spricht einiges für Kürzungen, allerdings noch stärker bei den Kleinempfängern, da diese ihr Haupteinkommen meistens nicht aus der Landwirtschaft, sondern aus anderen Berufen erzielen.