Daher meine ich, dass wir die Chance haben, das nachzubessern, denn es geht genau um diesen Bereich.
Alles in allem: Die Arbeit ist gut, das System so vielleicht auch nicht schlecht. Wenn die Einrichtungen das eine oder andere an Arbeit nicht leisten können, dann liegt das vielleicht daran, dass ihnen nicht ausreichend Geld zur Verfügung steht. Dann liegt das vielleicht daran, dass sie
Das System Pflegeversicherung, so jung wie es ist, ist schon etwas krank. Wir sollten dazu beitragen, dass es wieder gesünder wird. Aber das Benotungssystem, glaube ich, muss geändert werden.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Kollege Wehner. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Neukirch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pflege-TÜV – Wie gut ist die Pflege in Sachsen? Ich möchte an meine Vorredner anknüpfen: Auch ich finde die Überschrift gut, weil sie die Möglichkeit eröffnet, über den Pflege-TÜV hinaus einen Blick auf Pflege in Sachsen werfen zu können.
Die Details zum Pflege-TÜV haben meine Vorredner bereits erwähnt. Ich möchte nicht auf alles eingehen, sondern die drei Kerninstrumente noch einmal kurz benennen. Die Idee, die dahinterstand, war: jedes Jahr einmal einen unangemeldeten Besuch in jeder Einrichtung vorzunehmen, einen einheitlichen Bewertungskanon aufzubauen, der nachvollziehbar ist und der letzten Endes mit Schulnoten bewertet wird, und eine Transparenz der Ergebnisse dadurch herzustellen, dass die Prüfberichte im Internet veröffentlicht werden.
Diese Instrumente müssen im Grunde auch erhalten bleiben. Die wissenschaftliche Evaluierung hat ergeben, dass es dazu eigentlich keine Alternative gibt, aber natürlich besteht im Einzelnen Korrekturbedarf. Frau Schütz ist darauf eingegangen, auch Herr Wehner. Die Stichprobenauswahl in den Heimen muss verändert werden. Wenn wir sehr viele Details messen wollen, haben wir in der Operationalisierung der Feststellung einfach ein Problem. Wenn die Auswahl der Menschen, die dieses Problem aufweisen, zu klein ist, ist die Aussagefähigkeit einer Bewertung natürlich infrage zu stellen.
Bei der Gewichtung der Kriterien – immerhin sind es 64 im stationären und 37 im ambulanten Bereich – gibt es Spielräume, um schlechte Noten mit guten Noten auszugleichen. Hier gibt es großen Korrekturbedarf. Aber auch da sind die Stichworte schon gefallen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Korrekturen auch mit großem Verantwortungsbewusstsein gemacht werden müssen. Denn es hängen immer rechtliche Konsequenzen, berufliche Existenzen und Arbeitsplätze daran. Deshalb ist es gut, dass im Änderungsprozess keine Schnellschüsse passieren, sondern dass das alles gut überdacht wird.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es wirklich eine sehr schwierige Materie ist. Neben den objektiven Kriterien – wie falsche Medikation oder wirkliche Mängel bei Hygiene und Ernährung, die man feststellen und bewerten kann – gibt es in diesem ganzen Pflege
TÜV-Prozess auch die Anforderung, subjektive Faktoren zu bewerten. Die Frage von Gesundheitsförderung und Wohlbefinden lässt sich relativ schlecht in objektive Kriterien packen, prüfen und bewerten. Hier liegen individuelle Bedürfnisse zugrunde. Diese können bei gleichen Voraussetzungen ganz unterschiedliche Ergebnisse bringen. Hier in der Operationalisierung der Befragung noch nachzubessern, denke ich, ist keine Schande. Das liegt im System. Ich finde den Anspruch, auch dieses abbilden zu wollen, sehr gut.
Aber der Pflege-TÜV kann letzten Endes nicht den persönlichen Eindruck ersetzen. Noten, das wissen wir aus der Schule, sagen auch nur relativ wenig über die Gesamtpersönlichkeit eines Kindes aus. Das heißt: Wenn ich für meine Angehörigen oder für mich selbst eine Einrichtung suche, wird es nicht ausbleiben, dass ich mir einen eigenen Eindruck jenseits der Benotung verschaffen muss. Diese ist eine Hilfe; eine Einordnung aber kann nicht alles ersetzen.
Was ist bisher gut im Pflege-TÜV? Schon allein die Qualitätsdiskussion hat den Bereich Pflege insgesamt vorangebracht. Der Verbraucherschutz wurde in den Vordergrund gerückt. Die Interessen Pflegebedürftiger wurden jenseits von Skandalisierung in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. In den ambulanten und stationären Einrichtungen wurden Qualitätsentwicklungsprozesse vorangetrieben. Das ist ganz wichtig, das muss weitergehen.
Grundlage hierfür ist die wissenschaftliche Evaluation zur Verbesserung. Ich bin sehr optimistisch, dass wir etwas Gutes schaffen werden.
Zur Pflege in Sachsen insgesamt: Der Pflege-TÜV bildet nur einen Teil der Pflege ab. Ich möchte mit dem Heimgesetz beginnen, das wir zu erwarten haben. Die ganze Qualitätsdiskussion, die Anforderungen, was wir wollen, das kann man alles relativ gut prüfen. Wenn wir das Heimgesetz im Landtag beraten, und wir finden darin Verbraucherschutz, starke Heimbeiräte, Ombudsstellen, Mitwirkungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige und die Öffnung der Einrichtung in die Gesellschaft, dann kommen wir auch in Sachsen in der Qualitätsdiskussion jenseits vom Pflege-TÜV ein gutes Stück voran. Daran werden wir das Gesetz, das die Staatsregierung bald vorlegen wird, messen.
Daneben gibt es in Sachsen seit Jahren ein großes Problem mit den Pflegesätzen und der Personalbemessung. Auch das hat großen Einfluss auf die Qualität der Pflege. Bei den Pflegesätzen sind wir Schlusslicht in Deutschland. Man kann sagen: Die Pflegesätze in Sachsen sind das Letzte.
Die Einrichtungen in Sachsen arbeiten mit einem Personalschlüssel von 1993. Jeder weiß, was sich seitdem in der Pflege getan hat. Bei dem Begriff – –
Für die SPD-Fraktion sprach die Abg. Neukirch. – Als Nächstes spricht jetzt die Fraktion GRÜNE mit der Abg. Herrmann. Bitte, Frau Kollegin.
Recht schönen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde gleich bei meiner Vorrednerin anschließen. Transparenz allein ist noch keine Kenngröße für Qualität. Wir haben natürlich das Problem, wenn wir den Schlüssel und die Finanzierung der Pflege noch auf dem Stand von 1993 haben, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht unbedingt so sind, dass wir eine gute Pflege erwarten können. Da nützt uns dann die ganze Transparenz nichts.
Noch einmal zu dem Ziel der Initiative: Das ist eine verständliche, übersichtliche und vergleichbare Darstellung der in den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen. Das war der Anspruch, der den Pflege-TÜV hervorgebracht hat. Dazu wurde die Pflegetransparenzvereinbarung eingeführt, die diese Fragen beinhaltet, auf die die Kollegen bereits eingegangen sind.
Diese Pflegetransparenzvereinbarung ist nur vorläufig. Warum ist sie vorläufig? Weil es derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnisse und der Lebensqualität pflegerischer Versorgung in Deutschland gibt.
Also, wissenschaftlich gesichert ist das nicht, was wir hier machen. Das müssen wir uns immer einmal vor Augen halten. Damit steigt und fällt natürlich das, was wir da hineininterpretieren oder nicht.
Die Kritikpunkte sind jetzt schon angesprochen worden. Ich möchte auch noch etwas Wasser in den Wein gießen. Punkt 1 ist natürlich – das ist gesagt worden – die Vergleichbarkeit der verschiedenen Kriterien. Dazu werde ich jetzt nicht noch einmal viel sagen, also Dekubitusprophylaxe gegen das Aushängen des Speiseplans in leserlicher Schrift zum Beispiel.
Aber Kritikpunkt 2 – wo findet sich der Mensch in den Fragen wieder? – ist eigentlich die Individualität. Wenn ich Sie jetzt frage – ich nehme einfach einmal eine Frage aus diesem Fragekatalog –: Veranstaltet das Pflegeheim jahreszeitliche Feste? Das ist die Frage 48 aus dem Bereich 3 Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung. Da
wird es sicher unter Ihnen welche geben, die die Tatsache, dass das Pflegeheim genau das macht, für wichtig halten. Aber Ihr Nachbar wird das vielleicht für völlig unerheblich halten. Oder die Frage 54: Gibt es ein Angebot zur Sterbebegleitung auf der Basis eines Konzeptes? Da werden sicher sehr viele Kollegen Ja sagen, aber vielleicht sagen manche, für mich ist das einfach noch gar kein Thema; und genau diese Individualisierung findet überhaupt nicht statt. Die Bewertung der Pflege erfolgt allein anhand der Prüfkriterien des MDK; dessen Dokumentation wird damit öffentlich gemacht.
Allein der fünfte Bereich, nämlich die Befragung der Bewohner, bildet ein bisschen Individualität ab. Aber wenn Sie daran denken, dass die Bewohner in den Pflegeheimen natürlich in gewisser Weise abhängig sind, dann ist nicht ganz klar, ob sie sich zufrieden geben oder wirklich zufrieden sind, ob also diese Einzelnote aus der Befragung, die nicht einberechnet wird, wirklich aussagefähig ist.
Es gibt auch noch ein rein mathematisches Problem, weil es in den einzelnen Bereichen eine unterschiedliche Anzahl von Fragen gibt. Dazu hat jemand etwas gesagt, was ich ganz passend finde, auch wenn es nicht von mir stammt: Man könnte ebenso die Postleitzahlen addieren, daraus den Mittelwert bilden und damit eine Standortbestimmung vornehmen. Das würde diesem Vorgehen entsprechen.
Ich habe mir einmal die Bewertung von Pflegeheimen in Zwickau angesehen. Die Noten liegen zwischen 1,1 und 1,4. Eine Fünf hat sowieso niemand, denn derjenige dürfte auf diesem Gebiet gar nicht mehr unterwegs sein. Wer eine Fünf hat, müsste wahrscheinlich durch die Heimaufsicht schon längst geschlossen sein. Wir bewegen uns da in 0,1er-Schritten. Da frage ich mich schon, wie aussagefähig das eigentlich für jemanden ist.
Zwei der Heime kenne ich. Die haben Noten zwischen 1,0 und 1,4 bekommen. Ich finde eines dieser Heime grottenschlecht. Ich werde dieses Heim nicht nennen, aber ich finde es grottenschlecht. Ich war drin. Aber dann sehe ich hier die Benotung. Gut, das ist meine individuelle Meinung. Aber wenn ich ein Heim auswähle, dann mache ich das ja individuell. Dann möchte ich auch nicht in so einer Einrichtung landen, die für mich überhaupt nicht passend ist.
Die Frage ist also, ob man das mit diesen quantitativen Kriterien überhaupt messen kann. Ich sage nicht, dass wir das Bewertungssystem wegwerfen und nicht mehr bewerten sollten. Aber ich denke, dass wir das System weiterentwickeln müssen, und zwar in Hinsicht auf die Probleme, die ich hier dargestellt habe.
Die grüne Vision ist, dass sich die Heime öffnen müssen. Auch eine Vorrednerin sagte schon, dass die Heime mehr Kommune, mehr ehrenamtliche Helfer hereinlassen
müssen. Sie müssen auch veröffentlichen, wie der Heimbeirat agiert. Nur Öffentlichkeit kann ein Stück mehr Transparenz bieten, als das diese Noten derzeit jedenfalls können.
Für die Fraktion GRÜNE sprach die Abg. Herrmann. – Für die NPD-Fraktion spricht der Abg. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei den vielen Pflegekräften in Sachsen bedanken, die mit und ohne Pflege-TÜV seit Jahren eine gute Arbeit leisten und für die das eine Selbstverständlichkeit ist.
Unabhängig davon begrüßt natürlich auch die NPDFraktion grundsätzlich die Einführung des Pflege-TÜVs. Ich möchte allerdings darauf verweisen, dass der PflegeTÜV durch den MDK nicht die unabhängigen Heimaufsichtskontrollen ersetzen kann. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion erklärt die Regierung, dass die jährlichen Kontrollen mit Hinweis auf PflegeTÜV-Kontrollen durch den MDK abgelehnt werden. Deshalb befürchten wir mittelfristig ein weiteres Ausdünnen aus Einsparungsgründen. Im Jahr 2009 wurden unabhängig von der Heimaufsicht bisher nur 29,71 % der Einrichtungen in Sachsen kontrolliert. Wenn das noch weiter absinkt, sind diese Kontrollen weitgehend nutzlos.