Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Sie müssen zum Thema des Antrages sprechen.

Gut, dann kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass wir uns dem Vorredner, Herrn Marko Schiemann, voll und ganz anschließen können und dass wir den Antrag ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war die AfDFraktion und es sprach Herr Kollege Wurlitzer. Wir könnten eine weitere Rederunde eröffnen. – Das machen wir auch, bitte Herr Hartmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die Uhr und das anstehende Ereignis mache ich es kurz. Es gilt aber, drei Punkte kurz anzusprechen.

Das eine ist, dass wir in jedem Fall in der Verantwortung stehen, unsere Grenzregion und Sachsen zu sichern. Ein wesentlicher Beitrag dazu ist das heute in Kraft getretene Polizeiabkommen mit der Republik Polen. Dieses eröffnet uns für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung neue Möglichkeiten und Perspektiven, insbesondere auch im Bereich der Strafverfol

gung. Ich denke, das ist ein wesentlicher und zentraler Schritt, auch im Bereich der Grenzsicherheit einen Vorstoß zu machen.

Ja, wir sind als Mitgliedsstaat der Europäischen Union des Schengen-Raumes an die Schengen-Regelung gebunden. Ich möchte aber an dieser Stelle ganz klar sagen: Schengen besteht aus zwei Bereichen, nämlich einmal aus der Vereinbarung, dass zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten die Freizügigkeit im Personen- und Warenverkehr herrscht, auf der anderen Seite aber auch in der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten mit entsprechenden SchengenAußengrenzen, diese ordnungsgemäß zu sichern. Diese Frage muss stärker als bisher in den Fokus der Diskussion hineingetragen werden.

Insoweit ersuchen wir auch die Staatsregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, Vertragsverletzungsverfahren gegenüber EU-Mitgliedsstaaten zu prüfen, die sich nicht an diese Verpflichtung der Sicherung der Außengrenzen halten, weil das ein zentraler Baustein dafür ist, dass Schengen auch akzeptiert wird und funktioniert. Gleichwohl sind wir in der Verantwortung, dass Schengen-Regelungen einzuhalten, aber gleichzeitig an die Sicherheitsbedürfnisse, insbesondere in den Grenzregionen in Sachsen, anzupassen sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das war Herr Hartmann für die CDU-Fraktion. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann ergreift jetzt für die Staatsregierung Herr Staatsminister Ulbig das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nur einige kurze Anmerkungen. Den Rest der Rede werde ich zu Protokoll geben.

Wichtig ist mir nur, deutlich zu machen: Wir haben bei dieser Art von Kontrolle in enorm kurzer Zeit eine große Anzahl von Straftaten aufdecken und unter anderem 60 Haftbefehle vollstrecken können. Das sind erstaunlich viele, und das, obwohl es eine Ansage gegeben hat.

Aus diesem Grunde habe ich gesagt: Wir können nicht zur Tagesordnung zurückkehren, sondern wir müssen uns damit auseinandersetzen, warum bei dieser Art von Kontrollen so viele Feststellungen getroffen worden sind. Deshalb ist es mir völlig schleierhaft, warum man hier davon spricht, dass wir die Grenzen dichtmachen wollen. Es geht schlichtweg darum herauszufinden, welche Möglichkeiten innerhalb des Schengen-Vertrages gegeben sind. So sind die verdachtsunabhängigen Kontrollen durchaus ein geeignetes Instrument, welches noch ausbaufähig ist. Aus diesem Grunde habe ich, wie gesagt, von der Konstruktion des Antrages her überhaupt nicht verstanden, in welche Richtung es gehen soll.

Ich empfehle Ihnen, den Antrag abzulehnen, und werde den Rest der Rede zu Protokoll geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Staatsminister Ulbig sprach für die Staatsregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt besteht die Möglichkeit eines Schlusswortes. Die Fraktion der GRÜNEN hat noch drei Minuten für ein Schlusswort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Friedel, ich danke Ihnen für den sehr differenzierten Beitrag, der auch deutlich gemacht hat, worüber man sich tatsächlich unterhalten muss.

Herr Schiemann, ich verstehe Sie nicht. Sie unterstellen uns, dass wir keine Kriminalitätsbekämpfung im grenznahen Raum haben wollen. Genau das Gegenteil sagt der Antrag, indem er sich auf das 15-Punkte-Programm bezieht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von daher verstehe ich auch nicht, warum Sie dem Antrag nicht zustimmen können, denn der Punkt 1 wäre ja einmal ein erkenntnisreicher Bericht für dieses Haus, und die Evaluation zum 15-Punkte-Programm ist dringend notwendig. Zum Punkt 2, nämlich zum Bekenntnis für ein freizügiges Europa und für ein gutes nachbarschaftliches Miteinander mit Polen und Tschechien, habe ich hier heute keinen gehört, der dem widersprochen hat, zumindest niemanden aus der CDU. Da muss ich Ihren Kollegen Nowak zumindest sinngemäß von heute Mittag beim TTIP-Antrag zitieren, der es als großen Vorteil sah, dass man in Europa nicht vor Schlagbäumen steht. Von daher verstehe ich nicht, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen wollen. Es gibt hier in der Sache offensichtlich gar nicht den Dissens, den Sie vermeinen darstellen zu wollen. Kurzum, die Freizügigkeit ist für uns GRÜNE ein hohes Gut. Um diese Freizügigkeit zu sichern, muss man seine Hausaufgaben in der Kriminalitätsbekämpfung machen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Moment. – Bitte, Herr Kollege.

Danke, Herr Präsident! Herr Kollege, erklären sie mir doch bitte, warum die Freizügigkeit, das Recht, in andere Länder zu reisen, beeinträchtigt wird, wenn ich die Grenzen kontrolliere. – Danke schön.

Das erkläre ich Ihnen: weil es ein unverhältnismäßig großer Eingriff in die Freizügigkeit ist und weil es ein deutliches Signal dafür ist, dass man eine Abgrenzung will, dass man zurück zu festen Grenzen will, dass man zurück zur Nationalstaatlichkeit will. Das widerspricht unserer Auffassung von der europäischen Idee.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Dr. Stefan Dreher, AfD: Dann lesen Sie mal nach, was Freizügigkeit ist. Lesen Sie einen Grundgesetz-Kommentar!)

Es gibt die Notwendigkeit, die Hausaufgaben zu machen, das 15-Punkte-Programm umzusetzen und ein Konzept zu entwickeln, wie man tatsächlich mit einer ausreichenden Polizeistärke die Kriminalität bekämpft.

Für uns sind die Freizügigkeit und die europäische Idee ein sehr, sehr hohes Gut, das es zu verteidigen gilt und für das man den entsprechenden Preis zahlen sollte. Von daher bitten wir um die Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/1981 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 6/1981 abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Es ist bedauerlich, dass die GRÜNEN in dieser Legislatur bisher wie ein Geist aus der Vergangenheit wirken. Die reflexhafte Hysterie und das Verhängen von Denkverboten in den wichtigen Debatten erinnern in der Tat eher an die 1980er-Jahre und nicht an das Jahr 2015.

Insofern passt der erste Teil im Antragstitel ja ganz gut. In der Sache ist er allerdings völlig daneben.

Worum geht es?

Während des G7-Gipfels wurden von der Bundespolizei im Grenzraum verstärkt Kontrollen durchgeführt. Das Fazit für Sachsen: Es wurden 550 Straftaten festgestellt, davon 350-mal der Tatbestand der unerlaubten Einreise. 30 Schleuser wurden vorläufig festgenommen. Insgesamt verzeichnete die Bundespolizei 340 Fahndungstreffer, es wurden 60 offene Haftbefehle vollstreckt, davon 41 Fälle von Fahren ohne Führerschein. Darüber hinaus konnten ca. 2,7 Kilogramm Crystal sichergestellt werden.

Kurz gefasst: In einem sehr kurzen Zeitraum wurden erstaunliche Fahndungserfolge erzielt.

Deswegen habe ich auch unmittelbar nach dem Gipfel gesagt, dass man jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne. Dabei bleibe ich auch. Wo die GRÜNEN allerdings daraus lesen, irgendjemand wolle die Grenzen dichtmachen, leuchtet mir nicht ein. Denn das Gegenteil ist doch der Fall: Uns geht es nicht darum, die Schengen- Errungenschaften rückgängig machen zu wollen. Es geht darum, der europäischen Freizügigkeit ein Maximum an Sicherheit zur Seite zu stellen.

Die GRÜNEN behaupten, wir wollen Sicherheit auf Kosten der Freiheit. Das ist falsch! Richtig ist: Wir wollen kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Freiheit und Sicherheit sind kein Gegensatzpaar. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Staatsregierung hat die Pflicht, beides auch zusammenzubringen. Genau dieser Pflicht wollen wir nachkommen; nicht mehr und nicht weniger.

Fakt ist: 30 Jahre Schengen-Raum sind ein beispielloser Meilenstein für Freiheit und Frieden in der europäischen Geschichte. Fakt ist aber auch: 30 Jahre sind eine lange Zeit. Die Erscheinungsformen von Kriminalität haben sich in diesem Zeitraum teils erheblich gewandelt. Daher ist es einfach notwendig zu schauen, ob das 30 Jahre alte Regelwerk den heutigen Ansprüchen noch genügt, oder ob an der einen oder anderen Stelle Anpassungsbedarf vorliegt. Der G7-Gipfel war dafür eine würdige Testumgebung. Daraus müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Noch einmal: Wir dürfen nichts überstürzen. Wir können aber auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen! Genau deswegen braucht es jetzt zuallererst eine intensive

Analyse der vorliegenden Zahlen. Und danach überlegen wir uns, wie der Kontrollbedarf im Grenzraum befriedigt werden kann; beispielsweise durch eine Ausweitung der Schleierfahndung und ähnliche Maßnahmen. Klar muss dabei sein: Das ist dann vor allem in der Verantwortung des Bundes.

Aber selbstverständlich leisten wir auch in Sachsen unseren Beitrag zur Sicherheit an der Grenze. Wir haben gemeinsame Fahndungsgruppen (GFG Elbe/Neiße) sowie zeitgemäße Polizeiverträge mit Tschechien und Polen. Diese räumen den Vertragspartnern unter bestimmten Umständen gegenseitig Hoheitsbefugnisse wie beispielsweise Nacheile, Identitätsfeststellungen oder vorläufige Festnahmen ein. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit der Bundespolizei auf Bundesautobahnen und Fernstraßen zusammen.

Im Klartext, meine Damen und Herren: Das Gegenteil vom Antragstitel ist der Fall. Wir haben in Sachsen bereits eine umfangreiche Werkzeugkiste. Die Analyse der G7Daten soll die darin enthaltenen Tools noch präziser einsetzbar machen.

Die aktuelle Diskussion muss die Sicherheitsarchitektur des Schengen-Raums in das 21. Jahrhundert befördern. Denn bisher ist sie dort nicht angekommen. Das hat der G7-Gipfel deutlich gemacht.

Der vorliegende Antrag verkennt das. Er ist rückwärtsgewandt und bringt uns in der Sache nicht weiter. Die Staatsregierung empfiehlt daher, den Antrag abzulehnen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf