Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Ein zweites Pilotprojekt werden wir in fünf Erstaufnahmeeinrichtungen beginnen. Dort werden wir nicht nur das Werte- und Rechtssystem – das ist jetzt das Leipziger Modell – vermitteln, sondern auch mit einem ersten Sprachkurs in den EAE beginnen, sodass man sagen kann: Wo komme ich denn her, wie heiße ich, was habe ich für ein Anliegen? Denn viele Probleme entstehen alleine durch Missverständnisse. Deswegen wollen wir auch dies zu lösen beginnen.

Wir sind uns aber einig, dass, wenn wir das flächendeckend machen wollen – wir haben zum heutigen Zeitpunkt 36 Erstaufnahmeeinrichtungen bzw. Außenstellen von Erstaufnahmeunterkünften –, wir das auch mit Ressourcen untersetzen müssen. Das kann ein Ministerium mit sechs Mitarbeitern allein nicht leisten.

Die Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Staatsministerin, Sie haben ja vorhin schon kurz etwas zur Zusammensetzung des Gleichstellungsbeirates gesagt. Meine Frage wäre jetzt: Mein Eindruck zumindest vom alten Gleichstellungsbeirat war ja immer, es sei so eine Art Blackbox, auch was die Ergebnisse anging. Ist es denn Ihr Ziel bzw. das Ziel des Gleichstellungsbeirates, hier ein bisschen mehr Transparenz herzustellen – nicht nur über das, was da besprochen wird, sondern auch tatsächlich über die Ergebnisse, die dort – hoffentlich – erarbeitet werden?

Das kann ich relativ kurz mit einem klaren Ja beantworten. Das ist ja auch mein Anspruch an diesen Gleichstellungsbeirat. Was nützen uns Ergebnisse, die man intern bespricht, auswertet und vor sich hindümpeln lässt? Ich sage es einmal bewusst so. Mir geht es einfach darum: Für die Gleichstellung ist eine gesetzliche Voraussetzung zu schaffen. Das wollen wir bis Ende nächsten Jahres mit dem modernen Gleichstellungsgesetz.

Aber der zweite große Teil der Gleichstellung, das ist die gesellschaftliche Mitnahme von Menschen, und das geht nur, indem wir einerseits das, was wir erreichen wollen, gesellschaftlich diskutieren, aber auch die Ergebnisse, die wir erzielt haben, öffentlich machen, propagieren und diskutieren.

Wir gehen jetzt in die nächste Runde. Es beginnt wieder die CDU-Fraktion. Gibt es da Fragen? – Das ist nicht der Fall. Dann die Fraktion DIE LINKE, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Frau Staatsministerin, ich habe noch mindestens eine Frage. Im Koalitionsvertrag ist im Kapitel Gleichstellung festgeschrieben, dass sich die Regierung für eine moderne, lebenslauforientierte Zeitpolitik starkmacht, die Frauen und Männer dabei unterstützt, Beruf, Familie und ehrenamtliches Engagement miteinander zu vereinbaren.

Da stellt sich mir die Frage, weil mir das erst einmal relativ abstrakt klingt: Wie und durch welche konkreten Maßnahmen hat sich die Staatsregierung bisher für eine solche lebenslauforientierte Zeitpolitik starkgemacht, und welche Vorarbeit ist da noch zu leisten, die der Gleichstellungsbeirat auch unterstützen kann?

Man muss wieder von der Ausgangssituation ausgehen. Da haben wir – ich sage sicher nichts Unbekanntes – noch sehr viel Nachholarbeit zu leisten; ich sage das mal so ein bisschen dezent. Wir sind gerade dabei, die Ministerien abzufragen – dort kann ich ja mit dem beginnen, worauf ich direkten Zugriff habe –, wie da die Voraussetzungen geschaffen sind. Da sind sehr gute, aber auch sehr unterschiedliche Voraussetzungen in den

verschiedenen Ministerien vorhanden. Das Finanzministerium zum Beispiel hat sehr viel gemacht in Richtung Arbeitszeitmöglichkeiten, in Richtung Homearbeitszeit, aber auch in Richtung Karrieresprünge für Frauen. – Da sind wir gerade dabei zu sammeln.

Das ist das eine. Das andere ist wieder der Gleichstellungsbeirat. Dort wollen wir einsammeln, was in den unterschiedlichsten Bereichen bereits geschehen ist. Es sind ja hier die unterschiedlichen Mitgliederbereiche: Der Unternehmerverband Sachsen e. V. ist mit dabei, der Sächsische Beamtenbund. Es sind also sehr unterschiedliche Zielgruppen. Wir haben bei der ersten Zusammenkunft – Sie waren wohl noch nicht dabei – die einzelnen Akteure sich vorstellen lassen und haben auch von jedem Akteur die Schwerpunktsetzung gehört, die er dort eingebracht hat. Diese Schwerpunkte gilt es jetzt zu bündeln.

Ich bin mir schon dessen bewusst, dass wir nicht sofort alles erreichen werden, aber wenn wir ein Stück weit dazu kommen – ich denke, dass wir zum Jahresbeginn 2016 erste Ergebnisse aus dem Sammeln der Anliegen haben –, können wir dann Schwerpunkte für die zukünftige Arbeit setzen, an die wir uns machen wollen.

Gibt es bei der SPD-Fraktion noch Fragen? – Dann die AfD. – Gibt es noch Fragen? Ach, Frau Petry, Entschuldigung. Ich habe jetzt zu Ihrem vorhergehenden Redner geschaut.

Frau Staatsministerin, Sie hatten erwähnt, dass Sie eine Rechtssystemschulung in den Asylbewerberheimen vornehmen. Das finde ich sehr gut. Wie ist das umzusetzen bei den ja wahrscheinlich fehlenden Sprachkenntnissen?`

Bei der Werte- und Rechtssystemschulung – so heißt es genau – haben wir Dolmetscher dabei. Der Leipziger Flüchtlingsrat – deswegen habe ich mit ihm begonnen – hat da in Leipzig einen großen Pool gebildet, aus dem sie Dolmetscher für mehrere Sprachen zur Verfügung stellen können. Dort werden wir das also mit Dolmetschern durchführen.

In Chemnitz, bei dem Projekt, das wir vorhaben, wo wir gleichzeitig Sprachmittlung in der ersten Stufe durchführen werden, werden ebenfalls Dolmetscher mit vor Ort sein.

Wir haben alle Landkreise, Städte und Gemeinden aufgefordert, analog dem, was die Staatsregierung macht, ein Verbändegespräch durchzuführen bzw. einen Lenkungsausschuss zu bilden, dieses also auch regional herunterzubrechen. Das hat den Hintergrund, dass wir mit einem Verbändegespräch auf Landkreisebene – da hat jeder einen etwas anderen Namen, daran sollten wir uns nicht stören, die Zusammenfassung liegt bei uns im Hause vor, wer sie gern haben möchte – diese Pools an Sprachmittlern, an Sozialarbeitern, an Spezialisten, die wir brauchen, auch an ehrenamtlichen Lehrern, bilden und, wenn der

Bedarf vorhanden ist für diese Schulungen, dann auch abrufen können.

Das betrifft übrigens nicht nur Schulungen für das Werte- und Rechtssystem, sondern es trifft auf viele andere Bereiche auch zu. Das also soll eingeführt werden. Aber in Leipzig – noch einmal – machen wir das mit dem Flüchtlingsrat, und die haben Mittler.

Die Fraktion GRÜNE, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatsministerin, zu den Integrationsakteuren gehören auch die Communitys und die Migranten-Selbstorganisationen. Können Sie mir sagen, in welchem Umfang hier Anträge eingegangen sind und vor allem auch zu welchen Schwerpunkten?

Die Zahl der Anträge der Migrantenorganisationen ist sehr gering. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine Landes-Migrantenorganisation bilden wollen. In diesem Prozess – Frau Zais, das wissen Sie – sind wir gerade. Wir haben zwei Beratungen bereits einberufen. Aber die Landes-Migrantenorganisation ist eine Organisation, bei der wir nicht als Staat, als Freistaat, uns vorn dransetzen und sagen wollen: Wir gründen … Das müssen die Organisationen selber machen.

Aber wir haben eine andere Situation als andere deutsche Bundesländer. Wenn ich meine Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen in den alten Bundesländern höre, ist da eine große Unterstützung, auch jetzt bei der Integration, durch die Migrantenorganisationen vorhanden. Das haben wir einfach eher wenig; ich will nicht sagen nicht. In den Städten haben wir es ganz gut geregelt, aber gerade in den Landkreisen gibt es das kaum.

Deswegen hatte ich vorhin noch einmal Leipzig genannt, weil Leipzig eine sehr große Initiative zeigt. Dort steht der Flüchtlingsrat in einer ganz engen Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.

Die sitzen in den gleichen Räumen, sodass die Wohnungsvergabe, die Arbeitsvermittlung usw. von einer Organisation aus geleitet werden können und dies für den Flüchtling sehr übersichtlich ist. In Dresden – darüber freue ich mich – gibt es jetzt den neuen Handordner, den wir auch zu unserem Verbändegespräch vorgeführt haben, eine Art Leitfaden für den Flüchtling, was er alles tun muss, um seine Wege in der Stadt Dresden zu erledigen. Das empfehlen wir gerade landesweit für alle Landkreise, Städte und Gemeinden.

Direkte Anträge der Migrantenorganisationen haben wir nur vereinzelt. Dabei geht es auch um die Bildung von Netzwerken, was aus meiner Sicht auch richtig ist; aber wir müssen ganz klar sagen: Dabei sind wir noch sehr schwach auf der Brust. Das liegt einfach an den Strukturen, die wir in der Vergangenheit noch nicht hatten.

Ich frage jetzt einmal in die Runde, ob es weiteren Fragebedarf gibt. – Ich beginne mit der Linksfraktion, danach die AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Frau Staatsministerin, bei der Gleichstellung denken ja viele zunächst an die Gleichstellung von Mann und Frau. Ich weiß, dass auch Sie in der Regel die Gleichstellung von Lebensweisen mitdenken, deshalb dazu eine Frage: Inwieweit werden LSBTI-Themen im Gleichstellungsbeirat eine Rolle spielen, und wie kann sichergestellt werden, wenn sie eine Rolle spielen sollen, dass diese Themen dort nicht marginalisiert werden?

Ja, deswegen wird auch der Verband RosaLinde Leipzig e. V. vertreten. Wir haben dort im Vorfeld besprochen, wer dabei sein kann. Es ist natürlich kein ganz einfaches Thema, das wissen wir. Wir haben aber gleichzeitig auf der Agenda, dass wir in diesem Bereich bestimmte Strukturen schaffen wollen. Wir haben sie also im Gleichstellungsbeirat drin. Das war in der Vergangenheit nicht so. Auch dort gilt, was ich vorhin sagte: Das eine ist: Wir müssen ein Gesetz schaffen. Das andere ist: Wir müssen miteinander reden und klären, welche Wege man gehen kann.

Genauso gilt dies für die Landesmännerarbeitsgruppe. Sie ist ebenfalls neu in unserem Gleichstellungsbeirat. In der Vergangenheit war dies nicht so. Am Montagabend war ich zur Beratung der Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Gemeinden des Landes Sachsen. Dort war zum ersten Mal auch die Landesmännerarbeitsgruppe vor Ort, und es gab schon ein Beschnuppern, ein Annähern aneinander, weil man das am Anfang einfach nicht kennt. Insofern glaube ich, dass wir sehr viel über die gemeinsame Arbeit dort erfahren können, um dann die notwendigen Maßnahmen zu treffen.

Die AfD-Fraktion, bitte.

Vielen Dank. – Eine letzte Frage, Frau Staatsministerin: Sind die Grundgesetzschulungen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen stattfinden, verbindlich, sprich: Müssen sie angenommen werden, also, muss daran teilgenommen werden, oder geschieht dies mehr auf freiwilliger Basis?

Ich hatte ja gesagt, dass wir in Leipzig mit einem Pilotprojekt beginnen, und dies geschieht rein über das Ehrenamt. Der Flüchtlingsrat ist ehrenamtlich. Wenn wir das Angebot flächendeckend unterbreiten können, bin ich der Meinung, dass man dies auch verbindlich machen sollte. Das gilt übrigens auch für Sprachkurse, die man verbindlich machen sollte.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Insofern müssen wir aber erst in die Lage versetzt werden, dass wir die Angebote machen können. Das spricht noch

ein wenig dagegen, deshalb vorhin mein Ansatz, dass wir die Sprachkurse bis Ende des Jahres mit einer Förderrichtlinie untersetzen wollen, um dann zu überlegen, ob wir sie so durchführen können.

Die GRÜNEN, bitte.

Auch die letzte Frage von unserer Fraktion: Frau Staatsministerin, können Sie einschätzen, inwieweit mit den circa 450 eingegangenen Anträgen alle Förderziele, sowohl aus Teil 1 als auch aus Teil 2 der Förderrichtlinie, abgedeckt werden? Gibt es Schwerpunkte, und welche Schlussfolgerungen zieht Ihr Amt gegebenenfalls daraus in Bezug auf die Fortschreibung bzw. Präzisierung dieser Förderrichtlinie?

Das ist eine Frage, die ich Ihnen heute noch nicht endgültig beantworten kann. Alle 450 Anträge habe ich noch nicht sichten können, sondern ich habe mir einen ersten Überblick verschafft, wie ich vorhin berichtet habe, wo die Schwerpunktantragstellungen liegen. Aber wir werden uns damit sehr genau auseinandersetzen, ob es

Bereiche gibt, bei denen wir sagen, die sind noch total am Ende, wie jetzt bei den Migrantenbeiräten, oder Bereiche, bei denen wir sagen, nein, die sind flächendeckend gut aufgestellt. Das werden wir prüfen müssen. Ich möchte das heute wirklich noch nicht endgültig beantworten, damit ich heute keine Priorität setze und, wenn ich es mir dann inhaltlich genauer angeschaut habe, sage: Das war nicht ganz richtig. Hier bin ich heute noch ein wenig zurückhaltend.

Gibt es noch weitere Fragen an die Frau Staatsministerin? – Das kann ich nicht erkennen. Damit schließe ich die Befragung ab, bedanke mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin, und bei den Abgeordneten für ihre Fragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der AfD)

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Familienhebammen

Drucksache 6/2657, Prioritätenantrag der Fraktionen CDU und SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Oliver Wehner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten ja in der letzten Plenarsitzung bereits das Thema Hebammen und hatten schon angekündigt, dass wir grundsätzlich an diesem Themenplan dranbleiben wollen. Sie hatten auch schon darauf verwiesen, dass wir uns speziell noch einmal den Familienhebammen widmen wollen.