Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Frau Kollegin, wissen Sie, wann die NRW-Kommission ihre Arbeit abgeschlossen hat und was seitdem passiert ist?

Sie haben das, glaube ich, im letzten Jahr abgeschlossen. Es gibt seitdem tatsächlich Erfolge. Es gab zum Beispiel eine Reform der Zweckverbände, die sich zusammengeschlossen haben. Wir haben insgesamt 27 Verkehrsverbünde in ganz Deutschland, allein Sachsen hat fünf, was natürlich zu verschiedenen Verlusten auch beim Geld führt. Unser GRÜNENVorschlag war immer gewesen, nicht eine Landesgesellschaft insgesamt, sondern drei einzurichten, um das ganze System zu verschlanken.

Die anderen haben sich Ziele gesetzt, wir haben uns hier keine Ziele gesetzt.

(Christian Piwarz, CDU: Sie auch nicht?)

Eine aktive Bahnpolitik sieht meines Erachtens anders aus. Stattdessen wird – wie gesagt – auf die Strategiekommission verwiesen. Aber wir müssen jetzt die Weichen stellen, um vor allem für die Zweckverbände Planungssicherheit zu erreichen und natürlich die Abwärtsspirale im ÖPNV endlich zu stoppen.

Momentan finden drüben in der Staatsregierung die Haushaltsverhandlungen statt. Ich darf jetzt immer Zeitungsmeldungen lesen von Herrn Baum, von Herrn Heidan, von Herrn Krauß, von Herrn Meyer aus der Oberlausitz, dass sie wollen, dass mehr Regionalisierungsmittel weitergeleitet und keine Strecken abbestellt

werden. Ich finde super, dass Sie das machen. Aber dann gehen Sie doch zu Herrn Dulig und zu Herrn Unland und sagen ihnen das.

(Beifall bei den GRÜNEN – Silke Grimm, AfD, steht am Saalmikrofon.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, danke.

Dann werden wir sehen, was sich im Haushalt wiederfindet. Wenn sich nichts wiederfindet, dann dürfen Sie sich sicher sein, dass wir die entsprechenden Änderungsanträge stellen, nämlich mindestens 90 % Weiterleitung der Regionalisierungsmittel an die Zweckverbände, Finanzierung des Schülerverkehrs aus unserem Landeshaushalt. Wenn wir diese Änderungsanträge stellen, dann werde ich ganz genau schauen, wie diese CDU-Abgeordneten und Herr Baum stimmen werden. Dann kommt es nämlich hier zum Schwur im Landtag.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir beginnen wieder mit der Linksfraktion. Herr Abg. Wehner hat jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grimm, Ihre Einlassungen in der Rede, die Sie vorhin gehalten haben, sind genau der Beweis dafür, dass es ein richtiger Ansatz ist, diese Aktuelle Debatte unter das Thema „Bahn-Land Sachsen auf dem Abstellgleis“ zu stellen.

Ob da möglicherweise persönliche Interessen überwiegen, spielt dabei keine Rolle. Bei mir überwiegen sie auf jeden Fall, auch wenn mein Kollege Böhme gemeint hat, dass ich jetzt mehr über die Barrierefreiheit und Holperstrecken von Bussen rede.

Nein, das will ich gar nicht. Ich möchte Ihnen erzählen, wie es mir vor Kurzem erging: Ich bin zwar ein leidenschaftlicher Autofahrer, aber ich fahre auch sehr gern mit der Bahn. Nur, das ist verdammt schwierig. Ich muss vorher fragen, ob ich überhaupt in den Zug hineinkomme – wie auch immer. Jedenfalls habe ich mich einmal getraut und bin von Leipzig nach Borna gefahren. Das war ein ganz spannendes Erlebnis.

Um es gleich vorwegzunehmen, damit keiner auf Ideen kommt: Ja, in Borna agiert eine Bürgermeisterin von den LINKEN, und ich sage Ihnen: Sie kämpft für die Barrierefreiheit des Bahnhofes in Borna, wird aber oftmals alleingelassen, gerade von der Staatsregierung oder vom Bund.

Jedenfalls bin ich von Leipzig nach Borna gefahren. In Borna angekommen, ertönt: „Bitte alles aussteigen. Dieser Zug endet hier!“ Wo in Borna auf dem Bahnhof bin ich angekommen? Auf dem Bahnsteig Gleis 3. Pech gehabt, denn von dort komme ich nur dann zum Bahnhof, wenn ich die Bahnunterführung benutze: also eine steile

Treppe hinunter zur Bahnunterführung, eine steile Treppe hinauf, denn einen Aufzug gibt es dort nicht. Der Aberwitz ist nur – die Züge übrigens hervorragend alle schön barrierefrei, freundliches Zugpersonal, alles klasse –, dass der Zugführer mir dort an dieser Stelle sagte: „Sie müssen jetzt hier warten, bis der nächste Zug auf diesem Gleis einfährt, dann fahren Sie bis Geithain, dort in Geithain bleiben Sie in dem Zug sitzen und fahren wieder zurück in Richtung Leipzig, dann kommen Sie auf dem Bahnsteig 1 in Borna an

(Lachen bei den LINKEN)

und Sie können den Bahnhof bequem verlassen.“ Meine Damen und Herren, so sieht es in Sachen Barrierefreiheit unserer Bahn aus. An der Stelle muss ich fragen: Wohin soll die Reise gehen? Aufs Abstellgleis? – Wir haben hier also ein sehr aktuelles Thema.

Was die Schuldzuweisungen betrifft: Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen. Aber möglicherweise geht es eben doch darum, ob wir in den 25 Jahren Freistaat Sachsen immer sachgerecht über die Verkehrswegenetzplanung nachgedacht haben.

Wenn ich von der CDU höre – ich habe an Veranstaltungen teilgenommen – Zitat von der CDU –, „dass man innerhalb von 30 Minuten aus jedem Ort sehr schnell günstig zur Autobahn kommt, um dann schnell von A nach B zu gelangen“, dann hat man seine Kraft möglicherweise darauf konzentriert, aber weniger in das BahnNetz.

Zur Aktualität: Es geht nicht nur um die Kleine Anfrage von Frau Meier, und es geht auch nicht allein um die Pressenotiz, sondern es geht auch um die vielen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, die uns anschreiben. Herr Colditz, ich denke, es geht Ihnen genauso wie Herrn Krauß oder meinen Kollegen Gebhardt und Tischendorf oder auch mir, die in der Region Erzgebirge zu Hause sind, weil dort Bahnabschnitte tatsächlich stillgelegt werden. Betroffen sind mobilitätseingeschränkte Personen wie Rollstuhlfahrer und ältere Leute, die dann auf den Busverkehr verwiesen werden.

Außerdem muss ich Ihnen sagen: Die Nahverkehrsplaner des Nahverkehrsraumes Chemnitz – Zwickau haben sich bezüglich der Barrierefreiheit in ihrem Plan geäußert: Der Aufgabenträger bekennt sich zur Barrierefreiheit. „Die Erreichung dieses Ziels, der dahin gehende Ausbau des ÖPNV-Systems ist aufgrund der hohen Investitionskosten jedoch aus wirtschaftlichen Gründen nur langfristig realisierbar und bedarf eines außerordentlichen Förderaufwandes durch den Freistaat Sachsen bzw. durch den Bund.“ Meine Damen und Herren, hier sind einfach mehr Anstrengungen erforderlich. Helfen Sie mit, vielleicht kann jedermann doch wieder einmal bequem und gut mit der Bahn fahren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Heidan, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schilderungen von Herrn Wehner beinhalten tatsächlich Situationen, wie wir sie in Sachsen durchaus feststellen müssen. Dass die Deutsche Bahn die Fernverkehrsanbindungen an Sachsen ausgedünnt bzw. gänzlich stillgelegt hat, ist bekannt und in der Tat so festzustellen.

Wir haben in unseren fünf Verkehrsverbünden dazu einen Ausgleich bringen müssen. Wir werden ihn auch weiterhin bringen müssen, weil die Bahn nicht mehr fährt. Das bedeutet allein für den Verkehrsverbund Vogtland auf der Sachsen-Franken-Magistrale – ich habe mir die Zahlen geben lassen – zusätzliche Kosten von 3,6 Millionen Euro mit Regionalisierungsmitteln, die uns der Bund zur Verfügung stellt, um diese eigentlich für den Nahverkehr einzusetzen und das zu kompensieren, was die Deutsche Bahn im Fernverkehr in Sachsen nicht realisiert. Das ist durchaus zu kritisieren. Ich meine, dass sich sowohl der Sächsische Landtag, aber auch der Deutsche Bundestag ganz besonders mit diesen Dingen ernsthaft auseinandersetzen müssen.

Ich glaube nicht – damit komme ich zu Frau Meier von den GRÜNEN –, dass Sie der Staatsregierung den Vorwurf machen können, egal in welcher Koalition das war. Auch in der vergangenen Legislaturperiode sind die Regionalisierungsmittel zweckbindend für den ÖPNV und den SPNV eingesetzt worden,

(Beifall des Abg. Andreas Nowak, CDU)

sonst hätten wir vielleicht an dieser Stelle mit dem Rechnungshof oder auch mit dem Bundesrechnungshof größere Probleme gehabt. Das ist nicht so, meine Damen und Herren, und das müssen wir auch ganz klar von uns weisen: Was Sie, Frau Meier, vorgetragen haben, entspricht einfach nicht der Tatsache. Wenn Sie hier von Sperren faseln – erstes Jahr, zweites Jahr –, dann muss ich Ihnen sagen: Auch das sind ungelegte Eier. Wir haben bald Ostern, vielleicht finden Sie das Ei.

(Heiterkeit des Abg. Christian Piwarz, CDU)

An der Stelle ist solch eine Diskussion nicht sachgerecht. Wir wissen noch gar nicht, welche Mittel für uns bereitgestellt werden, außer, dass Sachsen mit dem Kieler Schlüssel weniger Geld bekommt.

Wir müssen aber auch feststellen, dass nach 25 oder 26 Jahren deutscher Einheit mit dem Königsteiner Schlüssel durchaus das marode Schienennetz in unserem Freistaat hervorragend ausgebaut wurde.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt kommt wieder die Leier!)

Wir müssen nur in der Zukunft auch feststellen können, dass wir dann auf diesem gut ausgebauten Schienennetz noch fahren, meine Damen und Herren. Das wird die Herausforderung bereits im nächsten Haushalt sein. Das

wird die Herausforderung innerhalb der Koalition bei der Festlegung der neuen Finanzierungsverordnung, FinVO, sein. Diese Dinge müssen wir zukünftig in diesem Haus besprechen und letztendlich entscheiden.

Ich glaube nicht, dass dabei eine Aktuelle Debatte zielführend ist, weil viele Faktoren hineinspielen und man das in 5 Minuten auch nicht klären kann. Lassen Sie uns das bitte gemeinsam in den jeweiligen Fachausschüssen beraten. Die Strategiekommission ist genannt und eingesetzt worden, und sie macht ihre Arbeit. Es dauert halt ein Stück weit, weil viele Dinge hineinspielen, und die Dinge, die im ÖPNV/SPNV noch zu lösen sind, sind eine Mammutaufgabe. Das möchte ich überhaupt nicht schönreden, doch ich bin der Meinung, dass wir das nicht mit einer Aktuellen Debatte im Sächsischen Landtag lösen können. Ich erwarte auch von Ihnen ordentliche Vorschläge. Wir werden sie machen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Der Antrag ist eingereicht!)

Wir werden zu unserem Koalitionsvertrag stehen. Herr Baum hat es gesagt, und mein Kollege Nowak hat ebenfalls dazu ausgeführt, dass wir die Dinge so klären, dass wir zukünftig mit der Bahn durch Sachsen kommen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion; Herr Homann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ÖPNV ist immer ein Thema – egal, in welchem Wahlkreis, egal, ob in einer Großstadt oder in einer Kleinstadt –, weil es unglaublich viele Menschen betrifft. Im Grunde genommen betrifft es fast alle Gruppen von Menschen: Pendler, die versuchen, auf Arbeit zu kommen, Schülerinnen und Schüler – egal, ob in der Freizeit oder auf dem Weg zum Sport oder ins Theater –; oder um die ganz wichtigen Sachen im Leben zu erledigen, wie das Einkaufen.

Es gibt viele Diskussionen über dieses Thema, und das nicht zu Unrecht. Diese Regierung hat das schwere Erbe des Sven Morlok übernommen; denn über viele Jahre wurde im ÖPNV gekürzt. Somit wurden Abbestellungen erzwungen. Der Anteil von Regionalisierungsmitteln, der an die Verkehrsverbünde weitergeleitet wurde, ist unglaublich niedrig gewesen, und es wurde eine einseitige Politik für die Straße gemacht.

Damit sind viele Entscheidungen getroffen worden, die für uns heute schwer reparierbar sind. Dennoch müssen wir dieses Thema angehen, weil wir in der Pflicht sind. Diese Koalition tut es. Diese Koalition stellt den ÖPNV wieder in den Mittelpunkt ihrer Politik.

Ich möchte folgenden Satz aus dem Koalitionsvertrag vortragen, weil ich ihn für absolut wichtig halte: „Die Erschließung einer Region ist Aufgabe der Daseinsvor

sorge und darf nicht allein aus wirtschaftlicher Perspektive bewertet werden.“