Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Freistaat mit Sitz in Aue müssen eine Sicherheitsleistung erbringen, die im Freistaat hinterlegt wird. Die anderen Großunternehmen, die noch nicht einmal

Unternehmen des Freistaates sind, sondern vormals schwedische Unternehmen und jetzt tschechische Unternehmen, werden aus dieser Verantwortung entlassen.

Das ist – ich sagte es vorhin bereits – hochgradig ungerecht. Ein sächsisches kleines und mittelständisches Unternehmen muss diese Leistung erbringen, ein anderes Großunternehmen, nicht einmal mit Sitz im Freistaat, muss dieses nicht. Das halte ich für hochgradig ungerecht, und das ist keine Debatte darüber, ob ich dem Unternehmen vertraue oder nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Die AfD-Fraktion; Herr Abg. Barth, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Debatte zur Begrenzung gesellschaftlicher Folgekosten energiewirtschaftlicher Industriebereiche spielte sich in letzter Zeit vornehmlich in der Atomwirtschaft ab.

Die Kommission zur Finanzierung des Kernenergieausstieges hat der Bundesregierung empfohlen, eine Rücklage von 23,3 Milliarden Euro für die Zwischen- und Endlagerung und den Rückbau zu bilden und in einem Fonds zu verwahren. Hintergrund war vermutlich das fehlende Vertrauen in die Konzerne RWE und E.ON im Hinblick auf den notwendigen Konzernumbau infolge des Atomausstieges.

Die Bundesregierung hatte jedoch zuvor, vor und nach der Fukushima-Katastrophe, wiederholt und im zweiten Fall sogar urplötzlich die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln verändert und Unternehmen gerieten daraufhin in strukturelle Probleme. Dann forderte die Politik zusätzlich von diesen Unternehmen die Bildung von Rücklagen für Lagerungs- und Rückbaurisiken.

(Lars Rohwer, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Nun kann man sich vortrefflich über das Für und Wider des Atomausstieges streiten. Völlig indiskutabel ist jedoch das Raus- und Reinprinzip der damaligen Bundesregierung. Unternehmen brauchen – und das ist eine ideologiefreie Erkenntnis, meine Damen und Herren – Rechtssicherheit für ihr wirtschaftliches Handeln.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sprechen Sie mal zum Thema!)

Ihr Debattenbeitrag, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, verlagert dieses Problem nunmehr in den Bereich der Braunkohle hinein. Sie wollen – augenscheinlich getrieben von grüner Ideologie – am liebsten sofort aus der Braunkohle in Südbrandenburg und in der Lausitz aussteigen. Um dieses Ziel umgehend zu erreichen, sollen

am besten sofort weitere Rückstellungen für Folgekosten gebildet werden.

So erreichen Sie in der Tat den Braunkohleausstieg in kürzester Zeit ohne Sinn und Verstand. Meine Damen und Herren, was wird EPH in einem solchen, wohl von Ihnen gewünschten Szenario tun? Ich kann es Ihnen sagen: Investitionen werden unterlassen und Arbeitsplätze werden mittelfristig abgebaut.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Damit der Staat anschließend die Kosten dafür tragen kann!)

Das, was wir im Freistaat Sachsen aber brauchen, ist verlässliche Politik. Ein Teil dieser Politik ist es, die Braunkohle als verfügbare, importunabhängige und grundlastfähige Brückentechnologie so lange zu erhalten, bis effizientere und umweltverträglichere Technologien und Energieformen marktfähig geworden sind.

Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand von uns verkennt, dass die Braunkohle ein nicht besonders umweltfreundliches Energieprädikat verliehen bekommen müsste.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Braunkohle muss auch nicht bis in alle Ewigkeit gefördert werden.

(Zuruf von den LINKEN)

Aber als elementarer Baustein der Grundversorgung müssen wir in allererster Linie den Energiebedarf sichern, das heißt, der Energieträger muss ständig verfügbar und für die gesamte Bevölkerung bezahlbar sein. Diese Kriterien zumindest erfüllt die Braunkohle.

(Zuruf der Abg. Kathrin Kagelmann, DIE LINKE)

Zum Aspekt der Bezahlbarkeit gehören der Ehrlichkeit halber natürlich nicht nur Investitions- und Betriebskosten, sondern auch die Folgekosten von Energieträgern. Dazu werde ich in einer weiteren Rederunde in der verbliebenen Zeit einige Ausführungen tätigen.

(Beifall bei der AfD)

Wir gehen in die neue Runde. Bitte schön, Herr Dr. Lippold, Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Baum, ich freue mich über die konstruktive Debatte und hoffe, dass das Nachdenken hinsichtlich der Risikoabsicherung für die öffentlichen Haushalte Früchte tragen wird.

Herr Kollege Heidan, ich habe angesichts Ihrer Körpersprache während der ersten Runde ehrlich gesagt schon in einigen Punkten fast befürchtet, dass ich heute wieder ein Joschka-Fischer-Zitat höre. Aber, Herr Kollege, auch in der Politik sollte man immer nur so weit auf den Baum steigen, dass man auch selbst wieder herunterkommt, und zwar geordnet und nicht krachend mit dem Ast, auf dem

man eben noch gesessen hat und den man sich selbst abgesägt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Tatsächlich ist es so, meine Damen und Herren, dass niemand hier – nach allem, was wir aus Kleinen Anfragen gelernt haben, übrigens auch die Staatsregierung nicht – einen genauen Einblick in die Kalkulation der Folgekostenrückstellungen hat. Dass man sich staatlicherseits einen Überblick verschaffen kann, zeigen die Stresstestgutachten zur Atomwirtschaft; und dass man es tun sollte, steht angesichts der Risiken für die öffentliche Hand außer Zweifel.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Heidan, bitte.

Herr Dr. Lippold, gehen Sie davon aus, dass die Wirtschaftsprüfer, die die Bilanzen von Vattenfall und anderen Bergbauunternehmen erstellen, unsachgemäß gearbeitet haben und nicht nach den Richtlinien, wie eine Bilanz erstellt wird?

Davon gehe ich keinesfalls aus, Herr Kollege Heidan. Wirtschaftsprüfer sind in aller Regel vereidigt. Aber die Wirtschaftsprüfer können selbstverständlich nur schauen, welche Kosten für die Renaturierung, für die Rekultivierung vornweg im Gutachten erstellt worden sind und ob dafür zum heutigen Zeitpunkt ausreichende Rückstellungen in den Büchern festgelegt sind. Ob diese Rückstellungen ausreichen, entzieht sich unserer Kenntnis, darüber rede ich gerade, weil wir diese Gutachten weder kennen noch extern überprüfen können.

Zweitens können Wirtschaftsprüfer zum Beispiel auch nur von den Zinssätzen ausgehen, zu denen diese Rückstellungen diskontiert werden. Da reden wir heute, wie im Jahresabschluss der JTSD steht, über 3,67 %. Diesen Zinssatz hätten Sie sicher gern auch auf Ihrem Konto. Das sind im Moment utopische Zinssätze und es ist davon auszugehen, dass die Erfüllungsbeträge nicht erreicht werden – noch dazu, wenn die Zinslaufzeit kürzer wird. Wenn man diese Beträge nicht in 20 oder 25 Jahren braucht, sondern vielleicht schon in 15 Jahren, dann sieht das Ganze noch sehr viel dunkler aus. Was dort vollkommen fehlt, ist irgendein Stresstest, der gemacht werden muss, gegen Variationen in den politischen Rahmenbedingungen, gegen Variationen in den Zinssätzen und Ähnliches. Wir müssen einfach wissen, wie stabil dieses Geschäftsmodell ist. Davon haben wir keine Ahnung und davon hat leider auch die Staatsregierung keine Ahnung.

Wenn man einen solchen Stresstest hätte, dann hätte die Staatsregierung oder hätten wir alle eine unabhängige Einschätzung, ob wir uns angesichts der Höhe der Rückstellungen einigermaßen sicher fühlen dürfen.

Tatsächliche Ausfallrisiken entstehen aber durch anhaltende Verschlechterung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Braunkohlenwirtschaft und durch Haftungsgrenzen im Insolvenzfall bei Konzernstrukturen. An diesem Punkt ist eine Verbesserung der Sicherheit für die öffentlichen Haushalte in einem ersten Schritt ganz leicht zu erreichen. Die Staatsregierung braucht nur das Oberbergamt anzuweisen, von den Möglichkeiten gemäß § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz Gebrauch zu machen, bei der Genehmigung von Betriebsplänen Sicherheitsleistungen einzufordern. Das ist längst möglich, für sonstige Bergbauvorhaben üblich, und von der Braunkohle wurde das bisher nicht verlangt.

Nun können Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wieder rufen, das ginge nicht, und solche gegenseitigen Versicherungen halten in der Regel dann so lange, bis jemand kommt, der davon nichts weiß und es trotzdem einfach macht.

Dafür zitiere ich Ihnen jetzt ein Beispiel aus einer Haushaltsverfügung des Landesamtes für Geologie und Bergwesen des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2013 – Sachsen-Anhalt ist übrigens der Sitz der MIBRAG –: „Von der Möglichkeit zur Forderung einer Sicherheitsleistung kann nicht nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Erfüllung der zu schützenden Voraussetzungen im Hinblick auf die Wirtschaftskraft des Unternehmers zweifelhaft erscheint. Die Notwendigkeit der Erhebung kann sich auch aus allgemeinen Erfahrungen, aus der wirtschaftlichen Gesamtsituation oder aus anderen Gesichtspunkten ergeben. Relevant für die Beurteilung ist nicht die gegenwärtige wirtschaftliche Situation, sondern die voraussichtliche finanzielle Lage in dem Moment, in dem das Bergbauvorhaben beendet werden soll und die notwendigen Arbeiten anstehen.

Die im Zeitpunkt der Zulassung unzweifelhaft gegebene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist daher kein Grund, von der Erhebung einer Sicherheitsleistung abzusehen. Die Pflicht zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung knüpft an die Betriebseinstellung und damit vielfach an einen bei Bescheiderlass nicht vorhersehbar künftigen Zeitpunkt an. Angesichts der langjährigen Vorhaben ist im Allgemeinen nicht vorhersehbar, ob der Unternehmer dann noch liquide sein wird. Den Behörden ist es aber nicht zumutbar, die finanzielle Leistungsfähigkeit ständig zu überwachen.

Zudem ist die Durchsetzung einer späteren insolvenzfesten Sicherheitsleistung erheblich erschwert, sobald die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmers eingeschränkt ist. Daher sollte in der Regel von der Erhebung der Sicherheitsleistung Gebrauch gemacht und nur in atypischen Ausnahmefällen davon abgesehen werden.“

Dort steht weiter: „Ein atypischer Ausnahmefall wäre zum Beispiel gegeben, wenn es sich um einen Betrieb handelt, der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts betrieben wird oder betrieben werden soll. Wird ausnahmsweise auf die Erhebung einer Sicherheit verzichtet, so soll in der Genehmigung eine nachträgliche

Anordnung vorbehalten werden. Die Entscheidung, im Einzelfall keine Sicherheitsleistung zu erheben, ist aktenkundig zu machen und zu begründen.“

Ich füge hinzu, meine Damen und Herren von der Koalition und von der Staatsregierung: Nicht wir müssen Ihnen begründen, warum Sie von einer ganz leicht realisierbaren Möglichkeit zur Sicherung öffentlicher Haushalte gegen sichtbare Risiken Gebrauch machen sollen, sondern Sie müssen begründen, wenn Sie das bewusst nicht tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie werden für diese aktenkundigen Begründungen auch dann noch geradestehen müssen, wenn Sie längst nicht mehr im Amt oder im Mandat sind.

(Carsten Hütter, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin soeben fertig geworden; Sie können gern eine Kurzintervention vornehmen.