Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Es beginnt wieder die Fraktion GRÜNE; Herr Zschocke, bitte.

Im Bericht der Landesfachstelle wird unter anderem auch deutlich, dass die Droge Alkohol weiterhin die Problemdroge Nummer eins in Sachsen ist. Insbesondere der Erstkonsum ist in Bezug auf die Jahre um 1,5 Jahre niedriger als im Bundesdurchschnitt. Welche Konsequenzen ziehen Sie als Gesundheitsministerin daraus? Insbesondere interessieren mich die Konsequenzen mit Blick auf die weitere Entwicklung der Suchtkrankenhilfe in den kommenden Jahren. Ebenso ist der Hintergrund, dass es in den Suchtberatungsstellen zunehmende Konkurrenzen mit den Crystal-Patienten gibt, interessant.

In erster Linie ist es wichtig, dass wir die Beratungsstellen gestärkt haben. Wir haben die Beratungsstellen finanziell gestärkt, um die Beratungsangebote, nicht nur in Bezug auf Crystal, sondern auch auf andere Suchtmittel zu erweitern.

Herr Zschocke, Sie haben recht, wir sprechen viel über das Thema Crystal. Wir haben einen 10-Punkte-Plan für Crystal aufgestellt. Es ist natürlich ein Hauptschwerpunkt. Die Droge Nummer eins ist aber der Alkohol. Wir wissen, dass 600 000 Menschen im Freistaat Sachsen von dieser Droge abhängig sind.

Wenn wir generell von Drogen sprechen und uns den Altersdurchschnitt anschauen, bedarf es weiterhin der Stärkung im Hinblick auf die Prävention. Das gilt nicht nur für das Thema Crystal sondern auch für das Thema Alkohol. Das geht weiter bis hin zur Spielsucht. Wir brauchen gezielte präventive Angebote, die Zusammenarbeit vor Ort, die Zusammenarbeit mit den Landkreisen und kreisfreien Städten, vor allen Dingen aber auch mit den Schulen. Das ist ein wichtiger Schritt, um das Thema der Prävention in Bezug auf Drogen, Alkohol, Crystal und alle anderen darunter zu subsumierenden Inhalte aufzugreifen.

Deswegen lautet aus meiner Sicht der Appell – auch in Richtung des Doppelhaushalts – wie folgt: Die Gelder müssen verstetigt werden. Wir brauchen eine Kontinuität vor Ort. Wir müssen den Partnern vor Ort Zuversicht und Verlässlichkeit geben. Das muss letztendlich aus den Mitteln geschehen, die wir zur Verfügung stellen.

Es folgt für die CDU Herr Abg. Krauß. Bitte.

Frau Staatsministerin, Sie kommen aus Annaberg-Buchholz. Dort gibt es eine intensive Zusammenarbeit im Hinblick auf das Thema Crystal zwischen allen Akteuren, beispielsweise der Polizei, der Suchthilfe und den Schulen. Sehen Sie Ansätze, dass wir dies landesweit verstärken können? Sehen Sie die Möglichkeit, dass wir alle Akteure landesweit zusammenbringen können? Es ist der Grundgedanke des 10Punkte-Planes, dass man nicht nur einen Bereich betrach

tet und davon ausgeht, dass es nur eine Sache des Sozialministeriums ist. Man sagt, dass es verschiedene Akteure gibt, die dort tätig sind. Sehen Sie Weiterentwicklungsmöglichkeiten, wie wir von verschiedenen Seiten auf ein Thema schauen können?

Wir haben die Gelder im Doppelhaushalt 2015/2016 eingestellt und die 1,3 Millionen Euro für Projekte gezielt festgeschrieben. Schwerpunkt für die Ausreichung der Gelder war, dass Konzeptionen einzureichen sind, denen eine Nachhaltigkeit zugrunde liegt. Die Nachhaltigkeit musste dahin gehend vorliegen, dass die Vernetzung einen wesentlichen Schwerpunkt bildet. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es sehr viele Partner in den unterschiedlichsten Bereichen gibt, die eine hervorragende Arbeit leisten. Teilweise haben die Partner untereinander keine Kenntnis bzw. arbeiten aneinander vorbei. Das Thema der Vernetzung ist ein wesentlicher Punkt. Darauf haben wir Wert gelegt, vor allem bei den Projekten, die bewilligt wurden.

Ein nächster Schritt, den wir aufgreifen, ist folgender: Wir werden eine Plattform installieren. Auf dieser Plattform sollen Projekte eingestellt werden. Man kann voneinander lernen. Man sieht, welche Projekte als positive Beispiele im Bereich des Leipziger Raumes, im Vogtland oder im Erzgebirgskreis entstanden sind.

Ich gebe Ihnen recht: Die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, die Partner an einen Tisch zu bringen und miteinander zu vernetzen. Ich sehe unsere Aufgabe darin, Gelder gezielt in die Fläche zu reichen, um diese Vernetzung stärker anzuschieben.

Es folgt die Fraktion DIE LINKE. Frau Schaper, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Frau Staatsministerin, ich habe eine kurze Rückfrage zur Frage des Herrn Zschocke: Sachsen hat einen Anteil von 58,2 % in Bezug auf die Alkoholabhängigkeit. Im Bundesdurchschnitt sind es 50,4 %. Welche Ursachen sehen Sie, warum diese Zahl in Sachsen so auffallend hoch ist? Fördert der Freistaat Sachsen die betriebliche Suchtprävention? – Vielen Dank.

Warum ist die Zahl im Freistaat Sachsen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt so hoch? Man müsste die Statistiken in Gänze analysieren: Welche Bundesländer liegen in welchem Schnitt? Das Thema Alkohol ist in der Tat bei uns, das zeigen die Statistiken, ein wesentliches Thema neben den Drogen: Wenn wir uns mit anderen Bundesländern austauschen, dann wird in anderen Bundesländern das Thema Crystal dort nicht als ein wesentliches Thema angesehen. Aufgrund der Grenzregion stechen wir bei dem Thema Crystal besonders heraus. In Bezug auf das Thema Alkohol ist es wichtig, die Prävention wieder stärker in die Richtung des Alkohols zu lenken und frühzeitig anzusetzen – Sie sagten,

dass wir über dem Bundesdurchschnitt liegen –, um das Thema Alkohol wieder stärker in den Griff zu bekommen.

Nun folgt die SPD-Fraktion. – Entschuldigung, Frau Ministerin, Sie waren noch nicht mit Ihren Ausführungen am Ende.

Ich komme noch zur betrieblichen Prävention. Wir haben die Landesrahmenvereinbarung Prävention geschlossen. Es sind bereits viele Partner mit Blick auf diese Vereinbarung involviert. Weitere Partner haben sich gemeldet, die sich als Kooperationspartner einbringen möchten. Das Thema der betrieblichen Prävention wird dabei eine Rolle spielen. Aus meiner Sicht ist das ein sehr wesentlicher Punkt, nicht nur beim Thema Alkohol, sondern auch generell. Die betriebliche Prävention wird im Bereich der Landesrahmenvereinbarung ein ganz wesentlicher Punkt sein.

Es folgt nun die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Wir haben gehört oder wissen, dass es mehr Mittel zur Präventionsarbeit und auch gestiegene Angebote zur Prävention gab, bis in die Landkreise heruntergebrochen. Trotz alledem ist die Zahl der Drogentoten gestiegen. Ich würde gern wissen wollen, welche Konsequenzen aus diesem Punkt gezogen werden.

Ja, die Zahl der Drogentoten ist gestiegen. Wir hatten im letzten Jahr 27 Drogentote zu verzeichnen.

Vorab: Jeder einzelne Drogentote ist einer zu viel. Es hat sich eine Arbeitsgruppe näher mit der Thematik beschäftigt und die Situation analysiert. Die gestiegene Zahl gegenüber dem Jahr 2014 ist besorgniserregend. Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, beginnend von 2001, 2002, 2003 bis 2015, dann unterliegt das dort einer jährlich sehr starken Schwankung. Die Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus der Zahl der 27 Drogentoten aus dem Jahr 2015 keine weiteren exorbitanten Maßnahmen ableiten lassen, sondern man muss diese Schwankung innerhalb der Jahre betrachten. Es werden also aufgrund der im Jahr 2015 gestiegenen Zahl der Drogentoten jetzt nicht explizit konkrete Maßnahmen eingeleitet.

Die AfD, Herr Wendt, bitte.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Meine letzte Frage; sie bezieht sich auf das Thema Prävention: Inwieweit werden die Eltern einbezogen bzw. welchen Stellenwert hat die Arbeit mit den Eltern im Rahmen der Prävention, auch Bezug nehmend auf den Drogenkonsum Minderjähriger hier in Sachsen?

Ich glaube, die Eltern nehmen hier eine ganz wichtige Rolle ein. Wenn wir über Projekte gesprochen haben, Projekte, die Vernetzung zugrunde legen – Vernetzung zwischen Polizei, Schule, Jugendämtern und Kliniken –, dann spielt bei dem Thema Schule intern die Vernetzung Elternhaus und Schule eine ganz wesentliche Rolle. Bei den Projekten, die mir jetzt vorlagen, ist die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung, Lehrern und Elternschaft in Vorbereitung für das Thema Prävention in Richtung Drogen ein ganz wesentlicher Baustein.

Teilweise sind die Eltern noch nicht über die Situation aufgeklärt. Sie erkennen gar nicht, wenn ihre Kinder mit Drogen in Berührung kommen. Sie sind aber teilweise dann sogar auch überfordert, wenn sie mitbekommen, dass ihre Kinder Drogen konsumieren. So ist das Thema Aufklärung Schule – Eltern ganz wesentlich. Diese Aufklärung hat letztlich in den Projekten einen ganz hohen Stellenwert zugewiesen bekommen.

Für die Fraktion DIE GRÜNEN Herr Zschocke, bitte.

Frau Staatsministerin! Die Finanzierung von Projekten im Bereich Sucht und Drogen, insbesondere der Beratungsstellen, ist nicht nur deshalb schwierig, weil sie von Kofinanzierungen vor Ort, in den Städten und Landkreisen, abhängig ist, sondern weil, wie im Jahr 2015 auch geschehen, die Fördermittel des Freistaates nicht immer rechtzeitig abfließen; im letzten Jahr war es sogar erst am Jahresende, sodass neue Projekte zum Beispiel erst 2016 überhaupt beginnen konnten.

Zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres waren für nur fünf von 25 bewilligten Förderanträgen die Gelder ausgezahlt worden. Wie sieht es aktuell aus? Sind die Träger mittlerweile arbeitsfähig in Bezug auf die Mittel vom Freistaat? Was gedenken Sie zu tun, damit die Förderpraxis mit diesen großen Zeiträumen zwischen Haushaltsbeschluss und Fördermittelauszahlung in Zukunft die Träger nicht mehr zwingt, Zwischenfinanzierungen und problematische Finanzierungslücken zu überbrücken?

Ja, Herr Zschocke, Sie haben recht.

Für Träger ist es unheimlich schwierig, wenn sie in eine Zwischenfinanzierung oder Vorfinanzierung gehen

müssen. Ich spreche hier auch aus persönlichen Erfahrungen. Unabhängig davon waren aber einzelne Projekte, die auch unserem Haus vorlagen, nicht vollständig. Wenn Projekte eingereicht werden, bei denen es noch Nachforderungen gibt oder noch Unterlagen beizubringen sind oder die inhaltlich noch nicht richtig ausgerichtet sind, dann bedarf es einiger Zeit, um das zu korrigieren. Ich glaube, das ist das eine, wo man sagt: Hier muss man mit den Trägern arbeiten, hier muss gemeinsam dafür gesorgt werden, dass die Projekte rechtzeitig und vollständig eingereicht werden.

Auf der anderen Seite haben Sie das Jahr 2015 angesprochen. Es war für mich genauso unbefriedigend wie für Sie und für viele andere sicher auch. Der Haushalt war verabschiedet, sicher sehr spät. Bis man dort zum Arbeiten kam, war leider nicht in allen Fällen die Möglichkeit gegeben, die Projekte mit der Reife abzuschließen, dass die Finanzierung rechtzeitig laufen konnte. Das darf im Jahr 2016 so nicht mehr passieren, denn der Haushalt ist verabschiedet. Dazu arbeitet das Haus mit den Trägern in enger Abstimmung. Meines Wissens liegen jetzt auch keine größeren Verzögerungen oder Probleme vor, es sei denn, es gibt Nachfragen, die noch zu klären sind. Aber meines Wissens gibt es jetzt keine Projekte, bei denen es „klemmt“, wo etwas liegen bleibt, weil ein Bearbeiter längere Zeit krank ist. Wir wissen auch, dass das zum Teil in der Landesregierung der Fall war. So ist es meines Wissens jetzt nicht und nicht für den nächsten Haushalt. Deshalb bin ich auch wirklich stark daran interessiert, dass wir im nächsten Doppelhaushalt die Gelder wirklich wieder bereitstellen können, um den Trägern dort eine Verlässlichkeit geben zu können.

Meine Damen und Herren! Die Zeit der Befragung ist leider abgelaufen. Ich kann jetzt keine Fragen mehr zulassen. Vielleicht kann man sich im Nachhinein noch einmal persönlich besprechen.

Ich bedanke mich bei der Frau Staatsministerin für die Beantwortung der Fragen und schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich eröffne

Tagesordnungspunkt 3

Umgang und Maßnahmen des Freistaates Sachsen in

Zusammenhang mit den Auswirkungen des Vollherbizids Glyphosat

Drucksache 6/5244, Prioritätenantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Stellungnahme der Staatsregierung liegt vor.

Die einreichende Fraktion beginnt mit der Debatte. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die

Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unser Antrag hat das Ziel, die Debatte etwas zu versachlichen. Sie bemerken, dass Glyphosat mittlerweile ein Thema ist, das fast jeder mitbekommen hat, auch der, der sich nicht explizit mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt. Wir wissen, dass auch heute eine nicht ganz unwesentliche Entscheidung auf europäischer Ebene ansteht.

Es steht uns auch gut an, dieses Thema hier in Sachsen zu diskutieren, und zwar vor dem Hintergrund, dass Glyphosat – ein Totalherbizid, das in der Landwirtschaft verwendet wird – das meist ausgebrachte Pflanzenschutzmittel überhaupt ist. Die Diskussion, welche Probleme daran hängen, bezieht sich auf drei Bereiche. Es geht um die Gesundheit von uns Menschen – das ist auch das, was aktuell in der Öffentlichkeit besonders diskutiert wird –, es geht aber auch um gesundheitliche Folgen für Tiere, für Nutztiere und um Auswirkungen auf die Umwelt, auf Flora und Fauna, darunter also auch wieder Tiere.

Was wir feststellen müssen, ist, dass unser Wissen über die Wirkung des Ganzen noch lange nicht ausreicht. Das ist auch eigentlich ganz logisch. Unsere Welt ist so komplex, auch die Wirkungsgefüge in der Natur. Wenn man dort Dinge ausbringt und wirken lässt, werden wir das nie vollständig verstehen können. Deshalb ist es erst einmal auch gar kein Vorwurf, wenn gesagt wird, dass man, wenn Mittel in Verkehr gebracht werden, dazu eine endliche Anzahl von Voruntersuchungen und Laboruntersuchungen oder auch manchmal etwas im Freiland machen kann. Aber deswegen weiß man noch nicht, was am Ende auf einen zukommt. Das ist bei jedem Medikament so, bei jeder technischen Anlage, schlichtweg bei allem. Das kann man auch nicht umdrehen, denn sonst könnte man gar nicht mehr handeln. Das ist also erst einmal gar kein Vorwurf.

Aber wichtig ist, wenn sich Anzeichen mehren, dass vielleicht die Nebenwirkungen, vielleicht auch die Vorteile, wegen der man Dinge einsetzt, dramatischer sind als anfangs gedacht, und dass vielleicht die Nachteile überwiegen, dass man dann aufmerksam ist und prüft, ob man nachsteuern muss. Dazu braucht es Klarheit, und dem soll unser Antrag dienen, hierzu einfach mehr Wissen aufzubauen.

Nun zum Hintergrund. Ich hatte die Menge schon kurz angesprochen. Allein in Deutschland werden jährlich 5 000 bis 6 000 Tonnen reine Wirkstoffmengen ausgebracht. Dass das in einem komplexen Ökosystem nicht ganz folgenlos bleiben kann, ist vielleicht jedem klar – und auch, dass das immer mehr wird. Noch vor zehn Jahren betrug der Glyphosateinsatz gerade mal die Hälfte. Vor dem Hintergrund, dass wir wenig wissen und in welchen Mengen wir diesen Wirkstoff in unsere Umwelt ausbringen, in der wir alle leben, kann man sagen: Es ist etwa so, wie wenn man mit verbundenen Augen volle Fahrt auf der Autobahn unterwegs ist.

An den Einsatz gewöhnt man sich vielleicht schnell in der Landwirtschaft. Ich bin gerade von einer Kollegin nach

einer Aspirin gefragt worden. Wenn man Kopfschmerzen hat, ist das oft die eine Antwort. Man setzt es einfach ein, weil es ein einfaches, leichtes Mittel ist, nämlich als Totalherbizid. Aber die Fragen, was man sonst noch tun könnte, um ohne auszukommen, stellt man sich dann oft gar nicht mehr.