Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass es höchste Zeit ist, die soziale Lage wirklich genauer zu analysieren und politische Antworten zu suchen. Der Antrag findet unsere Unterstützung. Das ist ganz klar. Der Antrag formuliert ja auch einen Anspruch an die Ausgestaltung der Sozialberichterstattung.

Frau Dietzschold, wenn Sie sagen, die Sozialberichterstattung komme, und hiermit wird im Prinzip ein Anspruch formuliert, wie man es konkret umsetzen kann, dann kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, warum man das für ablehnungswürdig hält. Ich kann auch noch nicht nachvollziehen, warum man das für erledigt erklärt. Wir werden das auf jeden Fall unterstützen.

Vielen Dank, Herr Zschocke.

Meine Damen und Herren! Ich denke, ich kann nun abstimmen lassen über die Drucksache 6/7056. Wer zustimmen möchte, der zeigt das jetzt bitte an. – Die Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ohne Stimmenthaltungen und bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Großen Anfrage und damit auch der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

Vermögenserhalt bei Staatsstraßen sichern

Drucksache 6/6107, Antrag der Fraktionen CDU und SPD,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Reihenfolge in der Aussprache ist wie gehabt. Es beginnt die CDU-Fraktion. Danach folgen SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, sofern das Wort gewünscht wird.

Für die CDU-Fraktion beginnt Herr Abg. Nowak. Bitte sehr, Herr Nowak. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einiger Zeit hat der Sächsische Landesrechnungshof einen Bericht über den Zustand unserer Staatsstraßen vorgelegt. Das Thema ist uns wichtig. Deshalb debattieren wir heute darüber.

Eines vorweg: Ich bin dem Rechnungshof dafür dankbar, dass er diesen Bericht vorgelegt hat; denn dadurch haben wir jetzt einen genaueren Blick auf die Lage.

Um die Sache richtig einzuordnen, werfe ich zunächst einen Blick auf die Historie. Die meisten von uns werden sich daran erinnern: Im Jahr 1990 hatten wir im neu gegründeten Freistaat Sachsen eine Infrastruktur, die diesen Namen teilweise kaum mehr verdiente. Die Straßen waren so marode wie viele Teile des Landes. Ich erinnere mich aus dieser Zeit an einen Satz meines Vaters, der nämlich irgendwann fragte: Woran erkennst du, dass du im Westen bist? Daran, dass es Straßen gibt, die diesen Namen auch verdienen, und daran, dass die Feldwege asphaltiert sind. – Das ist natürlich eine zugespitzte Formulierung, aber im Kern trifft es die Sache schon.

Wir hatten also einen gewaltigen Aufholbedarf. Aus Rumpelpisten mussten wir ein leistungsfähiges Straßennetz machen. Heute, 26 Jahre später, können wir mit Fug und Recht sagen, das ist uns gelungen.

Die Herausforderungen des Jahres 2016 sind also ganz andere als die des Jahres 1990. Das zeigt der Bericht des Landesrechnungshofes. Während wir in den Neunzigerjahren erst einmal die leistungsfähige Infrastruktur bauen mussten, geht es nun darum, dieses Netz dauerhaft zu sichern.

Zu dieser Bestandsaufnahme des Rechnungshofes sage ich ohne Wenn und Aber: Wenn 42 % der Straßen über dem sogenannten Schwellenwert liegen, dann haben wir dringenden Handlungsbedarf. Der Schwellenwert zeigt übrigens an, dass der Zustand einer Straße so ist, dass verkehrliche Einschränkungen drohen, wenn nichts unternommen wird.

Ich frage mich aber schon, warum es für diese Erkenntnis eines Berichts des Landesrechnungshofes bedurfte. Offenbar ist der Zustand unserer Staatsstraßen in der verantwortlichen Abteilung des Verkehrsministeriums nicht ganz ausreichend auf dem Schirm. Unser Koalitionsantrag soll das ändern.

(Heiterkeit des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wir wollen von der Staatsregierung wissen, wie sich der Wert unserer Straßen seit dem Jahr 2000 entwickelt hat, welche Mittel für den Erhalt, den Umbau und den Neubau verwendet wurden und warum man welche Prioritäten gesetzt hat. Für die Zukunft ist uns vor allem wichtig, wie die Staatsregierung den Erhalt und Ausbau unseres Straßennetzes zu sichern gedenkt.

Ganz grundsätzlich haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Erhalt künftig vor Ausbau und Neubau geht. Der Grundgedanke dabei war, dass wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Infrastruktur ertüchtigt haben und jetzt natürlich vor allem gefordert sind, diese Straßen zu erhalten, wenige Ausnahmen inbegriffen, wo wir auch jetzt noch Aus- und Neubau planen.

Das entspricht übrigens auch der Strategie, welche die Bundesregierung für die Bundesstraßen und Autobahnen verfolgt. Auch für den neuen Bundesverkehrswegeplan gilt dieser Grundsatz: Erhaltung vor Aus- und Neubau.

Wir möchten von der Staatsregierung wissen, welche Erhaltungs- und Ausbaustrategie sie verfolgt. Wir möchten gern wissen, wie die Kostenkontrolle und die Vermögensrechnung organisiert werden, und wir möchten gern wissen, welchen Handlungsbedarf wir haben, wie der Zeitplan aussieht und wie viele Fachleute es braucht, um es effizient umsetzen zu können.

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade wenig in unser Straßennetz investiert. Unsere Infrastruktur kann sich sehen lassen. Wir haben 4 500 Kilometer Staatsstraße und 3 900 Brücken- und Ingenieurbauwerke. Um dieses Netz so auszubauen, haben wir zwischen 1992 und 2013 rund 2,2 Milliarden Euro ausgegeben. Für Umbau, Ausbau und Neubau beträgt die Summe seit dem Jahr 1999 allein 1,6 Milliarden Euro. Ein Drittel davon, nämlich 557 Millionen Euro, haben wir in die Erhaltung investiert. Dieser Posten wird in Zukunft wichtiger werden.

Deshalb haben wir im aktuellen Haushaltsplanentwurf nahezu 150 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre vorgesehen. Jetzt könnte man fragen, warum denn nicht schon früher mehr Geld für die Erhaltung eingesetzt wurde. Die Antwort ist ganz einfach: Zunächst musste das Netz überhaupt erst ertüchtigt werden. Deshalb ist das meiste Geld in Aus- und Neubau geflossen. Das war auch richtig so.

Dank dieser Priorisierung haben wir jetzt das leistungsfähige Netz; denn gute Straßen sind wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, für Tourismus und für die Lebensqualität vor allem außerhalb der Ballungsräume.

Dank unseres Staatsstraßennetzes haben wir gute Bedingungen für die Wirtschaft in der Fläche. Das bedeutet Arbeitsplätze, Wohlstand und Lebensqualität. Gute Straßen sind auch wichtig für einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr; denn es kann leider nicht überallhin der Zug fahren.

Der Zustand unserer Straßen muss nun aber kontinuierlich auf den Prüfstand. Dabei gibt es unterschiedliche Zustandsklassen. Unser Ziel ist es, dass im Jahr 2025 keine Straße und keine Brücke mehr in der schlechtesten Zustandsklasse ist.

Bei der Verbesserung des Straßenzustands haben wir bis zum Jahr 2009 erhebliche Fortschritte gemacht. Seitdem stagniert es oder geht zurück. Das haben wir in dem Bericht gelesen. Es gibt dabei aber einen Unterschied zwischen dem Gebrauchswert und dem Substanzwert. Den Gebrauchswert spüren die Benutzer direkt; denn mit ihm steigen die Verkehrssicherheit und der Fahrkomfort. In der Vergangenheit war das ein besonderer Schwerpunkt. Deshalb ist der Wert bei unseren Straßen besser als der Substanzwert. Den spürt vor allem der Finanzminister; denn wenn der Substanzwert sinkt, dann leidet die Lebensdauer der Straße und eine grundgängige Erneuerung wird früher nötig.

Die Erhaltung ist übrigens günstiger als der Aus- und Neubau. Mit demselben Euro können wir künftig fünf- bis sechsmal mehr Kilometer erhalten, als neu bauen. Deshalb ist das jetzt für den Erhalt vorgesehene Geld auch sehr gut investiert. Noch einmal: Auf die Frage, warum nicht schon früher, gibt es eine Antwort: weil überhaupt erst einmal etwas da sein muss, das man erhalten kann.

Ein weiterer Fakt sind übrigens auch die Fördermittel, die wir für die Ertüchtigung unserer Infrastruktur bekommen haben. Diese stehen immer nur in einem begrenzten Zeitraum zur Verfügung und müssen vom Land zusätzlich kofinanziert werden. Auch deshalb haben wir die Gunst der Stunde genutzt und gebaut.

Es ist übrigens ein ganz konkreter Mehrwert, den wir im Freistaat Sachsen durch die Mitgliedschaft Deutschlands in der EU haben. Bei allem, was man kritisieren kann – ohne die Mittel aus Brüssel hätten wir heute nicht so ein leistungsfähiges Netz. Das sollte man auch bedenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jeder Euro kann aber nur einmal ausgegeben werden. Es war richtig, in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu investieren. Nun haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Die großen Erneuerungsaufgaben sind erledigt und wir müssen uns dem Bestand widmen.

Bei den Brücken- und Ingenieurbauwerken sind wir übrigens schon weiter als bei den Straßen. Es sind bereits zwei Drittel mindestens in einem zufriedenstellenden Zustand. Auf diesen Wert können wir aufbauen. Das ist übrigens ein Wert, um den uns manches westliche Bundesland beneidet. Die können streckenweise nur davon träumen.

Die Politik der Staatsregierung hat sich also bereits heute ausgezahlt. Das ist aber natürlich kein Grund, sich jetzt entspannt zurückzulehnen; denn zur Wahrheit gehört auch, dass wir nicht genügend Planungsvorlauf haben. Zum Teil liegt das wohl auch an zu wenigen Ingenieuren in der Verwaltung, welche diese Planungen vorantreiben können. Während zu Zeiten von Wirtschaftsminister Schommer und dem damaligen Verkehrsabteilungsleiter Rohde die Schubladen voll waren mit planungsreifen Bauvorhaben, klemmt es dabei heute bisweilen. Geld, das aus Berlin kommt, kann deshalb kaum verbaut werden.

Das betrifft zunächst nur die Bundesstraßen, aber die Ingenieure in der Staatsverwaltung sind nicht nur für die Bauvorhaben des Bundes da, sie bearbeiten auch die Staatsstraßen. Wir hätten also einen konkreten Mehrwert, wenn wir an der Stelle aufrüsten. Das werden wir auch tun. Im aktuellen Entwurf des Doppelhaushaltes, den wir im Dezember beschließen, haben wir auf diesen Umstand reagiert und werden im SMWA und in den nachgeordneten Behörden 60 neue unbefristete Stellen einplanen. Ein Großteil dieser neuen Mitarbeiter, das hat uns die Regierung schon zugesichert, wird für die Straßenbauverwaltung verwendet. Damit bekommen wir neuen Schwung zum Erhalt unserer Staatsstraßen.

Welche konkreten technischen Fragestellungen zu bearbeiten sind und wie unsere Straßenbauverwaltung die Zukunftsaufgaben bewältigen will, dazu wird nachher noch mein Kollege Jan Hippold etwas sagen. Er ist ausgebildeter Bauingenieur und für diese ganzen technischen Fragen sehr viel prädestinierter als ich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen ist ein Autoland. Für manche mag das ein Kampfbegriff oder ein Schimpfwort sein, für mich ist es das nicht. Mobilität ist wichtig für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes und damit für den Wohlstand jedes Einzelnen, in den Großstädten genauso wie auf dem platten Land. Es ist deshalb richtig, das Straßennetz großzügig zu planen, und es war auch richtig, es großzügig zu planen und auszubauen. Mancher hier im Hause wird behaupten, wir hätten das alles viel zu groß und zu viel Verkehr geplant, die Prognosen zu sehr nach oben geschwenkt, und auch deswegen wäre heute dieser 42-Prozent-Schwellenwert da. Ich gehöre nicht dazu.

Ich halte es für richtig, ein leistungsfähiges Straßennetz zu haben. Dabei gehört auch zur Wahrheit, dass es unter

schiedliche Voraussetzungen beim Erhalt gibt. Im Erzgebirge ist das aufwendiger und teurer als in der Leipziger Tieflandbucht. Auf den Vorwurf des zu viel und zu groß möchte ich mit einem Satz von Prof. Georg Milbradt, weiland Finanzminister des Freistaates Sachsen, schließen. Georg Milbradt hat in den Neunzigerjahren mal eine Kleine Anfrage der Opposition beantwortet. Die Frage lautete sinngemäß, wie sichergestellt wird, dass sich das nicht wiederholt. Seine Antwort war: Wird bei der nächsten Wiedervereinigung berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Aufgabe im Jahr 2016 ist es, unser sehr gut ausgebautes Staatsstraßennetz zu erhalten und für die Zukunft fit zu machen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt und ich bitte um Zustimmung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion. Herr Abg. Baum, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Sachsen verfügt über ein dichtes und leistungsfähiges Straßennetz“. Dieser Satz stammt aus dem Koalitionsvertrag, und er ist richtig. In den letzten 25 Jahren haben wir es geschafft, dass nun fast jeder Ort in Sachsen komfortabel mit dem Auto erreicht werden kann. Durch massive Investitionen, unter anderem maßgeblich unterstützt durch die Europäische Union, ist es uns gelungen, einen sehr guten Standard zu etablieren.

Mittlerweile ist ziemlich jede Region Sachsens sehr gut angebunden. Von fast überall erreicht man mit dem Auto ein Ober- oder Mittelzentrum in weniger als 30 Minuten Fahrzeit. Wir haben unser Autobahnnetz weiterentwickelt und stehen bei der Fertigstellung der Autobahn A 72 kurz vor dem Abschluss. Man könnte sagen, wir sind mit dem Straßenaus- und -neubau nun fast fertig. Es fehlen noch einige Lückenschlüsse und die eine oder andere wichtige Ortsumgehung. Ein Blick in den Bundesverkehrswegeplan zeigt bei den Bundesstraßen die Maßnahmen, die im Freistaat Sachsen noch vordringlich umgesetzt werden müssen.

Straßen erhöhen aber nicht nur die Erreichbarkeit der Region und sind ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung, Straßen kosten auch eine Menge Geld – einfach nur, weil sie da sind und genutzt werden. So hat der Rechnungshof in seinem Bericht, von dem auch Kollege Nowak bereits gesprochen hat, das gesamte Anlagevermögen der sächsischen Staatsstraßen mit rund 3,9 Milliarden Euro bewertet und einen jährlichen Investitionsbedarf von rund 180 Millionen Euro ermittelt, um den Werterhalt zu sichern.

Lassen Sie mich an dieser Stelle offen sagen: Meine Fraktion und ich teilen fast alle Schlussfolgerungen des Rechnungshofes in Bezug auf den Erhalt unserer Staatsstraßen, aber eine so einfache Rechnung, wonach allein

die jährliche Abschreibungssumme als Grundlage für die Höhe der Instandhaltungsinvestitionen herangezogen wird, halten wir für wenig zielführend. Das wurde auch in der Anhörung klar, die wir im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Ende Oktober durchgeführt haben. Denn zur Ermittlung langfristig sinnvoller, das heißt wirtschaftlicher Strategien für die Straßenerhaltung braucht es eine komplexere Herangehensweise. Ich sage Ihnen das auch aus persönlicher Erfahrung. Schließlich habe ich vor meinem Eintritt in den Sächsischen Landtag 23 Jahre lang in diesem Bereich als Leiter verschiedener Ingenieurbüros gearbeitet.