Protokoll der Sitzung vom 11.04.2017

Uns geht es nicht darum – wie uns so häufig unterstellt wird –, flächendeckend Gemeinschaftsschulen zu verordnen. Wir wissen, wie wichtig der Schulfrieden ist. Aber der Schulfrieden ist auch gefährdet – das hat Prof. Melzer in seinem Interview heute hier noch einmal deutlich gesagt –, wenn eine größere Gruppe von Eltern ihre Vorstellungen von Schule und Bildungskonzepten nicht im Rahmen öffentlicher, staatlicher Schulen umsetzen kann.

In Chemnitz – Sie wissen, ich komme aus dieser Stadt – gehören der Elterninitiative „Gute Schule“ mittlerweile fast 200 Eltern an, die sich immer wieder fragen, warum dieses bestimmte Schulkonzept, das auch Gemeinschaftsschule ist, nicht im Rahmen einer Regelschule in Sachsen möglich sein kann. Ich habe, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, darauf mittlerweile keine Antwort mehr.

Abschließend bleibt zu sagen: Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, haben mit Ihrer bisherigen strikten Ablehnung – dafür gibt es für mich überhaupt kein nachvollziehbares Argument mehr, es sei denn, Ihre Ablehnung ist wirklich ideologischer Natur – die Möglichkeiten für längeres, gemeinsames Lernen in Sachsen erneut verbaut. Sie haben jetzt noch einmal die Chance, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Bienst das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, sowohl meine Kollegen als auch ich haben in unseren Ausführungen eindeutig formuliert, dass wir mit unserer Grundstruktur in Sachsen bisher Erfolg hatten, im momentanen Zustand Erfolg haben und mit dieser Struktur auch in Zukunft Erfolg haben werden.

Das heißt also, wir sehen uns nicht veranlasst, aufgrund einer Anhörung oder aufgrund eines Beispiels – der Jenaplan-Schule, historisch gewachsen – die Struktur zu verändern. Wir werden an dieser Struktur auch in Zukunft, solange wir hier regieren und das Sagen haben, festhalten, weil – ich möchte die Ausführungen meines Kollegen Patrick Schreiber nicht wiederholen – es auch keine fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die

beweisen würden, dass eine frühzeitige Trennung nicht zum Erfolg führen kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Zais.

Sehr verehrter Kollege Bienst, glauben Sie wirklich, dass es nur ein einziges erfolgreiches Beispiel in der Anhörung gegeben hat, nämlich die Jenaplan-Schule? Es gibt mehrere solcher Schulen, ganz abgesehen davon, aber wie schätzen Sie denn das Chemnitzer Schulmodell ein? Das ist das erfolgreichste Gemeinschaftsschulmodell, das wir in Sachsen haben, auch wenn Sie das nicht so nennen, sondern „Schule besonderer Art“. Wissen Sie das?

(Zurufe von der CDU und der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Sicher, Frau Kollegin Zais. Sie hatten die Jenaplan-Schule erwähnt, auch das Chemnitzer Schulmodell. Deshalb wollte ich darauf eingehen.

Ich möchte trotzdem noch einmal betonen, dass wir in der Vergangenheit genau aufgrund unserer Schulstruktur mit unserem langjährigen Wirken in der Schule genau diese Erfolge bei allen Wissenswettbewerben erzielt haben, in denen wir vordere Plätze belegt haben. Dazu brauche ich nicht PISA heranzuziehen, sondern einfach nur Vergleichbarkeit herzustellen.

Letztendlich – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – möchte ich das finanzielle Problem zwar nicht in den Vordergrund stellen, aber natürlich hören wir auch die kommunalen Spitzenverbände, die wir auch befragen würden, wenn wir – einmal angenommen – diesen Weg gehen, da diese in finanzielle Problemlagen hineinmanövriert würden; denn wenn eine solche Struktur verändert wird, zieht das natürlich auch enorme finanzielle Folgen nach sich. Ich glaube, auch das sollte man hier jederzeit bedenken. Wir halten an unserem zweigliedrigen Schulsystem fest. Wir wollen auch in Zukunft Erfolge haben. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Frau Falken für die Fraktion DIE LINKE, bitte.

Frau Präsidentin! Ich möchte mich natürlich ebenfalls zu diesem Änderungsantrag der GRÜNEN äußern. Sie wissen, dass wir einen ähnlichen Antrag haben, auch wenn er etwas anders ist. Wenn ich das jetzt richtig verstehe, werte Kollegen von der CDU, werden Sie die nächste Wahl im Jahr 2019 an der Frage festmachen: Längeres gemeinsames Lernen oder nicht?

Dann schauen Sie sich doch bitte einmal an – ich weiß, dass Frau Friedel und auch Herr Bienst ständig mit dieser Prognose draußen sind –, wie die Bevölkerung im Freistaat Sachsen dies zurzeit sieht. Drei Viertel der Eltern wollen das längere gemeinsame Lernen – das alles sind Wählerinnen und Wähler.

(Christian Piwarz, CDU: Wie man Umfragen glauben kann, haben Sie ja gesehen!)

Auch die Wirtschaft will es – eindeutig, dazu gibt es ganz klare Aussagen. Die Gewerkschaften wollen es. Die Spitzenverbände haben in den Anhörungen nicht gesagt, dass sie das längere gemeinsame Lernen nicht wollten. Sie brauchen dafür natürlich nur eine ordentliche, solide Finanzierung; das ist doch selbstverständlich. Natürlich muss man sich das genau anschauen, gar keine Frage.

Aber wenn Sie das zur Wählerfrage machen, wird das eine ganz spannende Geschichte. Da schaue ich einmal zu meiner Fraktion: Herr Fraktionsvorsitzender Gebhardt, dann wissen wir ja schon, welches große Thema wir haben.

(Zustimmung des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir werden das entsprechend vorbereiten. Es ist nicht mehr lange bis zur Wahl, noch zweieinhalb Jahre. Demzufolge können wir das natürlich sehr gut verwenden, in allen Gremien, die wir haben.

Ich möchte hier noch einmal ganz klar sagen: „Einzelfälle“ zum längeren gemeinsamen Lernen gibt es in Deutschland inzwischen extrem viele. Wir haben mit Jena natürlich bewusst nur ein einzelnes Beispiel herausgenommen, gar keine Frage. Das haben wir sehr bewusst getan; Herr Bienst, das wissen Sie auch. Wir haben genau dieses Beispiel ausgewählt, aber es gibt inzwischen ganz, ganz viele Beispiele – in Thüringen und auch in sehr vielen anderen deutschen Bundesländern. Wir brauchen gar nicht mehr nach Europa zu schauen, sondern können uns auch schon in Deutschland umschauen.

Studie hin oder Studie her: Die Ergebnisse, die hier vorgestellt worden sind, sind so eindeutig und klar, dass man diesen Schritt eigentlich nur gehen kann. Wir werden dem Antrag natürlich zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion spricht Frau Friedel. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist der eine Punkt, der uns in diesem Gesetzgebungsverfahren schmerzt; aber das ist eben so. Inhaltlich sind wir sehr nahe bei Ihnen, liebe Fraktion GRÜNE, und sehr nah bei dem Anliegen der Fraktion DIE LINKE. Das ist ein uraltes sozialdemokratisches Herzensanliegen. Wenn ich vor ein paar Minuten oder vor einer Stunde davon gesprochen habe, dass wir ein Ermöglichungsgesetz wollten und wollen – und an

vielen Stellen auch geschaffen haben –, dann ist es umso bedauerlicher, dass uns das in jenem Punkt nicht gelungen ist.

Man muss aber eben auch feststellen: So ist das Leben. Koalition heißt: Wenn beide etwas wollen, dann geht es voran, wenn einer von beiden etwas nicht will, dann passiert das nicht. Das hat in diesem Fall negative Auswirkungen. Das hat in anderen Fällen auch positive Auswirkungen. Vorhin ist einmal die Rede gewesen von den Ressourceneffizienzen im System, die im Gesetzentwurf der Staatsregierung bestanden haben, aber jetzt nicht mehr bestehen. Manchmal ist das Nein eben auch gut, auch aus unserer Perspektive heraus.

An diesem Punkt müssen wir aber sagen: Wenn der Koalitionsvertrag sagt, wir stimmen gemeinsam, dann bleibt es auch dabei. Wir lehnen diese Anträge mit dem Arm, aber nicht mit dem Herzen ab.

(Oh-Rufe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Frau Kersten, bitte.

Frau Zais, wir lehnen Ihren Änderungsantrag ab, aber nicht aus ideologischen Gründen. Wir haben einen eigenen Antrag zum längeren gemeinsamen Lernen gestellt, den wir Ihnen noch vorstellen. Er geht nicht so weit wie Ihre Vorschläge. Von daher…

So, ich lasse jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe Nr. 2 in Gänze auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dagegen ist Nr. 2 dennoch mit Mehrheit zugestimmt worden.

Ich rufe auf Artikel 1 Nr. 3, Drucksache 6/9234, Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Wird die Einbringung gewünscht? – Bitte, Frau Falken.

Danke schön, Frau Präsidentin. Natürlich wollen wir den Änderungsantrag einbringen. Dieser Änderungsantrag beschäftigt sich mit § 1, in dem es um die Aufgaben und Ziele geht, die wir aus Sicht der Fraktion noch einmal klar formuliert haben: Fähigkeiten und Neigungen von Schülerinnen und Schülern, keine Ausgrenzung und Ähnliches.

Wir wollen – das wissen Sie, schon im Jahr 2004 hat mein Kollege Herr Hahn hier gestanden und das erklärt –, dass Abs. 2 Satz 2 ganz klar zu streichen und aufzugeben ist.

Wir wollen in einem Schulgesetz keine christlichen Traditionen formuliert haben, in welcher Form auch immer, weil es eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche gibt. Deshalb sind wir der Auffassung, dass dies nichts im Schulgesetz zu suchen hat.

Wir möchten in diesem Paragrafen auch das Diskriminierungsverbot ganz klar formulieren. Das Leben an den Schulen mit den Schülerinnen und Schülern und natürlich auch mit den Lehrern und Eltern soll diskriminierungs- und vorurteilsfrei durchgeführt werden. Das ist unsere Vorstellung und unser Ziel für § 1.

(Beifall bei den LINKEN)

Wer möchte bitte zum Antrag sprechen? – Herr Bienst.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Da wir auch hier wieder das längere gemeinsame Lernen haben und vor allen Dingen auch die christlichen Werte entfallen, auf die wir ganz großen Wert legen, müssen wir diesen Antrag der Linksfraktion ablehnen. – Danke.

Gibt es weiteren Redebedarf zum Änderungsantrag? – Frau Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir lehnen auch diesen Antrag ab, aus zweierlei Gründen. Zum einen ist die inklusive Bildung als Ziel der Schulentwicklung benannt worden. Das lehnen wir ab. Das wissen Sie. Zum anderen gehen wir nicht konform mit Ihrer Forderung, dass die christliche Tradition gestrichen werden soll.