Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun für die AfDFraktion Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Die AfD wird auch und gerade jetzt nach der Wahl den Finger in die politische Wunde des Landes legen – ja, das machen wir.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Mut zur Wahrheit ist unser Slogan – daran ändert sich nichts. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass sich an unserer Auffassung zum Thema Abschiebestopp nach Afghanistan nichts geändert hat.

Die Worte eines Redners vom 16. März dieses Jahres waren sehr brisant. Der Herr Ausländerbeauftragte Mackenroth sagte damals hier wörtlich: „Ich halte einen pauschalen Stopp aller Abschiebungen für falsch. Diejenigen, die das wollen, müssen sich bitte zunächst in den Gesetzgebungsorganen die politischen Mehrheiten suchen, um dies ins Gesetzblatt zu schreiben – dann wäre das geltendes Recht, an das ich mich ebenfalls halten würde.“

Auf diese Aussage hin rief dann Herr Gebhardt von der antragstellenden Linksfraktion: „Das können wir Ihnen versprechen – am 24. September!“ Nun ist der 24. September drei Tage her, und die von den LINKEN herbeifantasierten Mehrheiten haben sich als Wunschdenken bestätigt.

(Zurufe von der AfD: Gott sei Dank!)

Auch die gleiche arrogante Haltung der CDU wurde abgestraft. Wer von beiden – Herr Gebhardt oder Herr Tillich – nun frustrierter ist, weiß ich nicht.

(Rico Gebhardt, LINKE: Ich werde schon wieder mit Herrn Tillich in einen Topf geworfen!)

Wissen Sie auch, warum Sie abgestraft worden sind? Weil es die Bürger satt haben, dass sie stets und ständig für dumm verkauft werden. Der vorliegende Antrag ist dafür der beste Beweis. Er offenbart das Versagen der Altparteien im Bundestag seit weit über einem Jahrzehnt. Dass die GRÜNEN in den Punkten 3 und 4 des Antrages eigentliche Selbstverständlichkeiten erfragen müssen, spricht Bände über die Transparenz des Regierungshandelns.

Möglichst wenig konkrete Informationen zu geben, scheint nicht nur in Sachsen, sondern auch im Bund Staatsräson zu sein. Mit den Punkten 1 und 2 Ihres Antrags – also der generelle Abschiebestopp nach Afghanistan und die erleichterte Vergabe von Schutzrechten an Afghanen – zeigen Sie, dass Sie weiter Politik am Willen der Sachsen vorbei machen.

(Volkmar Winkler, SPD: Nein, auf dem Boden des Grundgesetzes!)

Gehen wir noch einmal zurück in das Jahr 2001 – bis dahin muss man zurückgehen, denn dort kommt das her. Wer war es denn, der die Demokratie am Hindukusch verteidigen wollte? Das waren die GRÜNEN zusammen mit der SPD. Eine rot-grüne Bundesregierung trommelte für den Krieg in Afghanistan als treue Vasallen der USA, und alle anderen – mit Ausnahme der Linkspartei – applaudierten. Ich war damals selbst Soldat, und ich jubelte nicht. 16 Jahre später fällt den gleichen Parteien ein, wie schlimm die Folgen des Krieges dort sind – das

konnte ja niemand vorausahnen. Was hier passiert, meine Damen und Herren, das stinkt zum Himmel!

Deutsche Soldaten sind über Jahre in Afghanistan gefallen, 56 an der Zahl. Einige der guten Kameraden kannte ich auch persönlich. Viele andere haben sich bis heute nicht von den Bildern des Krieges erholt. Darüber hinaus wurden Milliardensummen in den Krieg und in den Wiederaufbau gesteckt.

Der Wiederaufbau und die Herstellung der Sicherheit in Afghanistan, das ist Aufgabe der Afghanen und niemandes anderen. Wie erklären Sie denn den Müttern, den Frauen und Kindern der toten deutschen Soldaten, dass sich die jungen Afghanen unterdessen hier aufhalten und es sich gut gehen lassen. Allein in Sachsen halten sich rund 6 000 Afghanen auf. 353 von diesen sind vollziehbar ausreisepflichtig. Insgesamt in Deutschland sind gut 15 000 Afghanen ausreisepflichtig – Tendenz steigend. Im ersten Halbjahr 2017 gab es gar keine Abschiebungen nach Afghanistan. Jetzt könnte man denken: Dann ist der Antrag eigentlich sowieso völlig überflüssig.

Insgesamt ist die Abschiebequote ein Witz. Nach wie vor kommen nach Deutschland in einem Monat fast so viele Flüchtlinge, wie in einem halben Jahr gehen. Wir haben von einer groß angekündigten Abschiebeoffensive gehört. Das war ein Märchen vor der Wahl, und das Ende der Asylkrise in Deutschland ist ein Märchen. In diesem Jahr kommen wieder über 200 000 Asylanten und vielleicht ähnlich viele Familiennachzügler.

Jetzt einmal von all dem abgesehen, verlassen Menschen aber sogar freiwillig Deutschland in Richtung Afghanistan, während Sie hier diesen Antrag stellen und wir darüber sprechen müssen. Es ist eigentlich unbegreiflich.

Wir fassen es einmal kurz zusammen: Es gibt Hunderttausende Ausländer in ganz Deutschland, die ihrer Pflicht nicht nachkommen, nämlich aus Deutschland auszureisen, obwohl sie abgelehnt sind. Die Kriminalität insgesamt in Deutschland steigt aufgrund der Zuwanderung. Geld fehlt überall: für die Infrastruktur, für die Schulen, für die Polizei, für die Pflege usw. Wir geben allein in Sachsen 780 Millionen Euro in diesem Jahr für direkte Asylkosten aus.

Abschiebungen werden dagegen kaum durchgeführt. Asyl wird immer mehr für die Einwanderung mit Bleibeanspruch genutzt, statt ein Schutzrecht auf Zeit zu sein. Die GRÜNEN wollen sogar Abschiebungen von Gefährdern, von Straftätern und Ausreisepflichtigen, die hartnäckig die Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, nicht vollziehen. Im Gegenteil sollen die Schutzrechte von diesen Leuten noch ausgebaut werden; das ist völlig grotesk!

(Beifall bei der AfD)

Der Antrag ist aber auch gefährlich, weil er massive Fehlanreize schafft. Er ist damit natürlich auch gefährlich für unseren Sozialstaat, und letzten Endes – wir haben an anderer Stelle schon einmal darüber gesprochen – muss das Ganze ja auch irgendwie bezahlt werden. Aber die

Fehlanreize sind insofern gegeben, als man nun größere Anreize hat, illegal nach Deutschland zu kommen und sich in Deutschland auch nicht rechtskonform verhalten zu müssen, wenn man denn schon einmal hier ist.

Werte GRÜNE, ich weiß leider, dass es Ihr Ernst ist: dieser Antrag, diese Politik. Ich hoffe, dass sich das auch bei Ihren Restwählern herumspricht. Vielleicht folgen Sie mit diesem Antrag auch der Devise Ihres alten Außenministers Joschka Fischer, der gesagt hat: „Meine Maxime als Außenminister ist es, Deutschland von außen einzuhegen und von innen zu verdünnen.“ Insofern würde dieser Antrag völlig dazu passen. Wir haben eine völlig andere Auffassung, und deswegen werden wir Ihren Antrag auch ablehnen.

(Beifall bei der AfD)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister, bitte, Sie haben Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn es um Abschiebung geht, wenn es um Afghanistan geht, dann wird es durchaus emotional und wird es durchaus kontrovers. Das alles kann ich verstehen.

Aber glauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in solchen Fällen ist meine Meinung ganz klar, dass in Sachen Asyl und Abschiebung besonders gründlich und nüchtern, aber auch ehrlich danach zu schauen ist: Was ist rechtsstaatlich geboten, was ist humanitär vertretbar und was eben nicht?

Fakt ist aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren – das habe ich in diesem Hohen Hause schon mehrfach gesagt, und das haben wir nach gründlicher Beratung auf der Innenministerkonferenz auch entschieden –: Eine generelle Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht zielführend und politisch das falsche Signal. Abschiebungen nach Afghanistan – das will ich sehr klar und deutlich sagen – werden jetzt schon nur in Ausnahmefällen und anders, als es hier gerade behauptet worden ist, nur nach sorgfältiger Einzelfallprüfung durchgeführt.

Wenn es um Abschiebungen geht, dann reden wir über Ausreisepflichtige und nicht etwa über eine Willkürentscheidung eines Behördenmitarbeiters. Hier geht es um Gefährder, um Straftäter und um Personen, die hartnäckig ihre Mitwirkung bei der Identitätsklärung verweigert haben. Zum Thema Abschiebungen und Straftäter – um es an dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen und so darzustellen, wie es richtig ist –: Von den acht Leuten, die im Flugzeug nach Afghanistan bei dem Flug saßen, den Sie jetzt angesprochen haben, sind sieben Straftäter unmittelbar aus dem Strafvollzug und einer aus der Abschiebehaft gekommen. Was waren die Gründe, warum sie gesessen haben? Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, gefährliche Körperverletzung, räuberischer Diebstahl!

(Zurufe von der CDU)

Solchen Leuten weiterhin hier bei uns einen Aufenthalt zu gewähren, halte ich schlichtweg für falsch.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Im Übrigen hat das Auswärtige Amt vor Kurzem eine Neubewertung in Form eines Zwischenberichts zur Situation im Land abgegeben. Ich möchte die Details jetzt nicht vortragen; Herr Hartmann hat sich ausführlich dazu geäußert. Demnach hängt die Sicherheitslage der Menschen in Afghanistan sehr stark von individuellen Faktoren ab. Nur ganz kurz: Darunter fallen Wohnort, Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, Beruf und Geschlecht. So gibt es offenkundig nach der Bewertung des Auswärtigen Amtes einige Gebiete im Land, die als relativ sicher eingestuft werden können, in die eine Rückkehr möglich ist.

Das zeigt auch die jährlich hohe Zahl der freiwilligen Ausreisen nach Afghanistan, in ihre Heimat. Insbesondere aus dem Nachbarland Pakistan kehrten laut UNHCR und nicht einer deutschen Behördenstatistik 380 000 Menschen im Jahr 2016 zurück. Allein in Sachsen haben wir im Jahr 2016 3 300 freiwillige Rückreisen gezählt.

Ganz abgesehen davon: Jeder Asylbewerber aus Afghanistan – das will ich auch so klar und deutlich sagen – hat es in erster Linie selbst in der Hand, keinen der genannten Anlässe für eine Abschiebung zu geben. Deshalb erfolgen keine Rückführungen besonders von schutzbedürftigen Personen, von Frauen und Kindern.

Die Anerkennungsquote – ja, darüber ist gesprochen worden – lag im ersten Halbjahr 2017 bei 44 %, die Schutzquote in der EU bei 32 %. Deshalb halte ich es auch nicht für richtig, den Mitarbeitern des BAMF hier zu unterstellen, sie würden keine Einzelfallprüfung vornehmen und sozusagen nach politischen Vorgaben handeln.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in einem Rechtsstaat. Natürlich können Behördenmitarbeitern in einem Rechtsstaat auch Fehler passieren. Aber jede Entscheidung des BAMF ist in Deutschland gerichtlich überprüfbar: von unabhängigen Gerichten, von einer unabhängigen Justiz. Davon wird gerade auch in diesen Fällen enorm Gebrauch gemacht. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, halte ich es für absolut nicht hinnehmbar, dies den Behörden zu unterstellen.

Zum Zweiten. Sie haben gesagt, die Mitarbeiter des BAMF hätten unter hohem Druck zu arbeiten. Das ist völlig richtig. Aber wenn wir uns die Zahlen anschauen – das BAMF ist um 5 000 Mitarbeiter aufgestockt worden –, dann erkennen wir: Man hat auf Bundesebene dafür gesorgt, dass Personal zugeführt wird, um diese Fälle entsprechend entscheiden zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus all den von mir genannten Gründen empfiehlt die Staatsregierung, den vorliegenden Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe zum Schlusswort auf. Frau Abg. Zais, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das habe ich befürchtet, Herr Staatsminister Ulbig, dass Sie genau diese Keule schwingen. Das ist keine feine Klinge, sondern das ist eine schwere Keule.

(Oliver Fritzsche, CDU: Das ist aber die Wahrheit!)

Natürlich ist das die Wahrheit, aber Sie dürfen doch nicht so tun – so kommt das in der Öffentlichkeit an –, als wenn in Deutschland keine Vergewaltiger leben, als wenn in Deutschland niemand lebt, der Kinder missbraucht. Das ist keine Eigenschaft, die wir Asylbewerbern zuordnen.

(Oliver Fritzsche, CDU: Darum geht es nicht in diesem Fall!)

So kommt das rüber, so wird das benutzt, um das zu rechtfertigen.