Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Eigentlich hätte ich nach Herrn Pallas fast sitzen bleiben können.
Der Antrag der GRÜNEN enthält ein paar gute Ideen. Aber er ist in letzter Konsequenz einfach nicht durchdacht und auch nicht stringent. Hier wurden – klarer Fall – Kompetenzen vorgetäuscht. Auf jeden Fall hilft er uns nicht weiter.
Sie fordern einerseits in dem Antrag eine Höchstfrist oder Interventionszeit von 20 Minuten. Andererseits wollen Sie eine Besetzung von Polizeirevieren in Städten mit mehr
als 10 000 Einwohnern rund um die Uhr. Was wollen Sie denn jetzt? Wenn Sie flächendeckend eine Hilfsfrist haben wollen, dann ist die Forderung nach den Revieren mehr oder weniger überflüssig, weil die Polizei in diesem Fall schon da ist. Sie hätten es sich einfach sparen können, das hier hineinzuschreiben. Oder wollen Sie den Verwaltungsapparat bei der Polizei aufblähen?
Entscheidend ist, ob Polizisten auf der Straße sind. Da kann ich auch bestehende Polizeistandorte aufwerten. Ich kann sie rund um die Uhr besetzen. Das muss ich in Schwerpunktlagen machen. Das muss ich in Direktionen machen, die ein höheres Kriminalitätsaufkommen haben. Das muss ich in der Grenzregion machen.
Ich muss mir überlegen, ob ich analog der Hilfsfrist beim Rettungsdienst so etwas auch bei der Polizei brauche. Da kommen wir zu einem anderen Punkt. Sie haben sich einfach die Zahl 20 Minuten ausgewürfelt. Die ist ungefähr genauso ausgewürfelt wie die 1 000 Stellen in der Fachkommission.
Wenn wir einen Einsatz mit Gefahr für Leib und Leben haben und die Polizei 20 Minuten braucht, während der Rettungsdienst nach 12 Minuten da ist, was soll dann bitte schön der Rettungsdienst die 8 Minuten mit dem Straftäter anfangen? Wir müssen das schon irgendwie angleichen. Deshalb ist es sachdienlich, hier planerisch eine Interventionszeit für die Polizei von 12 Minuten vorzusehen.
Aber wenn Sie wollen – und das habe ich verstanden –, dass die Polizei nicht nur eine reine Auftragspolizei ist, dann müssen Sie schauen, wie Sie das Ganze gewährleisten. Sie klammern sich quasi mit dem Antrag sklavisch an diese 20 Minuten.
Das heißt aber, dass ich so etwas planen muss. Ich muss sehen, was von einem Standort im Umkreis zu erreichen ist. Dann bleiben gewisse weiße Flecken, die ich füllen muss. Wie soll ich allerdings Ihre Vorgabe, Gefahr für Leib und Leben oder Täter auf frischer Tat, durchsetzen? Ich weiß ja meist gar nicht, ob tatsächlich noch ein Täter auf frischer Tat ist. Er kann ja beim Einbruch immer noch da sein. Das weiß vielleicht der Meldende nicht. Er weiß nur, dass die Tür offen steht. Dann heißt das, dass ich immer einen Streifenwagen auf dem Revier vorhalten muss, der wartet, bis der Auftrag kommt, zu dem er fährt, und dass der Polizist, wenn er sich dessen, was Sie fordern, ernsthaft annimmt, nicht auf die anderen Seite seines Revierbereiches fahren kann, weil er dann vielleicht eine tatsächliche Fahrzeit von 40 Minuten hat. Er könnte dann die Vorgabe nicht mehr erfüllen.
Was Sie hier fordern, führt faktisch zu einer Auftragspolizei. Das wiederum bedeutet: Ich habe keine Verkehrskontrollen draußen und werde weniger Streifen in den Revierrandbereichen führen. Wahrscheinlich wird Ihre Fraktion eine der ersten sein, die dann die Kleinen Anfragen stellt, um zu erfahren, ob die Hilfsfristen alle eingehalten worden sind oder warum das nicht der Fall war. Vielleicht
Insgesamt ist Ihr Antrag im Ansatz also nicht schlecht, aber inhaltlich völlig falsch. Wir können mit Ihrem Antrag in der Form nichts anfangen. Allein berechtigt daran ist die Kritik an der Evaluation der Polizeireform 2020 und die Kritik an der Staatsregierung.
Mit Herrn Wippel sind wir am Ende der Rednerrunde aus den Fraktionen angekommen. Wir könnten eine neue eröffnen. Möchte das die einbringende Fraktion machen? Sie verfügt noch über satte 39 Sekunden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs sei gesagt: Dass sich zwischen 2009 und heute eine dramatische gesellschaftliche Veränderung ergeben hat, das können Sie natürlich immer wieder gern ansprechen, aber das haben wir lange selbst erkannt und darauf haben wir auch reagiert. Gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass man auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert, indem man sie wahrnimmt und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass diese gesellschaftlichen Veränderungen auch an diesem Prozess, am Konzept „Polizei 2020“, Veränderungen notwendig machen, ist selbstverständlich. Deshalb haben zuerst die Staatsregierung und dann wir gemeinsam – hier im Hohen Hause – reagiert.
Ich will es noch einmal deutlich sagen: Im Herbst 2015 war es zunächst der Stopp des Stellenabbaus. Wenig später hat dann auch die Fachkommission ihre Evaluation abgeschlossen und im Wesentlichen zwei Dinge attestiert. Erstens: Der ursprüngliche Personalansatz ist nicht ausreichend. Wir brauchen mehr Personal. Zweitens: Das Standortkonzept hat sich hingegen grundsätzlich bewährt und soll aus den Gründen, die Herr Abg. Pallas angesprochen hat, so bleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst zum Punkt 1, zum Personalansatz. Es ist jedem bekannt, dass
wir die Ausbildung deutlich erhöht haben. Ich freue mich, morgen in Riesa 611 Anwärterinnen und Anwärter zu vereidigen. Das ist die höchste Zahl, die wir seit 20 Jahren verzeichnen können, und es ist ein deutliches Zeichen, dass wir es ernst nehmen.
Ab dem Jahr 2018 werden wir diese Zahl noch einmal um 100 erhöhen; pro Jahrgang 700. Dann – und das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen, so wie ich es Ihnen auf die Kleine Anfrage 6/11027 beantwortet habe – werden wir im Jahr 2022 zum ersten Mal die 14 000er Zahl reißen. Wir werden also 1 000 Polizisten mehr im Dienst des Freistaates Sachsen haben gegenüber der Ausgangszahl von 2015.
Schauen Sie auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 6/11027. Dort habe ich es Ihnen aktuell noch einmal aufgeschrieben und in tabellarischer Form vorgetragen.
Meine Damen und Herren! Bei der Aufteilung dieser neuen Stellen zählt für mich nur eine Kategorie: Kommen diese Polizisten bei den Leuten an? Unser Ziel ist deutlich und klar: Zwei Drittel dieser 1 000 Polizisten kommen sozusagen auf der Straße, und das bedeutet im Wesentlichen, in den Revieren an. Das heißt, in Form von Streifenfahrten, Ermittlungsarbeit, Bürgerpolizisten, Präsenz, unter anderem auch in festen Streifenbereichen rund um die jeweiligen Polizeireviere und Standorte. Diese Modelle können unsere Revierleiter bald mit Leben erfüllen. Das übrige Drittel soll vor allem die Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Polizeidirektionen personell stärken und dann für besondere Einsatzlagen zur Verfügung stehen.
Herr Lippmann, ich sage ganz deutlich: Ich bin dagegen nicht bereit – und das ist der zweite Punkt –, fast die Hälfte der neuen 1 000 Stellen allein für administrative Zwecke einzusetzen.
Wir wollen mehr Polizisten auf der Straße als hinter dem Schreibtisch. Genau das wäre die Folge Ihres Antrages, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn wir es einmal durchrechnen: Wenn wir in jeder Stadt mit mehr als 10 000 Einwohnern ein eigenständiges Polizeirevier unterhalten würden, dann würde das letztlich einen Zuwachs – es gab unterschiedliche Zahlen – von über 30 Polizeirevieren in Sachsen nach sich ziehen. Nun sind allein 14 Polizeivollzugsbeamte für die Aufrechterhaltung des eigenständigen Dienstbetriebs für administrative Funktionen und Leitungen erforderlich, und – das will ich deutlich sagen – davon merkt eben wirklich kein Bürger etwas. Summa summarum würden rund die Hälfte der Beamten gefordert werden, die Hälfte von den 1 000 Stellen, die dann auf der Straße fehlen, meine Damen und Herren.
Gerade in dieser Diskussion hatte ich außerdem das Gefühl, dass einige davon ausgehen, dass man Kollegen am Schreibtisch oder am Revierstandort stehen hat, die warten, bis der Einsatz kommt. Dem ist nicht so. Viel praxisnaher und außerdem sinnvoller ist es, wenn unsere Streifen möglichst lange Präsenz auf der Straße zeigen und dann direkt von dort, geführt über das Einsatz- und Lagezentrum, zu den Einsätzen fahren.
Gute Polizeiarbeit braucht ausreichend gutes Personal, aber nicht ein separates Revier in jeder Stadt. Ja, wir haben aus eigenen Revieren Polizeistandorte gemacht. Diese sind auch heute noch in der Kommunikation, in der Regel mit Klingel und Sprechanlage, angeschlossen, sodass es auch dort möglich ist – vielleicht nicht unmittelbar, aber über einen Umweg – sich direkt beim zuständigen Revier zu melden.
Wenn sich natürlich vor Ort zeigt, an diesem oder jenem Polizeistandort gibt es triftige Gründe, zum Beispiel verlängerte Öffnungszeiten anzubieten oder diesen personell zu stärken, dann wird das in der zuständigen Polizeidirektion im Einzelfall geprüft. Dann wird gegebenenfalls auch nach anderen Lösungen gesucht. Ein praktisches Beispiel ist Taucha, wo jetzt wieder ein Streifenwagen rund um die Uhr unterwegs ist. Deshalb sind die Leiter der Polizeidirektionen beauftragt, auf ihrem Gebiet zu schauen, wo in der Ablauforganisation gegebenenfalls Optimierungsbedarf besteht. Eine grundsätzliche Rückkehr zur alten Revierstruktur wird es aber so nicht geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb kann ich zum Schluss sagen: In Sachsen gibt es eine professionelle, verlässliche, leistungsbereite, belastbare und sehr gut ausgebildete Polizei, eine Polizei, die hohen Einsatz zeigt und bei der ich mich hier noch einmal ausdrücklich, auch in Anwesenheit, ganz herzlich bedanke; eine Polizei, die in der Bevölkerung anerkannt ist, was zuletzt auch der Tag der offenen Tür der Polizeidirektion am vergangenen Sonntag gezeigt hat.
Die sächsische Polizei ist und bleibt ein wichtiger Garant für Stabilität und Sicherheit in unserem Freistaat. Dafür braucht sie ausreichend Personal, gute Ausstattung und eine sinnvolle, kontinuierliche Struktur. Was sie aber nicht braucht, sind Vorschläge, durch die weniger Beamte auf die Straße kommen. Aus diesem Grund empfiehlt die Staatsregierung, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Staatsminister Ulbig sprach für die Staatsregierung. Jetzt kommen wir zum Schlusswort, gehalten von der Fraktion GRÜNE durch Herrn Kollegen Lippmann.
Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Fehler einzugestehen und zu korrigieren ist ja keine Schande. Sie aus Angst davor weiterzumachen, ist unverantwortlich.