Ich muss jetzt einfach einmal das Wort nehmen. Ich unterbreche wirklich sehr ungern die Zwiegespräche.
Frau Wilke, wir waren in der Vergangenheit schon häufig Zeuge von sehr kreativen intellektuellen Verrenkungen, die Sie hier im Hause praktizieren und vollführen. Das können wir jetzt wieder beobachten.
Dass Sie selbst vielleicht nicht gehetzt haben, weil Sie klug genug sind, das nicht zu tun, das glaube ich Ihnen sogar. Aber Ihr Fraktionsvorsitzender, dem Sie ja, wenn Sie im Raum waren, zugehört haben, rechtfertigt doch genau diese Art der Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt. Er sagt: „Weil vermeintlich der Staat Gesetze bricht, ist der Bürger berechtigt, sich in dieser Art und Weise zu verhalten.“ Das kann man nicht anders als zurückweisen,
weil sowohl das eine als auch das andere vollkommener Blödsinn ist. Ich meine, ganz ehrlich: Ihr geistiger Weg von der Grünen Liga zur AfD ist wahrscheinlich das Kreativste, was die Parlamentsgeschichte oder überhaupt die politische Geschichte in Deutschland zu liefern hat.
Aber ich habe es langsam wirklich satt, mich mit diesen Relativierungen und dann dieser Larmoyanz zu beschäftigen. Dann stehen Sie doch wenigstens einmal zu dem, was Sie sagen!
Sie drehen sich dann im Zweifel immer weg, nachdem Sie den Brand gelegt haben, und sagen, Sie hätten damit nichts zu tun. Das ist in hohem Maße verantwortungslos.
Meine Kollegin Petra Zais hat schon einiges dazu gesagt. Ich beziehe mich auf das, was Alexander Dierks hier gerade gesagt hat. Auch ich bin sehr dankbar, dass sich Alexander Dierks hinter den Aufruf gestellt hat. Aber ich glaube, wir alle müssen dazulernen, auch in der Definition und der Deutungshoheit oder vermeintlichen Deutungshoheit, was Zivilgesellschaft ist.
Die Vorbereitung für den Samstag war für alle offen, auch für die CDU. Wir haben das auch mehrfach bekannt gegeben. Man kann mit den Menschen reden. Sich hier hinzustellen und zu sagen, was jetzt sauber und nicht sauber ist, das ist unlauter in dieser Situation. Gerade bei der Vorrednerin müssen doch alle bemerkt haben, dass wir weiß Gott im Moment andere Probleme haben. Worauf sich das bezieht, der Spruch, den ich im Netz lesen kann, was von der Band gesungen wird, „Nie wieder Deutschland“, das – mit Verlaub – auf den Schwur von Buchenwald bezogen ist.
Ich dachte, darüber sind wir uns alle einig. Ich bin wirklich gesprächsbereit. Wir müssen auch Dinge auswerten, das ist keine Frage. Aber ich glaube, wir alle müssen jetzt, wenn wir ein breites Bündnis gegen dieses Rechtsaußen wollen, ein bisschen dazulernen und vielleicht auch mehr reden.
Sie fordern selbstverständlich die Distanzierung von uns zu bestimmten Dingen. Ich bin, glaube ich, argumentativ sehr deutlich aufgetreten. Ich habe auch gesagt, was ich für die größte Bedrohung in dieser Demokratie halte, und ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, dass der eine oder andere sich mal mehr hinterfragt.
Ich glaube, politischer Kompromiss sieht ja nicht so aus, dass einer auf seinem Standpunkt bleibt und der andere nähert sich immer und immer weiter an, bis man dann dort ist. Es geht darum, dass hier jeder mal ein Stück weit
über seinen Schatten springt. Deswegen habe ich meine Erlebnisse von Samstag mal hier dargestellt. Ich denke, das ist erlaubt und in so einer Debatte auch mal sinnvoll. Ich habe es mir angeschaut. Was ich erlebt und was ich gefühlt habe, habe ich gesagt. Welche Konsequenzen Sie daraus ziehen, das liegt bei Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn eingehen auf etwas, was Herr Urban gerade gesagt hat: Er hat Gewaltaufrufe für seine Partei und seine Fraktion ausgeschlossen. Herr Urban, das mag so sein, dass Sie keine unmittelbaren Gewaltaufrufe tätigen. Aber was Sie seit 2014 massiv hier in diesem Freistaat Sachsen tun, ist eine Lunte zu legen, die kürzer und kürzer wird, und sie bei jeder Gelegenheit anzuzünden. Das können Sie nach diesem 1. September auch nicht mehr leugnen, wenn aus Ihrer Versammlung heraus Straftaten begangen werden, für die Sie auch eine Mitverantwortung tragen.
Meine Damen und Herren, es ging in dieser Debatte jetzt viel um die Aufarbeitung der Ereignisse der letzten Tage. Wir hatten harte und wirklich besorgniserregende Angriffe gegen die Demokratie und die notwendige Verteidigung. Das ist richtig. Es ist für viele aber auch eine schwierige Zeit. Das dürfen wir bei alldem auch nicht vergessen. Zunächst für die Angehörigen des getöteten Mannes, denen ich trotz und wegen der derzeitigen Ereignisse viel Kraft und auch Ruhe wünsche.
Es war und ist schwierig für Polizistinnen und Polizisten, welche vor und nach dem 26. August in der Stadt Chemnitz alles geben, um Einsätze gut zu bewältigen und Sicherheit und Ordnung in Chemnitz aufrechtzuerhalten; obwohl – und das gilt ausdrücklich auch für Montag, den 27. August – klar ist, dass die Abläufe im Vorfeld dieses Einsatzes bei den Sicherheitsbehörden nicht optimal waren. Vor allem aber ist es schwer für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer – so viel Öffentlichkeit, so viel Druck, so viel Hass und Gewalt und ungerechte Zuschreibung von außen. Wir haben es in der Debatte schon gehört.
Meine Damen und Herren, die eigentliche Arbeit aber liegt vor uns. Vor uns allen. In den letzten Tagen ging, aus meiner Sicht, die Frage nach der tatsächlichen Situation in der Stadt Chemnitz und auch bei uns im Land etwas unter. Damit müssen wir uns, damit müssen sich Sicherheitsbehörden in Stadt und Land dringend auseinandersetzen. Wir haben eine unüberschaubare Zahl von Menschen in Chemnitz, die sich in der Innenstadt an bestimmten Ecken unwohl fühlen oder Angst haben. Das ist für sich genom
men sehr ernst zu nehmen, denn wer Angst hat, beschränkt sich selbst in seiner Freiheit. Er geht nicht mehr an bestimmte Orte und verliert dann das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat. Das müssen wir verhindern.
Wir müssen dabei aber auch trennen zwischen diesen Gefühlen und tatsächlichen Probleme an diesen innerstädtischen Orten. Dass es sie gibt, zeigen zahlreiche Berichte, die uns erreichen. Es geht um Hotspots von Drogenhandel, es geht um Beschaffungskriminalität, Belästigung von Frauen, genauso wie um wachsende Konfrontationen, Hass und Gewalt zwischen Menschengruppen auf der Straße. Wir müssen uns mit den Personen beschäftigen, die für Unruhe und Kriminalität sorgen, ob sie Deutsche oder Nichtdeutsche sind.
Leider fokussiert diese Debatte viel zu sehr auf Ausländer. Meine Kollegin Hanka Kliese hat es vorhin als absurd bezeichnet, dass Angela Merkel dafür verantwortlich gemacht wird, dass Menschen auf der Straße so entgleisen. Ich stimme ihr da zu 100 % zu. Trotzdem müssen wir uns mit den konkreten Problemen, auch in Zusammenhang mit der Zuwanderung, auseinandersetzen. Es gibt die Zuwanderer, welche sich beharrlich nicht integrieren wollen, welche kriminell sind oder werden. Einige von ihnen werden zu Intensivstraftätern; nicht nur Gewaltstraftaten. Es geht auch um das Schwarzfahren und dergleichen. Es gibt diese Menschen. Das ist auch nicht neu.
Ich stelle mir schon die Frage, was unsere Ausländerbehörden in dieser Frage unternehmen. Stattdessen lese und höre ich allerorts Berichte, dass gut integrierte Menschen vom Arbeitsplatz weg oder aus der Ausbildung oder der Schule heraus abgeschoben werden. Dabei gibt es die 3+2-Reglungen. Dafür haben 2015 Bundestagsabgeordnete von CDU und SPD hart gerungen. Sachsen bekommt es einfach nicht hin, die 3+2-Regelung umzusetzen, meine Damen und Herren.
Die Behörden, so empfinde ich es, gehen den einfachen Weg und schieben die ab, die einfach zu bekommen sind, die Anständigen, die Bemühten, die gut Integrierten. Die Debatte führen wir jetzt zum wiederholten Male. Vielleicht fruchtet sie endlich einmal.
Es ist unendlich wichtig für die Integration und den sozialen Frieden in diesem Land. Konzentrieren wir uns bitte darauf, die Ausreisepflicht zunächst bei denen durchzusetzen, die kriminell sind.
Dazu gehört noch ein weiteres Thema: der Spurwechsel. Als Freistaat Sachsen sollten wir die Bemühungen der Bundesregierung, den Spurwechsel einzuführen, tatkräftig unterstützen.
Ich freue mich ausdrücklich, dass der Sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth sich erst kürzlich in dieser Frage positiv positioniert hat.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Kollege Pallas, sind Sie ebenso wie ich irritiert, dass sich die oft angesprochene AfD-Fraktion, die hier Gegenstand von Diskussionen ist, offensichtlich nicht mit dem Redebeitrag, den Sie halten – auch vorher von anderen – beschäftigt, sondern irgendwelche internen Diskussionen führt?
Ich danke für diese Frage, die mir Gelegenheit gibt, auf diese Besonderheit von parlamentarischer Arbeit Bezug zu nehmen. Ich denke, es steht für sich, was die AfD sich herausnimmt, aber ich halte es damit wie Herbert Wehner, der gesagt hat: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen!“.
Meine Damen und Herren, in der Debatte geht es auch um die allgemeine Sicherheit im öffentlichen Raum. In den letzten Monaten ist schon einiges passiert. Das darf nicht unerwähnt bleiben. Es gibt die Videokameras in der Stadt Chemnitz. Man kann dazu stehen, wie man will. Es gibt sie. Es finden Schwerpunktkontrollen der Polizei statt, aber wir wissen, beides bisher ohne spürbaren Erfolg.
Was ist also noch zu tun? Ich glaube, wir sollten die Situation als Chance nehmen und eine verbindliche Sicherheitspartnerschaft zur Stärkung von Ordnung und Sicherheit zwischen Chemnitz und dem Freistaat Sachsen ins Leben rufen. Dazu gehören Fragen der Polizei und Ordnungspräsenz genauso wie die Unterstützung der Bereitschaftspolizei in der Stadt sowie eine verstärkte Präsenz der Bundespolizei in Bahnhöfen oder Zügen, wie das Bundesinnenministerium, wie Herr Bundesinnenminister Seehofer angeboten hat.
Wir müssen uns auch mit der Waffenproblematik, mit der Messerproblematik auseinandersetzen. Ich sage es frei heraus: Ich bin dafür, dass wir prüfen, ob in Chemnitz eine zeitlich befristete Waffenverbotszone eingerichtet werden sollte, die der Polizei die Möglichkeit gibt, mit den Menschen, die gewaltbereit sind, angemessen umzugehen.